„Der Verstehende Ansatz in Psychomotorik und Motologie“ (vgl. SEEWALD 2007) – kritisch reflektiert


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

15 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theorie des Verstehenden Ansatzes
2.1 Merkmale
2.2 Was heißt Verstehen innerhalb des Verstehenden Ansatzes?
2.3 Entwicklungstheoretische Hintergründe

3 Der Verstehende Ansatz in der Praxis
3.1 Ziele
3.2 Stundenablauf
3.3 Was kann schief gehen?
3.4 Die Arbeit mit Gruppen

4 Eigene subjektive Reflexion

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Der Verstehende Ansatz in Psychomotorik und Motologie“ – der Buchtitel klingt eigentlich schon wie eine Zusammenfassung des Inhaltes, dachte ich mir und vielleicht muss man es gar nicht lesen, um es zu verstehen.

Nach den ersten Seiten wurde mir schnell klar, dass dieser Ansatz wesentlich vielschichtiger ist, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Man kann ihn definitiv weder verstehen noch umsetzen, hat man sich nicht vorher einmal mit den theoretischen Hintergründen und Fallbeispielen beschäftigt.

Die wichtigsten Punkte des Ansatzes zusammenzufassen und verständlich zu machen, ist der Zweck dieser Ausarbeitung und ich hoffe, es wird mir gelingen.

2 Theorie des Verstehenden Ansatzes

2.1 Merkmale

Jürgen Seewald bezeichnet das theoretische Gerüst des Verstehenden Ansatzes als „die Architektur“[1]. Der Ansatz stützt sich auf verschiedene Theorien, wobei er sich nicht immer der kompletten bedient.

Im Mittelpunkt steht der Mensch, von dem wir, aus den verschiedensten Gründen, ein bestimmtes Bild haben. Dieser steht unter dem Einfluss dessen, was er ausstrahlt, wie er sich selbst und wie ihn die Anderen sehen und welchen Sinn sein Leben zu haben scheint. Um diesen Menschen, nennen wir ihr Bobby, im Sinne des Ansatzes verstehen zu können, bedienen wir uns verschiedenster Methoden, die später näher erläutert werden sollen. Jedoch kann man diesen Jungen nur verstehen, wenn man tiefer gräbt, denn er wurde geprägt durch die Umwelt, in der er lebt, und befindet sich zu jedem Zeitpunkt in einer bestimmten Entwicklungsphase, die, egal welche es auch immer sein mag, Einfluss auf sein Verhalten haben wird. Denken wir doch nur an die eigene Pubertät. Glaubt der Begleiter dann genügend über Bobbys Lebensumstände in Erfahrung gebracht zu haben, erstellt er ein Programm, das ihm helfen soll zu dem Jungen durchzudringen und ihn wirklich zu verstehen. Zu jedem guten Ansatz gehört auch die anschließende Evaluation und, um Betriebsblindheit zu vermeiden, in regelmäßigen Abständen eine Supervision, denn schließlich will man dem Kleinen wirklich helfen.

Das Körpermodell, das dem Verstehenden Ansatz zugrunde liegt, setzt Körper nicht mit Leib gleich, denn gerade die Situationen, in denen wir, mit Hilfe unserer Fantasie, aus unserem Körper heraus gehen, sind die einprägsamsten unserer Persönlichkeitsentwicklung.

Bewegung versteht man in diesem Zusammenhang nicht als Bewegung im physikalischen Sinn, sondern eher als eine Möglichkeit mit der Welt um sich herum zu kommunizieren – sie ist „[…] ‚Mittler zur Welt’ […]“[2].

Zusammenfassend finde ich zwei Zitate Seewalds passend: „Hier gilt der zentrale Satz, dass der Mensch angewiesen ist auf Sinn; dieser Satz gilt genauso für behinderte Menschen.“[3], was wir leider viel zu häufig vergessen. Und: „[…] gibt es keine Bewegung ohne Fantasie und keine Fantasie ohne Bewegung […]“[4].

2.2 Was heißt Verstehen innerhalb des Verstehenden Ansatzes?

Der Verstehende Ansatz sucht sich für sein Verstehen die besten und passendsten Punkte aus folgenden Verstehenstheorien zusammen: hermeneutisches Verstehen, phänomenologisches Verstehen, tiefenhermeneutisches Verstehen und dialektisches Verstehen.

Der hermeneutische Kernpunkt für die Psychomotorik ist die Frage „[…] Wie muss das Ganze sein, damit das […] Verhalten eines Kindes darin einen Sinn bekommt?“[5] Jedoch lässt sich niemals von einem ersten Standpunkt aus der ganze Mensch beurteilen, denn schnell kann ein neues Detail das gesamte Bild verändern, ja komplett umkrempeln.

Die komplexeste und damit auch komplizierteste Verstehenstheorie ist die phänomenologische. Jeder Mensch verfügt über Sensoren, die ihm in der Kindheit helfen zu überleben, indem es für Gefühle wie Behagen und Unbehagen, Bevorzugung und Ablehnung, sowie Abschreckung und Anziehung sorgt ohne, dass wir wissen, wieso wir uns in einem Moment so fühlen. Die wichtigsten Punkte für das Verstehen sind das Nicht-Tun, Abwarten und Klärung des Auftauchenden. Man wartet also ab, was das Kind tut, schaut es sich genau an und klärt das Verhalten in all einen Facetten.

Die Tiefenhermeneutik versteht sich als eine Art Traumdeutung, in der der Begleiter versucht die Bilder, die sich vor ihm durch das Kind darstellen, zu verstehen. Seewald bringt hierfür das Beispiel eines Jungen an, der immerzu Mumien vergraben spielt, indem er eine Puppe mit Seilen umwickelt, sie auf eine Matte legt und dann mit allen Kissen und Matten bedeckt, die er finden kann. Dieser Junge hat einen kleineren Bruder und lebt in diesem Spiel seine Geschwisterrivalitäten aus. Der Begleiter sollte in der Lage sein das, nach eingehender Untersuchung der Lebensumstände des Jungen, zu erkennen und vor allem zu verstehen. Weiterhin nutzt der Analytiker die Möglichkeit der Übertragung, indem er sich auf das Spiel des Kindes einlässt und versucht, durch die Rolle, die ihm das Kind zuteilt, das Verhalten des Kindes zu analysieren. All das kann nur funktionieren, wenn der Begleiter vorher kein Bild des Kindes im Kopf hat oder ein bestimmtes Verhalten erwartet. Sein Kopf muss frei sein, er muss nur zuhören und abwarten.

Die vierte und letzte Verstehenstheorie ist das dialektische Verstehen. Im Mittelpunkt steht hier der Gegensatz, der nicht als unverträglich, sondern als vorantreibend gesehen wird. Winnicotts (1985, 95ff)[6] Übertragungsobjekt ist dafür ein sehr gutes Beispiel: Ein Kind verspürt irgendwann das Bedürfnis sich von der Mutter zu lösen, hat aber gleichzeitig immer noch Nähe und Verbundenheit nötig. Das Übergangsobjekt könnte dann ein Teddybär sein, der zwar weich und kuschelig, aber auch ein eigenständiges Objekt ist. Durch den Teddy verschmelzen in diesem Beispiel These und Antithese und gehen eine Synthese ein.

Was bringt all das nun für den Verstehenden Ansatz?

Man könnte es mit vielen Worten umschreiben, jedoch finde ich, formuliert Seewald es selbst am besten: „[…] fördert das leibphänomenologische Verstehen Sinn erst zu Tage, indem es den impliziten Sinn thematisiert. Das tiefenhermeneutische Verstehen erreicht Sinnprovinzen, die unbewusst und emotional „verwickelt“ sind. Das dialektische Verstehen richtet sich auf den Widerspruch als einer dynamischen Entfaltungsform von Sinn. Alle diese Formen liefern dem hermeneutischen Verstehen den expliziten Sinn. Hier werden die Mosaiksteine zu einer verstehbaren Geschichte zusammengefügt.“[7]

2.3 Entwicklungstheoretische Hintergründe

Vier Richtungen von Entwicklungstheorien sind bedeutsam für den Verstehenden Ansatz: Die neuropsychologische Entwicklung nach Ayres (1984)[8], die sich auf das Innere fokussiert. Die kognitiven Konzepte nach Zimmer (1999, 51ff)[9], Haas (1999, 129ff)[10] und Piaget, die das bewusste Erleben in den Mittelpunkt stellen. Die Theorien der ökologisch-systemischen Vernetzung des Individuums mit seiner Umwelt nach Bronfenbrenner (1989)[11], die besagen, dass die Umwelt einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung leistet. Und die Theorien, die die Entwicklung eher als leiblich, unbewusst und implizit betrachten (Seewald 2000, 247ff)[12]. Diese letzte Theorie bildet den Schwerpunkt für den Verstehenden Ansatz.

[...]


[1] Seewald, Jürgen Der Verstehende Ansatz in Psychomotorik und Motologie ( 2007), S. 16

[2] Seewald, Jürgen Der Verstehende Ansatz in Psychomotorik und Motologie ( 2007), S. 21

[3] Seewald, Jürgen Der Verstehende Ansatz in Psychomotorik und Motologie ( 2007), S. 20

[4] Seewald, Jürgen Der Verstehende Ansatz in Psychomotorik und Motologie ( 2007), S. 21/22

[5] Seewald, Jürgen Der Verstehende Ansatz in Psychomotorik und Motologie ( 2007), S. 27

[6] Winnicott, D. W. Vom Spiel zur Kreativität. Klett-Cotta. Stuttgart

[7] Seewald, Jürgen Der Verstehende Ansatz in Psychomotorik und Motologie ( 2007), S. 39

[8] Ayres, A. J. Bausteine der kindlichen Entwicklung. Springer. Berlin/Heidelberg/New York

[9] Zimmer, R. Handbuch der Psychomotorik. Theorie und Praxis der psychomotorischen Förderung mit Kinden. Herder. Freiburg

[10] Haas, R. Entwicklung und Bewegung. Der Entwurf einer angewandten Motologie des Erwachsenenalters. Hofmann. Schorndorf

[11] Bronfenbrenner, U. Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Fischer. Frankfurt/M.

[12] Seewald, J. Leib und Symbol. Ein sinnverstehender Zugang zur kindlichen Entwicklung. 2. Auflage. Fink. München

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
„Der Verstehende Ansatz in Psychomotorik und Motologie“ (vgl. SEEWALD 2007) – kritisch reflektiert
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Veranstaltung
Bewegungsorientierte Begleitung von Kindern in ihrer Sprach- und Kommunikationsentwicklung
Note
1,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V82327
ISBN (eBook)
9783638874526
ISBN (Buch)
9783638948692
Dateigröße
551 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Für den historischen Hintergrund des Ansatzes sollte zusätzlich dieses Buch gelesen werden: Seewald, Jürgen: "Der Verstehende Ansatz in Psychomotorik und Motologie" (2007) Reinhardt
Schlagworte
Verstehende, Ansatz, Psychomotorik, Motologie“, SEEWALD, Bewegungsorientierte, Begleitung, Kindern, Sprach-, Kommunikationsentwicklung
Arbeit zitieren
Kirsten Drechsel (Autor:in), 2007, „Der Verstehende Ansatz in Psychomotorik und Motologie“ (vgl. SEEWALD 2007) – kritisch reflektiert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82327

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