Die Niederlage des Lollius


Seminararbeit, 2002

22 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Situation in Germanien unmittelbar vor der Niederlage des Lollius

3. Zur Person des Markus Lollius
3.1 Die Niederlage des Lollius

4. Die Folgen der NiederlageS
4.1 Die Feldzüge des Drusus

5. Abschlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der älteren Forschung, wie z.B. bei T. Mommsen, wurde die äußere Politik des Augustus häufig als einheitlicher Gesamtprozess gesehen, der auf persönlichen Entscheidungen, langfristigen Plänen, Programmen und Konzeptionen beruhen würde. Bis heute herrscht eine Forschungs-kontroverse, ob Augustus in Germanien eher eine imperialistische oder eine defensiv orientierte Außenpolitik mit dem Ziel einer Gebiets- und Friedenssicherung anstrebte. Will man ein paar Positionen aufgreifen, so muss man sicherlich Karl Christ erwähnen, der in den zahlreichen Feldzügen der Römer am Rhein das Motiv begründet sieht, lediglich eine bewaffnete Aufklärung durchzuführen[1]. K.-W. Welwei vertritt die Auffassung, dass eine komplette Beherrschung des Gebietes zwischen Rhein und Elbe seitens der Römer nie beabsichtigt gewesen sei und die vereinzelten Feldzüge einen Abschreckungseffekt mit großer Tiefenwirkung verursachen sollten[2]. Dieser Forschungstendenz stellen sich z.B. A. Heuss[3] und D. Kienast[4] entgegen, die den Plan mit dem Ziel einer Okkupation Germaniens vom Rhein zur Elbe ins römische Reich erkennen wollen.

Das Leitmotiv meiner Ausführungen ist die argumentative Auseinander-setzung mit der Frage, ob nach der Niederlage des Lollius eine neue Phase der „Germanienpolitik“ des Augustus eingeleitet wurde, die darauf abzielte, eine Expansion des römischen Reiches zu erreichen.

Des Weiteren werde ich die Niederlage des Lollius im Jahr 16 v. Chr. problematisieren und in einen knappen, für das Verständnis der „clades lolliana“ wichtigen Gesamtzusammenhang stellen. An die Schilderung der Ereignisse der Niederlage schließen sich die Darstellungen über die zunächst unmittelbaren Folgen an, nämlich die Alpenfeldzüge und die Feldzüge des Drusus, später noch die des Tiberius, um gerade diese sich an das Jahr 16. v. Chr. anschließenden Strategien zu beleuchten und deren Stellenwert abzuleiten. Aufgrund der vielfach verworren anmutenden Interpretations-versuche über vorhandene respektive nicht vorhandene Pläne etc. stütze ich meine Ausführungen durch exakte und breitgestreute Quellenbelege und versuche so der Gefahr zu entgehen, nicht belegbare spekulative Thesen zu promulgieren, auch wenn die detaillierte Auflistung vielleicht etwas ungewöhnlich erscheint. Aus Platzgründen werden nur die wichtigsten Auszüge aus den Quellen ausgeführt.

Die schriftliche Quellenlage für das Thema dieser Arbeit ist überschaubar, Beachtung finden die Textstellen aus den Werken des Velleius Paterculus, Augustus, Tacitus, Strabo, Sueton und Cassius Dio.

3. Die Situation in Germanien unmittelbar vor der Niederlage des Lollius

Seit Caesars Vorstößen über den Rhein befand sich Germanien im römischen Blickfeld, für die römische Öffentlichkeit lag nichts näher, als von Oktavian sogleich die Fortsetzung der Offensive des Caesar gegen den „Bürgerschreck Germanien“ zu erwarten[5]. Augustus ging aber zunächst dazu über, in Gallien die römische Herrschaft zu sichern und eine römische Administration zu bilden, sowie den Ausbau der Infrastruktur voranzutreiben, um eine engere Verbindung Galliens mit Italien zu schaffen und die Sicherung der Grenzen besser überwachen zu können. Die rechtsrheinischen Germanen blieben jedoch ständige Unruhestifter, die immer wieder den Rhein in der Gewissheit auf lohnende Beute überquerten[6], die nolens volens in die Schranken verwiesen werden mussten.

Karl Christ hatte noch die Bedeutung der Flüsse als Begrenzungslinien angezweifelt, er sieht Siedlungskonzentrationen und politische Machtkerne als entscheidend und für Operationsziele bindend[7]. Die neuere und neueste Forschung (z.B. Wolters, Deininger) hat darauf aufmerksam gemacht, dass man - um die Ereignisse entlang dieses Gebietes zu verstehen - auch gerade die Bedeutung der Flüsse untersuchen und interpretieren muss:

Schon in Caesars Bericht „De bello Gallico“ wird das von ihm unterworfene Gallien als homogenes Gebiet beschrieben, das im Umfang östlich durch den Rhein von den Germanen abgegrenzt wird[8]. Somit wurde der Rhein scheinbar zu einer Demarkationslinie ethnischer Verschiedenheit[9]. Die Funktion eines abgrenzenden Flusses wurde auch durch die jeweils singuläre Beschreibung über die Kulturen der jeweiligen Volksgruppe konstituiert. Gleichzeitig wurde die Fläche seiner Eroberung evident, auch wenn er im Jahre 55 und 53 v. Chr. den Rhein überquerte[10], zunächst wohl als Abschreckung gedacht, gleichzeitig aber eine Demonstration militärischer und technischer Überlegenheit gegenüber den Germanen und die Symbolik eines auf unbegrenzten Progressus gerichteten Herrschaftsanspruchs und Sozialimperialismus.

Der Rhein bildete aber keinesfalls eine derart strikte Trennung der verschiedenen Kulturen. Caesar widmet sich in seiner Beschreibung den Menapiern, die ihre Landschaften beiderseits des Rheins besaßen[11]. Beachtet werden müssen auch die Kontakte zwischen Galliern und Germanen. Im Kriegsfall warben die Gallier scheinbar selbstverständlich auch Krieger ihrer Rheinnachbarn ab[12]. Julius Caesar unterstreicht sein aktives Eingreifen in die rechtsrheinischen Strukturen durch die Deskription seiner guten Kontakte zu den Ubiern[13] und dem Angebot an Usipeter und Tenkterer, sich in deren ehemaligen Gebiet niederzulassen[14]. Er erwähnt in seinem Bericht auch die Integration gallischer und germanischer Söldner in seinem Heer im Jahre 52 v. Chr[15], ungeachtet seines teilweise stilisierten germanischen Feindbildes und der Gefahr, dass sich beide Volksgruppen verbinden könnten. Grundsätzlich lässt sich daher zeigen, dass der Rhein schon in caesarischer Zeit keinesfalls eine Grenze unbedingter politischer Einflusssphären war. Erwähnt sei auch, dass der häufig verwendete Ausdruck „Flussgrenze“ von vornherein irreführend ist, da die Konnotationen zu sehr an unserem heutigen Verständnis gebunden sind; statt dessen sollte man eher den Ausdruck Flusslinie mit Grenzfunktionen wählen[16].

Nach dem römischen Bürgerkrieg von 49 - 46 überfielen germanische Stämme weiterhin häufig das linksrheinische Gebiet, so dass der Feldherr Agrippa während seiner Statthalterschaft 39/38 v. Chr. den Rhein überschritt, um Strafexpeditionen durchzuführen[17].

Agrippa verwirklichte ein zusammenhängendes Straßennetz, Fernstraßen wurden gebaut, die von Lyon aus zur Mosel nach Köln und Neuss führten[18]. Entlang dieser Verbindungswege kam es zu Städtegründungen, wie z.B. Trier.

Er siedelte die schon mit Caesar befreundeten Ubier auf ihren ausdrücklichen Wunsch auf linksrheinisches Gebiet um[19], da sie oftmals von ihren germanischen Stammesgenossen überfallen wurden. Diese Verhaltens-weisen drücken sowohl offensive als auch defensive Intentionen aus[20], zum einen war durch die neu geschaffene Infrastruktur eine schnelle Truppenvorverlegung an den Rhein ermöglicht worden, zum anderen wurden die Ubier aus Sicherheitsgründen unter römischen Schutz gestellt, nicht aber deren Bedrohung ausgeschaltet.

Die Römer verfügten über ein Wissen der inneren Strukturen im germanischen Vorfeld, ohne dieses Wissen hätte Agrippa die Ubier in den Kölner Raum wohl nicht umsiedeln können. Die Romanisierung, der Ausbau der Grenzzone, die Organisation von Nachschub und Versorgung, die Anlage von Straßen, Kanälen, Dämmen und Kastellen, der Aufbau einer kleineren Flotte u.v.a.m. wurden in den dreißiger und zwanziger Jahren in Gallien höchstwahrscheinlich von Agrippa, diesem hochqualifizierten Feldherren, Staatsmann und Jugendfreund Oktavians übernommen[21]. Während seiner Statthalterschaften in Gallien in den Jahren 39/38 v. Chr. und 20/19 v. Chr. beruhigte sich die Lage gegenüber den Germanen, die nur noch vereinzelt durch Beutezüge der Sueben und Sugambrer beeinträchtigt wurde. Deren Raubzüge beantworteten die Römer mit kleinen punktuellen militärischen Vorstößen, die aber nie mehr als eine bloße Präsentation der Macht waren und allenfalls Vergeltungsschläge in bescheidenem Rahmen blieben[22]. So zog im Jahre 25 v. Chr. der Legat M. Vinicius gegen die Germanen zu Felde und überquerte den Rhein, da jene zuvor römische Händler getötet und beraubt hatten[23]. Die Ostgrenze Galliens blieb aber bis in das 2. Jahrhundert. v. Chr. ohne dauerhaften Schutz durch römische Truppenlager.

[...]


[1] Christ, Zur augusteischen Germanienpolitik, in: Römische Geschichte und Wissenschaftsgeschichte, Darmstadt 1982, S. 201 (Im Folgenden verwende ich Kurztitel)

[2] K.-W. Welwei, Probleme römischer Grenzsicherung am Beispiel der Germanienpolitik des Augustus, in: Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese, Osnabrück 1999, S. 679

[3] A. Heuss, Römische Geschichte, Paderborn-München-Wien-Zürich (6. Aufl.) 1998, S. 303

[4] D. Kienast, Augustus. Prinzeps und Monarch, Darmstadt 1999, S. 362f

[5] K. Christ, Geschichte der Römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis Konstantin, München (3. Aufl.) 1995, S. 124

[6] Bechert, Römisches Germanien zwischen Rhein und Maas. Die Provinz Germania Inferior, München, Zürich 1982, S. 31

[7] Christ, Germanienpolitik, S. 201

[8] Caes. Gall. 27,4

[9] R. Wolters, Römische Eroberung und Herrschaftsorganisation in Gallien und Germanien. Zur Entstehung und Bedeutung der sogenannten Klientel-Randstaaten, Bochum 1990, S. 134

[10] Caes. Gall. 4,16; 6,9

[11] Caes. Gall. 4,4,2

[12] Caes. Gall. 6,2,1

[13] Caes. Gall. 6,9,6

[14] Caes. Gall. 4,8,3

[15] Caes. Gall. 7,13,1

[16] Deininger, J., Germaniam pacare. Zur neueren Diskussion über die Strategie des Augustus gegen-über Germanien, in : Chiron. Mitteilungen der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts, München - Bd. 30 (2000), S. 749-773

[17] Dio 48,49,3

[18] A. Heuss, Römische Geschichte, Paderborn-München-Wien-Zürich (6. Aufl.) 1998, S. 303

[19] Tac. Germ. 28,4: Die Ubier haben vor Zeiten den Rhein überschritten und wurden, da ihre Treue sich bewährte, unmittelbar am Ufer angesiedelt, (...) nicht als Bewachte.

[20] Wolters, S. 141

[21] Christ, Kaiserzeit, S. 125

[22] Bechert, S. 30

[23] Dio 53,26,4

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Niederlage des Lollius
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Veranstaltung
Proseminar: Römische Germanienpolitik am Beispiel der Provinz Germania inferior
Note
1,0
Jahr
2002
Seiten
22
Katalognummer
V8239
ISBN (eBook)
9783638152624
Dateigröße
554 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Feldzüge des Drusus habe ich in meine Arbeit integriert.
Schlagworte
Niederlage, Lollius, Proseminar, Römische, Germanienpolitik, Beispiel, Provinz, Germania
Arbeit zitieren
Anonym, 2002, Die Niederlage des Lollius, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8239

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