Die quantitative Analyse von Geschäftsprozessen


Diplomarbeit, 2007

133 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Verzeichnis der verwendeten Definitionen

Symbolverzeichnis

1 Einleitung

2 Geschaftsprozessmodelle und ihre Analyse
2.1 Modelle von Geschaftsprozessen
2.1.1 Modellierung
2.1.2 Modellelemente von Geschaftsprozessen
2.1.3 Sprachen zur Modellierung
2.2 Analyse von Geschaftsprozessmodellen
2.2.1 Zum Begriff der Analyse
2.2.2 Quantitative Analysemethoden
2.2.3 Quantitative Analyse von Geschaftsprozessen

3 Kapazitatsplanung

4 Ereignisdiskrete Simulation

5 Implementierung in Java
5.1 Algorithmus zur Kapazitatsanalyse
5.2 Algorithmus zur Simulation

6 Bewertung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

1 Knotensymbole fur Workflow-Netze

2 Leistungsparameter von Wartesystemen

3 Paketstruktur von ”QuantAnalysis”

4 Ausfuhrungshaufigkeiten im entfalteten Netz

Abbildungsverzeichnis

1 Metamodell der Modellierung

2 Analysevarianten eines Systems

3 Beziehung zwischen Aufgabe, Fall und Aktivitat

4 Referenzmodell der WfMC

5 ARIS-Haus von Scheer (Auszug), eigene Darstellung

6 Ereignisgesteuerte Prozesskette zum Beispielprozess

7 Aktivitatsdiagramm zum Beispiel aus Anhang A

8 Petri-Netz des Beispiel-Prozesses

9 Beispiel-Prozess als Workflow-Netz mit Subprozess

10 Zusammenhang zwischen EffizienzmaBen

11 Elemente eines Wartesystems

12 Beispiel fur ein Jackson-Netzwerk

13 Beispiel fur eine Ressourcenklassifikation

14 Kapazitatsplanung fur das Beispiel

15 Zeitbegriffe in der Simulation

16 Allgemeiner Simulationsalgorithmus

17 Beziehungen zwischen Ereignissen

18 Simulation fur das Beispiel

19 Software-Architektur von WoPeD

20 Die Schnittstelle ”WorkflowNetGraph”

21 Beispiel fur eine Netzentfaltung

22 Interaktion der Simulationsereignisse

23 Organigramm des Beispielprozesses

24 Entity-Relationship-Diagramm des Beispielprozesses

25 Funktionshierarchiebaum des Beispielprozesses

26 Gesetz von Little

27 Schwer analysierbare Netze

Verzeichnis der verwendeten Definitionen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die Gestaltung und Optimierung von Geschaftsprozessen ist ein aktuelles The- ma. Besonders der komplexe Bereich des Workflow-Managements tritt immer weiter in den Fokus der strategischen Betrachtung des Unternehmens im Span- nungsfeld zwischen Marktanforderungen und Konkurrenzdruck.

Ein Gesichtspunkt dabei ist die Modellierung der Geschaftsprozesse. Damit wird aber nur der nachste Schritt eingeleitet, namlich das neue Modell auf semantische und formale Korrektheit hin zu uberprufen und vor allem Effizienzmessungen durchzufuhren.

Gegenstand dieser Diplomarbeit soll die quantitative Analyse der Geschaftspro­zesse sein. Sie beschaftigt sich mit den Fragen der Effizienz der Prozesse und ihrer Simulation. Der letzte Punkt erlangt besondere Bedeutung durch die Risi- kosenkung bei der Implementierung neuer Prozesse in eine bestehende Organi­sation.

Mit einem Top-Down-Ansatz wird zunachst die Modellierung von Geschaftspro­zessen besprochen und hierbei die besondere Eignung von Petri-Netzen als Mo- dellierungssprache zur Analyse herausgestellt. AnschlieBend wird auf die Ana­lyse allgemein und dann speziell auf die quantitative Analyse eingegangen.

Schwerpunkt der Arbeit wird die Darstellung der Performance-Analyse zur Effi- zienzmessung und der Simulation als Mittel zur Erkenntnisgewinnung sein.

Die betrachteten Algorithmen sollen fur das Modellierungstool WoPeD (Work­flow Petri Net Designer)[1] in Java implementiert werden. Dabei handelt es sich um Open-Source-Software, die an der Berufsakademie Karlsruhe entwickelt wur- de und zur Modellierung und Analyse von Geschaftsprozessen auf Basis von Workflow-Netzen insbesondere im akademischen Bereich genutzt wird.

AbschlieBend werden die Ergebnisse der Arbeit kritisch beurteilt und ein Aus- blick auf weitere Entwicklungsmoglichkeiten gegeben.

2 Geschaftsprozessmodelle und ihre Analyse

In Zeiten hoheren Wettbewerbsdrucks und kurzerer Produktlebenszyklen spielt die Frage der Effizienz der Produktion bzw. des Dienstleistungsprozesses eine immer wichtigere Rolle. Ein erster Schritt zur Verbesserung der Performance von Unternehmen ist die Herausstellung der fur den Markterfolg relevanten Ge- schaftsprozesse und ihre Analyse. Daher soll zunachst eine Definition des Ge- schaftsprozesses angegeben werden ([HaSt04, S. 23]):

”Ein Geschaftsprozess ist eine Abfolge von Aktivitaten, die der Erzeu- gung eines Produktes oder einer Dienstleistung dienen. Er wird durch ein oder mehrere Ereignisse gestartet und durch ein oder mehrere Ereignisse abgeschlossen. Es liegt eine Organisationsstruktur zu Grunde.”

Ineffizienzen, die wahrend der Analyse erkannt wurden, mussen im nachsten Schritt beseitigt werden. Oftmals ist dazu der Geschaftsprozess umzugestalten oder komplett neu zu entwerfen. Man spricht von Geschaftsprozess-Reenginee- ring (im Englischen: Business Process Reengineering, BPR).

Dabei steht das Management vor der Alternative, neue Technologien, insbeson- dere aus dem EDV-Bereich, einzusetzen. Ihr Zweck besteht darin, die Produktivi- tat zu steigern und immer wiederkehrende gleichformige Teile des Geschaftspro- zesses zu automatisieren. Man spricht dann von Workflows ([HaSt04, S. 28]):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Verwendung von Workflows hat aber i.d.R. einen Einfluss auf die Gestaltung des Geschaftsprozesses und unmittelbar auf die damit zusammenhangenden Res- sourcen und somit auch auf die Organisation des Unternehmens. Es handelt sich daher um einen vielschichtigen komplexen Vorgang, der gemanagt werden muss. In diesem Zusammenhang spricht man vom Workflow-Management.

Die Umgestaltung der Unternehmensorganisation ist aber ein langwieriger, ris- kanter und daher auch sehr teurer Prozess. Ein Manager mochte gern vorher se- hen, wie das Ergebnis der Veranderung aussehen wird und insbesondere, welche Effizienzsteigerung resp. Kostensenkung damit erreicht werden kann.

Es geht also um zwei Aspekte, die das Workflow-Management hierbei zu leisten hat: Zum einen sollte eine Abbildung von der Idee des kunftigen Geschaftspro- zesses existieren, ein Modell. Zum anderen soll das Modell auBer der Visuali- sierung auch die Moglichkeit bieten, mittels Verwendung von Kostenfunktionen konkrete Aussagen uber die Effizienz des Prozesses zu machen.

Es wird daher in diesem Kapitel zunachst auf den Modellierungsaspekt einge- gangen, da ein geeignetes Modell des Geschaftsprozesses die Voraussetzung fur die Performance-Analyse darstellt. AnschlieBend wird die Analyse selbst naher betrachtet.

2.1 Modelle von Geschaftsprozessen

Prozesse beinhalten im Wesentlichen zwei Struktur-Einheiten: die Aktivitaten und den Kontrollfluss, also die zeitliche Abfolge der Aktivitaten.

Aktivitaten wiederum verbinden zwei Entitaten, die zusammen mit dem Prozess eine vollstandige Geschaftsprozess-Spezifikation ergeben: Falle (oder auch Kun- den) und Ressourcen.

Ein Prozess beschreibt dabei die konkrete zeitliche Abfolge einer Teilmenge von Aktivitaten, die zur Bearbeitung eines konkreten Falles unter Nutzung konkreter Ressourcen-Objekte benotigt werden. Im Geschaftsprozess vereinigen sich alle Prozesse, die eine ahnliche Aufgabe erfullen. Das Modell des Geschaftsprozes- ses ist ein Prozessmodell ([HaSt04, S. 30]):

”Ein Prozessmodell beschreibt die Struktur eines realen Prozesses. Es be- stimmt alle moglichen Pfade entlang des Prozesses und bestimmt die Re- geln fur die Wahl der Pfade. Weiterhin bestimmt das Prozessmodell alle Aktivitaten, die ausgefuhrt werden mussen.”

Auf die Modellierung im Allgemeinen und im speziellen Fall von Geschaftspro- zessen wird in Folgenden eingegangen.

2.1.1 Modellierung

Modellierung bezeichnet den Prozess der Erstellung eines Modells. Eine sehr allgemeine Definition lautet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ausgangspunkt dafur ist ein Anschauungsobjekt. Im Falle der Geschaftsprozess- modellierung handelt es sich dabei um einen bereits existierenden oder einen zukunftig existierenden (angestrebten) Geschaftsprozess.

Nach der allgemeinen Modelltheorie von Stachowiak ([Stac73]) besitzt jedes Modell drei Merkmale (vgl. [Broc03, S. 9]):

1. Abbildungsmerkmal:

Es existiert eine Abbildung, die das Anschauungsobjekt (den Realitatsaus- schnitt) auf das Modell projiziert. Diese Abbildungsrelation soll dabei wei- testgehend strukturerhaltend sein und im Verhalten dem Original ahnlich. Somit erhalt das Modell eine syntaktische und eine semantische Kompo- nente. Die Abgrenzung des Realitatsausschnittes erfolgt subjektiv je nach Zielsetzung durch die Entscheidung, welche der konstituierenden Objekte in das Modell ubernommen werden.

2. Verkurzungsmerkmal:

Das Modell besitzt i.d.R. nicht dieselbe Komplexitat wie das Original, son- dern stellt eine Vereinfachung dar, die durch Abstraktion erreicht wird.

3. Pragmatisches Merkmal:

Die Auswahl der Eigenschaften des realen Anschauungsobjektes, die in das Modell aufgenommen werden sollen, erfolgt subjektiv durch den Mo- dellierer je nach seiner Zielsetzung, die zum Zeitpunkt der Modellierung besteht. Das bedeutet insbesondere, dass eine solche Auswahl zu einem anderen Zeitpunkt anders ausfallen kann, z.B. wenn neues Wissen uber das Anschauungsobjekt besteht.

Auf dem so entwickelten Modell konnen dann Operationen durchgefuhrt wer- den, die am realen Objekt entweder nicht moglich oder zu gefahrlich, zu lang- wierig oder zu kostenaufwandig waren oder Seiteneffekte hervorrufen wurden, die nicht mehr ruckgangig zu machen sind. Eine Sensitivitatsanalyse zur schritt- weisen Suche nach einer optimalen Losung durch ”try and error” zum Beispiel ist am Anschauungsobjekt selten moglich.

Die Ergebnisse der Modell-Manipulation werden anschlieBend im Kontext des Realitatsausschnittes interpretiert und die so gewonnenen Erkenntnisse auf das reale Objekt ubertragen.

Der Zweck der Modellierung besteht also darin, Operationen nicht am Origi­nal, sondern am Modell durchzufuhren, weil das entsprechende Vorteile bringt (geringe Kosten, geringerer Zeit- und Materialaufwand, geringere Gefahren).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Analysevarianten eines Systems.

In Bezug auf die Modellierung von Geschaftsprozessen werden keine physischen Modelle konstruiert, da sich die Analyse auf EffizienzmaBe bezieht, die keine physische Reprasentation besitzen.

Analytische Modelle sind teilweise moglich, scheitern aber oft an der Komple- xitat der Prozessstrukturen, wie in Unterabschnitt 2.2.3 noch ausgefuhrt werden wird.

Eine kostengunstige Variante ist die Simulation. Sie bietet sich immer dann an, wenn der Berechnungsaufwand enorm wird oder eine geschlossene analytische Betrachtung nicht moglich ist. Sie bietet v.a. die Moglichkeit, sehr einfach die Auswirkung von Veranderungen der Eingabe-Parameter zu untersuchen.

Im Folgenden wird die Betrachtung auf die Geschaftsprozess-Modellierung be- schrankt.

2.1.2 Modellelemente von Geschaftsprozessen

Geschaftsprozesse beschreiben die dynamischen Aspekte eines Unternehmens (die Ablauforganisation). Dynamik wird durch reaktive Elemente erreicht, die auf das Eintreffen bestimmter Ereignisse warten und dann vorgegebene Tatig- keiten ausfuhren. Man spricht auch von kybernetischen Systemen.

Ereignisse wiederum werden anhand der Veranderung der Werte von Zustands- variablen des Systems erkannt. Die Aktivitaten, die sie auslosen, verandern die- se aber auch und losen somit ihrerseits wieder Ereignisse aus. Die Menge der aktuellen Werte aller Zustandsvariablen beschreiben den Systemzustand zu die- sem Zeitpunkt. Damit ergibt sich als notwendige Eigenschaft fur ein dynami- sches System die strikte Wechselfolge von Ereignis und Aktivitat.

Aktivitaten (activities) bezeichnen die Ausfuhrung von Aufgaben (tasks) fur einen bestimmten Fall (case), wobei Ressourcen in Anspruch genommen wer­den. Die Aufgaben sind dabei unabhangig von einem konkreten Fall definiert. Nach van der Aalst (vgl. [AaHe02, S. 33]) ergibt sich folgende Beziehung zwi- schen diesen Begriffen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Beziehung zwischen Aufgabe, Fall und Aktivitat.

Jeder Aktivitat konnen somit drei Dimensionen zugeordnet werden ([HaSt04, S. 39]):

”Eine Aktivitat ist ein Tripel aus einer Aufgabe, einem Fall und einer Res- source. Ein Work Item, das von einer bestimmten Ressource (oder mehre- ren) bearbeitet wird, wird also als Aktivitat bezeichnet. Aktivitat = (Auf­gabe, Fall, Ressource).”

Fur den Fall, das ein flexibler Einsatz von Ressourcen moglich sein soll, muss ein adaquates Ressourcenmodell angegeben werden. GemaB van der Aalst ( [AaHe02, Abs. 3.1 und 3.2]) kann dies durch eine Ressourcenzuweisung mittels Klassifikation geschehen.

Hierbei werden zwei Dimensionen der Ressourcenklassifikation unterschieden: die Rolle und die Gruppe (auch Organisationseinheit). Die Rolle einer Ressour- ce beschreibt ihre funktionale Eignung, bestimmte Aufgaben ausfuhren zu kon- nen. Die Gruppe bezeichnet ihre Zuordnung innerhalb der Unternehmenshierar- chie.

Die funktionalen bzw. Organisationseinheiten konnen mehrere Ressourcenob- jekte umfassen und werden daher als Ressourcenklassen bezeichnet. Auf diese Weise ist es moglich, auch komplexe Ressourcenzuweisungen abzubilden.

[JoFr96] sprechen im Zusammenhang mit der quantitativen Modellierung von zwei Dimensionen: (1) dem dynamischen oder Verhaltensbereich und (2) dem

Objektbereich. Der Verhaltensbereich beschreibt die Aktivitaten und deren Be- ziehungen, also praktisch das Prozessmodell. Der Objektbereich bezieht sich auf die Ressourcen, die die Aktivitaten ausfuhren. Der Zusammenhang zwischen beiden Bereichen wird durch Zuweisung von Aktivitaten zu Ressourcen (resp. Ressourcenklassen) hergestellt.

2.1.3 Sprachen zur Modellierung

Um Modelle von Geschaftsprozessen zu erstellen, werden Modellierungsspra- chen benotigt. Diese mussen v.a. folgende Eigenschaften haben:

- Universalitat oder Allgemeingultigkeit:

Mit der verwendeten Modellierungssprache soll es moglich sein, eine Viel- zahl verschiedenster Geschaftsprozesse zu modellieren, ohne kunstliche d.h. durch die Sprache selbst hervorgerufene Restriktionen hinnehmen zu mussen. Alle Aspekte der Modellierung von Geschaftsprozessen, wie sie eben aufgefuhrt wurden, sollen abbildbar sein.

- Einfachheit:

Die Modellierung von Geschaftsprozessen erfolgt i.d.R. nicht durch IT- Fachpersonal, sondern durch die Anwender. Abstrakte Sprachen, die ein Spezialwissen verlangen, eignen sich daher nicht. Meistens werden graphi- sche Modelle verwendet, deren Metasprache weitestgehend intuitiv ver- standlich ist. Die verwendete Modellierungssprache muss also leicht zu erlernen sein.

- Semantische Eindeutigkeit:

Trotz der Forderung nach Einfachheit der Ausdrucksweise ist eine prazi- se Beschreibung dennoch unumganglich. Die Interpretation des Modells muss eindeutig sein. Dazu muss die Sprache gewisse formale Anspruche erfullen, auf deren Einhaltung bei der Modellierung streng zu achten ist.

AuBerdem muss die Sprache in der Lage sein, die Ablauflogik des Prozesses kor- rekt wiederzugeben. Dazu werden Strukturen verwendet, die den Kontrollfluss steuern, wie sie prinzipiell auch von Programmiersprachen bekannt sind (vgl. [GuSo06, S. 131-136]): die Hintereinanderausfuhrung (Sequenz), die Auswahl (Alternative) und die Wiederholung (Iteration). Bei Prozessen kommt auBerdem noch die Parallelitat von Ablaufen (Nebenlaufigkeit) hinzu.

Ferner ist es im Falle von Workflows wunschenswert, direkt vom Modell aus- gehend den Prozess ausfuhren zu konnen. Dazu wird die Workflow Engine des Workflow Enactment Services mit der Prozessdefinition und der Ressourcenzu- weisung geladen. Hierzu muss die verwendete Sprache das Interface der Work­flow API implementieren. Das so skizzierte Referenzmodell stammt von der WfMC und ist hier abgebildet[2]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Folgenden werden das klassische Referenzmodell zur Geschaftsprozessmo- dellierung ARIS von Prof. Scheer sowie die universell verwendbare Modellie- rungssprache UML der OMG und das Konzept der Petri-Netze von Prof. Petri auf ihre Tauglichkeit hin bezuglich der drei genannten Kriterien und im Hinblick auf die quantitative Analyse bewertet.

ARIS / UML

Das inzwischen wohl bekannteste Werkzeug zur Geschaftsprozessmodellierung ist ARIS. Damit beschreibt Scheer vier Sichten auf einen Geschaftsprozess, die jeweils eine andere Dimension im Fokus haben (vgl. [Sche97, Teil A]). Eine grobe Definition lautet ([Sche96, S. 10]):

”Mit ARIS (Architektur integrierter Informationssysteme) ist ein Rah- menkonzept und eine Methodologie zur vollstandigen Beschreibung von Geschaftsprozessen entwickelt worden [...].”

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: ARIS-Haus von Scheer (Auszug), eigene Darstellung.

Kernstuck ist die erweiterte ereignisgesteuerte Prozesskette (eEPK) in der Steu- erungssicht, die die Organisationssicht (Organigramm), die Funktionssicht (Funk- tionshierarchiebaum) und die Datensicht (Entity-Relationship-Modell) verbindet und die Ablauflogik beschreibt.

Dabei finden sich die Aufgaben in den Funktionen und die Ressourcen im Or­ganigramm wieder. In der Datensicht sind Falle, Ressourcen und Aufgaben ge- meinsam vertreten. In Erweiterungen existiert eine eigene Ressourcensicht. Die EPK fur das im Anhang A beschriebene Beispiel eines Geschaftsprozesses sieht dann so aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Ereignisgesteuerte Prozesskette zum Beispielprozess

Die Starke von ARIS ist seine graphische Darstellung und intuitive Verstand- lichkeit. Es ist jedoch wenig formal und beinhaltet praktisch keine spezifischen Daten zur Analyse des Geschaftsprozesses. So finden sich z.B. keine Leistungs- daten der Ressourcenobjekte oder zeitliche Dimensionen.

Der Mangel an formaler Semantik in ereignisgesteuerten Prozesskettenfuhrt da- zu, dass die Verifizierung eines Modells besonders schwierig ist oder sogar nicht entscheidbar. Besonders bei alternativen Prozesspfaden, denen kein gegensei- tiger Ausschluss zugrunde liegt - sogenannte OR-Konstrukte[3] gibt es keine Moglichkeit, das Verhalten genau zu beschreiben[4].

Mit dem ARIS-Toolset lassen sich Geschaftsprozesse definieren, darstellen und steuern. Eine direkte Umsetzung in Software ist damit moglich. Es besteht aber keine Unterstutzung fur Performanceanalysen.

Einen allgemeineren und zugleich formaleren Ansatz stellt die UML dar (vgl. [?], [GrBa04]). Sie ist im Wesentlichen eine Sammlung von Diagrammen, die unterschiedlichste Aspekte eines Modells veranschaulichen. Eine grobe Eintei- lung geschieht in statische und dynamische Sichten.

Die Definition der OMG lautet ([OMGI07, S. 9]):

”The Unified Modeling Language is a visual language for specifying, constructing, and documenting the artifacts of systems. It is a general- purpose modeling language that can be used with all major object and component methods, and that can be applied to all application domains (e.g., health, finance, telecom, aerospace) and implementation platforms (e.g., J2EE, .NET).”

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die UML versteht unter einem Geschaftsprozess den dynamischen Anteil, die Aktionsfolge. Ressourcen, Falle und sonstige Informationsobjekte werden in der statischen Sicht erfasst. Beide Sichten zusammen bilden das Geschaftssystem (vgl. [GrBa04, Kap. 3]).

Bei der Modellierung eines Geschaftssystems unterscheidet die UML zwischen einer externen Sicht - die die Schnittstellen des Geschaftsprozesses zu seiner AuBenwelt spezifiziert und einer internen Sicht - die die Ablauforganisation des Geschaftsprozesses festlegt.

Hauptsachliches Mittel der Modellierung in UML ist das Aktivitatsdiagramm, das in der externen Sicht durch ein Sequenzdiagramm und in der internen Sicht durch Paket- und Klassendiagramme erganzt wird. Zur Modellierung einzelner Szenarien konnen Anwendungsfalldiagramme hinzugefugt werden.

In [KoHu00] wird eine Erweiterung von UML-Zustandsdiagrammen mit einer zeitlichen Dimension vorgeschlagen, um quantitative Analysen zu ermoglichen.

[RuAa06] zeigen, dass insbesondere die Modellierung einer Ressourcensicht mit Aktivitatsdiagrammen unbefriedigend ist. Quantitative Analysen sind daher auf ihrer Grundlage nicht durchfuhrbar.

Der Schwerpunkt von UML-Modellen liegt auf der Spezifikation von Systemen. Sie wird bei der Analyse und im Entwurf verwendet. Eine anschlieBende quan­titative Analyse der Modelle ist mit den angebotenen Mitteln nicht moglich und war auch nicht beabsichtigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Aktivitatsdiagramm zum Beispiel aus Anhang A.

Eine weitere Modellierungssprache, die fur die Geschaftsprozessmodellierung eingesetzt werden kann und dabei eine formale Begrundung hat, die es mit ei- nigen Erganzungen des Grundmodells erlaubt, quantitative Analysen direkt auf dem Modell durchzufuhren, sind die Petri-Netze.

Petri-Netze

Mit dem auf C. A. Petris Dissertation ’’Kommunikation mit Automaten” von 1962 basierendem Modell zur formalen Beschreibung von dynamischen Syste- men lassen sich mit einigen Erweiterungen auch Geschaftsprozesse modellieren. Der formale Charakter erlaubt einen direkten Zugang zu quantitativen Analy- semethoden, wie sich noch zeigen wird. Der Schwerpunkt dieser Diplomarbeit wird die Darstellung quantitativer Methoden unter Verwendung von Petri-Netzen sein.

Zunachst werden grundlegende Definitionen im Zusammenhang mit Petri-Netzen zusammengetragen[5]:

Ein (endliches) Petri-Netz ist ein bipartiter Graph N = (S, T, F) mit (end- licher) Knotenmenge S U T, wobei S die Menge der Stellen und T die Men- ge der Transitionen bezeichnet, so dass gilt: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Die Knoten werden uber gerichtete Kanten verbunden. Die Menge der Kanten wird durch die binare Flussrelation F beschrieben: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten].

Stellen sind die passiven Bestandteile im Netz und konnen als Vor- bzw. Nachbe- dingungen betrachtet werden. Sie entsprechen den Ereignissenin der Definition des Geschaftsprozesses. Transitionen stellen die aktiven, dynamischen Struktur- elemente dar. Sie stehen fur die Ausfuhrung von Tatigkeiten oder Zustandsuber- gange.

Es werden in Abhangigkeit von einem betrachteten Knoten des Netzes folgende Knotenmengen definiert:

Der Vorbereich [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] des Knotens [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ist die Menge aller Ein- gangsknoten von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Der Nachbereich [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] des Knotens [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ist die Menge aller Ausgangsknoten von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten].

Eine der herausragenden Starken des Petri-Netz-Modells ist die Fahigkeit, dyna- mische Aspekte zu modellieren. Dies gelingt durch das Konzept der Markierung und dem Schalten von Transitionen:

Sei N = (S, T, F) ein Petri-Netz. Eine Abbildung [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten], die jeder Stelle s e S eine nicht-negative ganze Zahl zuordnet, heiBt Mar­kierung von N. [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] wird als Anzahl von Marken oder Token verstan- den. Eine Markierung von N beschreibt den Zustand des Netzes. Das Paar

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] bzw. das Tupel [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] wird als markiertes Netz bezeichnet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Anfangszustand eines Petri-Netzes wird durch die Anfangsmarkierung [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] beschrieben. Werden Stellen als Vor- oder Nachbedingungen verstanden, dann bedeutet eine Marke auf der Stelle s, dass die durch s symbolisierte Bedingung gilt.

Im Rahmen der Modellierung von Geschaftsprozessen stehen Marken fur (an- onyme) Falle, die eine entsprechende Position im Prozess erreicht haben. Meh- rere Marken in einer Stelle stehen fur verschiedene Falle.

Transitionen, die die Aktivitaten darstellen, konsumieren Marken von allen ihren Eingangsstellen und produzieren Marken auf allen ihren Ausgangsstellen.

Im Workflow-Kontext heiBt das, dass Transitionen Falle ubernehmen, bearbeiten und weiterleiten. Es wird implizit angenommen, dass aus der Menge anstehender Falle immer nur einer als nachstes entnommen wird und Falle bei ihrer Bearbei- tung nicht verschwinden oder sich vermehren konnen.

Im Folgenden werden daher nur noch Petri-Netze betrachtet, bei denen jede Transition von jeder Eingangsstelle genau eine Marke konsumiert und fur jede Ausgangsstelle genau eine Marke produziert.

Das Schalten von Transitionen wird nun formalisiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Fur die Geschaftsprozessmodellierung mussen an die Struktur der Petri-Netze weitere Anforderungen gestellt werden, da sonst semantische Fehler auftreten konnen. Workflow-Netze sind eine spezielle Klasse von Petri-Netzen zur Mo- dellierung von Geschaftsprozessen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Semantische Fehler treten auf in Form von (vgl. [AaHe02, S. 106]):

- Transitionen mit leerem Vor- oder Nachbereich,
- Toten Transitionen,
- Deadlocks (oder Verklemmungen),
- Livelocks (oder Endlosschleifen),
- Existenz aktivierter Transitionen, obwohl o erreicht wurde,
- Vorkommen weiterer Marken im Netz, obwohl der zugehorige Fall abge- schlossen wurde.

Eine Transition heiBt tot, wenn sie unter keiner von erreichbaren Mar- kierung aktiviert ist. Sei N = (S, T, F, y0) ein markiertes Petri-Netz. Ei­ne Markierung [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] heiBt Deadlock oder Verklemmung, wenn gilt: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] terminiert, wenn es endlich viele Schaltfolgen gibt. Eine Markierung [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] von N heiBt Livelock, wenn N nach Erreichen von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] nicht terminiert und keine der von ^ erreichbaren Markierungen ein Deadlock ist.

Workflow-Netze als Modelle von Geschaftsprozessen mussen zudem ein siche- res dynamisches Verhalten aufweisen. Darin spiegelt sich die Vermeidung o.g. Fehler wieder. Man beschreibt diese Eigenschaft mit ’’sound und safe”.

Die Soundness-Eigenschaft ist formal begrundet und lasst sich aus der Netz- struktur ableiten. Informell bedeutet sie, dass ein Workflow-Netz korrekt ist, in dem Sinne, dass jeder Fall, der den Prozess durchlauft, die Senke erreicht, womit seine Bearbeitung endet und dass dann keine weiteren Referenzen (Marken) auf diesen Fall im Netz und keine toten Transitionen existieren.

Die Soundness-Eigenschaft ist eine wichtige Voraussetzung der quantitativen Analyse. Fur eine formale Definition sind zunachst einige weitere Begriffe not- wendig:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Nachweis der Soundness eines Workflow-Netzes lasst sich indirekt mit Hilfe folgenden Satzes fuhren[6]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Lebendigkeit und Beschranktheit lassen sich algorithmisch mit vertretbarem Re- chenaufwand bestimmen (vgl. [Eckl06]).

Die graphische Reprasentation von Petri-Netzen bildet Stellen als Kreise O, Transitionen als Rechtecke - und die Kanten als Pfeile [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ab. Marken werden als Punkte bzw. als Zahl in den Stellen O dargestellt.

Zur Veranschaulichung wird der Beispiel-Prozess als Petri-Netz wiedergegeben:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um die Modellierung von Geschaftsprozessen mittels Petri-Netzen zu vereinfa- chen, werden im Folgenden symbolische Erweiterungen vorgestellt. Diese be- stehen darin, dass Substrukturen eines Netzes durch einfachere Symbole ersetzt werden, die die graphische Darstellung einer einfachen Transition erweitern. Da- bei ist zu beachten, dass die Schaltregel sinngemaB unter Berucksichtigung des originaren ”Teilnetzes” anzuwenden ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vergleicht man die Semantik bestimmter Petri-Netz-Strukturen mit den Kontroll- strukturen, die auf Seite 8 aufgezahlt wurden, ergeben sich folgende Aquivalen- zen, fur die eigene Symbole eingefuhrt werden, wie sie u.a. in [AaHe02] zu finden sind:

Die Ersetzung eines Teilnetzes durch einen Subprozess stellt eine Netz- transformation, genauer eine Vergroberung, dar. Der umgekehrte Vorgang, bei dem ein Subprozess durch ein Teilnetz ersetzt wird, heiBt Verfeinerung. Die zur theoretischen Untermauerung notwendigen Definitionen und Satze sind im Anhang B ab Seite XVII zu finden.

Fur die spatere Bezugnahme auf die verwendbaren Knotensymbole in Workflow- Netzen werden jetzt Kurzbezeichnungen eingefuhrt sowie spezielle Mengen de- finiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Knotensymbole fur Workflow-Netze

Es ist zu beachten, dass die XOR-Strukturen semantisch ein exklusives Oder (entweder A oder B, aber nicht beide) bezeichnen. Das logische ODER, das z.B. die Alternativen entweder A oder B oder A und B zulaBt, macht bei der formalen Begrundung der Semantik Probleme[7].

Eine andere Erweiterung der reinen Petri-Netze sind Beschriftungen der Knoten, insbesondere der Transitionen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Funkti- onsbezeichnungen. Formal kann dafur eine Funktion definiert werden, die einem Knoten seine Bezeichnung zuordnet[8].

Weiterhin wird unterschieden, wie sich aktivierte Transitionen verhalten. Ohne weitere Angaben schaltet eine aktivierte Transition sofort. Um dieses Verhalten zu andern und realitatsnaher zu machen, werden Trigger eingefuhrt. Davon gibt es drei Arten:

Zusammenfassend soll noch mal das Geschaftsprozess-Beispiel als Workflow- Netz mit den erwahnten Erweiterungen dargestellt werden.

AbschlieBend kann festgestellt werden, dass sich Petri-Netze sehr gut eignen, um Geschaftsprozesse zu modellieren. Sie sind in ihrer graphischen Notation einfach und vielseitig und in ihrer Semantik relativ leicht zu verstehen. [Vojn97] vergleicht zudem verschiedene Typen von Petri-Netzen bezuglich ihrer Eignung fur quantitative Methoden.

Ihr formaler Charakter bietet anderen Modellierungssprachen gegenuber den Vor- teil, dass die Semantik der Petri-Netze auf eindeutigen Begriffen fuBt, was bereits zur Entwurfszeit die Verifikation des Modells ermoglicht. Dabei wird die Kor- rektheit des Netzes mittels formaler Methoden der Strukturanalyse uberpruft. Hierzu existieren inzwischen zahlreiche, theoretisch untermauerte Tests.

Weiterhin existieren viele Software-Produkte, die die Modellierung von Geschafts- prozessen auf Basis von Petri-Netzen und deren Verifikation unterstutzen.

Nachdem die Geschaftsprozesse modelliert wurden, mussen sie analysiert wer- den. Die Analyse verfolgt verschiedene Ziele. Dies ist Thema des nachsten Ab- schnittes.

2.2 Analyse von Geschaftsprozessmodellen

In der Uberschrift zu diesem Abschnitt ist ausdrucklich die Rede von der Analyse von Modellen, nicht von den realen Geschaftsprozessen. Grunde dafur, warum es sinnvoll ist, Modelle zu verwenden, wurden bereits im Abschnitt 2.1.1 auf Seite 3 aufgezahlt.

Geschaftsprozesse beschreiben die (bzw. eine) Wertschopfungskette des Unter- nehmens. Sie sind also der Kern des Unternehmensmodells. Der ganze Erfolg ei- ner Unternehmung hangt von ihnen ab. Das bedeutet zum einen, dass die Ablaufe in der richtigen Weise organisiert werden mussen und die Unternehmensressour- cen dort eingesetzt werden, wo sie nutzen. Zum anderen muss diese Organisation aber auch effizient ablaufen, um wettbewerbsfahig zu bleiben.

Damit werden dann auch Durchlauf- und Wartezeiten, Ressourcenauslastung und Kundenzufriedenheit ebenso wichtig wie die richtige Lenkung der Arbeits- schritte.

Aufgrund dieser hohen Bedeutung der Geschaftsprozesse fur ein Unternehmen ist es nicht ratsam, sie zu implementieren ohne genau zu wissen, ob sie dem Unternehmenszweck dienen oder diesem eher abtraglich sind infolge von Fehl- planung oder Ineffizienz. Da einmal laufende Prozesse nur sehr schwer und unter hohen Kosten geandert werden konnen, ist die genaue Analyse eines Modells im Vorfeld die einzige Moglichkeit, um diese Nachteile zu vermeiden. Eine metho- dische Unterstutzung der Analyse im Zuge der Geschaftsprozessmodellierung ist daher von groBem Nutzen.

Die Literatur ist reichhaltig an Theorien und es existieren zahlreiche praktische Methoden, um korrekte Geschaftsprozesse zu modellieren. Es gibt auch visuelle Unterstutzung, die es gestattet, sich gewissermaBen im Zeitraffer den Prozess am Computerbildschirm vorfuhren zu lassen[9].

Bezuglich praktischer Verfahren zur Messung der Performanz von Geschaftspro- zessen aber halt sich die Fachliteratur etwas zuruck. Es gibt vor allem im Bereich des Operations Research viele Methoden, wie die Effizienz von Prozessmodellen gemessen werden kann. Hier tauchen vor allem Spreadsheet-Losungen auf, die den Nachteil haben, nur fur einen Einzelfall ausgelegt zu sein. Bei einer kleinen Anderung im Modell ist relativ viel Aufwand notwendig, um die Datenbasis des Tabellenkalkulationsprogramms anzupassen.

Eine andere Strategic ist die Verwendung von Simulationssprachen. Aufgrund ihrer Allgemeingultigkeit ist aber viel Interpretation notig, um die richtigen Si- mulationsbausteine in der richtigen Weise anzuordnen, um den Geschaftsprozess semantisch korrekt abzubilden. Damit ist auch hier eine Korrektheitsprufung und somit zusatzlicher Aufwand notig. Aufgrund der Mehrdeutigkeit entstehen bei mehreren Modellierern u.U. verschiedene Modelle, die unterschiedliche Ergeb- nisse liefern oder Modellteile, die dann nicht zusammenpassen[10].

Wunscheswert ware es, wenn Modellierung und Analyse in einer gemeinsamen Umgebung, aufeinander aufbauend und interaktiv stattfinden konnten. Es gibt zahlreiche Werkzeuge zur Modellierung von Geschaftsprozessen, die auch struk- turelle Analysen unterstutzen. Das bereits in der Einleitung erwahnte Tool ”Wo- PeD” ist so ein Programm, das Geschaftsprozesse mit Workflow-Netzen model- liert und eine semantische Analyse durchfuhren kann[11]. Performance-Analysen aber sind zurzeit nicht moglich. Hier besteht ein Defizit, das durch diese Diplom- arbeit behoben werden soll.

In diesem Abschnitt wird nach einer allgemeinen Diskussion des Analysebegrif- fes der Schwerpunkt auf die quantitative Analyse von Geschaftsprozessen gelegt. Er dient der Vorbereitung der beiden folgenden Kapitel uber zwei spezielle Ver- fahren der quantitativen Analyse: der Kapazitatsplanung und der Simulation.

2.2.1 Zum Begriff der Analyse

Die Analyse beschreibt das systematische Untersuchen eines Objektes vor dem Hintergrund einer spezifischen Fragestellung. Dabei wird ein komplexer Unter- suchungsgegenstand in seine einfacheren Bestandteile zerlegt, auf diese geeigne- te Analysemethoden angewendet und unter Berucksichtigung der gegenseitigen Beziehungen der Elemente Ruckschlusse auf das Verhalten des Gesamtsystems gezogen.

Im Hinblick auf die Anzahl der Elemente des Gesamtobjektes spricht man von hoher oder niedriger Komplexitat. Bestehen zwischen den einzelnen Elemen- ten zahlreiche, ggf. auch verschiedenartige Beziehungen, spricht man von einem komplizierten System.

Geschaftsprozesse zeichnen sich i.d.R. durch eine hohe Komplexitat aufgrund der GroBe, d.h. der Anzahl der Einzelaktivitaten, und eine relativ geringe Kom- pliziertheit aus. Aktivitaten mit zahlreichen Eingangs- oder Ausgangskanten sind selten.

Es gibt grundsatzlich zwei verschiedene Ansatze bei der Analyse von Geschafts- prozessen (vgl. [HaSt04, S. 97-125]). Die qualitative Analyse beschaftigt sich mit der Gute des Modells, also der Aussagekraft der Erkenntnisse uber das Mo- dell bezuglich des realen Prozesses. Hier finden sich Methoden der Validierung und der Verifikation wieder.

Validierung uberpruft die semantische Ubereinstimmung des Modells mit der Realitat. Bei der Verifikation wird die strukturelle Korrektheit des Modells nach- gewiesen.

Im Gegensatz dazu geht die quantitative Analyse von einem validierten und ve- rifizierten Geschaftsprozessmodell aus, betrachtet LeistungsgroBen und bewertet die Effizienz des Geschaftsprozesses. Hier finden vorrangig statistische Analy- semethoden Anwendung.

2.2.2 Quantitative Analysemethoden

Die quantitative Analyse hat zum Ziel, die Effizienz eines Systems, wie z.B. ein Geschaftsprozess, zu messen. Es existiert eine Vielzahl von MessgroBen, die Auskunft uber den Wirkungsgrad geben konnen, je nach Zielsetzung und Per- spektive.

[JoFr96] nennen besipeilhaft zeitbezogene, kostenbezogene und Zuverlassigkeits- maBe und weisen darauf hin, dass solche ”GrundgroBen” auch kombinert werden konnen zu abgeleiteten MaBen.

Bei den zeitbezogenen MaBen werden folgende Perspektiven und MessgroBen unterschieden:

- Kundenperspektive [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Antwortzeit

Zeit zwischen Auftragsvergabe und Ende der Auftragsausfuhrung. Sie ist die Summe aus Bearbeitungszeit und Wartezeiten fur diesen Auftrag.

Im Beispiel ist sie die Zeit, die vergeht vom Absenden der Email bis zum Zahlungseingang oder dem Erhalt des Ablehnungsbescheides.

- Prozessperspektive [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Durchlaufzeit

Zeit, die benotigt wird, um eine konkrete Instanz eines Prozesses zu bear- beiten. Sie beschreibt eine interne Sichtweise.

[...]


[1] Vgl. http://www.woped.org.

[2] http://www.wfmc.org/graphics/processmodel_large.gif, 05.05.2007.

[3] Damit ist das logische ODER (A oder B oder A und B) gemeint, im Gegensatz zum exklu- siven XOR (entweder A oder B).

[4] Vgl. dazu die Diskussion zur Semantik von EPKs in [AaDe02] und der ”Busfahrer- Semantik” in E. KINDLER. On the semantics ofEPCs: Resolving the vicious circle. In: J. DE- SEL, B. PERNICI, M. WESKE (Eds.). Business Process Management. Second International Conference, BPM 2004. LNCS 3080, S. 82?97, Springer, 2004.

[5] Vgl. [AaHe02, Anh. A], [Baum96, Kap. 3 und 4], [HaSt04, Abs. 3.3], [KaKB05, Abs. 7.2].

[6] Ein Beweis ist in [AaHo98, S. 22-23] aufgefuhrt.

[7] Vgl. dazu die bereits erwahnte Diskussion zur ”Busfahrer-Semantik”.

[8] Vgl. H. M. W. VERBEEK. Verication ofWF-nets. PhD thesis, TU Eindhoven, 2004.

[9] Siehe dazu z.B. die Beschreibung der Werkzeuge der ARIS-Plattform: http://www. ids-scheer.de/

[10] Ein Beispiel fur solch eine Simulationssprache ist GPSS (= General Purpose Simulation System). Siehe auch http://www.webgpss.com/ENG/.

[11] Vgl. [Land03], [FrLa03], [Frey05] und [Eckl06].

Ende der Leseprobe aus 133 Seiten

Details

Titel
Die quantitative Analyse von Geschäftsprozessen
Hochschule
Wilhelm Büchner Hochschule Private Fernhochschule Darmstadt  (Informatik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
133
Katalognummer
V81707
ISBN (eBook)
9783638880312
Dateigröße
2402 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Analyse, Geschäftsprozessen
Arbeit zitieren
Christian Czech (Autor:in), 2007, Die quantitative Analyse von Geschäftsprozessen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81707

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