'Fatalismus' und 'Nihilismus' in Büchners "Dantons Tod"


Hausarbeit, 2004

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Fatalismusbegriff Büchners
2.1. Zum `Fatalismusbrief´
2.2. Wesentliches zum menschlichen `Sein´
2.3. Relativierung und Desillusion

3. Der Problemhorizont als Strukturelement und Grundmotiv
3.1. Determination und Dramenkonzept
3.2. Problematisierung durch Reflexion
3.3. Szenen der Fatalität und Verhaltensvarianten

4. Der Nihilismus
4.1. Begriffsbestimmung
4.2. Nihilistische Motive in „Dantons Tod“
4.3. Auseinandersetzung mit dem Nihilismus

5. Zusammenfassende Überlegungen

6. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Georg Büchner entfaltet in seinem literarischen Erstlingswerk „Dantons Tod“ eine existenzielle Problematik, die an den Begriff des `Fatalismus´ gekoppelt ist. Wenngleich er selbige auch in den folgenden Werken thematisiert, ist sie in diesem Drama von konstitutiver Bedeutung, da sie als strukturbildendes Element auftritt. Es wird daher die Aufgabe des zweiten Kapitels sein, darzulegen, was genau Büchner unter diesem Begriff versteht. Ferner soll die Tragweite seiner Einsichten für die Auffassung von menschlicher Existenz schlechthin vorgestellt werden. Vor diesem Hintergrund wird im folgenden Kapitel auf die Gestaltung, bzw. Dar- stellung des `Fatalismus´ im Drama selbst einzugehen sein. Untersuchungen des Dramenkonzepts, der Gestaltung und Funktion der Danton-Figur, sowie einzelner Szenen werden verdeutlichen, welcher allgegenwärtige und absolute Charakter der Einsicht in den `Fatalismus´ zugeschrieben wird. Es ist daher noch von besonderem Interesse, welche Reaktionsmuster auf diese Tatsachen Büchner aufzeigt. Da hier der Aspekt des Nihilismus Bedeutung erlangt, soll dem vierten Kapitel dieser Begriff zum Gegenstand gemacht werden. Nach einer Begriffsklärung wird die Verwendung nihilistischer Motive und Inhalte im Drama zu erörtern sein. Auf dieser Grundlage wird schließlich festgestellt, daß auch der Nihilismus nicht kritik- los als letzte Konsequenz menschlicher Determination angenommen wird. Die abschließenden zusammenfassenden Überlegungen greifen den Aspekt der Desillusion noch einmal auf und befassen sich mit der Frage, ob diese noch Raum läßt für das Bestehen positiver Werte.

2. Der Fatalismusbegriff Büchners

2.1. Zum `Fatalismusbrief´

Der sogennante `Fatalismus-Brief´ ist ein Schreiben Büchners an seine Braut Wil- helmine Jaegle, vom März 1834. Er fällt zeitlich in die Nähe zum Beginn von Büchners politischer Agitation, und der Entstehung des „Hessischen Landboten“. Georg Büchner läßt sich demnach zwar von der revolutionären Bewegung mit- reißen, doch bezeugt der Brief, daß er sich auch kritisch mit den Bedingungen möglicher gesellschaftlicher Umwälzung auseinandersetzt. Entgegen den Zielen seiner Mitstreiter, geht es ihm nicht um eine bloße Machtverschiebung. Die Reka- pitulation der französischen Revolutionsgeschichte läßt ihn zu den folgenden Ein- sichten kommen, die er der Braut anvertraut:

„Ich fühlte mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte. Ich finde in der Menschennatur eine entsetzliche Gleichheit, in den menschlichen Verhältnissen eine unabwendbare Gewalt, Allen und Keinem verliehen.“1 Diese Sequenz bezieht den Fatalismus auf den Verlauf der Geschichte, wie sie sich als vergegenwärtigte Realität, nicht als verklärte Illusion darstellt. Kontrovers zum aufklärerischen Anspruch einer Fortschrittsbewegung der Geschichte einem Ideal entgegen, ist Büchners Geschichtsverständnis nicht zielorientiert. Vielmehr ver- deutlichen ihre einzelnen Erscheinungen in kreisender Bewegung die Unfreiheit in der menschlichen Existenz. Die Geschichte wird als eine Macht verstanden, die von der Summe der Individuen realisiert wird, d.h., jeder einzelne hat daran teil. In ihrer Gestalt als Summant der Interessen entwickelt sie aber eine Eigendynamik, die sich dem Eingriff der Einzelnen entzieht, und ihnen keine Möglichkeit zur Bestim- mung des Geschehens läßt. Es können zwar Impulse durch subjektive Interessen ge- setzt, die Entwicklung der Ereignisse selbst aber nicht gesteuert werden. Deshalb ist der „...Einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer Zufall...“, wie es im Brief weiter heißt. Es ist die `ewige Wiederkehr des Gleichen´, sinnleer kreisend, in welcher der Fatalismus zum Ausdruck kommt.

2.2. Wesentliches zum menschlichen`Sein´

Der Mensch ist, so bleibt festzuhalten, in einer Wechselwirkung der gegenseitigen Abhängigkeit zur Geschichte als dem übergreifenden Lebenszusammenhang befan- gen. Das Abhängigkeitsverhältnis konkretisiert sich zwischen dem Einzelnen und seiner Außenwelt, denn das Individuum muß gezwungenermaßen „...die `persönlichen Interessen´ immer zu `gemeinschaftlichen´, den einzelnen Personen gegenüber ver- selbständigten Interessen weiterentwickeln.".2 Die soziale Außenwelt determiniert den Einzelnen aber auch unter dem Aspekt seiner Lebensbedingungen, wie sie sich ihm realiter von Geburt an darstellen. Sie bestimmen die Gegenwart und, wegen derer Vergänglichkeit, das gesamte Werden. Vor diesem Hintergrund ist Büchners Formulierung der `unabwendbaren Gewalt in den menschlichen Verhältnissen´ zu verstehen.

Die `entsetzliche Gleichheit der Menschennatur´ steigert als weitere Determinante die Unfreiheit des Menschen. Die Gleichheit bezieht sich auf die Triebhaftigkeit des kreatürlichen menschlichen Seins. Insofern unterliegen alle Individuen ihrer Natur, oder befinden sich im Widerstreit mit ihr. Sie reagieren auf die sich ihnen darbieten- de Wirklichkeit ihren mehr oder weniger triebgesteuerten Interessen entsprechend, diesbezüglich durchaus individuell. Daß aber alle reagieren müssen, macht die Gleichheit aus.

Das Fazit ist die absolute Unfreiheit des Menschen im Zusammenhang mit dem Zwang, sich so verhalten zu müssen, wie es die äußeren Bedingungen vorgeben oder zulassen. Auf diese Einsichten rekurrieren die Motive des „Muß“ und der „Puppe“, die in „Dantons Tod“ thematisiert werden und auf die noch einzugehen sein wird.

2.3. Relativierung und Desillusion

Vor dem Hintergrund dieses Seinsverständnisses zieht Büchner die Konsequenzen für den gesamten geistigen und sozialen Lebenszusammenhang des Menschen. Die Überhöhung von Ideologien und Dogmatisierung von Idealen, wie sie Robespierre mit seiner Tugendpolitik vertritt, wird dahingehend kritisiert, daß Tugend eine Frage des Wohlstands oder der äußeren Bedingungen bleibt. Dem Anspruch des lebensfer-

nen und abstrakten Ideals kann der Mensch aber schon wegen seiner `Natur´ nicht gerecht werden, da jedes Handeln, mehr oder weniger bewußt, auf das individuelle Wollen zurück-geht. Moralvorstellungen sind daher immer auch Ausdruck von Sub- jektivität und Perspektivismus. Das zeigt sich an Robespierres Legitimationsversuch der Anwendung massiver Gewalt zur Durchsetzung der Tugendrepublik. Büchner relativiert damit das Ideal der Sittlichkeit.

"Angesichts der Gewalt, die die `Natur´über den Menschen hat, werden die auf einer angeblichen Willensautonomie des Menschen basierenden ethischen Grundsätze als Phrasen der Lächerlichkeit preisgegeben."3

Doch bedeutet das nicht, daß Dantons epikuräische Maxime: “Jeder tut, was ihm wohl tut...“ bejaht würde. Diese wird dahingehend relativiert, daß jeder vermeintlich tut, was ihm wohl tut, ohne wirklich zu wissen, ob es das Beste ist. Danton selbst wird seine Genußsucht zum Stolperbein, das die Jakobiner ihm stellen.

Hinterfragt wird ferner die Tragfähigkeit der Religion als sinnstiftendem Seinsgrund. Diese Problematik wird vorwiegend in den Gefängnisgesprächen entfaltet. Payne stellt die das Glaubenssystem erschütternde Frage: „...warum leide ich?“4. Warum ist die Existenz mit der schmerzhaften Erfahrung der Begrenzung und des Zwangs verbunden, und warum ist der Mensch überhaupt zum Sündigen veranlagt?

Die Faktizität des Schmerzes bewirkt den von Payne formulierten „...Riß in der Schöp- fung...“ ( DT III,1 = S.44 ), der entweder das Dogma göttlicher Unfehlbarkeit in Frage stellt, oder das der Güte, da die Absichtlichkeit des Schmerzes nur der Belustigung dienen würde. In diesem Sinne fragt Camille: „...und die Götter erfreuen sich ewig am Farbenspiel des Todeskampfes?“ ( DT IV,6 = S. 65 ). Relativierung und Desillu- sion greifen daher definitv auch auf religiöser Ebene.

[...]


1 Brief an die Braut, März 1834.In:Georg Büchner: Werke und Briefe 1985, S. 256.

2 Werner 1992, S.90.

3 Petersen 1973, S. 263.

4 Dantons Tod. Vgl. oben Anm. 1.; für Zitate aus dieser Ausgabe wird künftig diese Sigle verwendet: DT

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
'Fatalismus' und 'Nihilismus' in Büchners "Dantons Tod"
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Neuere deutsche und europäische Literatur)
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
23
Katalognummer
V81265
ISBN (eBook)
9783638858151
Dateigröße
392 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Dozenten: "Die Hausarbeit bewegt sich durchgehend auf einem hohen argumentativen Niveau."
Schlagworte
Fatalismus, Nihilismus, Büchners, Dantons
Arbeit zitieren
Renata Greguric (Autor:in), 2004, 'Fatalismus' und 'Nihilismus' in Büchners "Dantons Tod", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81265

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