Kooperation in nicht-kooperativen Spielen

Vergleich der Kooperationsraten in Verlust- und Gewinnspielen am Beispiel einer Vignettenanalyse


Seminararbeit, 2006

20 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Spieltheorie und nicht-kooperative Spiele zur Klärung sozialer Dilemmata
2.1 Gefangenendilemma, Vertrauensspiel und Ultimatumspiel
2.2 Anomalien und Kooperation

3 Erwartungsnutzentheorie vs. Prospect Theory
3.1 Verlustangst
3.2 Empirische Beispiele

4 Datenanalyse
4.1 Univariate Analyse
4.2 Bivariate Analyse
4.3 Multivariate Analyse

5 Ergebnisse

1 Einleitung

Treffen zwei Individuen in Entscheidungssituationen aufeinander, so versucht jedes Individuum seinen Nutzen zu maximieren, so würde es zumindest die Theorie rationalen Handelns behaupten. Und dennoch lässt sich empirisch be- obachten, dass Individuen teilen, miteinander kooperieren oder auch das Wohl anderer in ihre Entscheidungsfindung mit einfließen lassen. Diese Arbeit versucht zu erklären, wie es in kooperationsablehnenden Situa- tionen dennoch zu Kooperation kommen kann, wie die theoretischen Vorgaben mit den empirischen Befunden verknüpft werden können und ob die Betrach- tung von Verlustaufteilungen, anstatt von Gewinnaufteilungen, als Erklärung für die Diskrepanzen zwischen Theorie und Empirie herangezogen werden kann. Zuletzt wird anhand eines im Jahr 2005 an der Ludwigs-Maximilians- Universität München (LMU) erhobenen faktoriellen Surveys (oder Vignetten- analyse) am Beispiel eines Ultimatumspiels untersucht, ob und inwieweit Ko- operationsraten bei Verlust- und Gewinnaufteilung voneinander abweichen und welche Gründe dafür zu suchen sind.

2 Spieltheorie und nicht-kooperative Spiele zur Klärung sozialer Dilemmata

Bereits im 17. Jahrhundert stellte sich Thomas Hobbes die für die Soziolo- gie zentrale Frage, wie es zu Kooperation zwischen Individuen kommen kann, wenn es sich doch mindestens für ein Individuum lohnt opportunistisch zu den- ken und andere auszubeuten (vgl. Berger, 2005, S.1). Hobbes befand damals, dass der Mensch, sollte er nicht unter staatlicher Kontrolle stehen, sich im Kriegszustand befindet ”undzwarimKriegeinesjedengegenjeden“(Hobbes 1998/1651, S.104).Unter diesen Voraussetzungen w¨are Kooperation zwischenIndividuen unm¨oglich. Ein soziologischer Ansatz, sich diesem sozialen Dilemmazu n¨ahern, ist die Spieltheorie.

Die Spieltheorie hat sich dieses sozialen Dilemmas angenommen und simu- liert es mittels nicht-kooperativer Spiele. Das Handeln der Spieler in nichtkooperativen Spielen unterliegt keiner Satzung oder keinen Gesetzmäßigkeiten, die Spieler maximieren demnach unabhängig von den Gegenspielern ihre eigenen Zielfunktionen (vgl. Orths, 2003, S.4). Anders formuliert kann man sagen, dass in kooperativen Spielen verbindliche Vereinbarungen zwischen den Spielern geschlossen werden können, wohingegen dies bei nicht-kooperativen Spielen nicht möglich ist (vgl. Rasmussen, 2001, S.21).

2.1 Gefangenendilemma, Vertrauensspiel und Ultima- tumspiel

Die bekanntesten Vertreter nicht-kooperativer Spiele sind das Gefangenendilemma, das Vertrauens- und das Ultimatumspiel.

Das Gefangenendilemma beschreibt die Situation der getrennten Verhöre zwei- er Gefangener, die gemeinsam ein Verbrechen begangen haben. Gestehen beide das Verbrechen, so müssen beide für lange Zeit ins Gefängnis, gesteht nur einer der beiden, so wird der Geständige nur für kurze Zeit ins Gefängnis müssen, während der Verratene für sehr lange Zeit inhaftiert wird. Nur wenn beide die Aussage verweigern, kommen beide mit kurzen Gefängnisaufhalten davon. Das Gefangenendilemma ist deswegen nicht-kooperativ, da durch die getrennte Verhörsituation etwaige ”bindende“AbsprachenzwischendenbeidenGefange- nen nichtig werden. Dadurch wird das Gefangenendilemma erst zum Dilemma, denn obwohl beiderseitiges Verschweigen der Tat wohl am klügsten wäre, be- steht immer die Gefahr, vom anderen Gefangenen verraten zu werden. Das Nash-Gleichgewicht, das der Annahme der Maximierung des Erwartungsnut- zen folgt (vgl. Shalev,2004, S.1 ), wäre demnach gegenseitiger Verrat. Somit, und so ist eben die spieltheoretische Vorhersage, werden beide Seiten in ei- nem einfach gespielten (one-shot) Gefangenendilemma immer defektieren. Die Situation des Gefangenendilemmas ist natürlich auf alltägliche Entscheidungs- situationen übertragbar.

Im Vertrauensspiel geht es in der Regel darum, dass der Investor einen Teil seiner zur Verfügung stehenden Mittel investiert und der Treuhänder (Trustee) dann entscheidet, wieviel er vom gewonnenen Geld dem Investor wieder zurück zahlt.

In einem Ultimatumspiel wird es einem Spieler, dem sogenannten Proposer, offengelassen, wieviel er von einem bestimmten Betrag an den zweiten Spieler, dem Responder, abgibt. Der Respnder kann jedoch danach entscheiden, ob er die ihm angebotene Summe annimmt oder ablehnt.

Bei empirischen Untersuchungen zum Vertauensspiel, sowie zum Ultimatumspiel hat sich gezeigt, dass die Kooperationsraten, wie viel also dem Investor zurückgegeben wird oder wie viel vom Proposer abgegeben wird, schwanken, jedoch aber deutlich von Null, der spieltheoretischen Voraussage, abweichen (vgl. Camerer, 2003, S.48ff). Bei Ultimatum- bzw. Diktatorspielen ist in der Regel eine Kooperationsbereitschaft von 40% zu erwarten (Cherry, Frykblom und Shogran, 2002, S.1). Wie ist dies zu erklären?

2.2 Anomalien und Kooperation

Mithilfe dieser Spiele gelang es, eine Vielzahl theoretischer Vorschläge zur Überwindung der Dilemmata, Erklärungen also für die erhöhte Kooperationsbereitschaft, zu postulieren und empirisch zu prüfen. Die erhöhte Kooperationsbereitschaft läßt sich unter anderem durch sogenannte Anomalien erklären. Als Anomalie bezeichnet man ein empirisches Resultat, welches im Hinblick auf die vorherrschende theoretische Meinung schwer nachvollziehbar ist (vgl. Kahneman, Knetsch und Thaler, 1991, S.193).

Demnach ist zumindest anzunehmen, dass das Verhalten von Akteuren in Ent- scheidungssituationen nicht nur aus rein rationalen Beweggründen zustande- kommt, so wie es die, der Rational Choice Theorie zugrundeliegende Annahme des Menschen als homo oeconomicus vorschreibt. Vielmehr ist es wahrschein- lich, dass Fairness und Altruismus, wenngleich auch nur in geringem Maße, die Entscheidungsfindung beeinflussen (vgl. Güth und Kliemt, 2003, S.322). Weitere kooperationsförderne Mechanismen sind Reputation, gemeinsame Ver- gangenheit, glaubwürdige Selbstbindung, Pfändertausch oder Treuhandlösun- gen (vg. Berger, 2005, S.1). Zusätzlich kann Kooperation, glaubt man dem Folk-Theorem, durch Interaktion oder gemeinsame Absprachen bei unendlich wiederholten Spielen entstehen (vgl. Rasmussen, 2001, S.112ff).

Das ”Problem“dererhöhtenKooperationsbereitschaftlässtsichallerdingsaber auch von einer anderen her betrachten. Denn in den Spielen früherer em- pirischer Untersuchungen, beschrieben beispielsweise bei Camerer (2003), ging es allein um die Aufteilung von Gewinnen, der Verlierer eines Spiels bekam lediglich weniger als der Gewinner. Einem spieltheoretischen Diskurs im letzten Jahrhundert ist es zu verdanken, dass die Verteilung von Verlusten in nichtkooperativen Spielen in den Fokus des Interesses gerückt ist.

3 Erwartungsnutzentheorie vs. Prospect Theory

Bis Ende der 70-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hielt sich die von von Neumann und Morgenstern vertretene Annahme, dass sich Individuen in Unsicherheitssituationen für die Alternative mit dem höchsten Erwartungs- wert entscheiden (vgl. Augustin, 2005, S.3) . Im Falle der Verlustaufteilung würde die Erwartungsnutzentheorie sagen, dass der Erwartungswert des Ver- lusts gleich dem negativen Erwartungswert eines betragsgleichen Gewinns ist, also [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass die Erwartungs- nutzentheorie keinen Unterschied zwischen Verlusten und Gewinnen macht. An dieser Stelle jedoch widerspricht die von Kahneman und Tversky (1979) formulierte Prospect Theory. Diese Theorie unterscheidet sich im wesentlichen von der Erwartungsnutzentheorie, indem sie davon ausgeht, dass die Entschei- dungen der Akteure vom individuellen Referenzpunkt der einzelnen Akteure abhängt und somit wesentlich subjektiver deutet als die Erwartungsnutzen- theorie (Kahneman und Tversky, 1979, S.286f). Des weiteren betonen Kahne- man und Tversky ausdrücklich die unterschiedliche Betrachtung von Gewinnen und Verlusten und der daraus ableitbaren Verlustangst.

3.1 Verlustangst

Bei der Prospect Theory ist die Angst vor Verlusten von besonderer Bedeu- tung. Dementsprechend wirkt die Angst vor Verlusten stärker als die Angst vor geringeren Gewinnen (vgl. Kahneman, Knetsch und Thaler, 1991, S.199). Wei- tere von Kahneman, Knetsch und Thaler (1991) untersuchte anomale Effekte bezüglich der Verlustangst sind der Endowment Effekt und der Status-Quo Bias.

Der Endowment Effekt besagt, dass ein Gut allein dadurch an Wert gewinnt, wenn man es besitzt. Demnach ist der Preis, den man zahlen würde, um ein Gut zu erwerben signifikant geringer als der Preis, den man verlangen würde, müsste man es verkaufen (vgl. Kahneman, Knetsch und Thaler, 1991, S.194ff). Es wird deutlich, dass in entsprechenden Entscheidungssituationen unterschiedlich, abhängig davon ob man ein Gut besitzt oder es erwerben möchte, und somit unrational gehandelt wird, da der objektive Wert des Guts beim Handel nicht das einzige Kriterium ist.

Ähnlich verhält es sich mit dem Status-Quo Bias, der besagt, dass Entschei- dungsträger eher dazu neigen, die momentane Situation, den Status quo, auf- recht zu erhalten, anstatt sich für eine Alternative zu entscheiden, da das Wissen um diese Alternative immer geringer ist. Dementsprechend steigt die Veränderungsunwilligkeit mit steigender Anzahl der Alternativen (vgl. Kahne- man, Knetsch und Thaler, 1991, S.197ff). Die Angst vor Verlusten überschattet somit den Wunsch nach Alternativen mit eventuell sogar höheren Nutzen.

Anhand dieser beiden Beispiele, die als Ausprägungen der Verlustangst ver- standen werden können, wird deutlich, dass weit mehr Faktoren als der Erwar- tungsnutzen in die Entscheidungsfindung miteinfließen. Die gesonderte Stel- lung von Verlusten in der Prospect Theory gab den Anstoß für eine Fülle von Experimenten, von denen einige im folgenden Teil kurz zusammengefasst werden sollen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Kooperation in nicht-kooperativen Spielen
Untertitel
Vergleich der Kooperationsraten in Verlust- und Gewinnspielen am Beispiel einer Vignettenanalyse
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Kooperation in nicht-kooperativen Spielen
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V82682
ISBN (eBook)
9783638885744
ISBN (Buch)
9783638895293
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kooperation, Spielen, Kooperation, Spielen
Arbeit zitieren
Simon Eder (Autor:in), 2006, Kooperation in nicht-kooperativen Spielen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82682

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Kooperation in nicht-kooperativen Spielen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden