Zu William Shakespeares: "Romeo and Juliet": Zwischen elisabethanischem London und postmodernem Hollywood


Hausarbeit, 2006

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

I.) Einleitung

II.) Wege zur Illusion
II.)1) Die elisabethanische Bühne
II.)2) Entführung nach Verona
II.)2)1. Inszenierung des Prologes
II.)2)2. Eintauchen in die Ausgangssituation
II.)2)3. Zwischen Wortkulisse und art direction

III.) Romeo and Juliet - Zwischen Komödie und Tragödie
III.)1) Wie entsteht die Komödie in Drama und Film?
III.)2) Peripetie und tragische Spannung bis zum Ende

IV.) Wasser als Element der Liebenden im Film

V.) Wege aus der Illusion
V.)1) Vom Medium zur Realität
V.)2) Zusammenfassung

VI.) Literaturverzeichnis

VII.) Filmverzeichnis

I.) Einleitung

Das breite Publikum in seinen Bann zu schlagen und zu erschüttern, ist höchstes Ziel der Tragödienkunst Shakespeares, und dazu bedarf es gerade der unwahrscheinlichen Situationen, der spektakulären Konflikte und der unrealistisch überzeichneten Charaktere.[1]

William Shakespeares Dramen zählen noch heute zu den bekanntesten und beliebtesten Werken der Literaturgeschichte. Ursache dafür sind wohl nicht nur sein fortschrittliches Denken und seine Wortkunst, sondern auch seine Inhalte und deren Wirkung auf den elisabethanischen sowie modernen Zuschauer und Leser.

Daher ist es auch nicht überraschend, dass bereits in den allerersten Filmen, im drei Minuten Format, Themen und Sequenzen aus Shakespeares Werken verwendet wurden. Auch im weiteren Verlauf der Filmgeschichte stoßen wir immer wieder auf Verfilmungen seiner Tragödien und Komödien, wobei die meisten dieser Filme, gerade in den ersten Jahrzehnten den Filmgeschichte, versuchten, den theatralischen Rahmen zu wahren.[2]

Erst seit Laurence Oliviers Film Henry V (1944) wurden zunehmend auch filmische Mittel, wie die Möglichkeit der Massenszene, oder die Regulierung des Nähe-Distanz-Verhältnisses bei der Umsetzung von Shakespeares Dramen für die Leinwand verwendet.

Doch ebenso wie der Film ein breites Publikum ansprechen und in die Kinos locken muss, so war auch Shakespeare verpflichtet, den Geschmack seiner Mitmenschen zu treffen, was sicherlich nicht einfach war. Seine Zuschauer stellten einen Querschnitt durch die gesamte elisabethanische Gesellschaft dar. Aus fast allen sozialen Schichten kamen Menschen zu seinen Aufführungen in die öffentlichen Theater und seine Dramen mussten für alle etwas bieten.

“Aufzüge, Gefechte, figurenreiche Szenen wurden gern gesehen und gehörten […] zu den beliebten Zutaten eines Stücks.”[3] Die Erwartungen seiner Zuschauer durfte er nicht enttäuschen und daher brauchte er kunstvolle Rhetorik für die gebildeten und unterhaltsame Komik und Aktion für die unteren Schichten, die Mischung entschied über den Erfolg. Nicht zuletzt wurde dies auch durch vereinzelte Ausschreitungen und laute Meinungsäußerungen, gar Rowdytum erschwert.[4]

“So Shakespeare firstly had to tell his story in such an aggressive, sexy, noisy, rambunctious way that he could shut them up and at the same time reach out and touch every kind of person from every kind of background.”[5]

Dazu war Shakespeare nach Baz Luhrmanns Meinung verpflichtet und so wie William Shakespeare diese Wirkung mit seinen beschränkten Mitteln zu erreichen versuchte, so will auch Luhrmann mit seinem Film Romeo and Juliet diese fesselnde Art der Inszenierung mit seinen verfügbaren Mitteln in die Tat umsetzen. Welcher Möglichkeiten sich Shakespeare und Luhrmann dafür bedienen soll nun im Folgenden gegenübergestellt und vergleichend untersucht werden: Welche Optionen die elisabethanischen Bühne bot, wie der Zuschauer in den Handlungsraum geführt wird und welche Elemente der Illusionsbildung den Handlungsverlauf bis zum Ende charakterisieren, um wohlmöglich auch eine Antwort auf die Frage zu erhalten, ob Luhrmanns Film auf uns gleichermaßen wirkt, wie einst Shakespeares Inszenierung auf sein Publikum.

II.) Wege zur Illusion

II.)1) Die elisabethanische Bühne

Um die Mittel der Inszenierung von Shakespeare und Luhrmann vergleichen zu können, müssen wir uns erst einmal vor Augen führen, welche Möglichkeiten und vor allem Einschränkungen die elisabethanischen Theaterhäuser offenbarten, die für den modernen Film natürlich keinerlei Behinderung mehr darstellen.

Neben privaten Theatern, improvisierten Bretter- und Wirtshausbühnen wurden Shakespeares Dramen hauptsächlich in den öffentlichen Theatern, wie dem Globe (ab1599) aufgeführt.

“Die Dramen Shakespeares und seiner Zeitgenossen sind durchweg so eingerichtet, daß sie mit geringfügigen Modifikationen auf jeder verfügbaren Bühne, sei sie noch so einfach, aufgeführt werden konnten.”[6] und somit die Werke vielerorts problemlos aufgeführt werden konnten.

Shakespeare selbst nutzte zwischen 1597 und 1599 vorrangig das Curtain, wo er höchstwahrscheinlich auch Romeo and Juliet zum ersten Mal auf die Bühne brachte, da er dieses Werk in diesem Zeitraum fertig stellte.[7]

Die Theatergebäude waren zumeist rund oder oval gebaut und besaßen drei Galerien und ein Parterre mit Stehplätzen für die ärmeren Zuschauer. Die Bühne selbst war eine rechteckige Plattform, die auf Augehöhe der stehenden Gäste, meist von Fässern gestützt, in den Innenraum hineinragte. An die Plattform wurden höchstwahrscheinlich farbige Vorhänge angebracht, die zum Einen die Stützvorrichtungen verbargen und zum Anderen mit ihrer Farblichkeit den Charakter des zu spielenden Stückes untermalten.

Die Plattform selbst war nicht durch einen Vorhang vom Publikum abgetrennt, was die kaum vorhandene Distanzierung zwischen Schauspieler und Zuschauer erklärt. Mitunter kam es sogar dazu, dass es sich Gäste auf den gestreuten Binsen bequem machten und am Plattformrand der Bühne saßen oder lagen.[8]

Neben Störungen durch das Publikum musste auch das Problem der Begrenztheit des Bühnenraumes behoben werden. Am hinteren Ende der Plattform befand sich die Bühnenhauswand, die eine balkonähnliche Oberbühne auf der ersten Galerie als zusätzlichen Spielraum zur Verfügung stellte. Außerdem wird angenommen, dass sie zeltähnliche Vorbauten, bzw. Vorhänge besaß, die für Entdeckungen oder als Verstecke genutzt wurden. Neben den beiden Türen der Rückwand, die als Auftrittsmöglichkeiten, oder, mit einem entsprechenden Schriftzug (z.B. “Afrika”) versehen, gar als Illusionsraum dienen konnten, gab es nur wenige Möglichkeiten, die karge Plattform in einen Handlungsraum zu verwandeln.[9]

Standardversatzstücke (z.B. Berge, Brunnen, Zelte), die jedoch kaum realistisch wirkten (so konnte ein Baum größer als eine Burg sein), halfen, eine Illusion fremder Orte zu erzeugen. Doch einmal auf die Bühne gebracht, stellten sie automatisch ein Problem für den Schauplatzwechsel dar, der vor den beobachtenden, nicht durch einen Vorhang abgetrennten, Augen des Publikums von Statten gehen musste, was eine erhebliche Störung des Spielablaufes bedeutete und der Illusion schadete.[10]

Nicht zuletzt das veranlasste Shakespeare, die Beschreibung des Ortes vorrangig in die Worte seiner Figuren einfließen zu lassen, um auf diesem Wege einen fiktiven Handlungsraum vor dem inneren Auge seiner Zuschauer zu erschaffen.

Die Figuren selbst mussten alle “auftreten, bevor sie zu dem Publikum sprechen konnten, und alle vor den Augen der Zuschauer abgehen, sogar die Toten mussten in angemessener Weise hinausgetragen werden.”[11]

Die Inszenierung des langen Aufgangs von der Bühnenhauswand, oder durchs Publikum zum vorderen Teil der Bühnenplattform, wo sich der Großteil der Handlung abspielte, ermöglichte eine Charakterisierung der Figuren noch bevor sie zu sprechen begannen.[12]

Die lang gezogene Plattform konnte auch ein Nähe-Distanz-Verhältnis, als Unterschied zwischen Intimität und Öffentlichkeit, suggerieren, ähnlich wie es dem Film durch den Wechsel von Einstellungsgrößen möglich ist.

Außerdem konnten durch die karge Bühneneinrichtung schnelle Sprünge in Ort und Zeit des Geschehens gewährleistet werden, die einen raschen Szenenwechsel in Shakespeares Dramen zuließen, der vom elisabethanischen Publikum nicht nur hingenommen, sondern sogar erwartet wurde, da es auch eine “Vorliebe für Handlungen hatte, die zahlreiche Menschen in heftiger Bewegung zeigten.”[13]

Doch wie gelang es nun Shakespeare diese Menschen mit den begrenzten Mitteln in seinen Bann zu ziehen und sie für zwei bis drei Stunden aus der Realität in seine Illusionswelt zu entführen?

II.)2) Entführung nach Verona

II.)2)1. Inszenierung des Prologes

“Der Beginn der Vorstellung wurde angezeigt durch drei Trompetenstöße […], die in einigen Abständen erfolgten. Nach dem dritten Zeichen trat, sofern vom Text gefordert, der Prologsprecher in traditioneller Gewandung auf.”[14]

So müssen wir uns auch den Beginn einer Romeo and Juliet Aufführung zu Shakespeares Zeit vorstellen. Häufig gab es einen Prolog, der oftmals die Thematik des Stückes und wichtige Hintergrundinformationen formulierte und gleichzeitig eine Entschuldigung an das Publikum, für die eingeschränkten Möglichkeiten der Darbietung durch die Bühne, darstellte.

Im Falle des zu untersuchenden Dramas liegt ein Anfangschor in Sonettform vor. Diese Dichtungsform half natürlich nicht, eine Illusion zu erzeugen, schon allein da sich der Prologsprecher in diesem Vorderbühnenspiel direkt an die Zuschauer wandte. Doch gerade die Dichtung weckte das Interesse der Gäste und animierte sie zum Zuhören. Wie es Shakespeare dann gelang, seine Zuschauer, trotz dieser illusionsfremden Eröffnung, in seine Handlungswelt zu entführen, soll an späterer Stelle erklärt werden. Jetzt sind vorerst die Aussagen und Umsetzungen dieses Anfangschores interessant.

“Two households, both alike in dignity”[15], die wohl bekannteste Eröffnung eines Dramas, erläutert dem Zuhörer sofort die Grundlage und die Ausgangsposition der folgenden Geschichte. Auch wird sofort der Handlungsort “in fair Verona”[16] nicht nur genannt, sondern auch gleich beschrieben, wobei, spätestens nach den nächsten Worten klar wird, dass “fair”, gleich in welcher Bedeutung vielleicht die Stadt charakterisiert, aber im Widerspruch zur Handlung steht.

Der Familienstreit, der Grundlage der Geschehnisse ist, wird thematisiert und gleichzeitig im Verlauf beschrieben. So wird bereits im Chor die Tragik der Liebenden geschildert, und dass nur deren Tod den Streit schlichten kann. “Which, but their children´s end, naught could remove “.[17]

Shakespeare ging es nicht um überraschende Wendungen in seinen Dramen, zumeist wussten die Zuschauer schon früh, was geschehen würde, doch schürte gerade das die Hoffnung, es könnte vielleicht doch noch eine Wendung erfolgen und lenkte gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf die Reaktionen der Figuren.[18]

Die Zukunft ist bei ihm immer transparent und wird häufig durch frühe Andeutungen vorweggenommen.

[...]


[1] Schabert 1992, 927.

[2] Siehe Schabert 1992, 883f.

[3] Freytag 2003, 145.

[4] Siehe Schabert 1992, 128.

[5] Luhrmann, DVD Romeo and Juliet 2005, specials.

[6] Schabert 1992, 86.

[7] Siehe Schabert 1992, 88.

[8] Siehe Schabert 1992, 95f.

[9] Siehe Schabert 1992, 99f.

[10] Siehe Schabert 1992, 109f.

[11] Freytag 2003, 144.

[12] Siehe Schabert 1992, 124.

[13] Freytag, 2003, 145.

[14] Schabert 1992, 119.

[15] Shakespeare, Romeo and Juliet 2004, Chorus vor I.1., Vers 1.

[16] Shakespeare, Romeo and Juliet 2004, Chorus vor I.1., Vers 2.

[17] Shakespeare, Romeo and Juliet 2004, Chorus vor I.1., Vers 11.

[18] Siehe Schabert 1992, 275f.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Zu William Shakespeares: "Romeo and Juliet": Zwischen elisabethanischem London und postmodernem Hollywood
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V82181
ISBN (eBook)
9783638877916
ISBN (Buch)
9783638878111
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
William, Shakespeares, Romeo, Juliet, Zwischen, London, Hollywood
Arbeit zitieren
Johannes-Paul Lesinski (Autor:in), 2006, Zu William Shakespeares: "Romeo and Juliet": Zwischen elisabethanischem London und postmodernem Hollywood, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82181

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