Die Notwendigkeit der Fehleranalyse beim Orthographieerwerb


Hausarbeit, 2007

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Hauptteil
2.1 Der veränderte Blickwinkel: Die Bedeutung von Rechtschreibfehlern in der heutigen Didaktik
2.1.1 Das moderne Verständnis von Rechtschreibfehlern
2.1.2 Stadien des Schriftspracherwerbs
2.2. Die Notwendigkeit der Fehleranalyse
2.3 Möglichkeiten zur Diagnostizierung von Fehlerschwerpunkten: Das Fallbeispiel OLFA
2.3.1 Die Oldenburger Fehleranalyse als ein mögliches Instrument der Fehleranalyse
2.3.2 Kritische Anmerkungen zu OLFA

3. Synthese: Fehleranalyse als Hilfe zum kindgerechten Orthographieerwerb

4 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der Rechtschreibfehler: „Er wird als ein Ding betrachtet, das nicht sein soll und das den ruhigen Fortgang des Unterrichts in unangenehmer Weise stört. Als seine Wurzeln gelten gemeinhin Dummheit, Faulheit und Unaufmerksamkeit. Daher fühlt man sich in vielen Fällen berechtigt, nicht nur den Fehler zu verbessern, sondern auch seinen Urheber, den Verfehler zu bestrafen.“ (Hermann Weimer, in Thomé 2002, S. 47)

„Dummheit“ als Ursache, „Strafe“ als Konsequenz. Dieses düstere pädagogische Urteil wurde noch 1929 gegenüber Rechtschreibfehlern in der Schule von damals gefällt. Der Pädagoge Hermann Weimer charakterisiert die damalige Einstellung treffend.

Rund ein Jahrhundert später erlebt eine antagonistische Position Hochkonjunktur. „‘Die Buchschrift, wie wir das fehlerfreie Schreiben hier nennen‘, lächelt sie nachsichtig, ‚die hat noch soviel Zeit‘“ (Unverzagt 2006), zitiert Gerlinde Unverzagt in ihrer provozierenden Bestseller-Polemik „Das Lehrerhasserbuch“, eine Berliner Grundschullehrerin[1], die vor dem voreiligen Verbessern von Schülertexten warnt. Die Konsequenz wäre ihrer Meinung nach nämlich fatal: „Für den Fall, dass die Eltern früh auf korrekter Schreibweise bestünden, liefen sie Gefahr, die sprudelnden Quellen der Schreibfreude, die just die Lehrerin mit so viel Mühe freigelegt hatte, abrupt versiegen zu lassen.“ (ebd.) Statt „Bestrafung“ (Weimer), wird „gekuschelt“.

Was polemisch gemeint und parodistisch geschrieben war, hat einen ernsten Hintergrund. Und löste in der Folge eine große Debatte aus. Wochenlang wurde im Frühjahr 2006 in deutschen Tages- und Wochenzeitungen über die Frage debattiert: Wie frei dürfen Kinder schreiben? Oder anders formuliert: Welchen Wert hat die Fehleranalyse in den frühen Texten von Schreibanfängern?

Die renommierte Grundschulpädagogin Renate Valtin schlug Alarm, attackierte das beschriebene fehlerignorierende Vorgehen als "schädlich“ und versuchte sogar, dieses didaktische Prinzip zumindest an Berliner Grundschulen durch die Senatsverwaltung zu stoppen (vgl. Burchard 2006).

Die Problematik beschäftigt auch die vorliegende Hausarbeit. Es gilt zu klären, inwieweit eine Fehleranalyse bei Schreibanfängern notwendig und wichtig ist. Müssen Schüler auf ihre orthographischen Fehlschreibungen hingewiesen werden oder überwiegen die Nachteile dieses Vorgehens? Inwiefern ist eine Fehleranalyse notwendig?

Die Hausarbeit versucht, diese Fragestellung argumentativ zu erörtern und mögliche Wege einer angemessenen Fehleranalyse aufzuzeigen. Dies wird exemplarisch an der Oldenburger Fehleranalyse durchgeführt, die ebenfalls kritisch betrachtet werden soll.

Zunächst soll aber in einem ersten Schritt versucht werden, den Begriff des (orthographischen) Fehlers zu definieren und zu erklären, unter welchen Gesichtspunkten ihn die heutige Pädagogik deutet.

2 Hauptteil

2.1 Der veränderte Blickwinkel: Die Bedeutung von Rechtschreibfehlern in der heutigen Didaktik

2.1.1 Das moderne Verständnis von Rechtschreibfehlern

"Errare humanum est". Das lateinische Sprichwort von Seneca, was Fehler als typisches menschliches Charakteristikum entschuldigen möchte, hat man im Rechtschreibunterricht lange Zeit vergeblich gesucht. In Diktaten wird jeder Fehler nicht als menschlich, sondern als Versagen gedeutet - und mit einer in die Höhe schnellenden Fehlerzahl, sowie einer nach unten stürzenden Gesamtnote sanktioniert.

Fehler gelten gemeinhin als „Versagen oder schlechte Leistung“ (Thieme1998, S.11), als „Abweichung vom wahren Wert“ (ebd) oder psycho­logisch ausgedrückt als „unbeabsichtigte Falschleistung, deren Unrichtigkeit bedingt ist durch ein Versagen der psychischen Funktion“ (ebd).

Dieser Blickwinkel hat sich in den vergangen Jahren durch eine ausgiebige wissenschaftliche Diskussion verändert. Im Bereich des Rechtschreiblernens verstehen wir Fehler „nicht mehr als ein Versagen des Kindes, sondern als nützliche Hinweise, welche Schreibstrategien das Kind schon beherrscht bzw. welche zu erlernen als nächstes eine Chance haben könnte“ (Nübel 1998, S. 16).

Die produzierten Fehlschreibungen werden linguistisch als eine Art „Fenster“ auf den Lernprozess (vgl. Nübel 1998, S. 16; Augst/Dehn 1998, S. 61) beschrieben. Der veränderte Blickwinkel sieht Fehler somit sogar als notwendig an (vgl. Wedel-Wolf 2002a, S. 51).

So argumentieren Brügelmann und Brinkmann, dass Fehler zum schrift­sprachlichen Erwerbsprozess dazugehören, wie beim Erlernen der Sprache (vgl. Brinkmann/ Brügelmann 1998, S. 4). Auch bei diesem Aneignungsprozeß würde nicht davon ausgegangen werden, dass Kinder von Anfang an alles richtig machen. Im Gegenteil:

Fehler beim Schriftspracherwerb können „das Ergebnis eines logischen Denkprozeßes sein“ (ebd.) und sollten als Problemlösungsversuche ernst genommen werden (ebd., S. 5).

Für dieses Paradigma ist eine wichtige Vorstellung notwendig: nämlich die, dass der Schriftspracherwerb in Form von Stadien abläuft.

2.1.2 Stadien des Schriftspracherwerbs

Um den veränderten Blickwinkel auf Fehler zu verstehen, ist es notwendig, sich die Aneignungsprozesse im Rahmen der Schriftsprache von Kindern vor Augen zu halten. Unter heutigen Forschungsmaßstäben gilt dieser Prozess nicht als zufällig, sondern geschieht nach einem ganz bestimmten Muster.

Berücksichtigt man die Tatsache, dass selbst Erstklässler unglaubliche heterogene schriftsprachliche Kompetenzen mit sich bringen, worunter bei den Lernvoraussetzungen Unterschiede zwischen zwei und drei Jahren (vgl. Augst/Dehn 1998, S. 62) normal sind, wird klar, dass das Schreibenlernen vor der Schule beginnt und nicht nur durch den Schreiblehrgang der Primarstufe in Gang gesetzt wird. Es lässt sich die Erkenntnis formulieren, dass sich das Rechtschreiblernen also „nicht willkürlich vollzieht, sondern erkennbaren Grundsätzen folgt“ (ebd., S. 65). Demzufolge kann man von „überindividuellen Entwicklungsphasen“ (Thomé/Eichler 2005) sprechen, die den Entwicklungsverlauf des Rechtschreiberwerbs determinieren und beschreiben.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden - vorangetrieben durch die entwicklungspsychologische Forschung - etliche Modelle erarbeitet, die die Stadien abbilden, klassifizieren und beschreiben. Im Folgenden wird das Modell von Uta Frith vorgestellt, da es (in Kombination mit dem Stufenmodell von Gerheid Scheerer-Neumann) auch Basis für die im Anschluss vorzustellende Oldenburger Fehleranalyse ist und um das Modell von Renate Valtin ergänzt.

[...]


[1] [1] Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit verzichte ich im Verlauf dieser Arbeit auf die weibliche Form.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Notwendigkeit der Fehleranalyse beim Orthographieerwerb
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Fachbereich für Erziehungswissenschaft und Psychologie)
Veranstaltung
Schriftspracherwerb
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V81553
ISBN (eBook)
9783638880268
ISBN (Buch)
9783668383579
Dateigröße
410 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Notwendigkeit, Fehleranalyse, Orthographieerwerb, Schriftspracherwerb
Arbeit zitieren
Marcus Sommer (Autor:in), 2007, Die Notwendigkeit der Fehleranalyse beim Orthographieerwerb, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81553

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