Der Adel im frühneuzeitlichen Frankreich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

27 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Die Relevanz einer Auseinandersetzung mit dem französischen Adel in der Frühen Neuzeit

2 Der Adel im frühneuzeitlichen Frankreich
2.1 Struktur und Organisation des französischen Adels
2.1.1 Grössenangaben der französischen Adelspopulation
2.1.2 Binnendifferenzierung der adeligen Gesellschaftsschicht
2.1.3 Wege der Nobilitierung im Frankreich der Frühen Neuzeit
2.2 Selbstverständnis und Legitimation des französischen Adels
2.2.1 Privilegien des Adels
2.2.2 Pflichten des Adels
2.2.3 Begründung und Innensicht
2.3 Verhältnis zwischen Adel und Krone in der Frühen Neuzeit
2.3.1 Situation unter König Franz I.
2.3.2 Konstellation unter König Heinrich IV.
2.3.3. Situation unter Ludwig XIV.

3 Zusammenfassende Betrachtung des frühneuzeitlichen Adels in Frankreich

4 Bibliographie

1 Die Relevanz einer Auseinandersetzung mit dem französischen Adel in der Frühen Neuzeit

Die Betrachtung des Adels als gesellschaftlichem Stand ist seit langem ein begehrtes Forschungsobjekt der Geschichtswissenschaften. Doch die Perspektive, mit der man auf die verschiedenen Erscheinungsformen und Differenzierungen des Adels – nicht nur im Deutschen Reich – blickt, wandelt sich im Laufe der Zeit und eröffnet neue Gesichtspunkte und Betrachtungsweisen.

Während im Hauptseminar „Adel in der Frühen Neuzeit“ überwiegend die Merkmale und Ausformungen der deutschen Adelslandschaft bzw. die diversen gesellschaftspolitischen Erscheinungsformen des niederen Adels im Deutschen Reich untersucht wurden, konnten den Eigenschaften und Besonderheiten von Adelspopulationen anderer europäischer Länder nur am Rande Beachtung geschenkt werden.

Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit soll es sein, die Kennzeichen, Strukturen, Entwicklungen und Besonderheiten des französischen Adels im Verlauf der frühen Neuzeit vom 15. bis zum 18. Jahrhundert aufzuzeigen. Da die Materie dafür geeignet wäre, eine Vielzahl an Detailthemen zu ergründen, soll mit den nachfolgenden Ausführungen der Versuch unternommen werden, den Adel Frankreichs als Ganzes in der Form einer Überblicksdarstellung zu charakterisieren und dem Leser so einen informativen Aufriß über die Eigenheiten des zweiten Standes des frühneuzeitlichen Frankreichs zu geben. Um den Überblick möglichst allumfassend zu gestalten, kann nicht nur – wie im Falle des Alten Reiches – der niedere Adel untersucht werden, sondern es wird versucht, ein anschauliches Schema der gesamten französischen Adelsstruktur zu eröffnen.

Offensichtlich ergeben sich aus dem umfangreichen Themenspektrum eine Menge möglicher Fragestellungen, die hier verfolgt werden könnten. Davon sollen einige prägnante näher untersucht werden: Welche Struktur weist der französische Adel auf? Welches Selbstverständnis und welche Legitimierung legt sich der Adel Frankreichs zugrunde? Und schließlich: Wie verlief seine historische und gesellschaftspolitische Entwicklung während der Frühen Neuzeit?

Zur Forschungslage läßt sich sagen, daß eine Fülle an qualitativ hochwertigem Material zur Verfügung steht. Zahlreiche renommierte Historiker haben sich in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der Erforschung von europäischen und auch französischen Adelspopulationen beschäftigt. Insbesondere liegen reichhaltige Überblickswerke vor, deren objektives Daten-, Zahlen- und Faktenmaterial auch nach einigen Jahren stets noch Aktualität besitzt. Hervorzuheben sind meiner Ansicht nach die Autoren Wolfgang Mager und Ilija Mieck, deren deutschsprachige Literatur sehr gute Gesamtdarstellungen liefert, Roger Mettam und Julian Swann, deren Werke einen bedeutenden Beitrag der englischsprachigen Forschung liefern sowie Arlette Jouanna und Jean Meyer, die mit ihren französischen Veröffentlichungen ebenfalls hervorragenden Anteil an der Untersuchung des Adels Frankreichs haben. Es sollte allerdings auch noch Erwähnung finden, daß sich ein hohes Maß der bearbeiteten Sekundärliteratur wiederholt, d.h. daß die verschiedenen wissenschaftlichen Aufsätze oftmals den gleichen Stoff in äußerst ähnlicher Weise rekapitulieren. Doch im Gegenzug kann das verwendete Lektürematerial als umso gefestigter und allgemeingültiger angesehen werden.

2 Der Adel im frühneuzeitlichen Frankreich

Der Adel im frühneuzeitlichen Frankreich weist zahlreiche Eigen- und Besonderheiten auf, die einer näheren Betrachtung – auch im Vergleich zum Adel im Deutschen Reich – wert scheinen. Auch von daher gesehen, daß das Ideal beispielsweise der französischen Hofhaltung, Schloßbaukunst und höfischen Verhaltensweise weit über die Grenzen des Hexagons hinausstrahlte, kann die Arbeit als Untersuchung der adeligen Gesellschaft Frankreichs im gesamteuropäischen Kontext angesehen werden.

Um zunächst eine Vorstellung vom Aufbau, der Dimension und den Wegen zur Adelswürde zu bekommen, wird im Folgenden eine möglichst strukturierte Übersicht über die Organisation des französischen Adels gegeben.

2.1 Struktur und Organisation des französischen Adels

2.1.1 Grössenangaben der französischen Adelspopulation

Sowohl durch zeitgenössische Erhebungen als auch durch aktuelle Forschungsprojekte können keine eindeutigen und genauen Zahlenangaben über die französische Adelspopulation in der Frühen Neuzeit festgestellt werden. Damalige Schätzwerte weisen bereits eine hohe Fluktuation auf, die anhand der folgenden Tabelle nachvollzogen werden soll und erste Anhaltspunkte einer Größenordnung vermitteln soll:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[1]

Auch Auswertungen des 20. Jahrhunderts und der neueren Forschung insgesamt können kaum eindeutigere und verläßlichere Zahlen liefern:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[2]

Definitiv läßt sich jedenfalls feststellen, daß im 16. und 17. Jahrhundert die Zahl der Adligen gemessen an der französischen Gesamtpopulation noch erheblich größer gewesen ist. Jedoch kamen ab Mitte des 17. Jahrhunderts einige Faktoren hinzu, die eine zahlenmäßige Abnahme veranlaßten:

„Die späteren Adelsüberprüfungen, auch das Ausscheiden verarmter Edelleute infolge derogierender Betätigung […] und das Aussterben mancher Familien haben die Gesamtzahl der Adligen seit der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts wieder zurückgehen lassen. Allgemein wird daher angenommen, daß der Adel im 16. Jahrhundert zahlenmäßig stärker war als im 18. Jahrhundert.“[3]

Die Adelsüberprüfungen, auch Adelsreformationen genannt, wurden unter Ludwig XIV. mit großer Rigorosität durchgeführt, was bedeutet, daß allen Adligen, die keinen formellen Nachweis ihres Adels erbringen konnten, ihre Standschaft aberkannt wurde. Auch wurde das sog. Hineinwachsen in den Adel zunehmend unterbunden, so daß die Zugehörigkeit zum Adel nur noch auf „offiziellen“ Wegen möglich war. Nähere Ausführungen hierzu erfolgen später unter dem Punkt „Wege der Nobilitierung“.

Sehr aufschlußreich ist auch das Zahlenmaterial, das sich mit der Darstellung der einzelnen Adelsgruppierungen befaßt. So präsentiert z. B. Wolfgang Mager eine Übersicht der einzelnen Populationen kurz vor Ausbruch der Französischen Revolution:

Hoher Hofadel ca. 300 Familien

Hohe Judikatur und königlicher Staatsrat ca. 300 Familien

Hoher Finanzadel ca. 200 Familien

Bedeutenderer Provinzadel ca. 600 Familien

Literaten, Künstler, Wissenschaftler ca. 100 Personen

Insgesamt ca. 1.500 Familien[4]

Zusammenfassend in bezug auf die Anzahl adeliger Franzosen in der Frühen Neuzeit kann festgehalten werden, daß es wohl im wesentlich kleineren Frankreich des 16. Jahrhunderts etwa 400.000 Adlige gegeben hat sowie, daß neuere Schätzwerte für die Zeit vor der Revolution 350.000 bis 400.000 Personen zum Adel hinzurechnen. Ingesamt gesehen liegt damit der Anteil des Adels an der Gesamtbevölkerung bei ca. 2 bis 2,5%.[5]

Um im Detail einen Einblick in die Struktur und Hierarchie dieser Gesellschaftsschicht zu erhalten, wird nachfolgend die Binnendifferenzierung des französischen Adels näher untersucht.

2.1.2 Binnendifferenzierung der adeligen Gesellschaftsschicht

Die zunächst relativ einheitliche Masse des Adels veränderte sich im Verlauf der Frühen Neuzeit recht stark, so daß man schließlich mehrere differenzierte Abstufungen in der Hierarchie des Zweiten Standes ausmachen konnte. Allerdings ist die neuere Forschung nicht ganz sicher, ob die mannigfachen sozialen Einteilungen auch den wahrhaftigen historischen Umständen entsprochen haben. Jedoch bleibt unumstritten, daß insbesondere während des 15. und 16. Jahrhunderts der Grundstein für die umfangreiche Binnendifferenzierung des Adels gelegt wurde.[6]

Eine grundsätzliche Unterscheidung gilt es zwischen Edelleuten (gentilshommes) und Nobilitierten (annoblis) zu ziehen, denn „’wer nobilitiert wird, erwirbt zwar den Adel, aber nicht die Rasse’“[7], wie schon der Zeitgenosse De La Roque konstatierte. Damit wollte er zum Ausdruck bringen, daß die Adelsqualität zwar durch Nobilitierung erreicht werden konnte, aber der wahre Adel im Grunde auf Rasse, d.h. auf dem Recht der Geburt gründet.

Eine weitere prinzipielle Differenzierung muß beim französischen Adel zwischen der noblesse d’épée (Schwertadel) und der noblesse de robe (Amtadel) erfolgen. Während der Schwertadel – wie der Name schon sagt – als militärische Elite vor allem in der Heerfolge seinen Dienst für den König zu leisten hatte, wurde durch den Amtsadel eine Führungsschicht etabliert, die in administrativen und finanziellen Belangen die Regierung des Monarchen unterstützte.

Für die Bezeichnung noblesse d’épée existieren noch zahlreiche weitere Synonyme wie z. B. noblesse de race, noblesse de sang o. ä. Allen gemein ist die Bedeutung, daß die Angehörigen dieser gesellschaftlichen Elite zum alten Geburtsadel gehören. Innerhalb dieser höchsten Stufe des Adels wurden

„die wenigen französischen Geschlechter, die ihre Adelsqualität bis ins hohe Mittelalter zurückzuführen vermochten, als Feudaladel (noblesse féodale), ihre Mitglieder als Gentilshommes de nom et d’armes bezeichnet. Der Adelsnachweis bis 1400 begründete den ritterschaftlichen Adel (noblesse chevaleresque), der Adelsnachweis bis auf das Jahr 1550 den Adel alter Wurzel (noblesse d’ancienne extraction).“[8]

Der Anteil dieses Erbadels an der Gesamtzahl war allerdings relativ gering, ca. 5% aller Adeligen, denn der größte Teil der feudalen, alten Adelsfamilien waren ausgestorben. Kriterium der Zugehörigkeit war, daß ein Adliger sich nach vier Generation seit der Erhebung in den Adelsstand als Geburtsadel bezeichnen durfte.[9]

Aus dieser höchsten gesellschaftlichen Schicht kamen die elitärsten Mitglieder des Reiches: die ducs und pairs de France, die ducs et pairs, die enfants de France und die princes de sang. Für diese exklusive Gruppe als höchsten Würdenträgern der Monarchie fand sich die Bezeichnung haute noblesse oder noblesse de Cour.[10] Unter dieser Schicht befanden sich die Angehörigen des Provinzadels (grande noblesse provinciale), die als Landedelleute klar abgrenzende Titel für sich und ihre Herrschaftsgebiete führten:

Châtellenie = Châtelain

Vidamé = Vidame

Vicomté

Baronie = Baron

Principauté = Prince

Comté = Comte

Marquisat = Marquis

Duché = Duc

Pairie = Pair[11]

Neben den alteingesessenen Familien des Erb- bzw. Geburtsadels kristallisierte sich im Frankreich der Frühen Neuzeit als administrative und bürokratische Elite die noblesse de robe, also die Angehörigen des Amtsadels heraus. Diese funktionelle Klasse von Adligen rangierte unter dem gesamten Hofadel und vereinte in sich alle Angehörigen staatlicher Behörden, insbesondere der Finanz- und Rechtseinrichtungen. Gerade mit dem Ausbau des modernen Staatswesens wurde es für Frankreich unabdingbar, sich das Leistungs- und Bildungsethos von aufstrebenden Bürgerlichen zu Nutze zu machen, da Adlige zumeist (noch) nicht über die notwendigen universitären Qualifikationen verfügten, um dem frühneuzeitlichen Staat mit seinen verwaltungstechnischen Anforderungen gerecht werden zu können.

[...]


[1] Wolfgang Mager, Frankreich vom Ancien Régime zur Moderne: Wirtschafts-, Gesellschafts- und politische Institutionengeschichte 1630-1830, Stuttgart u. a. 1980, S. 79.

[2] Ebd.

[3] Mieck, Ilja, Die Entstehung des modernen Frankreich 1450-1610. Strukturen, Institutionen, Entwicklungen, Stuttgart u. a. 1982, S. 142.

[4] Mager, Frankreich vom Ancien Régime zur Moderne, S. 79f.

[5] Mieck, Die Entstehung des modernen Frankreich 1450-1610, S. 142.

[6] Ebd.

[7] Mager, Frankreich vom Ancien Régime zur Moderne, S. 87.

[8] Ebd.

[9] Jürgen Voss, Von der Frühneuzeitlichen Monarchie zur Ersten Republik 1500-1800, München 1980, S. 73.

[10] Mieck, Die Entstehung des modernen Frankreich 1450-1610, S. 144.

[11] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Der Adel im frühneuzeitlichen Frankreich
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Neuere und Neueste Geschichte)
Veranstaltung
Hauptseminar: Der Adel in der Frühen Neuzeit
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
27
Katalognummer
V81400
ISBN (eBook)
9783638861793
Dateigröße
930 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Adel, Frankreich, Hauptseminar, Adel, Frühen, Neuzeit
Arbeit zitieren
Daniela Scharnagl (Autor:in), 2007, Der Adel im frühneuzeitlichen Frankreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81400

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