Ein Vergleich der DDR-Aufbauliteratur und der Reformrhetorik in der BRD der Jahre 1997-2006


Seminararbeit, 2007

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Geschichtliche Situation
2.1. Geschichtliche Situation der DDR 1948-1959
2.2. Geschichtliche Situation der BRD 1997-2006

3. Ein Vergleich zwischen Aufbauliteratur und Reformrhetorik
3.1. „Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen!“ – Optimismus und Reformwille
3.2. „Vorfahrt für Arbeit!“ – Leistungs- und Opferbereitschaft
3.3. „Schluss mit lustig!“ – Solidarität und Individualismus

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis
5.1. Primärliteratur
5.2. Sekundärliteratur

1. Einleitung

Deutschland im Jahr 2007: Nach einer über zehn Jahre währenden Krise, die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen erfasst zu haben schien, gibt es nun die ersten Anzeichen für die Überwindung dieser Krise. Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosenzahlen sinken und in den Medien scheinen globale Themen wie Klimawandel und Außenpolitik innenpolitischen Themen wie Hartz-IV-Debatten und Subventionsskandalen den Rang abgelaufen zu haben. Dieser Erholung ging nicht nur eine Masse an Konjunkturbelebungsmaßnahmen voraus, sondern eine sehr spezielle Rhetorik seitens politischer und gesellschaftlicher Kräfte, die zu Reformen, Optimismus und mehr nationalem Engagement aufrief. Beginn und Endpunkt dieses Phänomens lassen sich grob etwa 1997 bei Bundespräsident Roman Herzogs „Ruck-Rede“ und der „Du bist Deutschland“-Werbekampagne 2006 festlegen.

Diese Erscheinung ist bemerkenswert, weil sie einzigartig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist. Nie zuvor gab es ein solch breites Bündnis in Politik und Gesellschaft, das in dieser Intensität und Geschlossenheit für Verantwortung des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft und der Nation warb und dabei an das Nationalgefühl der Deutschen appellierte. Eine solche Argumentationsweise war bis dahin nur in Mitte-Rechts- und konservativen Kreisen zu finden. Nun beteiligten sich aber auch Liberale, Sozialdemokraten und Grüne.

Nicht einmal der Aufschwung in den Anfangsjahren der Republik wurde auf diese Weise befeuert. Man verließ sich – durchaus zu Recht – voll und ganz auf die Wirtschaftspolitik Ludwig Erhards und die Unterstützung des Marshallplans. Interessant ist dabei aber der Blick auf die andere Seite des Eisernen Vorhangs. In der damaligen DDR wurde nämlich im Gegensatz zum Westen gezielt versucht, mit Hilfe des Wortes, mit Hilfe von Rhetorik, Literatur und Theater, die Bevölkerung auf das gemeinsame Ziel des Neuaufbaus einzuschwören: Die Aufbauliteratur entstand. Auch ihr war ein gewisser Erfolg nicht abzusprechen, denn nach der Aufbauphase und der „Ankunft im Alltag“ erlebte die DDR in den 60er Jahren unter Walter Ulbricht bis in die 70er Jahre hinein ihre stabilste Zeit.

Beide Erscheinungen, BRD-Reformrhetorik und DDR-Aufbauliteratur, sind zweifellos politisch gewollte Formen der rhetorischen Beeinflussung der Bevölkerung auf ein politisches bzw. wirtschaftliches Ziel hin. In dieser Arbeit soll untersucht werden, inwieweit sich beide Formen in einigen gemeinsamen Motiven unterscheiden bzw. gleichen.

2. Geschichtliche Situation

Für eine Analyse der Rhetorik jener zeitlich so weit voneinander entfernten Textarten muss man die zeitgeschichtlichen Umstände mit einbeziehen, unter denen sie entstanden.

2.1. Geschichtliche Situation der DDR 1948-1959

Das Ende des Zweiten Weltkriegs, der 9. Mai 1945, ist die Stunde Null der DDR. Und für die folgenden Jahrzehnte ist der Krieg der unübersehbare Bezugspunkt. Am 9. Mai 1945 lag Deutschland in Trümmern. Man machte sich an den Neuaufbau, sowohl auf wirtschaftlichem als auch auf politischem, gesellschaftlichem und kulturellem Gebiet. Die Alliierten, die zuvor eine ganze Zeit lang eher Interesse an der Demontage der verbliebenen deutschen Industrie als an Neuaufbau (bzw. Wiederaufbau) hatten, versuchten dabei, ihr jeweiliges Gesellschaftsmodell in den jeweiligen Besatzungszonen zu fördern , um in dem sich abzeichnenden Kalten Krieg im wiederaufgebauten Deutschland einen starken Verbündeten zu finden.

In der Sowjetischen Besatzungszone wurde dementsprechend ein sozialistisches marxistisch-leninistisches Gesellschaftsmodell propagiert und auch etabliert. Dies geschah auf vielfältige Weise, etwa durch die Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED und natürlich durch die Staatsgründung der DDR.

Der Neuaufbau auf politischem und gesellschaftlichem Gebiet verfolgte das Motiv, sich erstens deutlich vom Nationalsozialismus abzusetzen durch Antifaschismus und Antimilitarismus, zweitens eine Gesellschaft der Solidarität und des Miteinanders zu gründen. Dies war aber nicht ohne einen wirtschaftlichen Neuaufbau machbar, der im Glauben an die neu zu schaffende Gesellschaftsordnung durch Aufopferung des Einzelnen für die Gesellschaft möglich werden sollte. Die Jahre der Entbehrungen im Krieg sollten vorüber sein und Wohlstand und Sicherheit für jeden waren das Ziel.

2.2. Geschichtliche Situation der BRD 1997-2006

Ganz ähnliche Vorzeichen, wenn auch in einem kleineren Maßstab, kann man auch in der BRD zwischen 1997 und 2006 feststellen.

In der zweiten Hälfte der 90er Jahre entstand nach den Boomjahren der Wiedervereinigung durch steigende Arbeitslosenzahlen das Gefühl von Reformstau und wirtschaftlicher Stagnation. Diese Sehnsucht nach Wandel und Reform fand ihren Höhepunkt 1998 in der nach 16 Jahren erfolgten Abwahl der Regierung Kohl. Gründe für diese Entwicklungen waren zu einem entscheidenden Anteil auch die Kosten der Wiedervereinigung, wie sie z.B. durch den 1:1 Umtausch der DDR-Mark und das emotional-überstürzte Vorgehen im Einigungsprozess selbst entstanden waren.[1]

Nach einer kurzen Zeit des Aufschwungs, die mit dem Platzen der „Dotcom-Blase“ 2000 ein jähes Ende fand, sind die Attentate am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York ein weiterer Auslöser für den Ruf nach einer neuen Gesellschaftsordnung. Sie markieren in ihrer Gewalt das kollektive traumatische Erlebnis der Gegenwart, vergleichbar mit dem Weltkriegstrauma der frühen DDR-Gesellschaft – einen Einschnitt, der das Gesicht der Welt veränderte.

Der Drang zu Reform und Erneuerung, der in Deutschland schon vorher begonnen hatte, bekam dadurch einen weiteren Impuls. Da sich auch in den Folgejahren die wirtschaftliche Situation nicht merkbar besserte und die Regierung Schröder in ihrer zweiten Legislaturperiode den in der ersten eingeschlagenen Reformkurs nicht in gleicher Intensität fortsetzte, erreichten die Forderungen nach einem gesellschaftlichen Wandel eine neue Qualität. Das Resultat dessen war die vorgezogene Bundestagswahl 2005, aus der wiederum die CDU/CSU als Sieger hervorging. Im folgenden Jahr zeichnete sich erstmals ab, dass sich die deutsche Wirtschaft erholen würde. Welchen Maßnahmen dieser Aufschwung anzurechnen ist, bleibt umstritten.

3. Ein Vergleich zwischen Aufbauliteratur und Reformrhetorik

Die Ausgangssituationen, in denen BRD und DDR in den verglichenen Zeiträumen stehen, offenbaren einige unübersehbare Parallelen: ein kollektives traumatisches Gewalterlebnis, wirtschaftlicher Niedergang und der Wille, eine überkommene Gesellschaftsform im weitesten Sinne zu reformieren. Also ist es naheliegend, dass auch die Literatur in diesen Zeiträumen gewisse Vergleichsmomente bietet. Allerdings gestaltet sich die Suche nach entsprechender Romanliteratur aus der jüngsten Vergangenheit unbefriedigend, da sich im Vergleich zur DDR-Aufbauliteratur die zeitgenössische Romanliteratur geradezu aus der Politik verabschiedet zu haben scheint. Als ungleich lohnender bietet sich der Vergleich zwischen Aufbauliteratur und der allgemeinen, politischen und journalistischen Reformrhetorik mittels eines rezeptionsästhetischen Ansatzes an. Die Determinanten dieser beiden unterschiedlichen Textformen sind schließlich ähnlich: Die unmittelbare Nähe zur Politik und der ihnen innewohnende Erziehungs- bzw. Aufklärungsauftrag.[2] In diesem Aspekt nimmt innerhalb der deutschen Literatur die Aufbauliteratur eine Sonderstellung ein. In keinem anderen Genre – auch nicht in der DDR – ist die politische Leitung der Schriftsteller so klar herauslesbar und so deckungsgleich mit der offiziellen politischen Linie. Dies war auch ein Anliegen nicht weniger Schriftsteller selbst, wie z.B. Willi Bredel.[3] Daher erscheint es legitim, sie mit rein politischen Texten zu vergleichen. Selbstverständlich eignen sich dafür in erster Linie nur solche Texte, die nicht der unmittelbaren Tages- bzw. Parteipolitik entspringen, sondern allgemein gehaltene Texte mit fast schon soziologisch-politologischem Anspruch, wie etwa gewisse Reden von Bundespräsidenten.

[...]


[1] Vgl. Görtemaker 1999: 733ff.

[2] Vgl. Rüther 1991: 15, 35.

[3] Vgl. Kändler 1988: 151.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Ein Vergleich der DDR-Aufbauliteratur und der Reformrhetorik in der BRD der Jahre 1997-2006
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V81273
ISBN (eBook)
9783638858205
Dateigröße
380 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vergleich, DDR-Aufbauliteratur, Reformrhetorik, Jahre, Reform, Horst Köhler, Roman Herzog, Peter Hahne
Arbeit zitieren
Jan Buck (Autor:in), 2007, Ein Vergleich der DDR-Aufbauliteratur und der Reformrhetorik in der BRD der Jahre 1997-2006, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81273

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