Die phänomenologische Betrachtung der Kinderzeichnung


Hausarbeit, 2007

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Bedeutung des Zeichnens für die kindliche Entwicklung – oder die Frage:
„Warum malen Kinder?“

3. Die frühe Zeichenentwicklung
3.1 Bettina Egger
3.2 Wolfgang Grötzinger
3.3 Armin Krenz
3.4 Hans- Günther Richter
3.5 Inger Brochmann

4. Schlussteil

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Laufe des Studiums reifte in mir immer mehr das Bedürfnis die Zeichen – und Malentwicklung von ihrem Ursprung her nachvollziehen zu können. Es ist mir ein Anliegen die Bildsymbolik von dieser Seite her zu betrachten. Meine persönliche Motivation an diesem Thema ist eine private, als auch eine berufliche. Es interessiert mich die frühen Bilder meiner Tochter verstehen zu können. Außerdem denke ich, dass sich viele Bilder von erwachsenen Menschen auch anders nachvollziehen lassen, wenn man um die Wurzeln der Zeichenentwicklung weiß.

Mich bewegen verschiedene Fragen, die ich im Laufe der folgenden Arbeit gerne untersuchen möchte. Zum einen stelle ich mir die Frage, ob Kinder immer gerne malen und zeichnen, oder ob es auch Kleinkinder gibt, die überhaupt keine Freude dabei entwickeln können.

Ich möchte den Schwerpunkt dieser Arbeit auf die phänomenologische Darstellung der kindlichen Zeichenentwicklung legen und hierbei auch die Frage überprüfen, inwiefern trotz einer eventuellen Abfolge und ab wann in der Malentwicklung ein individueller Stil bemerkbar ist und durch was dieser negativ beeinflusst oder gefördert wird.

Da in der Literatur meist über die gegenständliche (Be-)Deutung der Kinderzeichnung geschrieben wird, ist es mir wichtig die erste Phase der Malentwicklung stärker fokussieren.

Im ersten Teil werde ich mich mit der Frage beschäftigen, welchen Sinn das Malen und Zeichnen für das Kind hat und welches Umfeld es braucht. Im weiteren Verlauf der Arbeit beleuchte ich phänomenologische Aspekte der frühen Bildentwicklung. Hier werde ich verschiedene Autoren nacheinander vorstellen, um im Schlussteil mögliche Parallelen und Gegensätze herauszuarbeiten.

2. Die Bedeutung des Zeichnens für die kindliche Entwicklung – oder die Frage: „Warum malen Kinder?“

Kinder malen, weil es dem Zeitvertreib dient, weil sie nichts anderes zu tun haben...

Wie viele begleitende Erwachsene eigentlich keine Ahnung von dem haben, was sich auf der Bildebene äußert, erschrickt Autoren wie Wolfgang Grötzinger:„...dass auch bei bestem Willen die Eltern oft nicht wissen wo es mit dem Zeichnen und Malen der Kinder hinaus will. Dass bei mangelndem Interesse und Verständnis vollends ein nicht wieder gutzumachender Schaden in der Kinderseele angerichtet werden kann...Eltern sollten daher...auch etwas von der Kinderzeichnung wissen, um störende Eingriffe zu vermeiden und dem Kinde Gelegenheit zur Entfaltung seiner Bildekräfte geben zu können.“ (1970, S.7)

Das Malen dient dem Abbau von Spannungen (wie Auseinandersetzungen, Hoffnungen, Ängste, Freude, Trauer) denen das Kind ausgesetzt war/ist, so Armin Krenz. „Bilder und Zeichnungen von Kindern sind unverwechselbare Zeugnisse ihres Befindens, ihrer seelischen Verfassung und ihrer Gedankenwelt.“ (2004, S.9)

Kinder stehen permanent unter Einwirkung dieser Reize, durch das immer schneller werdende Leben würden immer mehr Reize aufgenommen, bei gleichzeitiger Reduzierung der Ruhephasen -und räume. Reizverarbeitung der unverstandenen Erlebnisse, Erfahrungen, Eindrücke und Geschehen, die verstanden werden wollen, findet in den sogenannten „Ausdrucksfeldern“ (2004, S.17) der Kinder statt: in Spiel, Verhalten, Bewegung, Sprache, Träume und Malen. In diesen Bereichen trägt das Kind einen inneren Druck nach Außen als eine Entlastung und gleichzeitig eine Mitteilung an die Umwelt.

„Das Bild ist eine Photografie ihrer Seele, das die Erwachsenen daran teilhaben lässt, begreifen zu können, was sich die Kinder wünschen, erhoffen und auch deutlich einfordern“ so Krenz. (2004, S.18) Das Verschenken eines Bildes an einen Erwachsenen ist immer mit dem Wunsch des Kindes verbunden, dass der/die „Große“ die Bedeutung des Bildes nachvollziehen kann, um aus dem Gefühlszustand oder Thema herauszuhelfen.

Die Kinderzeichnung hat demnach zwei Funktionen oder Bedeutungen

1) den Sinn, den Armin Krenz als den Ausdruckswert bezeichnet
2) die Bedeutung, die er mit dem Erzählwert gleichsetzt (2004, S.19)

Das erste vollzieht das Kind ausschließlich für sich, das zweite ist die Offenbarung an den Erwachsenen.

Unterbricht, untersagt oder verleidet man Kindern das Malen und Zeichnen, nimmt man ihnen eine ganz wesentliche Möglichkeit des Ausdrucks.

Wichtig ist noch festzuhalten, dass die kindliche Zeichnung kein Zufallsprodukt darstellt.

Das Malen der Kinder ist also ein nicht sprachliches Erzählen – die Kinder sprechen sichtbar. Was auf verbaler Ebene noch nicht geäußert werden kann, äußert sich nonverbal im Bild. Damit gestaltet das Kind mit an seiner Zukunft. Somit ist der

1) Ausdruckswert auch eine Ver- und Aufarbeitungshilfe und der
2) Erzählwert ein Appell in die Gegenwart (Krenz 2004, S. 25)

Das Unmittelbare und auch Bestechende der Kinderzeichnung bedingt sich aus dem gefühlsmäßigen Agieren. Eine kognitive Herangehensweise würde den Ausdruckswert enorm schmälern.

Krenz vergleicht das Malen mit anderen Verarbeitungsmöglichkeiten, wie z.B. dem Träumen. Würde das Kind in einer Verarbeitungsform – und Phase permanent unterbrochen, wären Unausgeglichenheit und Gereiztheit die Folge. (Krenz 2004, S.23)

Das Kind macht sich beim Malen die Umwelt erfahrbar. Auch Grötzinger macht deutlich, dass das Ziel der kindlichen Auseinandersetzung mit dem Malen die Wirklichkeit und nicht die Kunst sei: „Auf jeder Stufe seines Zeichnens und Malens, die Kritzelstufe ausgenommen, ist das Kind Realist und meint eine Welt zu treffen, eine Welt freilich, in der ihm zunächst auch die Gestalten seiner Phantasie Wirklichkeit bedeuten.“ (Grötzinger 1970, S.6) Er warnt davor Kindermalerei und Kunsterlebnis zu vermischen, da die Kindermalerei mehr bedeute als Kunst zu sein: „weil sie Natur ist und darum ein Verschlossenes. Weniger, weil das Kind nicht frei schafft, sondern getrieben wird von einer auch biologischen Entwicklung, die ihm keine ästhetische Freiheit gewährt.“ (Grötzinger 1970, S.14)

Er ist des Weiteren der Ansicht, dass ein Kind noch keinen entwickelten Geschmack habe, sondern das, was seiner Stufe entspricht oder als nächstes kommen soll, als schön empfindet.

Da das Kind jedoch abhängig ist von der Bereitstellung der äußeren Rahmenbedingungen (Zeit, Raum, Toleranz, Farbe und Untergründe) durch den Erwachsenen, ist die kindliche Mal – und Zeichenentwicklung also kein automatisch ablaufender Instinktmechanismus.

Grötzinger vertritt, wie auch Krenz und Egger die These, das Kind durchlebe und verarbeite mit der Zeichenentwicklung die ganze Menschwerdungs- bzw. Form- und Motorikentwicklung noch einmal. Je älter das Kind werde und je mehr es dadurch die Möglichkeit habe zu objektivieren, desto mehr verliere sich das Typische der Kinderzeichnung und auch die Lust am Malen und Zeichnen, so Grötzinger. (1970, S.10)

Im Bild finden sich neben ganz persönlichen Ausdrücken und Ausdruckswerten aber auch Gesetzmäßigkeiten und Muster, die unabhängig von einer bestimmten Befindlichkeit in einer gewissen Reihenfolge entwickelt werden.

3. Die frühe Zeichenentwicklung

In diesem Kapitel werde ich die Thesen der Autoren Egger, Krenz, Grötzinger und Richter vorstellen. Da die Autoren verschiedene Modelle zur Gliederung des Entwicklungsgeschehens anbieten, möchte ich diese aufeinander folgend gegenüberstellen. Ich werde meinen Schwerpunkt dabei auf die Kritzelphase legen.

3.1 Bettina Egger

Egger spricht von den Urformen, egal wann das Kind anfängt zu zeichnen, beginnt es mit diesen. Es kommt gar nicht darum herum, weil in ihnen ein wesentlicher Schlüssel zur Verarbeitung der psychischen und physischen Erlebnisse der postnatalen Zeit liegt. Jedoch wird „ein kleines Kind viel länger bei einer altersgemäß entsprechenden Form, wie z. B. dem Kritzelknäuel verweilen, als ein Kind, das mit vier Jahren zum ersten Mal zeichnet.“ (2001, S.11) Die ersten Bilder des zweijährigen Kleinkindes versteht sie als Ausdruck vergangener und gegenwärtiger körperlich-seelischer Erfahrungen und Empfindungen. Die Aufarbeitung der Vergangenheit steht im Alter zwischen zwei und vier Jahren jedoch im Vordergrund. Die Ungeduld und auch Beängstigung, die erwachsene Menschen teilweise bei dem Betrachten von frühen Kinderzeichnungen empfinden, erklärt sie aus dem Umstand, dass Unorientiertheit die allererste Erfahrung der Kindheit bedeutet. Dies in einer Kritzelzeichnung wahrzunehmen, ist für viele ein unangenehmer Spiegel. Der Wunsch, dass das Kind endlich etwas „Richtiges“ (nämlich Gegenständliches) malt, entspringt einer, vielleicht schon in einem früheren Entwicklungsstadium, dagewesenen Situation – der Ungeduld über die als zu langsam empfundene körperliche Entwicklung des Kindes. Hier wird eine Grundlage für spätere narzisstische Störungen gelegt, das Kind fühlt sich nicht angenommen in seinem Sein und „es muss zu früh die unangenehmen Gefühle der Menschen in seiner Umwelt erleichtern.“ (2001, S.9)

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die phänomenologische Betrachtung der Kinderzeichnung
Hochschule
Fachhochschule Ottersberg
Veranstaltung
Die Kinderzeichnung
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V82439
ISBN (eBook)
9783638874557
ISBN (Buch)
9783656446934
Dateigröße
389 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Betrachtung, Kinderzeichnung
Arbeit zitieren
Anna Zander (Autor:in), 2007, Die phänomenologische Betrachtung der Kinderzeichnung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82439

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