Soziologie in der DDR


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die geschichtliche Entwicklung der Soziologie in der DDR
2.1. Die Soziologie in der sowjetischen Besatzungszone
2.2. Die Gründungsphase der DDR-Soziologie bis 1964/65
2.3. Herausbildung einer disziplinären Community 1965 bis 1973/74
2.4. Die Phase der Systemanpassung und der Expansion 1975-1985
2.5. Die Soziologie an der Universität in Leipzig – Ein Fallbeispiel

3. Die Bevölkerungswissenschaftliche Forschung in der DDR

4. Disziplinierungsmaßnahmen und der Anstieg der Systemkritik
4.1. Disziplinierungsmaßnahmen gegen Soziologen
4.2. Der Anstieg der Systemkritik

5. Der Zusammenbruch der Soziologie und die Zeit des Neubeginns
5.1. Das Ende der DDR-Soziologie
5.2. Die Zeit der Wende- Ein Neubeginn (?)

6. Ein Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der DDR, dessen politisches System durch den Sozialismus gekennzeichnet war, wurde auch die Wissenschaft durch und mit dem Sozialismus erklärt – dieses geschah vor allem aus ideologischer Perspektive. Die starke Politisierung, die Einschränkungen der internationalen Kontakte und die permanente Kontrolle durch die DDR Regierung formten die Wissenschaft. Die Soziologie war ein Teil der Wissenschaft. Doch im welchen Verhältnis stand die Soziologie mit der Regierung und den Prinzipien der DDR? Welche Probleme, Disziplinierungsmaßnahmen und Charakteristika kennzeichneten die Jahre von 1949-1989 der DDR-Soziologie?

Daniel Jansen beschreibt die DDR-Soziologie wie folgt: Eine „über weite Strecken traurige Disziplin, theoretisch unterbelichtet, thematisch zensiert, methodisch und methodologisch zurückgeblieben“. (Jansen 1992: S. 479) Diese Hausarbeit geht der Frage nach, ob die Soziologie in der DDR tatsächlich eine traurige Disziplin war. Ein geschichtlicher Rückblick ist für die Betrachtung der Soziologie in der DDR unerlässlich. Die erste Phase stellt die Soziologie vor 1949 in der sowjetischen Besatzungszone da. Bereits in diesem sehr frühen Abschnitt lassen sich Merkmale finden, welche die Soziologie der DDR prägen werden. Gefolgt wird diese Phase mit der Gründung der DDR, die gleichzeitig die „Gründung“ der Soziologie in der DDR bedeutet. Der geschichtliche Überblick wird bis zum Ende der Soziologie im Herbst 1989 fortgeführt. Die Jahre 1989/1990 sind für die Soziologie in der DDR dramatische. Sie markieren das Ende der Soziologie in der DDR Die Gründe für diesen Zusammenbruch werden im Anschluss angeführt. Doch nicht nur die Geschichte der Soziologie soll beleuchtet werden, vielmehr soll auch auf die Bevölkerungswissenschaft in der DDR, die Disziplinierungsmaßnahmen und die beginnende Systemkritik eingegangen werden. Um die Geschichte der Soziologie nachvollziehen zu können, wird noch ein kurzes Fallbeispiel anhand der Universität in Leipzig dargestellt. Abschließend wird noch die Wendezeit und die Neugründung der Soziologie in Ostdeutschland betrachtet. Die Soziologie in der sowjetischen Besatzungszone stellt den Anfang dieser Hausarbeit da.

2. Die geschichtliche Entwicklung der Soziologie in der DDR

2.1. Die Soziologie in der sowjetischen Besatzungszone

Die verheerenden Folgen des Zweiten Weltkrieges, die Aufteilung Deutschlands in die vier Besatzungszonen und die rasch auseinanderdriftende Besatzungspolitik beeinflusste die Entwicklung der beiden deutschen Staaten. Diese Entwicklung dauerte von 1945 bis zum Ende der Deutsch-Deutschen Teilung 1989 an. Durch die strukturellen Assimilierungsprozesse ähnelte die sowjetische Besatzungszone zunehmend politisch und ökonomisch der UdSSR. Dabei wurden drei Änderungen durchgeführt. Erstens die Auflösung der verbliebenen Machtbasis der bürgerlichen Kräfte, zweitens die Konsolidierung monolithischer kommunistischer Parteien und drittens die Verschmelzung von monolithischen Parteien und den Staatsapparaten. (vgl. Ettrich 1992: S. 454)

Bereits vor der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 existierte soziologisches Denken in der sowjetischen Besatzungszone. Dabei werden drei Arten der Vermittlung von soziologischem Wissen unterschieden. Die erste war die Weiter-Vermittlung von philosophischen und soziologischen Gedanken durch Wissenschaftler der Weimarer Republik bzw. sogar des Nationalsozialismus z.B. Freyer. Zweiten erfolgte die Vermittlung über antifaschistische bzw. marxistisch orientierte Lehrveranstaltungen. Auf die soziologischen Inhalte wurde zwar nicht expliziert hingewiesen, dennoch sollten in diesen Veranstaltungen soziologische Gedanken behandelt werden. 1946 wurde die „Gewifa“, die Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät, in Leipzig, Jena und Rostock auf Anordnung der sowjetischen Militäradministration gegründet. Sie hatten die Funktion den Marxismus-Leninismus an den Universitäten zu verankern (vgl. Ettrich 1992: S. 455). Drittens kam es zu interdisziplinären Verflechtungen. Zum Beispiel mit der Religionssoziologie unter Emil Fuchs oder auch ethnografischen Studien des Ehepaares Eva und Julius Lips. Anhand einer Analyse von Vorlesungsverzeichnissen lehrten 22 Wissenschaftler soziologische Themen im universitären Betrieb (vgl. Ettrich 1992: S. 455). 1950/51 wurde die "Gewifas" aufgelöst, da sie ihre Funktion erfüllt hatten.

2.2. Die Gründungsphase der DDR-Soziologie bis 1964/65

Seit 1949 folgte das Bildungs- und Wissenschaftssystem der DDR ideologisch und auch inhaltlich immer mehr dem sowjetischen Vorbild (vgl. Ettrich 1992: S. 455). Zu Beginn der 1950er Jahre wurde an den Hochschulen mit erhöhter Aufmerksamkeit die politische und ideologische Arbeit verstärkt (vgl. Ettrich 1992: S. 455). 1952 wurde mit der Hochschulreform die Grundlagen des stalinistisch-politischen Systems endgültig an den Universitäten etabliert (vgl. Ettrich 1992: S. 456). Dennoch muss man sagen, dass die Soziologie und die empirische Sozialforschung sich relativ spät im Vergleich zu anderen Osteuropäischen Ländern entwickelt haben. In Polen existierte bereits seit den 1950er Jahren eine empirische Sozialforschung und in der Sowjetunion wurde 1958 eine Gesellschaft für Soziologie gegründet (vgl. Voigt 1982: S.8).

Die Regierungspartei der DDR, die SED, etablierte die Soziologie zunächst nach zwei Auffassungen: Die eine sieht in ihr den angewandten „Historischen Materialismus“, die zweite Auffassung setzt die Soziologie mit dem „Historischen Materialismus“ gleich. Der „historische Materialismus“ als allgemeine soziologische Theorie, also als Wissenschaft von den allgemeinen Gesetzen der Gesellschaft, unterscheidet sich von der Soziologie. Die Soziologie wird als spezielle Theorie von der Gesellschaft verstanden. Man sieht in ihr eine Wissenschaft, die mit empirischen Methoden forscht und mit ihren Ergebnissen, welche konkret zu sein haben, der Partei zu dienen hat (vgl. Schwendtke o.D.: S 103). Rudhard Stollberg definiert die marxistisch-leninistische Soziologie wie folgt: „Die marxistisch-leninistische Soziologie ist eine Gesellschaftswissenschaft, die die Entwicklung und Struktur der menschlichen Gesellschaft als System sozialer Beziehungen, die Entwicklung und Struktur der Gesellschaftsformationen und ihrer Teilbereiche sowie die gesellschaftlichen Triebkräfte der sozialen Aktivität der Klassen, Gruppen und Individuen in der Gesellschaft erforscht.“ ( Stollberg 1977 In: Voigt 1982: S.11)

Mitte der 1950er Jahre findet man die ersten Versuche die empirische Sozialforschung mit den normativen, marxistisch-leninistischen Weltanschauungen in Einklang zu bringen. An der Universität in Leipzig unter Schulz und an der Humboldt-Universität in Berlin unter Scheler wurden Studenten zu empirisch-soziologischen Übungen angeregt.

Seit 1956 führte Braunreuther im Rahmen seiner Vorlesung über die Dogmengeschichte ökonomischer Lehrmeinungen Seminare ein, welche in empirischen Untersuchungen endeten. (vgl. Ettrich 1992: S. 456f).Die DDR-Soziologie der 1950er Jahre wurde auch durch das Bestreben gekennzeichnet, dass „Repräsentanten“ der Soziologie internationale Anerkennung und Mitsprache erhalten sollten. So nahm 1956 ein Vertreter der DDR als Beobachter am II. Soziologen-Weltkongress in Amsterdam teil. Seit dem IV. Soziologen-Weltkongress in Mailand/Stresa 1959 entsandte die DDR offizielle Delegationen (vgl. Ettrich 1992: S. 457). Man entsandte allerdings nur die ideologietreuen Wissenschaftler zu den Kongressen, da man bei ihnen die Gefahr einer Staatsflucht gebannt sah.

Auf dem sechsten Parteitag der SED 1963 erfuhr die Soziologie erstmals parteioffizielle positive Erwähnung. In den 1960er Jahren sollte die empirische Sozialforschung, neben der Bestätigung der „marxistisch-leninistischen“ Theorie, auch die gesellschaftlichen Prozesse der DDR lenken (vgl. Voigt 1982: S.8). Die empirische Sozialforschung, oder auch die konkrete Sozialforschung wie sie genannt wurde, arbeitete seit 1963 auf drei Ebenen. Die erste Ebene war die obere Führungsschicht. Diese wurde durch die Ermittlung von objektiven Daten über Meinungen, Stimmungen, Denk- und Verhaltensweisen der DDR Bevölkerung informiert. Die Soziologie sollte einzig und allein den Erhalt des Machtmonopols der SED sichern. Die zweite Ebene waren die Funktionsträger der mittleren und unteren Führungsebenen. Hier ging es darum, objektive Daten für die Betriebsleitung und staatliche Ministerien zu gewinnen. Die Ergebnisse standen den Partei- und Wirtschaftskadern auf der betrieblichen und örtlichen Ebene zur Verfügung. Diese Daten wurden nicht oder nur auszugsweise publiziert. Die dritte Ebene umfasst die „politische Sozialisation“ im Sinne von Agitation und Propaganda. Untersuchungen dieser Art strebten nach einer propagandistischen innen und außen Wirkung. Diese Wirkungen sollten für das sozialistische Gesellschaftssystem von besonders positiver Bedeutung sein (vgl. Voigt 1982: S.13). Die Steuerung und Koordination der gesamten Forschung lag bei dem 1964 gegründeten Wissenschaftlichen Rat und Nationalkomitee für soziologische Forschung in der DDR, der Vorsitzender war Rudi Weidig. Bereits Mitte der 1960er Jahre wurde deutlich, dass die Soziologie, wie alle anderen Gesellschaftswissenschaften, den Auftrag hatte, die Beschlüsse der Parteiführung der SED bei der Herausbildung einer sozialistischen Gesellschaft umzusetzen und anzuwenden (vgl. Meyer 1992: S. 266).

2.3. Herausbildung einer disziplinären Community 1965 bis 1973/74

In dieser Phase kam es zu einer Ausbreitung des Faches, obwohl auch dieses relativ spät begann (vgl. Ettrich 1992: S. 449). Ein Grund für die späte Institutionalisierung und Disziplinisierung der Soziologie als Wissenschaft war, dass sie zu keinen Zeitpunkt über ein eigenständiges Theoriemodell verfügte. Daher nahm sie in der „marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaft“ nur eine marginale Stellung ein (vgl. Ettrich 1992: S. 449). „Theoretisch-philosophisch folgte sie einer reduktionistischen Variante der Geschichtsphilosophie des historischen Materialismus.“ (Ettrich 1992: S. 449) Dieses brachte für die Soziologie grundlegende Probleme mit sich. So tauchte in den Theoriedebatten der marxistisch-leninistischen Soziologie in der DDR das Problem des sinnvermittelten, sozialen Handels überhaupt nicht auf. Die soziale Rolle wurde nur auf eine Handlungsdimension beschränkt, dieses war die gesellschaftliche Arbeit. Über diese Handlungsdimension kam sie nie hinaus. Das Hauptaugenmerk der Soziologie lag stets auf dem Arbeiter seiner Lebenswelt und seinen Problemen. Damit konnte sich die Soziologie nur auf einer sehr spezifischen Weise kategorial entfalten. Die realen Macht- und Herrschaftsverhältnisse wurden ebenso wenig hervorgehoben geschweige denn kritisiert. Daher fehlte es der Soziologie an einer effizienten Sozialberichterstattung. Die Empirische Forschung war nur in vereinzelter und segmentierter Form möglich (vgl. Ettrich 1992: S. 448f)

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Soziologie in der DDR
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt  (Lehrstuhl Soziologie und empirische Sozialforschung)
Veranstaltung
Deutsche Soziologie von 1933 bis Heute
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V81429
ISBN (eBook)
9783638862028
ISBN (Buch)
9783640319671
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziologie, Deutsche, Soziologie, Heute
Arbeit zitieren
Ellen Ziegler (Autor:in), 2007, Soziologie in der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81429

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