Die Haltung Bayerns zur "deutschen Frage" zwischen 1866 und 1870


Hausarbeit, 2005

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Schlacht bei Königgrätz und ihre Konsequenzen für Bayern
2.1. Die Auflösung des „Deutschen Bundes“
2.2. Der Prager Friede und die Idee vom Südbund
2.3. Die geheimen Schutz- und Trutzbündnisse
2.3.1. Verschleppte Reform der Wehrverfassung

3. Erörterung über die Möglichkeit bayerischer Souveränität
3.1. Gefahren von Aussen: Die Luxemburg-Krise
3.2. Das Druckmittel Zollverein

4. Innenpolitische Interessenskonflikte
4.1. Die Parteienlandschaft
4.2. Der Ministerwechsel
4.3. Die Haltung Ludwigs II

5. Zusammenfassende Überlegungen zu den Eintrittsverhandlungen
5.1. Die einigende Wirkung des deutsch-französischen Krieges
5.2. Bismarcks Verhandlungsstrategie
5.3. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Noch in der Schlacht von Königgrätz 1866 stand Bayern an der Seite Öster-reichs preußischen Truppen gegenüber. Vier Jahre später kämpfte die gleiche bayerische Armee unter dem Oberbefehl Preußens gegen die Franzosen; mehr noch, der Staat Bayern trat per Vertragsabschluß am 23.November 1870 der neu formierten Deutschen Bundesverfassung bei. Ludwig II. selbst regte die übrigen Fürsten dazu an, dem in diesem neuen Bündnis mit den Präsidialrech-ten ausgestatteten König Wilhelm I. von Preußen die Kaiserwürde anzutragen.

Offenbar hat sich innerhalb dieses Zeitrahmens die Haltung Bayerns zur Frage einer deutschen Einheit, die bereits seit Jahrzehnten diskutiert und verhandelt worden ist, verändert. Es stellt sich die Frage, wie eine solche Entwicklung in-nerhalb recht kurzer Zeit vonstatten gehen konnte, bzw. wie die Überwindung der offensichtlichen politischen Gegensätze zwischen Preußen und Bayern motiviert sein konnte.

Ferner ist von Interesse, worin genau eine Veränderung festzustellen ist und ob sie tatsächlich stattgefunden hat, sofern man von der offiziellen Haltung ausgeht. Landesintern herrschte indessen eine lebhafte Kontroverse über einen möglichen Anschluss an den nach 1866 gebildeten Norddeutschen Bund.

Die folgende Arbeit befasst sich mit diesen Fragen und Aspekten unter Be-rücksichtigung verschiedener Faktoren, wie etwa der außen- und innenpoliti-schen Lage Bayerns, seiner wirtschaftlichen Bindungen, der herrschenden öf-fentlichen Meinung und der individuellen Interessen von Einzelpersonen oder Gruppierungen.

Jeder einzelne Faktor spielt innerhalb dieses Zeitraumes mit unterschiedlicher Gewichtung eine Rolle für die offizielle Haltung des Staates zur „deutschen Frage“, da sie sich erst aus dem Zusammenwirken aller heraus konstituiert.

Es wird sich zeigen, dass eine bestimmte Konstellation der Gegebenheiten da-zu geführt hat, die Aufnahme der Verhandlungen im November 1870 in Ver-saille quasi unausweichlich zu machen. Der Beitritt in den neuen deutschen Bund erfolgte demnach nicht aus unvoreingenommener Überzeugung; er ent-sprang vielmehr einem Mangel an realistischen Alternativen.

2. Die Schlacht bei Königgrätz und ihre Konsequenzen für Bayern

Der Krieg zwischen Preußen und Österreich 1866 stellt einen Wendepunkt in der Ge-schichte des Bemühens um einen deutschen Nationalstaat, einen Höhepunkt des sich im Verlauf der `Neuen Ära´ gesteigerten Dualismus zwischen diesen beiden Ländern dar.1

Der Konflikt um die Elbherzogtümer war eine Gelegenheit, um in dem Streit um die Hegemonie auf deutschem Boden klare Verhältnisse zu schaffen. Der Sieg Preußens und seiner 17 verbündeten Staaten über die verbliebenen Bündnispartner des Deut-schen Bundes bedeutete eine entscheidende Weichenstellung in Richtung kleindeut-scher Lösung; d.h., einem deutschen Nationalstaat unter Ausschluß Österreichs und unter preußischem Primat.2

2.1 Die Auflösung des Deutschen Bundes

Die am 24. August 1866 vollzogene Selbstauflösung des Deutschen Bundes war nur noch eine Formsache, da mit der Herausbildung der im Krieg involvierten Staaten-blöcke und Interessensgemeinschaften eine Kluft zwischen Nord und Süd entstanden war. Diese machte ein Fortbestehen des 1815 auf einer internationalen Konferenz ge-schlossenen Bündnisses der deutschen Länder unmöglich, zumal bereits der Ein-marsch preußischer Truppen in Holstein einen provokativen Verstoß gegen das Bun-desrecht bedeutete, ebenso wie der Zusammenschluß zu einem separaten norddeut-schen Bündnis.3 Die übrigen Staaten des alten Bundes sahen sich vor vollendete Tat-sachen gestellt.

Nicht nur für sie, sondern auch für andere europäische Mächte war nun von Interesse, wie die Beziehungen zwischen den betreffenden Staaten geregelt werden konnten, so daß der Friede in Mitteleuropa gesichert war und das Mächtegleichgewicht nicht zu empfindlich gestört wurde.

Insbesondere für Bayern bedeutete die Aushebelung der Trias-Politik einen herben Rückschlag. Man versteht hierunter das Zusammenwirken der beiden Großmächte Österrreich und Preußen und der im Begriff des „dritten Deutschland“ zusammenge-faßten Mittelstaaten, die gemeinsam ein gleichberechtigtes Pendant bildeten und für die nötige Balance im Deutschen Bund sorgten.

In Anbetracht der Hegemoniebestrebungen der beiden Großmächte befand sich das „dritte Deutschland“ ständig zwischen den Stühlen, sah sich genötigt, Position zu beziehen. Die föderative Struktur des Deutschen Bundes versprach dagegen den Mit-telstaaten Schutz vor möglichen Annexionen, bzw. territorialen Übergriffen der Großmächte. Wie berechtigt diese Furcht war, beweist die Tatsache der Annexionen des ehemals souveränen Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt durch Preußen; eine klare Mißachtung des Völkerrechts, der gegenüber aber Frankreich, England und Rußland neutral blieben.4

Die nun nach dem Krieg auf sich allein gestellten süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt mußten zudem mit Übergriffen aus dem Ausland rechnen. Speziell im Königreich Bayern, das von einer der ältesten Dyna-stien Europas regiert wurde und in dem ein starkes eigenes Nationalgefühl vorhanden war, bangte man daher sehr um den Fortbestand der Selbständigkeit.5

2.2 Der Prager Friede und die Idee vom Südbund

Diese konfliktgeladene Situation nach Königgrätz wurde zunächst mit Abschluß des Prager Friedens am 23. August 1866 dahingehend geregelt, daß die Mainlinie von allen anerkannt zur Begrenzung preußischen Einflusses auf den Norden des alten Bundes festgelegt wurde; dies war eine Bedingung für die französische Neutralität.6 Der diesbezüglich entscheidende Artikel IV. sieht ferner vor, „daß die südlich von dieser Linie gelegenen deutschen Staaten in einen Verein zusammentreten, dessen nationale Verbindung mit dem Norddeutschen Bund der nähern Verständigung zwi-schen beiden vorbehalten bleibt und der eine internationale unabhängige Existenz haben wird.“7

Die Aufforderung zur Bildung eines unabhängigen Südbundes bot den in Vereinze-lung geratenen Südstaaten eine Plattform, auf der sie sich zur Wahrung ihrer gemein-samen Interessen organisieren konnten, wobei es ihnen freigestellt wurde, wie sie ihr Verhältnis zum Norddeutschen Bund künftig gestalten würden. Diese Offerte wurde jedoch nie angenommen, respektive realisiert. Tatsächlich verhinderten zu große Differenzen zwischen den Eigeninteressen der Südstaaten diesen Zusammenschluß, um den sich die Bayern - zumindest offiziell – sehr bemühten.8

Einigkeit bestand allerdings darin, daß man nirgendwo per se bereit war, das Recht auf Selbstbestimmung an Preußen oder Österreich abzugeben. Man wollte es aber auch um keinen Preis an Bayern abtreten, von dem man befürchtete, daß es innerhalb eines solchen Staatenbundes mehr oder weniger den Vorsitz übernehmen könnte; die Politik König Maximillian II. hatte die Tendenz aufgewiesen, Bayern als die stärkste Macht im „dritten Deutschland“ zu etablieren.9 Hinzu kam die geographische Aus-dehnung, und daß die gemeinsame Militärverfassung des Südbundes auf der bayeri-schen Verfassung beruhen sollte.10

Da außerdem jedes Bündnis ein gewisses Maß an Souveränitätsverlust impliziert, galt es das geringere Übel zu wählen, bzw. diejenige Möglichkeit zu wählen, die noch den höchsten Zugewinn versprach.

Baden präferierte sehr bald den Anschluß an Preußen. Bayern und Württemberg ver-suchten dagegen intensiver zu einem gemeinsamen Konsens zu gelangen. Was insbe-sondere Hohenlohe vorschwebte war ein enger Bund zwischen den Südstaaten, die wiederum in ein erweitertes Bündnis mit dem Norddeutschen Bund eintereten soll-ten.11 Solange aber Baden nicht einwilligte blieben diese Pläne utopisch.

Bismarck wußte das und nutzte ihre Differenzen aus. So kam ihm die Anfrage zu einer Angliederung Badens sehr entgegen, auch wenn er sie vorerst ablehnte. Denn sollte kein vorschneller Krieg mit Frankreich riskiert werden, mußten die Südstaaten geschlossen den Beitritt zum Norddeutschen Bund wollen. Doch er konnte Baden da-hingehend für sich funktionalisieren, daß es in den Konferenzen zum Südbund jeweils für die Erfüllung preußischer Forderungen plädierte und überhaupt dazu bei-trug, die Verhandlungen zu verschleppen.12

2.3 Die geheimen Schutz- und Trutzbündnisse

Bismarck ergriff darüber hinaus noch andere Maßnahmen, um die Südstaaten suk-zessive stärker an den Norddeutschen Bund zu ziehen. Der erste Schritt dahingehend war der zunächst geheim gehaltene Abschluß separater Verträge auf militärischer

[...]


1 Bosl, Karl: Die deutschen Mittelstaaten in der Entscheidung von 1866. In: ZBLG 29

( 1966 ), S. 665.

2 Siemann, Wolfram: Gesellschaft im Aufbruch. 1990, S. 268 ff.

3 Ebd., S. 278.

4 Gruner, Wolf D.: Bayern, Preußen und die süddeutschen Staaten 1866-1870. In:

ZBLG 37 ( 1974 ), S. 799-827, hier: 802 ff.

5 Jörg, Joseph E.: Zeitläufe. In: Der Weg zur Reichsgründung 1850-1870. Hg. v. H.

Fenske. Darmstadt 1977, Nr. 94.

6 Siemann, S. 278.

7 Der Friedensvertrag von Prag. Artikel IV. In: Dokumente zur deutschen Verfassungs-

geschichte. Hg. v. Ernst R. Huber. Stuttgart u. a. 1986, Nr.185.

8 Siemann, S. 281f.; Bosl, S. 674.

9 Hanisch, Manfred: Für Fürst und Vaterland. München 1991, S. 395 f.; Bosl, S. 669.

10 Gruner, S. 808 ff.

11 Ebd.

12 Siemann, S. 282.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die Haltung Bayerns zur "deutschen Frage" zwischen 1866 und 1870
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Historisches Institut)
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
26
Katalognummer
V81259
ISBN (eBook)
9783638858120
Dateigröße
392 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Korrektors: "Die Arbeit hat mir sehr gut gefallen, sie weist im Rahmen des Grundstudiums ein wirklich beachtliches Niveau auf. Besonders haben mich die differenzierte Betrachtungsweise, stringente Darstellung und klare Ergebnisbildung beeindruckt. Gratuliere!
Schlagworte
Haltung, Bayerns, Frage
Arbeit zitieren
Renata Greguric (Autor:in), 2005, Die Haltung Bayerns zur "deutschen Frage" zwischen 1866 und 1870, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81259

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