Untersuchung der Affinität des Internets zu den konventionellen Massenmedien

Dargestellt am Beispiel des Massenmediums Fernsehen


Magisterarbeit, 1999

77 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung
1.1 Vorwort
1.2 Vorgehensweise
1.3 Thematische Einführung

2. Massenkommunikation und netzwerkvermittelte Kommunikation
2.1 Von der Massen- zur Individualkommunikation
2.2 Erster Ansatz: Interaktion
2.3. Zweiter Ansatz: Vom Publikum zur Gemeinschaft
2.4 Dritter Ansatz: "elektronische Gemeinschaften"
2.5 Vierter Ansatz: "Realitätskonstruktion"
2.6 Zusammenfassung

3. Internet und Fernsehen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten
3.1. Einleitung
3.2 Das Internet
3.3 Zusammenfassung
3.4 Einführung des Dispositiv Begriffs
3.5 Fernsehen als Dispositiv
3.6 Fernsehen als Text
3.7 Zusammenfassung

4. Fernsehen im Internet – Nachrichtenstrukturen
4.1 Einleitung
4.2 Nachrichten im Fernsehen
4.3 Fernsehnachrichten im Internet am Beispiel der Tagesschau
4.4 Zusammenfassung

5. Ausblick
5.1 Diskussion der Medienhybridisierung
5.2 Massenmedien vs. Individualmedien

6. Anhang
6.1 Interaktivitätsindex nach Goertz
6.2. Einbettung von Medien am Beispiel Internet nach Kubicek
6.3 Beziehungsqualitäten "elektronischer Gemeinschaften" nach Höflich
6.4 Homepage der ARD Tagesschau, oberer Teil
6.5 Homepage der ARD Tagesschau, unterer Teil
6.6 Decoder "Real Player", im Hintergrund die Homepage der Tagesschau

Literaturliste

1. Einleitung

1.1 Vorwort

Die teils überzogenen Erwartungen an die neuen Medien, allen voran an das Internet, lassen erahnen, daß der momentane Umwandlungsprozeß innerhalb der Medienlandschaft bedeutsame Auswirkungen auf fast alle Bereiche der Gesellschaft hat (vgl. Rötzer 1995a:59ff). Damit einher geht ebenfalls eine Verschiebung der Funktionen der (Massen-) Medien und eine Veränderung der Wahrnehmungsweisen. Gerade an solchen Bruchstellen lassen sich in der Mediengeschichte Entwicklungen beobachten und Wesensmerkmale der "alten" als auch der "neuen" Medien ablesen. Die vorliegende Arbeit setzt an diesem Punkt an und zielt mit der Argumentation auf die Hybridisierung der Medien, denn "durch Kreuzung und Hybridisierung von Medien werden gewaltige neue Kräfte und Energien frei, [...] eine besonders günstige Gelegenheit, ihre strukturellen Komponenten und Eigenschaften zu erkennen" (vgl. McLuhan 1968b:58).[1] Der Begriff Hybridisierung ist in einer metaphorischen Verwendungsweise zu verstehen; "also erstens die Kombination von Materialien oder Energien, [...] zweitens die Vereinigung unterschiedlicher technischer Systeme auf einem Träger [oder in einem Medium, hier das Internet, A.d.V.], so daß dieser multifunktional wird" (Schneider 1997b). Die Medienkopplung Fernsehen im Internet stellt einen solchen Hybriden dar. Mit diesem "Bastard" (McLuhan 1968b) aus dem heißen Medium Fernsehen und dem kalten[2] Medium Internet wird gezeigt, ob und wieweit die "Neuen Medien"[3] Strukturen der traditionellen Massenkommunikationsmedien aufweisen und welche Veranlagungen ausschließlich den "Neuen Medien" zuzuschreiben sind. Dabei wird die These vertreten, daß das Medium Internet nicht das "alte" Medium Fernsehen ablösen wird, sondern sich Strukturen des Fernsehens einverleibt aber auch wesentliche Aufgaben dessen nicht erfüllen kann und es somit zu einem Nebeneinander beider Medien kommt.

1.2 Vorgehensweise

Nach einer Einführung in die Thematik wird zunächst der Begriff Massenkommunikation terminologisch zugeordnet. Die kommunikations-wissenschaftliche Betrachtung leitet über zu einer neuen Begrifflichkeit von Massen- und Individualkommunikation und legt diese an die Nutzer der "Neuen Medien" an. Vier unterschiedliche Ansätze sollen dabei die Thematik beleuchten: die Option der Interaktion, die Abgrenzung der Mediennutzer nach außen, ihre internen Verhaltensmuster und ihre Verbundenheit innerhalb einer von den Medien erzeugten gemeinsamen "Realität". Im zweiten Teil werden die gewonnen Erkenntnisse anhand von zwei Medientypen, dem Internet und dem Fernsehen, vergleichend[4] überprüft. Zuvor jedoch wird einerseits das Internet mit seinen wesentlichen Diensten vorgestellt. Ebenso folgt eine Darstellung des Mediums Fernsehen vor dem Hintergrund der Cultural Studies. Im dritten Teil führen diese Untersuchungen noch einen Schritt weiter ins Detail, indem ein konkretes Genre der traditionellen Massenmedien (die Fernsehnachrichten) in das Medium Internet überführt wird. In dieser Hybridisierung offenbart sich schließlich die Affinität beider Medien, die im vierten Teil diskutiert wird.

Mit dieser Untersuchung werden mehr Fragen aufgeworfen, als beantwortet. So wird der politisch-ökonomische Diskurs nur teilweise behandelt. Der Vergleich der gesetzlichen Verankerung beider Medien, falls diese überhaupt schon umfassend für das Internet existiert, wird ebenfalls ausgeklammert[5], wie die Gender-Debatte. Ebenso wird auf eine Erläuterung einer der Argumentation entgegengesetzte Ansicht - Internet im Fernsehen - verzichtet. Auch wird nicht näher auf den Uses-and-Gratification-Approach bezüglich der computer-vermittelten Kommunikation eingegangen[6].

1.3 Thematische Einführung

Für die Untersuchung der durch die neuen Technologien zu erwartenden Kommunikationsstrukturen ist es notwendig, die traditionellen Massenkommunikationstheorien aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten (vgl. Schneider 1997a, Schenk 1987).

"Die vorwiegend an den klassischen Massenmedien ausgerichtete Kommunikationswissenschaft hat sich jedoch bislang eher zögerlich dem Thema zugewandt und dabei erst recht die Untersuchung von Medien interpersonaler Kommunikation, einschließlich des Telefons (Fielding/Hartley 1987), vernachlässigt" (Höflich 1995).

Es würde wenig Sinn machen, einen alle Medientheorien umfassenden Bericht abliefern zu wollen. Daher ist bei der Untersuchung des Internet im Bezug auf die klassischen Massenkommunikationsmedien besonders der Begriff des (Massen-) Publikums von Relevanz und bedarf einer für das Internet zu vergleichenden Prüfung. Mit Hilfe der Ausführungen Josef Wehners (1997) wird der Terminus "Massenkommunikation" beschrieben, um ihn im Folgenden an die "Neuen Medien" anzulegen. Der Begriff der "Neuen Medien" meint hierbei vor allem die elektronische Netzkommunikation und das Internet "als Inbegriff eines transnationalen Forums, auf dem jeder - zeit-, raum- und präsenzunabhängig ihm interessierende Themen verbreiten und jeder zu jedem Thema seine Meinung mitteilen kann" (Hasse 1997:53/54). Es werden sich Ähnlichkeiten und gravierende Unterschiede beider Kommunikationsstrukturen darbieten und nach einer genauen Untersuchung der Kommunikationsweisen der "Neuen Medien" beschrieben, so daß schließlich die Strukturen der computervernetzten Kommunikation eine deutliche Abgrenzung zu den traditionellen Massenkommunikationsmechanismen zulassen und ihre Stellung innerhalb der Medienpraxis aufschlüsselt.

Viele Kritiker der Massenmedien verweisen in ihrer Haltung gegenüber den Medien, hier besonders gegenüber dem Leitmedium Fernsehen, auf das Machtgefälle zwischen Zuschauer und Veranstalter. "In der Tat, viele einflußreiche Medientheoretiker gelangen zu diesen und ähnlichen Schlüssen, von Adorno (Adorno, 1963a; Adorno 1963b) über Mc Luhan (Mc Luhan 1968) und Postman (Postman, 1885)" (Engell 1988). Dieser Standpunkt wird mit dem Aufkommen der "Neuen Medien" eine neue Perspektive gegeben, was am Ende dieses Kapitels mit den Auslegungen Wehners versucht wird.

Der Begriff der Massenkommunikation wurde zunächst im Rahmen politischer Fragestellungen betrachtet. "Massenmedien und ihre Wirkungen standen (in den 70er Jahren, A.d.V.) im Zentrum medientheoretischer Überlegungen. Heute dagegen ist die Diskussion fachwissenschaftlich ausgerichtet: kaum eine Geistes- oder Sozialwissenschaft, die nicht den Gegenstand für sich reklamieren und unter ihrer speziellen Perspektive behandeln würde" (Kloock 1997:7). Für die Überlegungen der vorliegenden Arbeit bietet es sich an, eine wertfreie Definition von "Massenmedien" zu wählen, die sich lediglich auf den Kommunikationsprozeß konzentriert, so wie es der von Maletzke beschriebene Prozeß versucht: "... bei dem Aussagen öffentlich (also ohne begrenzte und personell definierte Empfängerschaft), durch technische Verbreitungsmittel (Medien), indirekt (also bei räumlicher oder zeitlicher oder raumzeitlicher Distanz zwischen den Kommunikationspartnern) und einseitig (also ohne Rollenwechsel zwischen Aussagendem und Aufnehmendem) an ein disperses Publikum (also eine nicht homogene Gruppe mit nicht immer genau zu ermittelnden Beziehungen) vermittelt werden" (vgl. Maletzke 1963:28). Im weiteren Verlauf der Arbeit wird auf Maletzkes Begrifflichkeit immer wieder zurückgegriffen. "Niklas Luhmanns Kommunikationstheorie der Gesellschaft ist hier am weitesten vorangeschritten. Sie ersetzt das Zwei-Personen-Modell von Sender und Empfänger durch ein Drei-Selektionen-Modell von Information, Mitteilung und Verstehen" (Bolz 1993:42). Luhmanns Kommunikationstheorie und vor allem seine Vorstellung, massenmedial vermittelter Realitätskonstruktion rückt daher im Laufe der Arbeit in den Mittelpunkt.

Auf eine Darlegung der zentralen medientheoretischen Ansätze (Wirkungsforschung, Nutzungsforschung, strukturanalytische Rezeptions-forschung) wird zugunsten des systemtheoretischen Ansatzes Luhmanns verzichtet. Grundsätzlich lassen sich jedoch zwei unterschiedliche Ansätze verfolgen. Die face-to-face-Kommunikation als Referenz betrachtend, werfen die Medientheoretiker den technischen Medien eine Störung dieses Idealzustandes vor. Von der Soziologie stiefmütterlich als Randthema behandelt, war die Massenkommunikation eine Domäne der Publizistik und der Medienwirkungsforschung. Aus soziologischer Sicht sieht die Medientheorie in ihrer pessimistischen Kritik in den Masssenmedien eine Bedrohung der öffentlichen Meinungsbildung. Besonders die "Frankfurter Schule" (vgl. Horkheimer/Adorno 1969) vergleicht die Funktionsweisen der Massenmedien mit den industriellen Mechanismen des Kapitalismus. Zwischen dem Sender und dem Empfänger verhaftend, etablierten sich demnach die Medien als gegen jede Kritik immune Machtapparate, die den Rezipienten zum bloßen Konsumenten der massenmedial vermittelten Medieninhalte einer "Kulturindustrie" degradieren. In dieser Medienkritik verfälschen technische Massenmedien eine Anschauung der objektiven Welt und drängen sich mit ihren Konstruktionen von "Schein-Wirklichkeiten" zwischen den Sender und der prämediealen Wirklichkeit. Die oben genannten Kritiker sehen die Medien (Film und Fernsehen) als Teil eines kulturindustriellen Zusammenhangs an und werfen ihnen grundsätzliche "Täuschung" der Nutzer (vgl Horkheimer/Adorno 1974, S.147, zit. nach Hickethier 1996:17) vor. Demgegenüber steht ein Modell, in dem die Medieninstitutionen eine audiovisuelle Kommunikation ermöglichen, aus der sich eine institutionalisierte Öffentlichkeit[7] innerhalb eines Gemeinwesens bildet, das diese Institutionen akzeptiert und legitimiert. Dieser Ansicht nach, wird erst mit Hilfe der Massenmedien die grundlegende Voraussetzung für die Bildung von Teilgemeinschaften geschaffen. Diese Teilgemeinschaften finden sich gerade bei der Untersuchung der "Neuen Medien" als Nutzergruppe wieder. Daher wird im Folgenden dieses Massenkommunkationsmodell (Wehner 1997a) vorgestellt und zur Grundlage weiterer Untersuchungen erhoben.

2. Massenkommunikation und netzwerkvermittelte Kommunikation

2.1 Von der Massen- zur Individualkommunikation

Nach Wehner schritten mit den technischen Entwicklungen in den 60er- und 70er-Jahren auch die Bestrebungen voran, den Empfänger an der Vermittlung von Wirklichkeit teilhaben zu lassen. Die Ware "Information" sollte in Projekten, u.a. in "Public Electronic Network" (USA) und "BTX" (Deutschland)[8] allen zugänglich gemacht werden. Der Empfänger sollte sich aus seiner beschränkten Rolle des bloßen Konsumenten befreien: "BTX und Kabelfernsehen waren deshalb in Deutschland die ersten großen Projekte, in denen sich der Wandel von der Massen- zur `Individual´ bzw. `Zwei-Wege-Kommunikation´ ankündigte, da diese Medien dem Rezipienten die (damals freilich noch beschränkte) Möglichkeit einer individuellen Einflußnahme auf Informationsangebote gewähren sollte " (Wehner 1997a:29). Auch wenn einige Projekte, wie z.B. das Berliner Projekt "Gropiusstadt" scheiterten, löste sich nach und nach der "Empfänger" von seiner Rolle des Konsumenten. Weitere technische Innovationen, wie z.B. die Fernbedienung und der Videorekorder, gewährten ihm immer mehr Eingriff in den Ablauf des Medienangebotes. "Darin liegt ein Moment gesteigerter individueller Beeinflussung der Rezeption und Teilhabe am erlebbaren audiovisuellen Geschehen" (Hickethier 1995:75). Auf Seiten des Senders blieb eine Reaktion auf diese "Individualisierung" nicht aus. Das Programm richtete sich immer mehr an ein heterogenes Publikum. Das unpersönliche Massenpublikum schien sich in klar abzugrenzenden Nutzergruppen zu wandeln. Zur Befriedigung der individuellen Bedürfnisse öffneten sich mehr Möglichkeiten zum "Abruf von Informationen (Daten, Texte), des Kommunizierens mit Organisationen, Behörden und Institutionen (Auskunft, Bestellung von Waren und Diensten), der Wahl von Programmen (Tele-Kino, Abruf von Spezialprogrammen) und der Selbstbedienung (Herstellung eigener Filme, Kauf und Leihen von Videobändern und Platten)" (Ronneberger 1982:17). Leggewie gibt jedoch im Hinblick auf das Internet zu bedenken:

"Die Erfahrungen offener Kabelkanäle zeigen, daß die Bereitstellung eines Rückkanals in den neuen Medien nicht per se Partizipationseffekte bringt; häufig scheitern die Angebote an mangelnder Partizipationsbereitschaft der Bürger selbst" (1998:37).

Die Grenzen zwischen Massen- und Individualkommunikation lösen sich mit jeder weiteren Form der Gestaltungsmöglichkeit, die sich dem Empfänger eröffneten, auf. Das Fernsehen als einstiges Massenmedium wandelt sich nunmehr allmählich zu einem "elektronischen Kiosk". "Jeder wird sich hier sein persönliches `audiovisuelles Medienmenü´ zusammenstellen können" (Wehner 1997a:34). Innerhalb der Kanäle kommt es zur Verspartung und Segmentierung. Hinzu kommen Pay-TV (Abonnementen Programme), Near-Video-on-demand (zeitversetzte Ausstrahlung gleicher Programmteile), Video-on-demand, bzw. Pay-per-View (Auswahl von Programmen aus einer Programmdatenbank), Realplay (gleichzeitige zeitversetzte Aufnahme und Betrachtung gleicher Programmteile[9]. "Speicherung und zeitunabhängige Verfügbarkeit der Daten lösen den Zwang zur synchronen Mediennutzung auf, wie wir sie vom Fernseher und Radio her kennen. Befreit von räumlich-zeitlichen Einschränkungen des Infromationszugangs, wird der nun sich selbst überlassene Nutzer aufgefordert zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt er über welches Thema sich informieren möchte" (Wehner 1997a:98). Es bleibt festzuhalten, daß die Möglichkeit der Einflußnahme des Nutzers auf das Programm mit den technologischen Entwicklungen wächst. Der Zuschauer verwendet diese Optionen und schert damit aus der Gemeinschaft des Massenpublikums aus. Er zeichnet sich durch seinen Mediengebrauch als einen zu dieser Mediennutzergruppe zugehörigen Teilnehmer aus.

Um die Strukturen und Mechanismen dieses Prozesses im einzelnen zu untersuchen, werden vier verschiedene Ansatzpunkte verwendet. Der erste wird mit zwei unterschiedlichen Interaktionmodellen den Prozeß des Eingriffes näher untersuchen. Der zweite Ansatz vergleicht die Nutzer traditioneller Massenmedien mit der Gemeinschaft der Mediennutzer neuer Medien. Diese wird als "elektronische Gemeinschaft" zu bezeichnen sein und im dritten Ansatz aufgrund ihrer internen Merkmale differenziert. Die Betrachtungsweise, daß Massenmedien Realität erzeugen (Luhmann 1996), stellt die Prämisse für den vierten Ansatz dar.

2.2 Erster Ansatz: Interaktion

Allen Formen der Beeinflussung des Medienangebotes ist die Möglichkeit des individuellen Eingriffes gemein. Je mehr Gelegenheiten sich dem Empfänger technisch-medial vermittelter Inhalte bieten, desto eher rückt er aus dem Kreis des o.g. "dispersen" Publikums. Gleichzeitig verschiebt sich die terminologische Zuordnung des Mediums innerhalb der Nomenklatur von Massen- bzw. Individualmedien bzw. neuen Medien. "Je fortgeschrittener die Möglichkeiten einer individuellen Einmischung in das mediale Geschehen sein werden und je mehr Such- und Erreichbarkeitsmanagement-Systeme die Angebote in den Netzen auf persönliche Interessen durchforsten und filtern, desto unwahrscheinlicher wird, daß zwei Rezipienten dasselbe sehen" (Wehner 1997a:168). Interaktivität scheint der Dreh- und Angelpunkt zu sein, an dem sich die traditionellen und die "Neuen Medien" treffen. "Es sind diese Angebote (Mail-Box-Szene, Online-Dienste, die Dienste des Internet, wie Computerforen, Newsgroups, Mailgroups. A.d.V.) künstlicher Kommunikation, von denen angenommen wird, daß sie das vertraute Mediensystem revolutionieren werden" (vgl. Bollmann 1995). "Interessanterweise hat sich Massenkommunikationsforschung in der Vergangenheit nie systematisch mit interaktiver Kommunikation auseinandergesetzt" (Höflich 1996:20). Daher kommt dem Begriff "Interaktivität" für eine vergleichende Untersuchung der beiden Medienstränge eine entscheidende Rolle zu. Die exakte Definition ist jedoch mit Vorbehalten belastet. Zum einen scheint "Interaktivität" als Zauberwort in der Unterhaltungsindustrie zum Werbeargument verwässert zu sein; andererseits läuft jeder Versuch der exakten Eingliederung Gefahr, die Bandbreite der bereits bestehenden Bedeutungen einzuschränken. Es ist nicht Absicht dieser Arbeit die Genese des Begriffes "Interaktivität" aufzurollen[10]. Vielmehr soll mit einer neu entwickelten und brauchbareren Terminologie ein Zusammenhang zwischen "alten" und "neuen" Medien hergestellt werden.

In ihrer Kategorisierung zur Bestimmung des "Interaktivitätsniveaus" schlagen Riehm und Wingert (1995:68ff) ein 3-Stufen-Modell vor. Ebenso wie in den klassischen Medientheorien, geht auch diesem Modell die reziproke Kommunikationsbeziehung zwischen Anwesenden als ideale Referenz voraus. In der Reaktionsstufe beschränkt sich der Einfluß des Empfängers auf bloßes Umschalten, auf das Wählen verschiedener Kameraeinstellungen und Bestellungen von "on-demand"-Diensten. In der Beeinflußungsebene greift der Empfänger durch das Anhalten, das Wiederholen und das Überspringen von "video-on-demand"-Diensten in den Ablauf ein. Die höchste Form des Interaktionsniveaus ist die Gestaltungsebene. In Video Konferenzen, Tele-Kooperationen und den verschiedenen Diensten des Internet, wie z.B. Computerforen oder News-Groups, erreichen die Empfänger eine quasi-Dialogform. Die Teilnehmer der Kommunikation (Sender und Empfänger) wechseln ihre Positionen stetig. Das Produkt dieser Kommunikation ergibt sich aus dem Zusammenwirken dieser Kommunikation. (vgl. Lévy 1996:65). Interaktion zeichnet sich nicht alleine dadurch aus, daß der Nutzer eine "Antwort" (wie z.B. bei Computerspielen oder bei einer Auswahl aus verschiedenen Programminhalten) bekommt, sondern durch ein synchrones, bzw. nicht-synchrones, technisch vermitteltes kommunikatives Handeln, das auf Gegenseitigkeit beruht. Dieses Modell berücksichtigt zwar schon den Aspekt der Gegenseitigkeit, vernachlässigt jedoch eine genaue Prüfung, was bei diesem gegenseitigen Prozeß geschieht und welche unterschiedlichen Möglichkeiten sich daraus ergeben.

Zur Klärung dieses Sachverhaltes dient das Modell von Goertz (1995), für das Goertz nach einer genauen definitorischen Untersuchung der Begrifflichkeit von "Interaktivität" zunächst sechs Prämissen aufstellt, denen er später jedes technische Medium in seiner interaktiven Wertigkeit unterordnet. Diese Strategie ist deshalb sinnvoll, da sie eine mehrdimensionale Klassifizierung der Medien vornimmt. Also nicht wie Durlak (1987) oder Debatin (1994) mit einem Schwellenwert, der erreicht werden muß, um von "interaktiv" zu reden, argumentiert. Ebenso geht Goertz weiter als Luhmann (1975) und Merten (1977), für die Interaktion dann zustande kommt, wenn sich Anwesende wechselseitig wahrnehmen, bzw. Kommunikationspartner anwesend sind. Doch unterscheidet Goertz in seiner Argumentation auch wie Debatin grundsätzlich zwischen "Medien als Partner"[11] (z.B. Computer) und "Medium als Mittel der Kommunikation" (z.B. Telefon). Ebenso trägt er die interaktive Qualität nicht auf einer zweidimensionalen Skala (Rogers 1986) oder einer Matrix (Steuer 1995) auf. Es stellt sich auch das Problem, daß der Rezipient und der Kommunikator in einigen Medien ständig ihre Rollen tauschen. Die Beurteilung des erreichbaren Publikums ist also gleichzeitig auch eine Diagnose des erreichbaren Produzenten. Diesem Dilemma kommt Goertz mit einer neuen Terminologie entgegen, die sich sowohl auf Massenmedien als auch auf Individualmedien anwenden läßt. Sein Modell zur Bestimmung von Interaktion scheint daher weitaus ambitionierter als die bisher erwähnten zu sein. Es bleibt noch zu erwähnen, daß "die Erwartung, interaktive Medien ließen die Wirklichkeit auf eine vergleichsweise unentfremdete Weise erfahren und kommunizieren, indem sie den Rezipienten aktiv in das Geschehen mit einbeziehen, an die klassische Entfremdungs- und Verdinglichungskritik der Massenmedien anschließt" (Wehner 1997a:57) nicht erfüllt wird. Demzufolge ist ein interaktiv hoch bewertetes Medium nicht gleichzusetzen mit einem die "objektive" Wirklichkeit präsentierenden Medium[12]. Die von Goertz erarbeiteten Lösungsvorschläge faßt er in sechs Prämissen zusammen.

a) Das Ideal der Interaktivität ist das persönliche Gespräch (face-to-face Kommunikation). In einer Definition des Begriffes dürfen nicht von vornherein Medien ausgeschlossen werden, die aufgrund technischer Gegebenheiten dieses Ideal nicht erfüllen.
b) Die Erhebung von Faktoren, die einen Kommunikationsprozeß steuern, scheint sinnvoll. Das sind , u.a. Vorwissen, Menge der kommunizierbaren Inhalte oder die vorgegebene Kommunikationsstruktur.
c) "Interaktivität" ist als Kontinuum zwischen hoher und geringer Interaktivität aufzufassen.
d) Die Eindeutigkeit und die einheitliche Handhabung des Klassifikationsprinzips, das dieses Kontinuum konstituiert, muß gegeben sein.
e) "Interaktivität" ist als Konstrukt mehrerer Dimensionen anzusehen, von denen jede Dimension wiederum ein Kontinuum bildet.
f) Diese Dimensionen sollten widerspruchsfrei und trennscharf sein.

Das von Maletzke festgelegte Vokabular zur Beschreibung der Massenkommunikationsprozesse ersetzt bzw. erweitert Goertz durch eine den "Neuen Medien" angemessenere Terminologie. Hierin beschreibt er den Rezipienten schlicht als "Beteiligten", der nun nicht mehr nur "Aufnehmender" ist, sondern auch aktiv in den Kommunikationsprozeß eingreift. Entsprechend der Aufladung des Rezipienten mit einem höheren Grad an Aktivität, berücksichtigt Goertz auf Seiten des Kommunikators die Möglichkeit, im Extremfall keine Aussage mehr zu machen, sondern lediglich den technischen Ablauf der Kommunikation zu kontrollieren. So bezeichnet er den Kommunikator als "organisierenden Beteiligten". Die Ähnlichkeit soll die Austauschbarkeit beider verdeutlichen. Da einem Medium ursprünglich nur ein Kommunikationsdienst zugewiesen wurde, heute jedoch unterschiedliche Geräte eine Vielzahl funktional gleicher Dienste wahrnehmen (Faxen aus Faxgerät und Computer), aber auch ein Gerät die unterschiedlichsten Dienste leisten kann (mit Hilfe eines Computers kann z.B. telefoniert und Fernsehen geschaut werden), ersetzt Goertz den Begriff des Mediums im technischen Sinne mit dem Begriff der Kommunikationsstruktur. Aufgrund des vielseitigen Einsatzes eines Mediums (im technischen Sinne) wird der Begriff Medium (als Angebot bzw. Dienst) ersetzt mit dem Terminus Medienanwendung, z.B. Fernsehempfang oder Mail-Dienst. Die "Aussage" bleibt für die weitere Untersuchung bestehen und wird nicht ersetzt.

alter Begriff neuer Begriff

Rezipient Beteiligter

Kommunikator organisierender Beteiligter

Medium im technischen Sinne Kommunikationsstruktur

Medium (als Angebot, Dienst) Medienanwendung

Aussage Aussage (bleibt bestehen)

(Tabelle nach Goertz 1995:484)

Goertz weist darauf hin, daß ein neuer Interaktivitätsbegriff sämtliche technische Gegebenheiten umfassen muß und sich nicht auf die von den Beteiligten tatsächlich genutzten beschränken darf. So kann später festgestellt werden, ob das interaktive Potential praktisch ausgeschöpft wird. Bei der Einordnung der Medien wird immer nur ein Rezeptions- bzw. Kommunkationsvorgang betrachtet, ansonsten würde die manchen Medien immanente Multifunktionalität für Verzerrungen sorgen. Goertz etabliert nun insgesamt fünf Dimensionen bzw. Faktoren, wobei er voraussetzt, daß die Höhe des erreichbaren Grades innerhalb eines jeden Faktors auch die Höhe der Interaktivität beschreibt.

a) Der Grad der Selektionsmöglichkeit gibt an, ob und wie aus einem möglichen Angebot eine Auswahl getroffen werden kann. Das kann von der bloßen Auswahl des An- und Abschaltens eines Programmes bis hin zur Auswahl aus zeitlich unabhängig voneinander verfügbaren Angebotsdimensionen reichen, z.B. ein Videospiel, in dem verschiedene Spiellevel, Präsentationsformen, Aktionsformen und Handlungsverläufe zur Auswahl stehen.
b) Der Grad der Modifikationsmöglichkeiten gibt an, ob eine Aussage dauerhaft verändert werden kann, was direkt mit der Speicherbarkeit einer Aussage zusammenhängt. Die bloße Speicherung (z.B. auf Disketten, Videobänder oder Papier) wäre als Nullpunkt zu betrachten; das Hinzufügen, Ändern oder Löschen von Inhalten (z.B. in Grafikprogramme) als oberste Grenze.
c) Die Quantitative Größe des Selektions- und Modifikationsangebots reicht vom Grad der Nichtauswählbarkeit bis hin zur Stufenlosigkeit bzw. Unendlichkeit vieler Wahlmöglichkeiten in einigen bzw. allen Selektions- und/oder Modifikationsdimensionen. Das trifft z.B. für Textprogramme zu.
d) Der Grad der Linearität/Nicht-Linearität bestimmt den Zeitpunkt, das Tempo und die Abfolge der Rezeption bzw. Kommunikation. Die unterste Stufe wäre so vom "organisierenden Beteiligten" voll bestimmbar (Film, Fernsehen, Rundfunk), während z.B. das World Wide Web als oberste Stufe die freie Wahl der o.g. Parameter für den "Beteiligten" bietet.
e) Die letzte Dimension bestimmt die Zahl der verwendeten Sinnesorgane. Sie hat zwar nicht direkt mit der Interaktivität zu tun, mißt jedoch die mediale Reichhaltigkeit eines Angebotes. "Dies gilt beispielsweise für Adventure-Spiele auf dem PC, die dem Beteiligten lediglich einen Zeileneditor zur Verfügung stellen; diese Kommunikation wird sicherlich anders erlebt als eine vergleichbare Anwendung in der virtuellen Realität, die darüber hinaus auch akustische und haptische Eindrücke vermittelt" (Goertz 1995:488).

Goertz schreibt grundsätzlich den "Medien als Kommunikationsmittel" gegenüber den "Medien als Kommunikationspartnern" eine höhere Interaktivität zu, da sie die vielfältigen Möglichkeiten der zwischenmenschlichen Kommunikation einschließen. In der folgenden Abbildung werden die "Medien als Kommunikationsmittel" daher auch in Großbuchstaben dargestellt. Die Abbildung stellt Goertz´ Versuch dar, 21 Medienanwendungen (traditionelle und "Neue Medien") unter einem Interaktivitätsindex zu kategorisieren. Er generiert die Position der Medienanwendung aus einem Summenindex[13] der zuvor beschriebenen vier Dimensionen (Index Grad der Interaktivität) und der fünften Dimension der angesprochenen Sinneskanäle (Anzahl Kanäle). Die Abbildung 1 (siehe Anhang) wird deshalb eingebunden, da sich am Ende dieser Arbeit damit plausibel zeigen läßt, daß sich die Rolle des Fernsehens im Internet von der ursprünglichen Position verschiebt.

Dieser Index stellt ausschließlich das interaktive Potential einer Medienanwendung dar und ist kein Maß für die tatsächliche Partizipation von Beteiligten. Er weist somit auf den Bedarf einer näheren Untersuchung der Diskrepanz zwischen diesem Potential und dem vom Publikum tatsächlich genutzten Potential hin, dem hier nicht weiter nachgegangen wird. Weiterhin wird durch die Position der "Medien als Kommunikationsmittel" (in Großbuchstaben) ihr höherer Grad an Interaktivität gegenüber den "Medien als Kommunikationspartner" sehr deutlich. Die überwiegend linear strukturierten Massenmedien, also Anwendungen, die geringe Selektionsmöglichkeiten und keine Modifikationsmöglichkeiten bieten, weisen einen geringen Grad an Interaktivität auf. Ebenso offenbart sich ein gewisses Machtgefälle zwischen dem "Beteiligten" und dem "organisierenden Beteiligten". Durch die hohe Einflußmöglichkeiten in den verschiedenen Dimensionen "...nimmt der Beteiligte dem organisierenden Beteiligten Kontrollfunktionen aus der Hand. Z.B. kann das "virtuelle Büro" eines VR-Nutzers (Teilnehmers der „Virtual Reality“, A.d.V.) völlig anders aussehen, als es sich der Programmierer der Anwendung je vorgestellt hat" (ebd.:491). Mit Goertz´ ambitioniertem Versuch, die wichtigsten Medienanwendung in einem Interaktivitätsindex zu systematisieren, eröffnen sich als essentielle Ergebnisse für die vorliegende Arbeit folgende Aspekte: Das Gespräch hat sich als Ideal einer interaktiven Medienanwendung (Sprache) bestätigt, teilt sich jedoch seine Führungsposition mit einem hochentwickelt-technologischen Vertreter der "Neuen Medien", nämlich dem Gang durch eine programmierte virtuelle Landschaft, die vom "Beteiligten" individuell beeinflußt werden kann (VR-Walk through, z.B. Büroeinrichtung). Parallelen zu der netzwerkvermittelten Kommunikation sind deutlich. Ähnliches findet sich in den MUDs[14], die Goertz in seinem Index nicht berücksichtigte. Diese wären zwar im Bezug auf das Interaktivitätspotential und der zu bedienenden Sinne geringer ausgeprägt, jedoch im Grad der Selektions- und Modifikationsmöglichkeit und im Grad der Lienearität/Nicht-Linearität in nur wenig geringerer Position im Interaktivitätsindex einzugliedern, als der VR-Walk (A.d.V.). Den klassischen Massenmedien (Hörfunk und Fernsehen) wird sogar ein gewisses Maß an Interaktivität zugesprochen. "Dies ist auf die Auswahlmöglichkeiten der verschiedenen Programmangebote zurückzuführen und steht im Einklang mit der Einschätzung von Rice:"...choosing among three network stations does, after all, provide some interactivity" (1984:491).

Als Kritik an Goertz´ Systematisierung muß die Tatsache angeführt werden, daß er das potentiell durch eine Medienanwendung erreichbare Publikum größtenteils außer Acht läßt. Diese Betrachtung erscheint zunächst als Relikt der Massenkommunikation, ist in einer vergleichenden Untersuchung der "Neuen Medien" mit den traditionellen Kommunikationsmedien nicht auszuklammern. Es kann festgehalten werden, daß mit dem dargestellten System zur Kategorisierung von Medienanwendungen bezüglich ihres Interaktivitätspotentials eine sinnvolle Methode zu Bestimmung des Terminus der Interaktivität vorliegt. Für die weitere Analyse stellt sich die Frage, inwieweit sich die Kommunikationstrukturen und Medienanwendungen der klassischen Massenmedien (hier das Fernsehen) in die einzelnen Kategorien bzw. Dimensionen von Goertz´ Modell neu eingliedern lassen. Nämlich dann, sobald es zu einem Transfer zwischen den Medien kommt; also das Massenmedium Fernsehen als Medium im Internet (hier das WWW) Anwendung findet. Es wird sich herausstellen, daß bei dieser Einbindung des Fernsehens (als Sendeanstalt) einerseits die individuellen Bedürfnisse der "Beteiligten" nur begrenzt berücksichtigt und die "Beteiligten" nur vereinzelt in den Handlungsspielraum einbezogen werden.

2.3. Zweiter Ansatz: Vom Publikum zur Gemeinschaft

Im Zuge des Entwicklungsprozesses der Massenmedientheorien wurde dem Publikum die Nutzung der Massenmedien in einem sozialen Kontext und als aktiver Teilnehmer zugeschrieben (Teichert 1976). Bauer schreibt ihm eine Widerspenstigkeit gegenüber den Massenmedien mit dem Blick auf die durch die Medieninhalte zu erreichenden Gratifikationen zu (ebd. 1973). In diesen Vorstellungen des Publikums findet während der Rezeption jedoch kein Austausch unter den Mitnutzern der Medien statt. Entgegen der Begrifflichkeit des "dispersen Publikums" traditioneller Massenkommunikationsmedien (Maletzke 1963) und der entsprechenden Mediennutzung, impliziert der Terminus von interpersonaler Netzkommunikation eine Mediennutzung von Gruppen bzw. Netzen medial miteinander verknüpfter Teilnehmer. "Der ursprüngliche Integrationsgedanke des Öffentlichkeitsideals allerdings hat sich verloren, die Vielzahl der medialen Öffentlichkeiten wirkt desintegrierend und dezentrierend" (Hickethier 1997b). Im Folgenden wird die "elektronischen Gemeinschaft" (Höflich 1995) angesichts ihrer Nutzung des Internet und ihrer Konstitutionsmerkmale untersucht, um den Begriff der massenmedial vermittelten Öffentlichkeit in heterogene Teilöffentlichkeiten aufzuschlüsseln. Diese Teilöffentlichkeiten etablieren sich durch die Merkmale der "elektronischen Gemeinschaft". Die technisch vermittelte interpersonale Kommunikation ist erst durch die gemeinsame Medienverwendung der Nutzer möglich. Im Vergleich der klassischen Massenkommunikationsmedien zum Internet unterscheidet Hasse (1997) die Nutzer beider Medien in ihren Grundzügen. Während die Nutzer der klassischen Massenkommunikationsmedien den Massenmedien eher laienhaft gegenüberstehen, sehr schwach organisiert sind und sich aus heterogenen Bevölkerungsschichten zusammensetzen, erreichen die durch Insiderwissen gekennzeichneten Nutzer der Netzkommunikation einen hohen Kommunikationsgrad und zeichnen sich durch einen hohen Homogenitätsgrad an Interessen und Kompetenzen aus.[15] Darüber hinaus weisen sich die Online-Nutzergruppen durch zwei weitere Merkmale aus. Einerseits durch die Rezeption neuer Schreib- und Lesetechniken, wie z.B. Hypertext[16] und anderseits durch den Mangel an gemeinsamen sozialen bzw. kommunikativen Räumen. Dieses Defizit wird kompensiert durch die Annahme spezifischer Identitäten und in einer Organisation von exklusiven Mitgliedschaften, mit dem Sinn, Inhalte zu bedienen, die außerhalb der massenmedial verbreiteten Berichterstattung liegen. Während also Massenmedien ihre Sinnproduktion zugunsten eines größtmöglichen Nenners extrem niedrig halten, benutzt die Netzgemeinschaft das Internet als Forum für nicht-etablierte Meinungen. Hier muß jedoch der Einwand gemacht werden, daß im Zuge der Kommerzialisierung des Internet, besonders der des World Wide Webs, vermehrt öffentliche Themen in das Internet gelangen.

[...]


[1] "Wenn die These Marshall McLuhans stimmt, daß in den neuen Medien die jeweils älteren zum Thema gemacht werden, sind auch im neuen Medium der Computernetze ältere Medien und Medienstrukturen aufgehoben, und es läßt sich über den Vergleich der Medien das Neue bestimmen" (Hickethier 1997a), was mit dieser Arbeit versucht wird.

[2] Das Internet als kaltes Medium zu bezeichnen, will darauf aufmerksam machen, daß es "in hohem Grade persönliche Beteiligung oder Vervollständigung durch das Publikum" (McLuhan 1964:29) braucht. Also die Interaktion ein wichtiges Unterscheidungskriterium wird.

[3] Obgleich eine genaue Eingrenzung des Sammelbegriff "Neue Medien" schwierig ist (vgl. Bollmann 1995:12ff), beschränkt sich der Begriff im vorliegenden Text auf "die heterogenen Formen der durch Computer vermittelten Kommunikation, also das, was [...] als "computer mediated communication" diskutiert wird" (Schneider 1997a).

[4] Ein Vergleich beider Medien ist durch die gemeinsame visuelle Darstellung der Inhalte über den Bildschirm möglich. Beiden ist die gleiche dispositive Anordnung gemein, worauf später noch weiter eingegangen wird.

[5] Hierzu sei auf Wendel, 1997 verwiesen

[6] siehe Höflich, 1994

[7] Der Begriff der Öffentlichkeit und "die tradierte Vorstellung der Öffentlichkeit als abgegrenztem Kommunikationsraum, in dem die Subjekte miteinander argumentieren und agieren auf einen Konsens der divergierenden gesellschaftlichen Interessen hinarbeiten, um das Beste für das Gemeinwohl zu erreichen, ist sicherlich nur als ideal zu begreifen" (Hickethier 1997).

[8] Mit der Entwicklung dieser Technologien ging ein Debatte der "Computerdemokratie" einher.

(Krauch 1992)

[9] siehe www.realplaytv.com

[10] Zur historischen Betrachtung und der Analyse der Definitionen zum Begriff "Interaktivität" wird auf den Aufsatz von Goertz (1995) verwiesen.

[11] Zur Untersuchung, ob ein Computer überhaupt als Partner angesehen werden kann, wird hier auf Kellerer (1993:14-16) und auf den Turing-Test (Turing 1950) verwiesen. Aber auch auf Harms/Voermanek (1994:241), die den Begriffes face-to-file Kommunikation problematisieren.

[12] Die "Konstruktionsprinzipien des Realen" (Wehner 1997a:57) werden im vierten Ansatz noch näher untersucht.

[13] Goertz ist sich durchaus darüber im klaren, daß die Zusammenfassung der Dimensionen zu einem Summenindex zunächst eine willkürliche Vereinbarung ist.

[14] MUD = "Multi-User Dungeons", Kommunikationsmöglichkeit im Internet, in der die Beteiligten individuelle Identitäten entwickeln, ähnlich der Chat-Räume. Im zweiten Kapitel wird näher hierauf eingegangen.

[15] Rheingold bezeichnet die virtuellen Gemeinschaften als "...soziale Zusammenschlüsse, die dann im Netz entstehen, wenn genug Leute diese öffentlichen Diskussionen lange genug führen und dabei ihre Gefühle einbringen, so daß im Cyberspace ein Geflecht persönlicher Beziehungen entsteht". (vgl. Rheingold 1994:16).

[16] "Die Schaffung eines Netzes mit Informationsknoten und nicht mit hierarchischen Bäumen oder geordneten Listen, ist das grundlegende Konzept von Hypertext. Die Texte werden so miteinander verbunden, daß man von einem Begriff zum anderen gehen kann, um schließlich die Information zu finden, die man benötigt" (Bollmann 1996:61).

Ende der Leseprobe aus 77 Seiten

Details

Titel
Untersuchung der Affinität des Internets zu den konventionellen Massenmedien
Untertitel
Dargestellt am Beispiel des Massenmediums Fernsehen
Hochschule
Universität zu Köln  (Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft)
Note
2,7
Autor
Jahr
1999
Seiten
77
Katalognummer
V81811
ISBN (eBook)
9783638847452
ISBN (Buch)
9783638852241
Dateigröße
1441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Untersuchung, Affinität, Internets, Massenmedien
Arbeit zitieren
Magister Artium Adrian Thome (Autor:in), 1999, Untersuchung der Affinität des Internets zu den konventionellen Massenmedien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81811

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