Darstellung und kritische Würdigung von D. M. Armstrongs "A materialist theory of the mind"


Hausarbeit, 1996

22 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Darstellung
Erster Teil 4 – Zweiter Teil 11 – Dritter Teil

2. Kritische Würdigung
Allgemeines 15 – Zum Problem der Qualia

Literaturverzeichnis

Vorwort

Bei der vorliegenden Arbeit hat die Fülle der Argumente des zu behandelnden Werks in mehr als einer Hinsicht eine Beschränkung erzwungen. Aus diesem Grund und weil die klare Struktur des Textes das nahelegt, habe ich für den ersten und dritten Teil eine Art Kurzfassung gemacht. Dass diese für den ersten Teil nicht gerade kurz geraten ist, scheint mir einerseits durch die Bedeutung des Leib-Seele-Problems und anderseits durch die Qualität der Argumente Armstrongs gerechtfertigt. Vom zweiten Teil habe ich nur das Kapitel über die sekundären Qualitäten genauer dargestellt und gewürdigt, im übrigen aber die wichtigsten Ergebnisse der Begriffsanalysen zusam­mengestellt.

Dass die kritische Würdigung knapp ausfällt, liegt nicht zuletzt daran, dass mir die meisten Argumente eingeleuchtet haben und es schwer ist, Superlative zu überbie­ten. Gewiss gibt es Problematisches wie die Behandlung der Qualia, doch in der Regel sind es Nebenfragen, die zu Kritik Anlass geben können.

1. Darstellung

In seiner Abhandlung über eine materialistische Theorie des Geistes versucht D. M. Armstrong, die Plausibilität der sogenannten Identitätstheorie zu erweisen, nach der mentale Prozesse nichts anderes sind als Prozesse des Zentralnervensystems (ZNS) und im besonderen der Gehirns. Als nicht identisch gelten natürlich die verschiede­nen Zugangsweisen oder Perspektiven: Der Träger der neuronalen Vorgänge erlebt diese als mental, der ihn untersuchende Neurologe dagegen erkennt sie als physika­lisch.

Den Einwand, dass wir nichts von unserem Gehirn spüren können, entkräftet Armstrong im Vorwort zur Paperback-Ausgabe von 1993, S. xix-xx mit einem Beispiel aus den Jahrmarkts-Attraktionen, und zwar mit der Illusion der "Frau ohne Kopf": Was wir nicht sehen, ist für uns nicht da, daher das unentrinnbare Gefühl, wir seien unabhängig von allem Körperlichen wir selbst.

Erster Teil: Theorien des Geistes

Hier werden die Schwierigkeiten der nichtmaterialistischen Theorien und die Vorzü­ge der eigenen erörtert.

Kapitel 1: Eine Klassifikation von Theorien des Geistes

Zu den monistischen Theorien gehört die mentalistische, nach der in Wirklichkeit alles mental ist, und die materialistische, für die in Wirklichkeit alles materiell ist.

Gemäss der dualistischen sind Geist und Materie zwei Arten von Gegenständen, also zwei verschiedene Substanzen[1].

Für den neutralen Monismus sind Geist und Materie zwei verschiedene Attribute des­selben zugrundeliegenden Stoffs.

Den Phänomenalismus übergeht Armstrong mit dem Hinweis auf seine Begründun­gen in "Perception and the Physical World" (London 1961), Kapitel 5f.

Innerhalb des Dualismus sind zu unterscheiden:

(1) der kartesische Dualismus (im weiteren Sinne), für den Geist eine einzige nicht­materielle Substanz ist, die in einer Beziehung zum Körper steht;
(2) der Bündel-Dualismus, der den Geist als Bündel von Wahrnehmungen versteht.

"Quer" dazu stehen:

(A) die interaktionistische Theorie, wonach der Körper den Geist bewegt und umge­kehrt (der Geist funktioniert dabei etwa so wie ein Thermostat);
(B) die parallelistische Theorie, wonach der Körper den Geist bewegt, nicht aber um­gekehrt (der Geist funktioniert hier etwa wie ein Thermometer).

Für den Epiphänomenalismus ist das Bewusstsein ein Nebenprodukt des Gehirns.

Der Materialismus erscheint:

(1) als Behaviorismus, nach dem einen Geist haben soviel bedeutet wie sich in einer bestimmten Weise verhalten;

(2) als die von Armstrong vertretene Theorie des zentralen Zustands, sc. des ZNS (Central-State Theory), die meist etwas irreführend als Identitätstheorie bezeichnet wird, obwohl sie nur die Denotate von "mentaler Zustand" und "Zustand des Gehirns bzw. des ZNS" gleichsetzt.

Zwischen dem reinen Dualismus und dem reinen Materialismus steht die Attribut-Theorie, die dem Geist nichtphysikalische Eigenschaften zuschreibt, obwohl sie ihn nicht als immaterielle Substanz betrachtet; sie sagt unter anderem, dass er sich zwar in der Zeit, aber nicht im Raum befinde.

Der Thomismus oszilliert zwischen einer Attribut-Theorie, die den Menschen als ein­zelne Substanz gelten lässt, und einem Dualismus, der die Seele für unabhängig exi­stierend erklärt.

Schliesslich gibt es noch "gemischte" und schwer zu klassifizierende Theorien wie jene in Strawsons "Individuals".

Kapitel 2: Der Dualismus

Gegen den Bündel-Dualismus wendet Armstrong ein, dass er weder die Einheit des Geistes durch die Zeit noch das Unterschiedensein eines Geistes von anderen erklä­ren kann. Was den zweiten Punkt betrifft, gibt es Ähnlichkeiten zwischen verschie­denen Geistern (oder Seelen) und Unähnlichkeiten bei ein und demselben. Was den ersten Punkt betrifft, so stellt das Fehlen von Erinnerungen ein Problem dar. Die Empfindung der Kontinuität ist keine Erklärung, da wir nach dem fragen, was die Kontinuität konstituiert. Ferner kann ich mir denken, dass ich ohne Körper existie­re, was aber gemäss der Begründung der Einheit des Geistes nicht der Fall sein dürfte. Die Annahme einer einzigartigen, undefinierbaren Beziehung der Elemente desselben Bewusstseins ist schliesslich eine Verzweiflungslösung.

Einzelerfahrungen können nicht unabhängig existieren, was nach der Bündel-Theorie aber möglich sein müsste, da sie den Geist als zusammenhängende Kette aller Einzelerfahrungen sieht.

Der kartesische Dualismus ist dem Bündel-Dualismus in vielem überlegen, dafür aber inhaltsleer, insofern er die geistige Substanz, die er annimmt, nicht definieren kann.

Für Descartes ist Denken (mentales Geschehen) das Wesen der Seele. Wie Locke er­kannt hat, führt das zum Problem, dass wir jeden Augenblick unseres Lebens den­ken würden, sogar im traumlosen Schlaf.

Schliesslich gibt es Schwierigkeiten, die jeder dualistischen Theorie eigen sind:

(1) Keine kann die Einheit von Geist und Körper erklären. Diese wird vielmehr als kontingentes Faktum hingenommen. Nach Descartes bestehen temporale Gleichzei­tigkeit und eine kausale Beziehung, aber keine lokale, da der Geist sich nicht im Raum befindet. Daraus ergibt sich, dass die Beziehung zwischen Körper und Geist nicht so eng ist, wie Descartes behauptet, es sei denn, man würde ad hoc eine weitere, einzigartige und undefinierbare Relation postulieren, die beide zusammenhält, was zwar logisch möglich, aber unplausibel wäre. Es ist unklar, weshalb der Körper das zentrale Objekt des Wahrnehmungsfeldes ist, und die Lokalisierbarkeit von Wahr­nehmungen, etwa Schmerzempfindungen, passt schlecht zur Nichträumlichkeit des Geistes.

(2) Der Dualismus kann nicht erklären, weshalb wir verschiedene geistige Wesen unterscheiden können (die Lage im Raum scheidet ja aus). Das Argument mit den unterschiedlichen Biographien reicht nicht aus, da es logisch möglich ist, dass zwei verschiedene Wesen mit derselben Biographie existieren (vgl. zwei perfekt synchro­ne Uhren), und wenn man die Existenz von Engeln annimmt, so könnte Gott zwei gleiche geschaffen haben. Das Problem bliebe sogar bei bloss zeitweiliger Gleich­heit, da ein Geist mit zwei Körpern verbunden sein könnte.

Ein analoges Problem: Was sichert die geistige Identität im Verlauf der Zeit?

Ein principium individuationis nichträumlicher Art wäre logisch möglich, scheint aber faktisch unmöglich zu sein, da es keiner konkreten Erfahrung entspricht.

(3) Der Dualismus kann den Ursprung des Geistes nicht erklären, obwohl das Auftre­ten neuer Eigenschaften durch eine Zunahme an Komplexität (wie beim ZNS) nichts Ungewöhnliches wäre. Nach dem gegenwärtigen Wissen erzeugt das Nervensystem keinen Geist im dualistischen Sinn, und gegen eine Präexistenz-Theorie spricht das Fehlen echter Indizien. Gegen die Entstehung wie gegen die Präexistenz des Geistes spricht der Umstand, dass nichts in der Entwicklung eines Organismus oder seines Gehirns einen markanten Wechsel oder Sprung anzeigt, der auf die Erwerbung eines Geistes hinwiese; die Entwicklungen verlaufen vielmehr graduell.

(4) Der Dualismus kann weder die Interaktion zwischen Körper und Geist noch deren Parallelität plausibel machen. Im Falle einer Interaktion müssten Lücken im physi­kalischen Geschehen des Gehirns bestehen, wogegen die Erkenntnisse der Neuro­logie sprechen. Es müssten ferner points d'appui im Gehirn existieren, wo der Geist seinen Teil der Reizverarbeitung übernimmt. Descartes glaubte solche in der Zirbel­drüse gefunden zu haben, doch die spätere Forschung stützte weder seine Vermu­tung noch fand sie andere Kontaktstellen.

Die Parallelität von neuronalen und mentalen Vorgängen widerspricht wieder unse­rem interaktionistischen Vorverständnis ("Ich hatte eine Idee und sagte darum..."). Der Geist wäre das einzig Passive und Ohnmächtige im Universum: ein unplausibler Gedanke. Eine dritte Möglichkeit gibt es für einen Dualisten nicht.

Kapitel 3: Die Attribut-Theorie

Die Attribut-Theorie hat zwei Varianten: (a) Ein Mensch wird durch eine einzige Substanz konstituiert, nämlich durch seinen Körper, der aber zusätzliche, immateri­elle Eigenschaften hat. (b) Ein Mensch ist eine Person, d. h. etwas, das sowohl materi­elle als auch geistige Eigenschaften hat.

Diese Varianten sind rein verbaler Natur, denn wir bestimmen die Gattung einer Substanz aufgrund ihrer Eigenschaften und, wo verschiedenartige vorliegen, auf­grund der uns besonders wichtig scheinenden: So betrachten wir Arsen einmal als Gift, ein andermal als chemische Substanz.

Skizze der Variante 1:

(1) Die spezifisch immateriellen Eigenschaften können keine Relationen des Körpers oder bestimmter Köperteile zur Welt sein, denn man kann etwas sehen, das nicht vorhanden ist, etwas falsch erinnern, etwas irrtümlich erwarten. S. Alexanders Erklärung, im Falle falscher Erinnerung bestehe gleichwohl eine Relation zur Reali­tät, und zwar zu verstreuten Konstituenten, ändert nichts daran, denn sie erklärt deren falsche Verknüpfung nicht und sagt uns nicht, wie wir die Relation zu Uni­versalien deuten sollen.

Mentale Zustände sind demnach eine Art nichtrelationale Eigenschaft des Körpers. Diese Schein-Relationalität oder Intentionalität (ohne Bezug zu "Intention" im Sinne von "Absicht") ist ein irreduzibles Kennzeichen des Mentalen.

(2) Mentale Eigenschaften sind Eigenschaften des Gehirns oder des ZNS. Die Frage, ob der einem mentalen Zustand entsprechende Teil des ZNS diesen Zustand überall hat, wäre absurd (wie die Frage, ob eine bestimmte Kugel an jeder Stelle kugelförmig sei). Der Begriff "Teil eines Gedankens" ist ja auch nicht intelligibel.

Die Attribut-Theorie ist dem Dualismus in mancher Hinsicht überlegen (abhängige Existenz von Wahrnehmungen, Einheit von Körper und Geist, numerische Differen­zierung zwischen verschiedenen Seelen), in bezug auf die Intentionalität aber glei­chermassen zweifelhaft.

Ernste Probleme der Attribut-Theorie:

(1) Die logisch mögliche körperlose Existenz ist faktisch unmöglich. Denn eine gei­stige Substanz als Träger scheidet per definitionem aus. Ein Drittes als Träger imma­terieller Eigenschaften ist wiederum so undefiniert wie die mentale Substanz und da­her im Verdacht, ein ad-hoc- Postulat zu sein.

(2) Der Interaktionismus und der Parallelismus wurden weiter oben kritisiert.

Weil die Hirntätigkeit rein physikalisch erklärbar ist, sind mentale Eigenschaften "müssige" Eigenschaften (nach W. Sellars "piggy-back" properties), unnötige Ver­doppelungen der physikalischen. Ein echte Interaktion zwischen mentalen und physikalischen Ereignissen wäre nur dann gegeben, wenn nicht alle Hirnvorgänge auf der Grundlage physikalischer Gesetze vorhersagbar wären. Dem aber widerspre­chen die Entdeckungen oder zumindest die Vorstellungen der Neurophysiologen (die Indizien für ein rein physikalisch arbeitendes Gehirn nehmen sogar zu).

(3) Die Attribut-Theorie kann das Erscheinen der mentalen Eigenschaften im Ver­lauf der Ontogenese sowenig zeitlich fixieren wie der Dualismus, obschon das Pro­blem insofern weniger gravierend ist, als es um Ereignisse, nicht um Substanzen geht. Und wenn die mentalen Eigenschaften von den physikalischen nicht grund­verschieden sind, wie sind sie dann im Sinne einer Attribut-Theorie zu analysieren?

[...]


[1] Nach Armstrongs terminologischer Festlegung ist Substanz etwas, das logisch zu unabhängiger Existenz fähig ist.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Darstellung und kritische Würdigung von D. M. Armstrongs "A materialist theory of the mind"
Hochschule
Universität Zürich  (Philosophisches Seminar)
Note
1,5
Autor
Jahr
1996
Seiten
22
Katalognummer
V80955
ISBN (eBook)
9783638834353
ISBN (Buch)
9783638834377
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Darstellung des 500-seitigen Werks ist ausführlich, die Würdigung kurz. Zur Benotung möchte ich anmerken, dass sie gemäss dem Schweizer System (Skala von 1-6, wobei 6 die beste Note ist) erfolgte: die 5,5 bedeutet also "sehr gut" und dürfte einer 1,5 im deutschen System entsprechen.
Schlagworte
Darstellung, Würdigung, Armstrongs
Arbeit zitieren
Dr. Kenneth Mauerhofer (Autor:in), 1996, Darstellung und kritische Würdigung von D. M. Armstrongs "A materialist theory of the mind", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80955

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