Soziale Konflikte im Rahmen von Umstrukturierungen


Diplomarbeit, 2007

78 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Zielsetzung
1.2. Aufbau dieser Arbeit

2. Auswirkungen der Umstrukturierungen auf die Belegschaft
2.1. Personalmaßnahmen
2.1.1. Downsizing bei Unternehmenskrisen
2.1.2. Personalabbau bei der Volkswagen AG
2.2. Arbeitsplatzabbau aus der Sicht der Arbeitnehmer

3. Konflikte
3.1. Theoretische Grundlagen von Konflikten
3.2. Dynamisierung von Konflikten
3.3. Auftreten sozialer Konflikte bei Umstrukturierungen
3.4. Ängste durch drohenden Personalabbau

4. Soziale Konflikte beim Personalabbau
4.1. Interventionen und private Zukunftssicherung
4.1.1. Arbeits- und Mitbestimmungsrechte
4.1.2. Gewerkschaften und Sozialpläne
4.2. Widerstände und Ängste
4.3. Motivation und Leistung für die verbleibende Zeit

5. Situation der verbleibenden Belegschaft
5.1. Survivor-Problematik
5.1.1. Begriffsbestimmung
5.1.2. Gefühle der Verbleibenden
5.1.2.1. Angst und Verunsicherung
5.1.2.2. Wut
5.1.2.3. Schuldgefühle
5.1.2.4. Erleichterung
5.1.3. Neue Aufgaben
5.1.3.1. Neuverteilung der Arbeit
5.1.3.2. Neue Organisationsstrukturen
5.1.3.3. Versagensängste und Widerstände
5.1.3.4. Motivation
5.2. Auswirkungen auf Leistungen und Ergebnisse
5.3. Gesundheitliche Auswirkungen
5.3.1. Unsicherheit als Stressfaktor
5.3.2. Indikator Krankenstand
5.4. Kosten der Konflikte
5.5. Ungewollte Personalabgänge

6. Handlungsempfehlungen
6.1. Konfliktprävention
6.1.1. Rolle des Managements
6.1.1.1. Kommunikation als Erfolgsfaktor
6.1.1.2. Fairness
6.1.2. Rolle des Mitarbeiters
6.2. Bewältigung von Konflikten
6.2.1. Identifikation vorhandener Konfliktstufen
6.2.2. Aktion des Managements
6.2.3. Aktion der Betroffenen
6.2.3.1. Offensive
6.2.3.2. Anpassung
6.3. Chancen und Perspektiven
6.3.1. Umgang mit der veränderten Situation
6.3.1.1. Motivation durch Neuverteilung
6.3.1.2. Verständnis für die Situation
6.3.2. Standortbestimmung und Laufbahnplanung
6.3.3. Entwicklungsorientierte Angebote

7. Diskussion und kritische Würdigung
7.1. Optimierung des Downsizing-Prozesses
7.2. Wirksamkeit der Lösungsansätze und Übertragbarkeit in die Praxis
7.3. Grenzen des Konfliktmanagements

8. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1. Zielsetzung

Unternehmen sind aktuell mehr denn je gezwungen, auf konjunkturelle Schwankungen, Änderungen von Kundenansprüchen und Marktgegebenheiten zu reagieren. Die Globalisierung unterstützt diese Erfordernisse durch verbesserte Transparenz und unkomplizierten Handel weltweit. Um im Wettbewerb bestehen zu können, müssen Unternehmen flexibel sein und schnell reagieren können. Dies erfordert in vielen Fällen auch eine am Arbeitsaufkommen orientierte Anpassung der Personalstärke.

Die Möglichkeit der Personalanpassung stellt für Unternehmungen eine Stellschraube zur Optimierung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen dar, für den einzelnen Mitarbeiter ist sie ein wesentlicher Eingriff in die persönliche Lebenssituation. In der Literatur wird vielfach der Umgang des Einzelnen mit den Gefühlen und Problemen bei einer drohenden oder erfolgten Kündigung behandelt. Doch auch Mitarbeiter, die im Unternehmen verbleiben dürfen, sind mental von den Maßnahmen betroffen.

Diese Arbeit befasst sich mit den sozialen Konflikten der Mitarbeiter bei Umstrukturierungen in Betrieben. Zur Eingrenzung des Begriffs Umstrukturierung sei angeführt, dass die Umstrukturierung hier in Verbindung mit drohendem oder tatsächlich durchgeführtem Personalabbau verwendet wird. Die behandelten sozialen Konflikte können sowohl Konflikte zwischen mehreren Personen oder Gruppen sein, beispielsweise zwischen gleichrangigen Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und unterstellten Mitarbeitern als auch Konflikte einzelner Menschen sein, die aufgrund der aktuellen Ereignisse auftreten und mit denen sich der Einzelne auseinandersetzen muss.

1.2. Aufbau dieser Arbeit

Nachdem der Begriff Konflikt kurz theoretisch beleuchtet wird, befasst sich die Arbeit im Anschluss mit den auftretenden Konflikten bei den Mitarbeitern, die im Rahmen der geplanten Sanierung den Betrieb verlassen müssen. Der Hauptteil der Arbeit geht jedoch auf die möglichen Konflikte und Probleme derer ein, die im Unternehmen verbleiben können und die veränderte Situation bewältigen müssen. Auch hier werden Konflikte der Einzelnen ebenso wie Konflikte zwischen Betroffenen angeführt.

Nach der Beleuchtung möglicher Auswirkungen von Umstrukturierungen auf das Individuum versucht der zweite große Abschnitt der Arbeit, Handlungsempfehlungen und Lösungsansätze zu geben und vielleicht sogar Perspektiven für eine effektive Nutzung der Erfahrungen aus dieser Situation aufzuzeigen. Im Anschluss wird untersucht, inwieweit diese Ansätze in der praktischen Umsetzung gangbar sind. Es werden Möglichkeiten zur Verbesserung der neuen Lebenssituation der zu entlassenden Personen angerissen, der Hauptfokus liegt jedoch auch hier auf den möglichen Problemlösungen der im Unternehmen verbleibenden Belegschaft.

Beendet wird die Arbeit mit einer kurzen Zusammenfassung und einem Ausblick.

2. Auswirkungen der Umstrukturierungen auf die Belegschaft

2.1. Personalmaßnahmen

Konjunkturelle Schwächephasen, Auswirkungen globaler Wettbewerbsfreiheit, aber auch technische Neuentwicklungen zwingen Unternehmen zu Umstrukturierungen, die meist mit einer Reduzierung der Personalstärke einhergehen. Gründe hierfür können rückläufige Auftragseingänge, aber auch aus Rationalisierungsmaßnahmen resultierende Überschusskapazitäten sein.

Die Wandlungsfähigkeit ist ein Merkmal erfolgreicher Unternehmen (vgl. Staehle, 1999, S. 898).

Neben Boden und Kapital ist auch die Arbeitskraft der Mitarbeiter eine Variable, die im stetigen Wandel des Unternehmens, seiner Strategie und des Marktumfeldes gesteuert werden kann.

2.1.1. Downsizing bei Unternehmenskrisen

Organizational Downsizing bestimmt eine Anzahl von Aktivitäten, die seitens des Managements einer Organisation durchgeführt werden und die darauf angelegt sind, die Effizienz, die Produktivität und/oder die Wettbewerbsfähigkeit einer Organisation zu verbessern. Es repräsentiert eine Strategie, die von Managern implementiert wird und die die Größe der Arbeitskraft sowie die benutzten Arbeitsprozesse beeinflusst (vgl. Freeman and Cameron, 1993, zitiert nach v. Baeckmann, 1998, S.5).

Demnach ist nach neuerer Interpretation ein Downsizing-Prozess oder eine Umstrukturierung nicht unbedingt nur in einer unternehmerischen Krisensituation notwendig. Wenn jedoch als Ergebnis der Umstrukturierung in der Organisation ein umfassender Personalabbau geplant wird, liegt meist eine wirtschaftliche Schwächephase des Unternehmens vor.

Downsizing geht jedoch über den reinen Personalabbau hinaus, es umfasst weiterhin die Neugestaltung der Arbeitsprozesse und letztlich eine systemische Veränderung des Gesamtunternehmens (vgl. v.Baeckmann, 1998, S.6)

2.1.2. Personalabbau bei der Volkswagen AG

Beispielhaft für unterschiedliche Downsizing-Ansätze soll hier die Volkswagen AG genannt werden, die in verschiedenen Krisen in den letzten dreißig Jahren immer wieder Umstrukturierungen, Neuausrichtungen der Unternehmensstrategie und Personalreduzierungen vornehmen musste. So kam es bereits in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu einer Reduzierung der Personalstärke um 30.000 Mitarbeiter, welches größtenteils durch Aufhebungsverträge realisiert werden konnte (vgl. Hartmann, 1999, S.81). Der Personalabbau durch freiwillige Aufhebungsverträge hat den Vorteil, dass durch finanzielle Anreize und eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Entscheidungsfreiheit der Mitarbeiter das Konfliktpotenzial abgemildert wird. Dies würde anderenfalls hervorgerufen durch ausgeprägte Zukunftsängste, Perspektivlosigkeit und Neid auf verbleibende Kollegen.

In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts konnte Volkswagen durch die Einführung der Vier-Tage-Woche ebenfalls Massenentlassungen verhindern.

Sehr aktuell ist die Umstrukturierung in den Jahren ab 2005. In dem ForMotion genannten Restrukturierungsprogramm werden den Mitarbeitern wieder Aufhebungsverträge mit sehr attraktiven Konditionen angeboten.

Die drei Beispiele zeigen, dass Volkswagen in den letzten Jahrzehnten den Personalabbau für den einzelnen Mitarbeiter sozialverträglich gestaltet hat. Hartmann macht ebenso deutlich, dass dadurch auch eine öffentliche Austragung zwischen Mitarbeitern beziehungsweise ihren Vertretungen und der Arbeitgeberseite verhindert werden konnte. Für das Unternehmen hat dies den Vorteil, dass ein Imageschaden abgewendet werden konnte.

Die Folgen für das Image des Unternehmens sind hierbei oft nicht absehbar. Beachtenswert ist hier nicht nur die Reaktion der Kundschaft sondern auch das Ansehen des Unternehmens bei potenziellen neuen Mitarbeitern. Nach Hartmann (1999, S.113) können negative Schlagzeilen über die Personalpolitik einer Organisation gravierende Auswirkungen bei der späteren Rekrutierung von Fachkräften haben.

Die Rolle der Arbeitnehmervertretungen bei solchen Maßnahmen wird in einem späteren Kapitel angerissen werden.

2.2. Arbeitsplatzabbau aus Sicht der Arbeitnehmer

Jede Unternehmensumstrukturierung hat individuelle Auswirkungen auf den einzelnen Mitarbeiter. Die Sicherheit des Arbeitsplatzes ist ein wichtiger Motivator und somit eine Stellschraube für die Produktivität der Belegschaft (vgl. Sauer, 2003, S.14).

Die Frage nach der Sicherheit der persönlichen Existenz wird verknüpft mit der Frage, inwieweit die Existenz des Unternehmens wirklich gefährdet ist. Des Weiteren wird nach Gründen für die Krise gesucht. Stellen sich betriebsinterne Gründe heraus, Hartmann (1999, S.113) nennt hier beispielhaft einzelbetriebliche Entscheidungen oder gar „Missmanagement“, so sieht sich die Belegschaft schnell als Opfer für Schäden, die andere angerichtet haben. Demgegenüber stellt Hartmann betriebsexterne Gründe, beispielsweise den Wegfall wichtiger Märkte oder nicht beeinflussbare politische Entscheidungen. Bei betriebsexternen Gründen ist das Verständnis für die Situation und die Maßnahmen der Unternehmensleitung stärker vorhanden, da sich die Mitarbeiter mit dem Unternehmen gleichermaßen in einer unverschuldeten Situation sehen.

Dies macht es natürlich auch der Geschäftsleitung leichter, Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen und eher Entlassungen anzustreben, da durch die Akzeptanz der schlechten Unternehmenssituation seitens der Mitarbeiter, Kunden und Bevölkerung mit wenig Widerstand zu rechnen ist.

3. Konflikte

3.1. Theoretische Grundlagen von Konflikten

Konflikte treten in jeder Gesellschaftsform, in jeder Form des Zusammenlebens und in jeder Lebenssituation auf (vgl. Oechsler, 1979, S.11). Nach Oechsler treten Konflikte sowohl im Individuum als auch zwischen Individuen, Gruppen und sozialen Systemen auf.

Auch in Veränderungsprozessen in Unternehmen sind sie eine unausweichliche Begleiterscheinung (vgl. Berner, 2004). Selbst bei einer Umstrukturierung ohne drohenden Personalabbau ist Konfliktpotenzial vorhanden, sei es durch die Neuallokation der anfallenden Arbeiten oder die Neuverteilung von Kompetenzen und Hierarchien.

Ungleich höher ist aber das Konfliktpotenzial, wenn die Veränderung im Unternehmen mit einer angekündigten Reduzierung der Personalstärke einhergeht.

Man spricht von einem Konflikt, wenn Bedürfnisse und Handlungen, Erwartungen oder Zielvorstellungen unterschiedlicher Akteure aufeinander treffen, die zumindest in der derzeitigen Situation nicht zusammenpassen (vgl. Berner, 2004).

Die Bandbreite der Erscheinungsformen von Konflikten reicht von „leichten Spannungen“ bis zu „gewaltmäßigen Auseinandersetzungen“ (vgl. Oechsler, 1979, S.11), sie sind gekennzeichnet durch eine gewisse Form der Dynamik und Entwicklung.

Glasl (1980, S.23) typisiert Konflikte nach verschiedenen Kriterien:

- Unterscheidung der Konflikte nach Streitgegenständen,
- Unterscheidung der Konflikte nach Erscheinungsformen,
- Unterscheidung nach den Eigenschaften der Konfliktparteien.

Die Unterscheidung nach dem Streitgegenstand ist sicher die naheliegendste Typisierung von Konflikten, der Gegenstand stellt ein erkennbares Symbol des Konflikts sein, egal ob es ein physischer Gegenstand, ein Rang oder ein Recht ist.

Konflikte werden ebenfalls eingeteilt nach Erscheinungsformen, Glasl nennt hier beispielhaft latente und manifeste Konflikte, oder als weitere Unterscheidung nach Erscheinungsformen die Einteilung in unterschiedliche Konfliktstufen[1].

Eine andere Typisierung nach Erscheinungsform ist die Einteilung in heiße und kalte Konflikte.

Heiße Konflikte zeichnen sich durch eine heftige Begeisterungsstimmung aus (vgl. Glasl, 1980, S.49). Die verfolgten Ziele sind Erreichungsziele, die Parteien sind von ihren Idealen und Vorstellungen überzeugt und möchten die Gegenseite ebenso davon überzeugen und die Umsetzung ihrer Ideen damit vorantreiben. Diese tiefe Überzeugung von der eigenen Idee mündet oft in ein sehr ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Zur Erreichung ihrer Ziele scheuen die Parteien das direkte Aufeinanderprallen nicht, Diskussionen werden offen ausgetragen. Glasl (1980, S. 51) spricht von einem „Handlungs-Überangebot“, da die Parteien jede Gelegenheit zur Diskussion ihrer Ideale nutzen. Heiße Konflikte zeichnen sich durch eine expansive Grundeinstellung und eine starke Führerzentrierung aus.

Demgegenüber sind die Merkmale kalter Konflikte tief verwurzelte Enttäuschungen, Desillusionierung oder Frustration. Diese Konflikte werden nicht offen ausgetragen, hier sind eher Intrigenstrategien das Mittel zur Zielerreichung, wenn überhaupt von einem Ziel gesprochen werden kann. Die Parteien haben nicht das positive, siegessichere Selbstbild der Teilnehmer heißer Konflikte, sondern sehen sich eher in einer ausweglosen und chancenlosen Situation, in der nicht agiert, sondern höchstens reagiert wird. Eine direkte Kommunikation zwischen den Parteien findet nur in sehr beschränkten Rahmen statt.

Glasl (1980, S.56) beschreibt kalte Konflikte als indirekte, versteckte, nicht greifbare Aktionen der Teilnehmer. Alle Beteiligten agieren sehr berechnend.

Als dritte Möglichkeit kann eine Separierung der Konflikte nach Konfliktparteien vorgenommen werden. Hier unterscheidet Glasl (1980, S.27) zwischen intra-persönlichen Konflikten, die bei Einzelpersonen auftreten, die zwischen mehreren Alternativen zu wählen haben und Konflikten in Gruppen oder zwischen Gruppen.

Bei der Unterscheidung nach den Eigenschaften der Konfliktparteien kann ebenfalls Beachtung finden, in welchem Verhältnis die Parteien zueinander stehen. So ist es beispielsweise ausschlaggebend, ob es sich um ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten oder in einem anderen Beispiel um einen Konflikt zwischen einem reichen, mächtigen und einem armen Staat oder zwischen zwei wirtschaftlich gleich starken Ländern handelt.

In die Unterscheidung verschiedener Formen von Konflikten bringt Weber den menschlichen Faktor (1999, S.50 ff.) ein.

Unter der Begrifflichkeit menschlicher Faktor versteht Weber die Verhaltensdynamik in Unternehmen und nennt drei Verhaltensphänomene, die bei Veränderungen auftreten:

1. Rollenverteilung und wechselseitige Beziehungen,
2. Motivation der Mitarbeiter,
3. Politische Verhaltensweisen.

Unter ersterem versteht er, wie Mitarbeiter zueinander stehen und sich zueinander verhalten. Mit dem Punkt „Motivation der Mitarbeiter fragt Weber nach dem „warum“ menschlichen Verhaltens. Der letzte Punkt beinhaltet Prozesse, wie Menschen versuchen, ihre Ziele zu erreichen und welche Mittel und Wege ihnen zur Verfügung stehen.

Zur theoretischen Unterscheidung von Konflikten ist hier nur der erste Punkt von Bedeutung. Bei jeder Veränderung in Unternehmen[2] sind in der Regel mehrere Bereiche oder Abteilungen betroffen. Es gibt in den meisten Betrieben keine „Insel“-Abteilungen mehr, in denen eine Veränderung nicht irgendwelche Auswirkungen auf vor-, neben- oder nachgelagerte Bereiche hätte.

Konflikte können nach Weber (1999, S.54) auf der Inhaltsebene und auf der Beziehungsebene auftreten. Auf der Inhaltsebene entstehen Konflikte oft aus Meinungsverschiedenheiten über betriebliche Sachfragen, meist bedingt durch unterschiedliche Interessenlagen diverser Bereiche. Werden diese Probleme nicht gelöst, besteht die Gefahr, dass vielleicht konstruktive fachliche Streitgespräche vom Grundproblem losgelöst werden und die Parteien zur Wahrung ihrer individuellen Interessen den Konflikt eskalieren lassen um das Gesicht der vertretenen Seite zu wahren. Oft kann auch falsche Interpretation bestimmter Aussagen oder Sachverhalte oder eine falsch übermittelte Tatsache Auslöser dieser Loslösung vom sachlichen Grundproblem hin zur Konflikteskalation sein.

Konflikte auf der Beziehungsebene treten auf, wenn vor vornherein Vorbehalte oder Ablehnung zwischen Mitarbeitern oder Abteilungen bestehen[3] und schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit auf alle zukünftigen Kontakte übertragen werden.

Da es sich bei der vorliegenden Problematik eher um Beziehungen zwischen Management und Belegschaft handeln wird, spielt hier eine Rolle, inwieweit die Belegschaft das vorgefertigte Bild des Opfers für sich vereinnahmt, welches für die Fehler des Managements aufkommen muss.

Auslöser von Konflikten im Rahmen von Umstrukturierungen kann eine Nichteinhaltung des psychologischen Kontraktes zwischen Unternehmen und Mitarbeiter sein, wenn der Arbeitsplatz abgebaut werden soll.

Der psychologische Kontrakt ist neben den schriftlich fixierten Arbeitsverträgen die Beschreibung der wechselseitigen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (vgl. v.Baeckmann, 1998, S.45). Er beinhaltet also die ungeschriebenen Gesetze, gegenseitige Erwartungen und Vorstellungen, was man für das Unternehmen tun kann und was im Gegenzug das Unternehmen dem Mitarbeiter geben kann.

Der psychologische Kontrakt steckt den Rahmen ab für die gemeinsame Zusammenarbeit im Unternehmen. Der Mitarbeiter erhält eine Art Versprechen, dass seine Loyalität, sein Engagement und die eingebrachte Kreativität mit einem sicheren Arbeitsplatz und privater finanzieller Planungssicherheit abgegolten werden.

In dem Moment, wo durch Umstrukturierung bedingte Stellenkürzungen umgesetzt werden sollen, erfüllt eine Seite, die Unternehmensseite, ihren Teil des Vertrages nicht mehr.

Zwar spricht v.Baeckmann (1998, S.49) auch davon, dass beispielsweise Abfindungsangebote oder Angebote zu einer Outplacement-Beratung eine Substitutfunktion haben können; grundsätzlich bedeutet der Wegfall der im stillschweigenden Vertrag geregelten Arbeitsplatzsicherheit einen Vertragsbruch, der Ausgangspunkt für Konflikte ist.

3.2. Dynamisierung von Konflikten

Sowohl im privaten als auch beruflichen Umfeld entwickeln sich Konflikte aus kleinen Spannungen und Reibungen. Wird der Konflikt nicht gelöst, erreicht er stufenweise immer größere Ausmaße.

Zur Konflikteskalation gibt es verschiedene Stufenmodelle, ich werde mich in dieser Arbeit auf das Neun-Stufen-Modell von Glasl (1980, S.235 ff.) beziehen:

1. Kooperationsbemühungen bei gelegentlichem Abgleiten in Reibungen und Spannungen,
2. Polarisation und Debatte,
3. Nicht Worte, sondern Taten!,
4. Sorge um Reputation und Unterstützung,
5. Kampf mit verlorenem Gesicht,
6. Drohungsstrategien beherrschen das Geschehen,
7. Systematische Zerstörungsschläge gegen das Sanktionspotential,
8. Gezielte Angriffe auf das Nervensystem des Gegners,
9. Totale Vernichtung und Selbstvernichtung.

Von Stufe zu Stufe wird der Konflikt intensiver, die Bereitschaft zu Kompromissen und gemeinsamer Lösungsfindung zwischen den Konfliktparteien nimmt immer weiter ab. In den ersten drei Stufen sind noch Möglichkeiten gegeben, um alle Parteien erfolgreich aus dem Kampf gehen zu lassen, während bei den folgenden Stufen der Konfliktauslöser soweit in den Hintergrund gerückt wird, dass nicht mehr alle Teilnehmer einen Gewinn aus der Diskussion ziehen können.

Befindet sich der Konflikt bereits auf Stufe acht oder gar neun, ist der Sachverhalt meist überhaupt nicht mehr Thema der Diskussion, Ziel ist nur noch die Vernichtung der anderen Parteien und ihres Rufes und die Gefahr der eigenen Vernichtung wird dabei billigend in Kauf genommen.

Weber (1999, S. 59) bezeichnet diese letzten Phasen des Stufenmodells von Glasl als „totalen Kollisionskurs der Parteien“ und als „Zersplitterung der Macht- und Existenzgrundlagen“.

Für Konflikte in Unternehmen sieht er jedoch nur die ersten fünf Phasen des Glasl’schen Modells als relevant an, die Phasen der totalen Verhärtung und der Zerstörung der Machtgrundlagen der Widersacher führten für diese Thematik zu weit, so Weber.

3.3. Auftreten sozialer Konflikte bei Umstrukturierungen

Das „Gesamtprojekt“ des Managements, die Personalstärke der Organisation aufgrund betriebswirtschaftlicher Erfordernisse um die Größe X zu verändern, hat für die Betroffenen jeweils individuelle Konsequenzen. Solange nicht feststeht, welche Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssen, ist die größte Konfliktquelle die allgemeine Unsicherheit, ob man Betroffener, also das Opfer, ist oder ob man den Stellenabbau „überlebt“ und sich als Survivor der neuen Situation im alten Unternehmen stellen muss.

In beiden Fällen ergeben sich durch die Veränderung im Unternehmen teilweise tiefgreifende Konsequenzen für das Individuum.

Berner (1999, S.16) beschreibt in seiner Arbeit Veränderung als Oberbegriff der englischen Begriffe für Change und Transition, wobei Change für ihn die kurzfristige sachliche Umsetzung des Vorhabens beschreibt: „Zusammenfassend steht Change für eine objektiv ersichtliche Lageveränderung“. Die Transition ist für Berner die Umsetzung der Veränderung, die Bewältigung der Situation durch den Betroffenen. Sie dauert länger als der schnelle Change -Prozess, Berner (1999, S.17) spricht von einem psychologischen Prozess mit verschiedenen Phasen, den der Betroffene häufig durchlaufen muss, bis die neuen Umstände akzeptiert sind.

Für den Mitarbeiter ist die bevorstehende Umstrukturierung, gleich ob Entlassung oder Verbleib im Unternehmen, ein Life-event (vgl. v.Baeckmann, 1998, S.20 ff.), welches nicht alltäglich, sondern oft lebensverändernd und dadurch für den Einzelnen stressauslösend ist[4].

Wie intensiv sich das Life-event für den Mitarbeiter auswirkt, macht v.Baeckmann (1998, S.23) an vier Parametern fest:

- Dem Ausmaß an verändernder Wirkung,
- Der positiven oder negativen Bedeutung für den Betroffenen,
- Ob es innerhalb oder außerhalb der Kontrolle des Betroffenen liegt,
- Ob der Eintritt erwartet oder überraschend ist.

Inwieweit der Betroffene diese lebensverändernden Umstände verarbeiten und gegebenenfalls nutzen kann, hängt von den Fähigkeiten und Kompetenzen, den Persönlichkeitsmerkmalen oder auch der sozialen Unterstützung, die die Person erfährt, ab (vgl. v.Baeckmann, 1998, S.23).

Ein hoch qualifizierter Mitarbeiter mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein und Kenntnis seines eigenen „Marktwertes“ wird sich dessen bewusst sein, dass er wahrscheinlich nicht von den Entlassungen betroffen sein wird oder im Entlassungsfall sehr schnell eine neue Anstellung finden wird. Dadurch wird er der Umstrukturierung sehr viel ruhiger und entspannter entgegensehen als ein Mitarbeiter, der gering qualifiziert, ortsgebunden oder durch andere Umstände unflexibel ist und dadurch der Zukunft sehr skeptisch entgegenblickt.

Die Flexibilität eines Mitarbeiters, auf Entlassung zu reagieren, schnell eine neue Anstellung zu finden und dadurch weniger mit den Folgen der Arbeitsplatzunsicherheit kämpfen zu müssen ist auch abhängig vom Lebensalter des Betroffenen. Jüngere Menschen, die zudem noch kein Wohneigentum in der Nähe der Betriebsstätte geschaffen haben und auch schneller soziale Kontakte knüpfen, haben weniger Probleme damit, das potenzielle Suchgebiet für eine neue Beschäftigung weiter auszudehnen. Teilweise wird dies von jungen Menschen sogar als positive Chance angesehen, mal „rauszukommen“ und etwas Neues kennen zu lernen.

Hier wird ein Aspekt für das Auftreten von Zukunftsängsten und allgemeinen Widerständen bei Veränderungen deutlich: die Abhängigkeit von (gegebenen) Handlungsalternativen.

Besonders Mitarbeiter mit relativ schlechten Handlungsalternativen haben daher ein großes Interesse daran, in der Organisation verbleiben zu können. Neben dem Zweck des Einkommenserwerbs bietet die Organisation dem Mitglied ein Gefühl von Schutz und Stabilität und unterstützt das Individuum dadurch in seinem Bestreben nach Abwehr von Ängsten und Schwierigkeiten (vgl. v.Baeckmann, 1998, S.35).

Auch fungiert die Organisation als Identifikationsobjekt, die Zugehörigkeit zur Gruppe und die Möglichkeit der Einbringung der persönlichen Kreativität sind wertvoll für das Gruppenmitglied.

Die Gefahr einer Kündigung geht für den Mitarbeiter einher mit der Gefahr, die Gruppe verlassen zu müssen und mit dem Bruch des psychologischen Kontraktes[5].

Neben dem möglichen Wegfall der Erwerbsquelle verliert der Mitarbeiter seinen persönlichen Halt. Ein Gefühl von Ausgrenzung ersetzt die bisher vorhandene Illusion von lebenslanger Sicherheit und Gruppenzugehörigkeit.

Neben der Angst vor Arbeitsplatzverlust und unklaren Zukunftsaussichten werden auch Widerstände gegenüber den Veränderungen im Unternehmen aufgebaut. Den Mitarbeitern ist meist sehr schnell klar, dass sich auch bei einem Verbleib im Unternehmen die Umstände zum Negativen hin verschieben können, die gleiche oder eventuell noch mehr Arbeit wird auf weniger Köpfe verteilt, das Klima und der Ton können rauer werden.

Die Reorganisation im Unternehmen kann zusätzlich für die Verbleibenden einen potenziellen Qualitätsverlust im derzeitigen Beschäftigungsverhältnis bedeuten, Sverke et al. (2006, S.66) nennen in Bezug darauf Aspekte wie die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, Degradierung oder fehlende Qualifizierungs- und Karrieremöglichkeiten, des Weiteren sinkende Einkommensmöglichkeiten.

Das neoklassische ökonomische Verhaltensmodell erklärt Widerstände aus der Nutzenmaximierung (vgl. Baumgart, 2001, S.19), hier wird der erwartete individuelle Nutzen der Veränderung mit dem Aufwand aus der Veränderung durch den Einzelnen abgeglichen. Ist der zu erwartende Nutzen geringer oder stellt sich gar ein zu erwartender Nutzenverlust ein, sind Widerstände zu erwarten[6].

Da die Umstrukturierung im Betrieb meist mit notwendigen Kostenreduzierungen verbunden ist, wird in einem Großteil der Fälle das Ergebnis für die Mitarbeiter eher negativ sein.

3.4. Ängste durch drohenden Personalabbau

Widerstände und Ängste entstehen durch die Ungewissheit darüber, welche Auswirkungen die Neugestaltung der betrieblichen Situation für den Einzelnen hat.

Grundsätzlich besteht ein plötzlicher erzwungener Wandel von einer gewohnten Situation zu etwas Neuem. Dadurch entsteht Unsicherheit, die bis zu einem Kontrollverlust über den bisher vorgezeichneten und geplanten Lebensweg führen kann.

Als Gründe für Ängste nennt Staehle (1999, S.978) beispielhaft Angst vor ungewissem Ausgang des Wandels oder die Angst, einer neuen Aufgabe nicht gewachsen zu sein oder eine erreichte Autonomie am Arbeitsplatz durch Neuorganisation wieder zu verlieren. Die beiden letzten Punkte verdeutlichen, dass nicht nur die drohende Entlassung, sondern auch die Perspektive der Weiterbeschäftigung Zukunftsängste bei der Belegschaft auslösen kann.

Beide Möglichkeiten, Entlassung und Weiterbeschäftigung, bringen Herausforderungen für die Betroffenen mit sich, da immer eine Konfrontation mit einer unbekannten neuen Situation bevorsteht, aber auch durch neue Aufgaben[7] ein bisher nicht gekanntes Ausmaß an Verantwortungsübernahme gefordert wird (vgl. v.Baeckmann, 1998, S.58).

Ebenso kann ein Übereifer der Mitarbeiter eine Konsequenz aus Arbeitsplatzunsicherheit (vgl. Hartmann, 1999, S.118) sein, dieser soll der Profilierung vor dem Management dienen, um eine drohende Entlassung abwenden. Der hier entstehende Konkurrenzkampf „um die letzten verbleibenden Plätze“ hat teilweise erhebliche Auswirkungen auf das sowieso schon durch Gerüchte, Halbwahrheiten und allgemeine Unsicherheiten geprägte Betriebsklima.

Berner verweist in seiner Arbeit auf das Modell von Brockner (1992, zitiert nach Berner, 1999, S.58), welches ebenfalls den Zusammenhang zwischen Arbeitseinsatz und dem Grad der Arbeitsplatzunsicherheit beschreibt. Es wird deutlich, dass sich zu Beginn, bei geringer Bedrohung durch Arbeitsplatzverlust und hoher Einflussmöglichkeit der Arbeitseinsatz der Belegschaft tendenziell verbessert. Bei mittlerer Unsicherheit erreicht der Einsatz der Mitarbeiter den Höhepunkt. Je unsicherer dann der Arbeitsplatz wird umso geringer sind Motivation und Einsatz der Betroffenen. Durch die fast sichere bis sichere Arbeitslosigkeit ist für die Betroffenen der psychologische Kontrakt durch das Management der Unternehmung gebrochen worden und daher sieht sich auch die Belegschaft nicht mehr in der Pflicht, seinen Teil des Vertrages zu erfüllen.

Aus der Bedrohung durch einen eventuellen Jobverlust wird bei Gewissheit eine Machtlosigkeit des Einzelnen gegenüber dem Unternehmen, welche motivationsmindernd ist und zusätzlich die Stimmung gegenüber den Verbleibenden im Unternehmen verschlechtert.

Für viele Mitarbeiter ist diese gefühlte Machtlosigkeit ein sehr ungewohntes Gefühl, nachdem sie lange Zeit gute Arbeit im Unternehmen geleistet und vielleicht sogar Verantwortung übertragen bekommen haben, sehen sie sich jetzt einer Situation gegenübergestellt, in der sie nicht selber agieren können, sondern in der andere über ihre weitere Existenz anhand betriebswirtschaftlicher Kennzahlen entscheiden.

Hartmann (1999, S.118) verdeutlicht in ihrer Studie dass durch die namentliche Bekanntgabe der Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen müssen, das Klima sich nicht verbessert sondern eher verschlechtert[8]. Die zu entlassenden Mitarbeitern sehen ihre in der Vergangenheit geleistete Arbeit als nicht gewürdigt an, Neid gegenüber den Verbleibenden kommt ebenso dazu[9].

Die Mitarbeiter, die diesen Personalabbau „überlebt“ haben sind meist nur für kurze Zeit beruhigt, da in vielen Fällen die wirtschaftliche Situation des Betriebes auch für sie Einschnitte erwarten lässt. Weiterhin bleibt die Gefahr, dass es in absehbarer Zeit eine weitere Entlassungswelle geben könnte.

4. Soziale Konflikte beim Personalabbau

4.1. Interventionen und private Zukunftssicherung

Zur Realisierung des Personalabbaus werden verschiedene Möglichkeiten genutzt, die je nach persönlicher Situation des Betroffenen unterschiedliche Auswirkungen auf die zukünftige finanzielle Lage haben können. Dies hat natürlich auch Konsequenzen für das Empfinden und die Zukunftssicht des Mitarbeiters, von dem sich das Unternehmen trennen möchte.

Häufig genutzte Instrumente zum Abbau von personellen Überkapazitäten sind die betriebsbedingte Kündigung[10], der Abschluss eines Aufhebungsvertrages und die Möglichkeit der Frühverrentung.

Die Wege des Aufhebungsvertrages und der Frühverrentung sind meist Zugeständnisse des Arbeitgebers, da aufgrund von sozialer Verantwortung, Kündigungsschutzrichtlinien oder wegen gewerkschaftlicher Einflüsse eine Reduzierung der Personalstärke durch einfache Entlassung nicht durchsetzbar ist.

Die betriebsbedingte Kündigung ist für den Arbeitnehmer die Variante mit den ausgeprägtesten negativen Konsequenzen. Der Betroffene muss realisieren, dass er im Unternehmen nicht mehr gebraucht wird. Viele Entlassene fühlen sich nicht als im Unternehmen tätiger Mensch, sondern als Ressource, die wie eine Maschine nach Bedarf angeschafft oder veräußert werden kann. In der Vergangenheit geleistete Arbeit, der Input eigener Kreativität und die Identifikation mit dem Unternehmen werden nicht gewürdigt. Dies hat in vielen Fällen weitreichende Konsequenzen für das Selbstwertgefühl des Einzelnen. Oft überträgt sich der Eindruck, nicht mehr gebraucht zu werden auch auf alle anderen Bereiche des Lebens. Teilweise reichen die Folgen bis hin zu Depression und Krankheit, zu Alkoholsucht und zur Zerstörung des bisherigen familiären und sozialen Umfeldes.

Gefördert wird dies durch das Gefühl der Scham. Der Entlassene möchte vor Familie, Freunden, Nachbarn und Vereinskollegen nicht als Verlierer dastehen. Ebenso bricht die bisherige Ordnung weg, die durch den geregelten Tagesablauf vorhanden war, da der Job bestimmte Zeiten und Abläufe vorgab. Viele Menschen haben beim plötzlichen Wegfall dieser Ordnung Probleme, ihr Leben weiterhin in geplanten Bahnen zu lenken und es für sie sinnvoll zu gestalten.

Dieser Aspekt hat ebenfalls Gültigkeit für Mitarbeiter, die das Unternehmen über den Abschluss von Aufhebungsverträgen oder Frühverrentungen verlassen. Auch sie unterliegen der Gefahr, in ein Loch, in eine plötzliche Leere zu fallen, die für viele Menschen nur sehr schwierig zu bewältigen ist, gerade wenn nicht durch Familie, Hobbys oder andere Verpflichtungen und Engagements ausgleichende Betätigungsfelder existieren.

Im Gegensatz zu ihnen haben Entlassene jedoch in ungleich höherem Maße Zukunftsängste, die aus finanziellen Risiken resultieren. Durch die Entlassung fällt die meist einzige oder wichtigste Einkommensquelle des Haushalts weg, laufende Kosten können nicht mehr bedient werden oder geplante Anschaffungen oder Projekte nicht realisiert werden. Da betriebsbedingte Kündigungen tendenziell nicht hochqualifizierte Angestellte mit guten Berufsaussichten treffen, herrscht eine große Unsicherheit und eine daraus resultierende Zukunftsangst vor. Auch eine Langfristarbeitslosigkeit ist möglich. Dies kann zur Perspektivlosigkeit führen, da neben einer unklaren beruflichen Zukunft auch die finanzielle Grundlage fehlt, Kreativität im privaten Umfeld auszuleben, zum Beispiel einem kostspieligen Hobby nachzugehen oder ein Haus zu bauen.

Ebenso wie bei den Folgen für Selbstbewusstsein bezüglich der eigenen Fähigkeiten haben auch die finanziellen Konsequenzen einer Entlassung große Auswirkungen auf das gesamte Leben der Betroffenen. Das finanzielle Risiko kann abgemildert werden durch die Wege des Aufhebungsvertrages oder der Frühverrentung. Doch auch diese Möglichkeiten werden nicht in allen Fällen von den Mitarbeitern wirklich freiwillig in Anspruch genommen. Hartmann (1999, S.118ff.) spricht von Resignation bei den Arbeitnehmern, die sie oft zu diesen Schritten führt. Unternehmen stellen die Aussichten für die Angestellten aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation schlechter dar, aber auch das infolge der Unsicherheit entstandene schlechtere Betriebsklima und die wachsende Konkurrenz innerhalb der Belegschaft sind Motive für Arbeitnehmer, durch eine Abfindung oder eine Frühverrentung den Abschied vom Unternehmen wenigstens noch finanziell ganz oder teilweise abzufedern.

Hartmann (1999, S.120f.) nennt allerdings auch gezielte Druckmaßnahmen und Schikanierungen seitens der Arbeitgeber. In einigen Fällen wird gedroht, dass der Mitarbeiter bei Nichtannahme eines Aufhebungsvertrages in einer nächsten Runde zu den Entlassenen ohne finanziellen Ausgleich gehören könnte.

Wie erwähnt, gibt es jedoch auch bei diesen Möglichkeiten negative Folgen für die Betroffenen durch Wegfall der gesellschaftlichen Anerkennung durch den ausgeübten Beruf, den Wegfall der Anerkennung und Wertschätzung im Kollegium und der Bestätigung durch die geleistete Arbeit.

Älteren Mitarbeitern wird in einigen Fällen auch ein „schlechtes Gewissen“ eingeredet, da sie den Arbeitsplatz für jüngere Mitarbeiter mit finanziell höheren Belastungen und noch längeren Lebensarbeitszeiten frei machen könnten, indem sie sich für eine Frühverrentung entscheiden (vgl. Hartmann, 1999, S.127). Demgegenüber steht aber mittlerweile die Erkenntnis, dass gerade ältere Arbeitnehmer eine Erfahrung besitzen, die für Unternehmen sehr wichtig ist und deren Bedeutung in der Vergangenheit vielfach erst erkannt wurde, nachdem große Teile der älteren Belegschaft in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wurden[11].

[...]


[1] Siehe Kapitel 3.2.

[2] Weber (1999, S.51) spricht allgemein von Veränderungen, nicht nur von krisenbedingten Umstrukturierungen, die meist Stellenkürzungen beinhalten. Seine Ausführungen beziehen sich ebenso auf die Implementierung neuer Projekte etc. Das Spektrum der möglichen auftretenden Konflikte entspricht aber weitgehend dem bei Umstrukturierungen.

[3] Weber (1999, S.55) führt beispielhaft den Konflikt zwischen Außendienstabteilung und Werbeabteilung an, da sich die eine Seite immer von der anderen unverstanden fühlt. Dies mündet in einer grundsätzlich ablehnenden Haltung, die sich darin äußert, dass alle nötigen Zusammenarbeiten von Anfang an belastet sind, ohne dass die Problematik des aktuellen Auftrags überhaupt angegangen wird.

[4] Die Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen werden in Kapitel 5.3. behandelt.

[5] Siehe Kapitel 3.1.

[6] Baumgart verweist als Mittel zur Vermeidung oder Minimierung von Widerständen auf die Möglichkeit der Anreizgestaltung. Über Wege, die Veränderung für den Einzelnen positiv nutzbar zu machen, wird in Kapitel 6 näher eingegangen.

[7] Dies kann sowohl im bisherigen als auch in einem neuen Unternehmen sein.

[8] Durch die Bekanntgabe der Mitarbeiter die das Unternehmen verlassen müssen, sollte eigentlich die Unsicherheit und Spekulation beendet sein und dadurch stimmungsverbessernd auf das Betriebsklima einwirken.

[9] Auf die Gefühle der Verbleibenden zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verbleibens im Unternehmen wird in Kapital 5 eingegangen werden.

[10] Im folgenden Text wird die betriebsbedingte Kündigung mit dem Begriff der „Entlassung“ gleichgesetzt.

[11] Das Potenzial älterer Arbeitnehmer wird im Kapitel 6.3.3. nochmals aufgegriffen.

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Soziale Konflikte im Rahmen von Umstrukturierungen
Hochschule
Hochschule Harz - Hochschule für angewandte Wissenschaften (FH)
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
78
Katalognummer
V82111
ISBN (eBook)
9783638847773
ISBN (Buch)
9783656450276
Dateigröße
701 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziale, Konflikte, Rahmen, Umstrukturierungen
Arbeit zitieren
Dominik Osburg (Autor:in), 2007, Soziale Konflikte im Rahmen von Umstrukturierungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82111

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