Macht – Unterschiede: Nicht nur eine Frage des ökonomischen Kapitals. Betrachtung des dreisäuligen Bourdieuschen Kapitalbegriffs


Referat (Ausarbeitung), 2006

33 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1 Einleitung

2 Begriffsdefinitionen
2.1 Habitus
2.2 Feld
2.3 Habitus und Feld – eine Wechselbeziehung

3 Leben und Werke Pierre Bourdieus
3.1 Biographie
3.2 Zentrale Werke / Erkenntnisse

4 Der Kapitalbegriff nach Bourdieu
4.1 Ökonomisches Kapital
4.2 Kulturelles Kapital
4.2.1 Die inkorporierte Form
4.2.2 Die objektivierte Form
4.2.3 Die institutionalisierte Form
4.3 Soziales Kapital
4.4 Der Transfer des Kapitals

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

Internetquellen

Abbildungsverzeichnis

7 Selbstständigkeitserklärung

1 Einleitung

»Macht – Unterschiede: Nicht nur eine Frage des ökonomischen Kapitals«, so der Titel des Referats welches im Wintertrimester 2006 im Rahmen des Seminars »Die verborgenen Mechanismen der Macht – Aktuelle soziale Phänomene im Spiegel der Soziologie Pierre Bourdieus« an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg gehalten wurden.

Dieser Titel führt bereits nach der ersten Betrachtung zu mehreren Fragen. Wie lässt sich Macht definieren und welche unterschiedlichen Formen von Macht gibt es nach Pierre Bourdieu überhaupt? Was versteht Bourdieu unter ökonomischem Kapital? Welche weiteren Arten beziehungsweise Möglichkeiten von Kapital gibt es darüber hinaus noch?

Diese Fragen wurden im Referat thematisiert und diskutiert und sollen im Rahmen der vorliegenden schriftlichen Ausarbeitung zu einer möglichst erschöpfenden Beantwortung gelangen. Um die zentralen Gedanken Bourdieus verständlich zu machen, werden zunächst Begriffe wie »Habitus« und »Feld« grundlegend und einheitlich definiert. Vor der im Fokus stehenden Betrachtung des Kapitalbegriffs werden Bourdieu und seine zentralen Werke vorgestellt.

Eine befriedigende Erklärung des Bourdieuschen Kapitalbegriffs mit seinen drei Säulen, dem ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapital soll zugleich Schwerpunkt und Ziel dieser Arbeit sein. Einige ausgewählte Abbildungen beziehungsweise Schemata sollen helfen dieses Ziel zu erreichen. Abschließende Betrachtungen runden die Ausarbeitung ab und stellen zugleich weiterführende Fragen, um die Diskussion bezüglich Pierre Bourdieus und seines Kapitalbegriffs am Leben zu halten.

2 Begriffsdefinitionen

Im Zuge seiner soziologischen Forschungen prägte Pierre Bourdieu eine Reihe von Leitbegriffen um diese im Anschluss miteinander zu verknüpfen. Es entstand eine neue soziologische Theorie, die so genannte »Theorie der Praxis«. „Der Schlüsselbegriff, der die Theorie Bourdieus trägt, ist der des Habitus.“[1] Der Habitus bildet das Fundament in den Arbeiten Pierre Bourdieus. Neben dem Habitus sind Leitbegriffe wie »sozialer Raum«, »soziales Feld« und »Kapital« die tragenden Säulen seiner Forschung.

Die stark ausgeprägte Wechselbeziehung zwischen Habitus und sozialem Feld fordert dazu auf, die beiden Begriffe genauer zu beleuchten, ehe im weiteren Verlauf dieser Arbeit der Kapitalbegriff im Schwerpunkt steht. Die zentralen Fragen sind hierbei:

Was ist ein Habitus? Was ist ein soziales Feld? Und in welchem Verhältnis stehen diese Leitbegriffe zueinander? Drei Fragen, die im Verlauf dieses Kapitels geklärt werden sollen, um so das Grundverständnis für Bourdieus Forschung zu schaffen.

2.1 Habitus

Wie in der Einleitung zu diesem Abschnitt der Hausarbeit bereits angesprochen, handelt es sich bei dem Begriff »Habitus« um den zentralen Schlüsselbegriff in der Sozialtheorie Bourdieus.

Bourdieu selbst, beschreibt den Habitus als „Leib gewordene Geschichte“[2].

Zunächst definiert der Habitus die Interkorporation des Sozialen, das heißt die Einverleibung sozialen Handelns. Diese Einverleibung vollzieht sich in Lern- und Konditionierungsprozessen und basiert auf Alltagserfahrungen.[3]

„Der Habitus ist zweitens ein System von Dispositionen und Schemata, das

als Denk-, Handlungs- und Wahrnehmungsmatrix fungiert.“[4]

Betrachtet man das einzelne Individuum, so wird der Habitus geprägt durch das soziale Umfeld, die Erziehung, die soziale Herkunft und den eigenen Lebenslauf. Dies beginnt mit der frühkindlichen Entwicklung und wird im Laufe des Lebens durch jeglichen Einfluss weiter geprägt. Eltern und Lehrer sind genau wie die Freunde maßgeblich an der Entwicklung des eigenen Habitus beteiligt. Diese Prägung des Habitus durch die soziale Herkunft, und den Lebensverlauf bezeichnet Bourdieu als »Opus operantum«. Der Habitus verkörpert alle sozialen Einflüsse, die auf die betrachtete Person einwirken, und spiegelt sich nach Außen anhand von bestimmten Merkmalen wieder. Er bestimmt das Denken, die Wahrnehmung sowie das Handeln eines Menschen. Er sorgt dafür, dass der Lebensstiel eines Menschen der sozialen Position angepasst wird. Die Handlungsweise in der sich der Habitus ausdrückt bezeichnet Bourdieu als »Modus operandi«.

Da der Habitus aus einer Vielzahl von Merkmalen besteht, bietet es sich an, den sprachlichen Habitus als Beispiel zu betrachten. Bourdieu sieht die Standartsprache als normalisiertes Produkt, erkennt jedoch auch einen sprachlichen Habitus, indem er die Sprachkompetenz als Produkt sozialer Bedingungen ansieht. Dabei liegt das Augenmerk nicht auf dem möglichen Potential der betrachteten Person, sondern auf der tatsächlichen Umsetzung und Realisierung der Möglichkeiten. Der sprachliche Habitus steht demnach sowohl für den Erwerb, als auch für den Gebrauch der Sprachkompetenz.[5]

Bourdieu folgert, dass die Sprachkompetenz sowohl im Erwerb, als auch in der Anwendung gleichermaßen an sprachliche Märkte gebunden ist. Er unterscheidet offizielle Märkte wie zum Beispiel Schule, Politik und Wissenschaft und inoffizielle Märkte wie zum Beispiel die Familie oder den Freundeskreis. Diese Märkte wiederum sind Teile sozialer Felder, und hier wird deutlich, wie eng die Verbindung zwischen Habitus und sozialem Feld ist.[6]

2.2 Feld

Der zweite Leitbegriff in der Forschung Pierre Bourdieus ist der des sozialen Feldes. Während Bourdieu den Habitus als »leibliche Geschichte« ansieht, ist das Soziale Feld in seiner Theorie die »verdinglichte Geschichte«.

„Soziale Felder stehen für die horizontale Differenzierung der sozialen Welt in spezifizierte soziale Räume“.[7] Innerhalb dieser sozialen Räume bewegen sich die betrachteten Personen. Es ist ihnen sowohl möglich, sich in mehreren sozialen Feldern gleichzeitig aufzuhalten, als auch zwischen den Feldern zu wechseln. Dabei unterscheidet Bourdieu offene Felder, in die ein Wechsel leicht möglich ist und geschlossene Felder, die nur bestimmten Personen zugänglich sind. Des Weiteren trifft er eine Unterscheidung zwischen Feldern und Subfeldern. Wichtige soziale Felder sind zum Beispiel das ökonomische Feld, das kulturelle Feld, das Feld der sozialen Klasse, das Feld der Kunst sowie das des Militärs. Diese Felder bestehen wiederum aus einer Fülle von Subfeldern. So sind das politische Feld, das Feld der Literatur, das Feld der Schule und das Feld der Universität Unterfelder des kulturellen Feldes. Mit dieser Erkenntnis, wird das soziale Feld zur Plattform, auf der der Habitus der Akteure seine Anwendung und Umsetzung findet. Mit dieser Erkenntnis lenkte Bourdieu die Forschung „auf die Strukturiertheit und die Dynamik des Geschehens innerhalb sozialer Felder“[8].

„Soziale Felder sind als Kampffelder, Kräftefelder und Spielfelder charakterisiert“[9]. Bei dem in den sozialen Feldern stattfindenden Kampfgeschehen kommt es zum Einsatz von verschiedenen Kapitalsorten mit denen die Akteure ihre Position in der Gesellschaft beziehungsweise im sozialen Feld definieren und anschließend ausbauen oder behaupten. Ehe im weiteren Verlauf der Arbeit der Kapitalbegriff Bourdieus geklärt wird, soll in diesem Abschnitt jedoch noch genauer das Wechselverhältnis von Habitus und sozialem Feld geklärt werden.

2.3 Habitus und Feld – eine Wechselbeziehung

Habitus und soziales Feld stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. Bourdieu geht davon aus, dass soziale Felder nicht ohne den Habitus existieren können. Gleichzeitig sieht er aber den Habitus als „Produkt der Relation mit den jeweiligen sozialen Feldern“[10] das bedeutet, gäbe es den Habitus nicht, so gäbe es keine sozialen Felder und umgekehrt.

Anhand von Abbildung 1 lässt sich die Symbiose von Habitus und Feld anschaulich verdeutlichen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das Verhältnis Habitus - Feld[11]

Während die Akteure im sozialen Feld ihren Habitus investieren (R1) ist der Habitus selbst „das Produkt der Relation mit den jeweiligen sozialen Feldern“.[12] Das bedeutet, dass der Habitus erst durch das soziale Feld ermöglicht wird (R2).

3 Leben und Werke Pierre Bourdieus

Pierre Bourdieu gehört neben Parsons, Adorno, Luhmann und Habermas zu den bedeutendsten Soziologen unserer Zeit. Er war höchst produktiv und in seinem Leben entstanden eine große und kaum überschaubare Anzahl von Büchern, Aufsätzen und Interviews. Sein Werk hat er dennoch nicht vollendet. In seinem Nachlass befinden sich immer noch zahlreiche Aufsätze und unveröffentlichte Schriften, die in überarbeiteter Form in Zukunft als Buchpublikationen erscheinen sollen.

Was Bourdieu auszeichnete ist, dass er ein politischer Intellektueller war, der sich gegen die herrschende Elite und den Neoliberalismus wandte und einen Sinn für symbolische Gesten hatte. Bekannt sind zum Beispiel seine Solidarisierung mit streikenden Bergarbeitern im Jahr 1995 und drei Jahre später seine Unterstützung der französischen Arbeitslosenbewegung. In seinen letzten Lebensjahren stand Bourdieu der globalisierungskritischen Bewegung nahe und war Mitbegründer der heute weltweit agierenden »Organisation Attac«.

Um seine Werke und auch das Thema der Hausarbeit inhaltlich besser verstehen zu können ist es sehr hilfreich Bourdieus biographischen Hintergrund und seine wichtigsten Erkenntnisse zu kennen, die im Folgenden dargestellt werden.

3.1 Biographie

Der am 1.August 1930 in Denguin, einem kleinen Ort im Department Basses Pyrénées, geborene Bourdieu stammte aus eher einfachen Verhältnissen. Sein Vater Albert Bourdieu war Landwirt und später Postangestellter, seine Mutter Noémie Bourdieu, geborene Duhau, Hausfrau. Er verbrachte den größten Teil seiner frühen Jugend in Denguin und besuchte dort das Lycée de Pau.[13]

Im Jahr 1948 wechselte er an das renommierte Lycée Louis-le-Grand nach Paris. In Paris studierte Bourdieu dann an der École Normale Supérieure im Hauptfach Philosophie und erreichte 1954 die Agrégation. Nach diesem

akademischen Abschluss nahm er zunächst eine Stelle als Lehrer an. Von 1958-1960 nahm er als Soldat am Algerienkrieg teil. Während seines Einsatzes im nördlichen Algerien und später als Assistent an der Universität Algier führte er intensive Feldforschungen zur Kultur der Berber durch und begründete mit den diesbezüglichen Resultaten seine Reputation als Soziologe. Erste Bücher waren »Sociologie de l`Algérie« und »Travail et travailleurs en Algérie«.

Ab 1960 hatte er für ein Jahr eine Professur an der Sorbonne und gelangte dann an die Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales. Dort war er zunächst als Assistent am Centre de Sociologie Européenne tätig und wurde dort im Jahr 1964 zum Direktor ernannt. Im Jahr 1982 wurde er auf den Lehrstuhl für Soziologie am renommierte Collège de France berufen.[14]

[...]


[1] Bohn, Cornelia 1991; S.5

[2] Bourdieu, Pierre 1985; S 69

[3] Vgl. Bohn, Cornelia 1991; S. 31

[4] Bohn, Cornelia 1991; S. 32

[5] Vgl. Bohn, Cornelia 1991; S 67 f

[6] Vgl. Bohn, Cornelia 1991; S 69

[7] Bohn, Cornelia 1991; S 27

[8] Bohn, Cornelia 1991; S 30

[9] Bohn, Cornelia 1991; S 29

[10] Bohn, Cornelia 1991; S 26

[11] Bohn, Cornelia 1991; S 25

[12] Bohn, Cornelia 1991; S 26

[13] Vgl. Krais 2002, S.8

[14] Vgl. Bohn 2000, S.252

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Macht – Unterschiede: Nicht nur eine Frage des ökonomischen Kapitals. Betrachtung des dreisäuligen Bourdieuschen Kapitalbegriffs
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
2,0
Autoren
Jahr
2006
Seiten
33
Katalognummer
V81487
ISBN (eBook)
9783638858465
ISBN (Buch)
9783638855716
Dateigröße
881 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Macht, Unterschiede, Nicht, Frage, Kapitals
Arbeit zitieren
Dipl.Päd. L. Lindenschmidt (Autor:in)Becker (Autor:in)Hering (Autor:in)Unger (Autor:in), 2006, Macht – Unterschiede: Nicht nur eine Frage des ökonomischen Kapitals. Betrachtung des dreisäuligen Bourdieuschen Kapitalbegriffs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81487

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