Gewalt an Schulen. Ursachen und Auswege am Beispiel aktueller Ereignisse: Rütli-Schule


Diplomarbeit, 2007

150 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

VORWORT

I. EINLEITUNG

II. THEORETISCHE BETRACHTUNG

1 BEGRIFFSKLÄRUNG UND DEFINITION: WAS IST GEWALT? (B.PAMPERIEN)

2 URSACHEN VON GEWALT AN SCHULEN
2.1 ANOMIE AN SCHULEN
2.1.1 Grundlagen der Anomietheorie (B. Pamperien)
2.1.2 Drei Komponenten sozialer Anomie in Schulen (J. Bleifuß)
2.2 DESINTEGRATION - VERUNSICHERUNG - GEWALT (J. BLEIFUß)
2.3 ZUSAMMENFASSUNG: URSACHEN VON GEWALT AN SCHULEN (J. BLEIFUß)

3 AUSWEGE (J. BLEIFUß)
3.1 AUSWEGE AUF DEN EBENEN KOHÄSION, REGULATION UND STRUKTUR
3.2 MÖGLICHE WECHSELWIRKUNGEN DER VORGESCHLAGENEN MAßNAHMEN

4 ZWISCHENFAZIT

III. UNTERSUCHUNG: DISKUSSION UM URSACHEN UND AUSWEGE IMFALL DER RÜTLI-SCHULE IN BERLIN

1 „DER FALL RÜTLI“ - EINE KURZE ZUSAMMENFASSUNG DEREREIGNISSE (B. PAMPERIEN)

2 METHODE UND AUSWERTUNGSKATEGORIEN (B. PAMPERIEN)

3 DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE
3.1 BUNDESWEITE DISKUSSION VON URSACHEN UND AUSWEGEN IN MEDIEN UNDBUNDESTAG
3.1.1 Ursachen (B. Pamperien)
3.1.1.1 In den Medien
3.1.1.2 Im Bundestag
3.1.2 Präventionsmaßnahmen (J. Bleifuß)
3.2 DISKUSSION VON URSACHEN UND LÖSUNGSMÖGLICHKEITEN IM BERLINERABGEORDNETENHAUS
3.2.1 Ursachen (B. Pamperien)
3.2.2 Präventionsmaßnahmen (J. Bleifuß)
3.2.2.1 Bereits bestehende Maßnahmen zur Verbesserung der Situation anBerliner Schulen
3.2.2.2 Diskutierte Präventionsmaßnahmen

4 ZUSAMMENFASSUNG / ZWISCHENFAZIT

IV. FAZIT UND AUSBLICK

LITERATUR

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei dieser Diplomarbeit handelt es sich um eine Gemeinschaftsarbeit. Wir ha-ben die Fragestellung, die Methoden und die gesamte Ausarbeitung überwie-gend gemeinsam entwickelt; lediglich die Analyse der vorliegenden Materialien erfolgte zwar nach gemeinsamer Absprache, jedoch weitestgehend eigenstän-dig. Dabei befasste sich Björn Pamperien schwerpunktmäßig mit der Inhalts-analyse der Materialien auf die Frage nach den diskutierten Ursachen hin, wohingegen sich Jessica Bleifuß mit den eingebrachten Präventionsvorschlä-gen befasste.

Über dieses Kapitel hinaus wurden die Kapitel in enger Absprache und ausführ-lichen gemeinsamen Besprechungen ausgearbeitet. Dies gilt insbesondere für den theoretischen Teil dieser Arbeit, in dem die einzelnen Abschnitte ohnehin elementar aufeinander aufbauen. Die vorgenommene und durch Namensnen-nung in den Kapitelüberschriften kenntlich gemachte Trennung und Zuschrei-bung einzelner Kapitel an einzelne Autoren ist daher eher formaler Natur.

Alle nicht gekennzeichneten Kapitel können keinem der Autoren zugeschrieben werden.

I. Einleitung

Nachdem im März 2006 ein so genannter Brandbrief des Lehrerkollegiums derRütli-Schule in Berlin Neukölln öffentlich bekannt wurde, entbrannte in den Me-dien und in der Politik eine erneute Diskussion um Ursachen und Auswege der Gewalt an Schulen. Es wurden Reformen im Bereich der Schule, aber auch ei-ne neue Debatte über Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, ge-fordert.

Doch nicht erst seit der Veröffentlichung des Brandbriefs wurde das Thema Gewalt an Schulen in Öffentlichkeit und Medien besprochen. Vielmehr ist das Thema seit vielen Jahren sowohl in den Medien als auch in der Politik präsent:

- März 2000: Ein 16jähriger Internatsschüler aus Brannenburg schoss auf
den 57jährigen Internatsleiter, der wenige Tage später seinen Verletzungen erlag. Der Schüler versuchte, Selbstmord zu begehen. Grund für die Tat war ein positiver Drogentest.
- Februar 2002: In Freising tötete der 22jährige Adam L. den Schuldirektor
und verletzte einen weiteren Lehrer schwer. Der Täter beging Selbst-mord.
- April 2002: Amoklauf des 19jährigen Robert Steinhäuser im Erfurter Gu- tenberg-Gymnasium, nachdem er aufgefordert wurde, die Schule zu wechseln. Es kamen 17 Menschen ums Leben, der Täter beging Selbstmord.
- Februar 2004: Über mehrere Monate wurde ein Berufsschüler durch sei- ne Mitschüler misshandelt.
- Februar 2004: Zwei 13 und 14 Jahre alte Jungen aus Coburg misshan- delten einen Mitschüler über längere Zeit. Sie prügelten das Opfer bis zur Bewusstlosigkeit.
- Februar 2004: In Hannover wird eine Reihe von Gewalttaten gegen ei- nen 16jährigen Berufsschüler bekannt. Monatelang hatten ihn vier 17jährige Mitschüler während des Unterrichts verprügelt.
- April 2004: In Merseburg wurden eine Reihe von Gewalttaten gegen ei-nen 16jährigen bekannt. Neun Schüler hatten ihr Opfer über mehrere Monate misshandelt und einige der Taten auf Video aufgezeichnet1 (vgl.www.wdr.de/themen/panorama/; Robertz 2004: 62ff, Bundesverband der Unfallkassen 2003: 4).

Es sei jedoch unklar, ob es tatsächlich einen Zuwachs an schulischer Gewalt gegeben hat, oder lediglich eine dramatisierende Berichterstattung in den Me-dien zu diesem Eindruck führt (vgl. Bundesverband für Unfallkassen 2003: 4).

Immer wieder wurden kurz nach bekannt werden solcher und ähnlicher Vorfälle Maßnahmen gefordert. Eben dies geschah auch im Zuge der Diskussion um die Vorfälle an der Rütli-Schule.

In dieser Diplomarbeit werden wir uns mit der öffentlichen Diskussion der Ursachen und Auswege der Gewalt an der Rütli-Schule befassen. Dabei ist unsere Fragestellung mehrstufig angelegt:

Zum einen werden wir der Frage nachgehen, ob sich die in Medien und Politik angesprochenen Ursachen für die Vorkommnisse an der Rütli-Schule auch durch die Theorie und in bisherigen Forschungsergebnissen begründen lassen.

Zum anderen wird es um die Frage gehen, ob die in der öffentlichen oder politischen Diskussion vorgeschlagenen Präventionsmaßnahmen mit den diskutierten und theoretisch begründeten Ursachen in Verhältnis stehen.

Hierzu werden wir uns dem Thema zunächst aus theoretischer Perspektive nä-hern. Grundlage hierfür bilden die Anomietheorie, sowie die Untersuchung von Heitmeyer und anderen zum Zusammenhang von Desintegration - Verunsiche-rung - Gewalt (Heitmeyer et al 1995). Dabei werden wir sowohl auf die Ursa-chen als auch auf mögliche Auswege von Gewalt an Schulen eingehen. Anschließend werden wir uns dann dem konkreten Fall der Rütli-Schule in Ber-lin zuwenden. Hier werden wir uns mit den in Medien und Politik diskutierten Ursachen und Auswegen befassen.

II. Theoretische Betrachtung

In diesem Abschnitt werden wir einen allgemeinen Überblick über mögliche Ur-sachen von Gewalt an Schulen und mögliche Präventionsmaßnahmen zusam-men stellen. Zwei Ansätze werden wir dabei zur Erklärung der Ursachen von Gewalt an Schulen heranziehen: Die Anomietheorie mit besonderem Schwer-punkt auf den Dimensionen bzw. den Komponenten2 sozialer Anomie nach Bohle und anderen3, sowie die Studie von Heitmeyer und anderen4 zum Zu-sammenhang von Desintegration - Verunsicherung - Gewalt. Wir werden die beiden Ansätze zunächst ausführlich darstellen und in einem zweiten Schritt miteinander verknüpfen, sodass wir einen möglichst breiten Erklärungsansatz erhalten. Im Anschluss an die Betrachtung der Ursachen werden wir uns dann den sich daraus ergebenen möglichen Präventionsmaßnahmen zuwenden. Hier werden wir exemplarisch aufzeigen, wie denkbare Auswege für die einzelnen Ursachen aussehen könnten. Doch bevor wir uns Ursachen und Lösungen zu-wenden, ist es notwendig, den Begriff Gewalt zu definieren und unser Ver-ständnis von Gewalt im Rahmen dieser Arbeit zu verdeutlichen.

1 Begriffsklärung und Definition: Was ist Gewalt? (B. Pampe- rien)

Der Begriff Gewalt stammt, aus dem althochdeutschen „walten" und bedeutet stark, herrschend. Anders als beispielsweise in der englischen Sprache ist der Begriff Gewalt in der deutschen Sprache sowohl positiv als auch negativ besetzt. Im Englischen gibt es zum Beispiel die Begriffe Power (Kraft, Durchsetzungsvermögen) und den Begriff Violence (Zerstörung, Unrecht).

Ein Beispiel für die positive Bedeutung des Begriffs Gewalt in der deutschen Sprache findet sich im Grundgesetz. In Artikel 20 II heißt es:

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“

Dies bedeutet, dass die Staatsgewalt nur vom Volke ausgehen darf, folglich keine andere Legitimationsquelle besitzen darf. Staatsgewalt ist nur vom Volke auszuüben, wobei die Ausübung durch besondere Organe zu unterscheiden ist.Staatsgewalt bedeutet hier also alles amtliche Handeln mit Entscheidungscha- rakter (vgl. Jarass; Pieroth 1992: 357f).

Negativ besetzt ist der Begriff Gewalt hingegen im Strafgesetzbuch, etwa mit den Begriffen wie Mord, Totschlag, minderschwerer Fall des Totschlags, Kör-perverletzung, gefährliche Körperverletzung, schwere Körperverletzung, Kör-perverletzung mit Todesfolge, Nötigung (dazu vgl. §§ 211, 212, 213, 223, 224, 226, 227, 240 StGB).

Verdeutlicht werden soll dieses kurz an dem Beispiel der Nötigung § 240. Dort heißt es:

„Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit ei-nem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nö-tigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Der in unserer Diplomarbeit verwendete Begriff Gewalt bezieht sich dabei auf die negative Bedeutung des Begriffs. Unter Gewalt verstehen wir folglich die absichtlich bedingte Schädigung von Menschen durch andere Menschen. Das heißt: Gewalt ist vereinfacht gesagt dann gegeben, wenn es auch Opfer gibt.

Nach Heitmeyer ist Gewalt Ausdruck sozialer Prozesse, in denen strukturelle Bedingungen und individuelles Handeln zusammen wirken. Gewalt sei ferner ein interaktives Produkt, hierbei sei das Verhalten beider Seiten zu beobachten. Es werde beeinflusst durch die jeweils situativen Bedingungen. Gewalttätigkeiten seien abhängig von Gewaltbilligung und Gewaltbereitschaft, beides sind Ergebnisse sozialen Lernens. (Heitmeyer et al 1995: 45ff)

Dabei werden ein eng und ein weit gefasster Gewaltbegriff unterschieden. Der enge Gewaltbegriff ist auf die zielgerichtete, direkte physische Schädigung beschränkt. Dabei handelt es sich um die so genannte personale Gewalt. Der weit gefasste Gewaltbegriff umfasst zusätzlich auch die psychische bzw. verbale und mitunter auch die strukturelle Gewalt.

Unter dem Begriff der strukturellen Gewalt wird jede Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung verstanden. Strukturelle Gewalt bedeutet, dass das Opfer aufgrund der Machtverhältnisse gegen seinen Willen zu etwas gezwungen wird. Unter struktureller Gewalt versteht man folglich eine indirekte Gewalt, die unabhängig von Personen existieren kann.

Folgende Grafik zum Thema Gewalt verdeutlicht noch einmal die Unterschiedezwischen personaler und struktureller Gewalt. Ferner soll dabei deutlich ge-macht werden, dass der Bereich der personalen Gewalt außerdem noch in die physische und psychische Gewalt untergliedert wird. Die Folgen der Gewalt sind aber sowohl bei der personalen, als auch bei der strukturellen Gewalt, die-selben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: personale und strukturelle Gewalt (aus Thunert 1987: 425)

In der aktuellen Debatte zum Thema Gewalt werden, auch nach Klaus Hurrelmann6, folgende Gewaltformen unterschieden: Physische und psychische Gewalt. Ergänzt werden sie durch die verbale und vandalistische Gewalt.

- Physische Gewalt: Die Schädigung und Verletzung eines anderen durch körperliche Kraft und Stärke.
- Psychische Gewalt: Die Schädigung und Verletzung eines anderendurch Vorenthalten von Zuwendung und Vertrauen, durch seelisches Quälen und emotionales Erpressen.
- Verbale Gewalt: Die Schädigung und Verletzung eines anderen durch beleidigende, erniedrigende und entwürdigende Worte.
- Vandalistische Gewalt als Form der physischen Beschädigung und Zer- störung von Gegenständen.

Auch in Schulen lassen sich diese Gewaltformen wiederfinden:

„Gewalt in der Schule umfasst das Spektrum von vorsätzlichen Angriffenund Übergriffen auf körperliche, psychische und soziale Unversehrtheit, also Tätigkeiten und Handlungen, die physische und psychische Schmerzen oder Verletzungen bei Schülern und Lehrern innerhalb und außerhalb des Unterrichtsbetriebs zur Folge haben können. Gewalt in der Schule umfasst auch Aktivitäten, die auf die Beschädigung von Gegenständen im schulischen Raum gerichtet sind.“(Hurrelmann 1993: 44)

Mit den schulspezifischen Formen und Ausprägungen von Gewalt beschäftigt sich auch Hartmut Balser, der zwischen Alltagsaggressionen7 (A = kleine ver-steckte Gewalt) und manifester Gewalt mit Gesetzesverstoßcharakter (B = gro-ße manifeste Gewalt) unterscheidet. Hierzu hat er folgendes Erklärungsmodell entwickelt.

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Abbildung 2: Gewalt und Aggressivität in Schulen (Balser 1997: 27)

Beide Ebenen zusammen sollen die Bandbreite von Gewalt in der Schule auf-zeigen. Balser verweist darauf, dass Alltagsaggressionen (Ebene A) zugenom-men hätten, was zu entsprechendem Gruppendruck und so genannter „Mobbiisierung“8 in der Schule führe. Dies habe zur Folge, dass sich auf Ebene B das manifeste Gewaltverhalten früher und auch brutaler äußern könne (vgl. Balser 1997: 27). Allerdings wird diese Aussage von Balser nicht belegt. Frag-lich ist daher, woran sich Balser orientiert. Trotzdem ist durch dieses Modell von Balser eine Differenzierung möglich. Gewalthandlungen in der Schule lassen sich so in unterschiedliche Stadien einteilen. Ebene B ist dabei die Steigerung von der Ebene A. Die Aufteilung ist praxisorientiert durchgeführt worden. Aller-dings gibt es für dieses Modell von Balser kein theoretische Untermauerung(vgl. Balser 1997: 27).

Aus der dargestellten Grafik ist zu entnehmen, dass die gewaltausübende Person die als gewaltvoll einzustufende Handlung gegen MitschülerInnen, LehrerInnen, gegen Sachen oder sich selbst einsetzt. Damit sind alle potenziell unmittelbar Beteiligten sowie die jeweiligen Ziele einer „Attacke“ benannt. Er vermeidet in dieser Definition aber die Begriffe Täter und Opfer.

Interessant ist ferner noch, dass Schüler aus bildungsbevorzugten Schichten, z.B. Gymnasiasten oder Realschüler, häufiger Formen von psychischer Gewalt empfinden, wie zum Beispiel Beschimpfungen oder Drohungen. Von älteren Schülern werden auch Formen struktureller Gewalt wahrgenommen, die unmittelbar mit ihrem Lebensbereich zusammenhängen. Dazu gehöre unter anderem Leistungs- und Konkurrenzdruck in der Schule. Schüler9 aus bildungsbenachteiligten Schichten sehen physische Gewalt weit aus weniger negativ als diejenigen aus anderen Schichten. Von vielen werde darin eine normale Art der Konfliktbewältigung gesehen (Thunert 1987: 180).

2 Ursachen von Gewalt an Schulen

In diesem Abschnitt unserer Diplomarbeit werden wir uns mit den aus theoreti-scher Sicht anzunehmenden Ursachen von Gewalt an Schulen befassen. Dabei werden wir vor allem auf die Anomietheorie nach Durkheim und Merton zurück-greifen, sowie auf die aus der Anomietheorie entwickelten drei Komponenten sozialer Anomie nach Bohle. Aus dem Zustand der Anomie folgt jedoch nicht notwendigerweise Gewalt. Gewalt stellt lediglich eine mögliche Reaktionsweise auf anomische Zustände dar.

Daher werden wir ergänzend die Studie von Heitmeyer über den Zusammen-hang von Desintegration - Verunsicherung - Gewalt einbeziehen, deren Er-gebnisse nähere Rückschlüsse darauf zulassen, wie Gewalt als Handlungsoption für Jugendliche wahrscheinlich wird. Die Studie Heitmeyers ist vor dem Hintergrund der Individualisierung zu betrachten. Da Heitmeyer die In-dividualisierungsdebatte selbst in sein Analysegerüst einbezieht, werden wir auch hierauf eingehen. Die beiden Erklärungsstränge Anomie und Desintegrati-on - Verunsicherung - Gewalt werden wir umfassend erläutern und auf dasFeld Schule übertragen, um diese letztlich miteinander zu verknüpfen.

2.1 Anomie an Schulen

Die Anomietheorie beschäftig sich mit dem abweichenden Verhalten sowie mit der Kriminalität und versucht dieses zu erklären. (vgl. Lamnek 2001: 245)

Bevor wir uns jedoch konkret den Komponenten sozialer Anomie im schuli-schen Umfeld, also den denkbaren Ursachen von Anomie an Schulen, zuwen-den, werden wir zum besseren Verständnis die beiden in der Soziologie im Wesentlichen betrachteten Arbeiten zur Anomietheorien nachzeichnen: zum ei-nen die Arbeiten Durkheims und zum anderen die darauf aufbauende Arbeit Mertons. Anschließend werden wir einen Vergleich zwischen den beiden Theo-rien ziehen.

2.1.1 Grundlagen der Anomietheorie (B. Pamperien)

Das Penguin Dictionary of Sociology beschreibt Anomietheorie als

„[...] a concept that bridges the gap between explanations of social action at the individual level with those at the level of social structure […]” (Abercrom-bie 2000),

also einen Ansatz, mit dem sich ein Zusammenhang von individuellem Verhalten und Sozialstruktur herstellen lasse. Anomie10 bezeichnet dabei

„[...] einen Zustand sozialer Systeme, bei dem der Durchschnittsverlauf der Interaktionen die Systemstrukturen, die von ihnen zuvor gebildet waren, nicht wiederum befestigt, wie es sonst der Fall ist, sondern sie tendenziell aufweicht und damit ihre architektonische Balance gefährdet.“ (Endruweit, Trommsdorff 2002: 17)

Gültige Verhaltensnormen werden im anomischen Zustand nicht mehr in dem Maße befolgt, wie es zur Reproduktion der Normen von Nöten wäre. Anomie ist folglich ein Zustand der Norm- oder Regellosigkeit. Die Ursachen von abwei-chendem Verhalten (also etwa auch Gewalt als eine Form des abweichenden Verhaltens) liegen der Anomietheorie zu Folge in der Sozialstruktur begründet.

Da im anomischen Zustand die sonst geltenden Verhaltensregeln nicht mehr im üblichen Umfang befolgt würden, ziehe dies zugleich norminkonformes Verhal-ten anderer Interaktionspartner nach sich, die sich durch eigene Abweichungenzu schützen suchen. Anomie sei folglich

„[...] ein krisenhafter Prozess, der sich aus sich selbst heraus zu verschärfen neigt. In ihrer Zuspitzung wird die Krise von den am System teilnehmenden Interaktionspartnern im allgemeinen als solche auch erlebt.“ (Endruweit, Trommsdorff 2002: 17f)

Jedoch könne man Anomie entgegenwirken: durch ein vertiefendes Normbewusstsein, aber auch durch Strukturumbauten in Bereichen, in denen die Ursachen für diese Abweichungen angenommen werden (vgl. Endruweit, Trommsdorff 2002: 18).

Um ein tieferes Verständnis für die Anomietheorie zu entwickeln, soll an dieser Stelle kurz auf die beiden Hauptwerke zum Thema Anomie eingegangen werden: Die Arbeiten von Durkheim und Merton.

Émile Durkheim führte den Begriff der Anomie zur Erklärung sozialer Desintegrationserscheinungen in die Soziologie ein (vgl. Lamnek 2001: 108). Seine Theorie begründete sich vorwiegend auf drei Grundelementen.

a) Durkheim ging aufgrund seiner anthropologische Annahme davon aus,dass der Mensch eine grenzenlose Bedürfnisstruktur aufzeige (vgl. Bock 1995: 71). Die Gesellschaft müsse dem Individuum seine eigenen Gren-zen und auch die Grenzen der Gesellschaft aufzeigen; wie es sich zu verhalten hat und welche Ansprüche es in der Gesellschaft besitzt.
b) „Dieses geschieht nach der zentralen sozialpsychologischen Annahmedurch die ineinandergreifenden Mechanismen der Sozialisation und sozialen Kontrolle.“ (Bock 1995: 71)Es werden auf diese Art unter anderem Normen, die verpflichtend sind, geschützt und für alle erkennbar erhalten. Eine Missachtung dieser Nor-men wird von der Gesellschaft nicht gebilligt. Die vorhandenen Normen und Standards, die für eine Gesellschaft vorgeschrieben, für alle gültig und durch soziale Kontrolle sowie Sozialisation geschützt sind, werden als „Kollektivbewusstsein11“ bezeichnet. Dadurch, so Durkheim, entsteht eine Art Gemeinschaftsgefühl, folglich eine Art „Solidarität“ (vgl. Bock 1995: 71).
c) Durkheim verband diese beiden erst genannten Elemente mit einer uni-versalgeschichtlichen Annahme. Durch die Veränderungen in der Gesellschaft ändere sich auch das Kollektivbewusstsein und damit die Solidarität. Diese Veränderungen seien auf die ständig fortschreitende Arbeitsteilung zurückzuführen (vgl. Bock 1995: 71f).

Die Entwicklung gehe von einer segmentären Gesellschaft12, in der eine mechanische Solidarität herrsche, über in eine arbeitsteilige Gesellschaft, in der nun die so genannte organische Solidarität anzutreffen sei.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, kurz die Begriffe mechanische und organische Solidarität zu erklären.

Die mechanische Solidarität ist eine Solidarität durch Ähnlichkeit.13 In Gesell-schaften mit mechanischer Solidarität unterscheiden sich die einzelnen nur we-nig voneinander. Als Mitglieder ein und derselben Gemeinschaft ähneln sie sich, da sie die gleichen Empfindungen haben, dieselben Werte verteidigen und derselben Religion anhängen. Ferner ist die Gesellschaft kohärent, da zwischen den Individuen noch keine Differenzierung stattgefunden hat (vgl. Durkheim 1988: 118ff).

„Genau diese besondere Struktur erlaubt es der Gesellschaft, das Individuum ganz eng zu umschließen - sie hält es stärker an sein häusliches Milieu gebunden und folglich an die Traditionen -, und trägt schließlich, indem es seinen sozialen Horizont einengt auch dazu bei, es konkret und bestimmt zuhalten.“ (Durkheim 1988: 364)

Bei der entgegengesetzten Form, der organischen Solidarität, entsteht der Konsens, damit ist die kohärente Einheit der Gemeinschaft gemeint, aus der Differenzierung. Die einzelnen sind sich nicht länger ähnlich; und in gewisser Weise lässt sich der Konsens bei ihnen gerade deshalb erreichen, weil sie sich voneinander unterscheiden (vgl. Durkheim 1988: 162ff).

Die Frage der Solidarität ist dabei elementar für Durkheims Verständnis von Anomie.

Dabei beschäftigte er sich mit der Frage,

„[...] ob die organische Solidarität hochdifferenzierter Gesellschaften mit ei-ner division du travail anomique einhergehe, weil hier die Systemvermittlung der verschiedenen Leistungsbeiträge so viele Glieder durchlaufe, dass Ab-sender und Empfänger weitgehend fremd blieben und der Internalisierungder Leistungsnormen folglich das unmittelbare Erlebnis der Bedeutung fehle, die Korrektheiten und Inkorrektheiten der Leistungsausführungen im sozialen Verkehr zukommt [...].“ (Endruweit, Trommsdorff 2002: 18)

Nach Durkheim entwickelte sich die Arbeitsteilung14 derartig fortschreitend, dass die Entwicklung des Kollektivbewusstseins und der Solidarität dieser Entwicklung nicht mehr folgen konnte. Die Arbeitsteilung der Industrialisierung löste die Gesellschaft aus ihren traditionellen Bindungen heraus. Zu diesen traditionellen Bindungen gehörten unter anderem die Kirche oder auch die dörfliche Gemeinschaft (vgl. Bock 1995: 72).

Als Folge einer zu weit getriebenen Arbeitsteilung sah Durkheim die Gefahr der Zersplitterung und einer mangelnden wechselseitigen Anpassung der unterschiedlichen Arbeitsfunktionen (vgl. Bohle et al 1997: 31).

„Anomie als Zustand der Normlosigkeit wird dadurch herbeigeführt, dass die wachsende Arbeitsteilung ausreichend wirksame Kontakte zwischen den Arbeitenden und damit auch befriedigende soziale Beziehungen zunehmend verhindert.“ (Bohle et al 1997: 31)

In seiner Studie zum Selbstmord aus dem Jahr 189715 arbeitete Durkheim sein Anomiekonzept weiter aus. Er untersuchte die Frage, welche Begründung es für die gestiegene Selbstmordrate in Frankreich im ausgehenden 19. Jahrhundert geben könnte. Dabei unterschied er drei Arten von Selbstmord: den altruistischen, den egoistischen und den anomischen Selbstmord. Selbstmord definierte Durkheim dabei wie folgt:

„Man nennt Selbstmord jeden Todesfall, der direkt oder indirekt auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die vom Opfer selbst begangen wurde, wobei es das Ergebnis seines Verhaltens im Voraus kannte.“ (Durkheim 1983: 27)

Altruistischer Selbstmord

Altruistische Selbstmorde gehen auf eine zu starke Einbindung des Individuums in die Gesellschaft zurück, auf eine Überidentifikation mit den Systemnormen (vgl. Endruweit, Trommsdorff 2002: 18). Sie sind somit auf Norminhalte der Ge-sellschaft zurückzuführen und stellen Opfer für die Gesellschaft dar. Als altruis- isch bezeichnete Durkheim diese Form des Selbstmords, da er aus der Unterordnung des Individuums gegenüber der Gesellschaft resultiert.16

Es bleibt festzuhalten, dass der altruistische Selbstmord in „modernen“ Gesellschaften nur eine untergeordnete Rolle spielt (vgl. Durkheim 1983: 242ff). Im Militär seien letzte Auswirkungen zu beobachten. Hier gebe es zwar keine Norm, die den Selbstmord verlangt, aber das Leben des Einzelnen werde abgewertet, da er sich der Gruppe unterordnen muss und für jeden Fehler von der Gruppe bestraft werden kann (vgl. Durkheim 1983: 256ff).

Egoistischer Selbstmord

Egoistische Selbstmorde sind auf eine ungenügende Einbindung und Kontrolle in der Gesellschaft zurückzuführen. Als egoistisch bezeichnete Durkheim diese Art des Selbstmords deshalb, weil er aus der Selbstüberschätzung des Ichs re-sultiert.17

Im Zuge der Individualisierung und der Auflösung traditioneller Strukturen nimmt diese Art des Selbstmordes in modernen Gesellschaften zu. Der Einzelne nimmt sich als einzigen Maßstab wahr. Dies beinhaltet auch die Entscheidung, das eigene Leben beenden zu können (vgl. Durkheim 1983: 162ff).

Anomischer Selbstmord

Der anomische Selbstmord begründe sich auf der Diskrepanz zwischen den Bedürfnissen der einzelnen Menschen und ihren Möglichkeiten. Diese Diskrepanz führe zu einer Frustration, die Selbstmord begünstige:

„Niemand kann sich wohlfühlen, ja überhaupt nur leben, wenn seine Bedürfnisse nicht mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln einigermaßen in Einklang stehen.“ (Durkheim 1983: 279)

Die Differenz zwischen Bedürfnissen und Möglichkeiten sei latent immer vorhanden. Manifest werde dieser Konflikt aber erst dann, wenn die Gesellschaft kein Gleichgewicht mehr vorgeben kann.

„Nur die Gesellschaft ist in der Lage, diese mäßigende Rolle zu spielen […]. Denn sie ist die einzige dem einzelnen übergeordnete [...] Kraft, deren Ü-berordnung er auch anerkennt.“ (Durkheim 1983: 283)

Voraussetzung einer solchen Begrenzung durch die Gesellschaft ist zum einemdie Anerkennung der Überordnung und zum anderen, dass die Einzelnen die Ordnung als gerecht empfinden. Beide Bedingungen erodieren in wirtschaftlichen Krisen und bei schnellem Wirtschaftswachstum. Die allgemein akzeptierten Bedürfnisse und Möglichkeiten werden nicht mehr anerkannt und es entsteht ein Zustand der Anomie.

„Das Anomische sieht Durkheim demnach in einem Bedeutungsverlust kol-lektiver Orientierungen. Ursächlich führen nicht Verbesserungen bzw. Ver-schlechterungen objektiver Lebenslagen an sich zu Anomie, sondernvielmehr die Rasanz dieser Veränderungen.“ (vgl. Bohle et al 1997: 33)

Im anomischen Selbstmord sah Durkheim die Erklärung für die angestiegene Selbstmordrate.

Anomie nach Durkheim meint also letztlich, dass die menschlichen Bedürfnisse im Verhältnis zu ihren Möglichkeiten stehen müssen, sie es jedoch nicht tun, da die gesellschaftliche Regulation der menschlichen Bedürfnisse nicht funktio-niert:

„Left to themselves, human desires are boundless and this fact of human nature, together with necessarily limited resources, cerates great unhappiness or ultimately suicide. The manner in which societies cope with this problem of unattainable goals is to restrict human desires and goals by imposing framework of norms […]. Anomie describes the situation when this framework breaks down […]” (Abercrombie 2000)

Zugleich setzte sich Durkheim mit möglichen Lösungen für diese Problematik auseinander und schlug die Schaffung neuer Gruppen vor:

„Demnach ist der einzige Weg, diesem Übel abzuhelfen, den sozialen Grup-pen wieder genügend Zusammenhalt zu verschaffen, damit sie das Indivi-duum enger fesseln und dieses von sich aus zu ihnen drängt.“ (Durkheim 1983: 442f)

Er plädierte folglich dafür, als Lösung, Berufsgruppen zu bilden18:

„Da sie sich aus Individuen zusammensetzen, die die gleiche Arbeit auf sich genommen haben und deren Interessen in ein und derselben Richtung lau-,fen oder gar identisch sind, gibt es kein geeigneteres Feld für die Bildung sozialer Vorstellungen und Gefühlswerten.“ (Durkheim 1983: 449)

Durkheim schlug also die Bildung intermediärer Gruppen vor. Dazu gehört die Rückkehr zur mechanischen Solidarität innerhalb dieser Gruppen. Diese Gruppen müssen die Bedürfnisse ihrer Mitglieder steuern, um so auch den anomischen Selbstmord zu minimieren.

„Da endlich das Berufsleben fast das gesamte Leben ausmacht, macht sich der Einfluss des Verbandes in allen Einzelheiten unseres Berufslebens be-merkbar, die alle also im kollektiven Sinne ausgerichtet sind.“ (Durkheim 1983: 450)

Ferner müssen die Gruppen eine anerkannte und gerechte Verteilung ermögli-chen, und die Gruppen müssen einen festen Status im Staatssystem erhalten, nur dann können sie die Integration des Einzelnen leisten (vgl. Durkheim 1983: 449ff).

Merton19 hingegen setzte bei seiner Arbeit zur Anomie andere Schwerpunkte als Durkheim, obwohl er sich bei seinem Konzept für die Formulierung auf die Vorarbeit Durkheims stützte. Merton setzte seine Schwerpunkte nicht nur auf die Limitierungen der Regelung von Bedürfnissen und Wünschen jedes Einzel-nen sowie der Gruppen, sondern vielmehr auch auf die Störungen der Bezie-hungen zwischen den jeweiligen Zielen auf der einen Seite und den legitimen Mitteln, die benötigt werden um diese Ziele zu erreichen, auf der anderen Seite.

Es muss betont werden, dass Merton zwei Arten von Anomie unterschied. Dabei handelt es sich zum einen um die „gesellschaftliche Anomie“ und zum anderen um die „individuelle Anomie“, die auch als Anomia bezeichnet wird (vgl. Ortmann 2000: 78ff). Merton setzte dabei Anomie nicht mit der Dissoziation zwischen kultureller und sozialer Struktur oder der Anpassungsreaktion gleich. Die Anomie wurde von ihm zeitlich und kausal zwischen den beiden Punkten eingeordnet (vgl. Ortmann 2000: 78ff).

Merton befasst sich in seiner Arbeit mit einer Erklärung für abweichendes Ver-halten (vgl. Merton 1995: 117ff). In einer Gesellschaft20 herrsche Einigkeit über die Ziele, die jeder erreichen wolle. Hierzu gehören unter anderem Wohlstand,

Ansehen in der Gesellschaft und Erfolg21. Auch die legitimen Mittel, wie Intelli-genz und Leistungsbereitschaft diese Ziele zu erreichen, sind anerkannt. Nach Merton ergibt sich daraus eine kulturelle Struktur der amerikanischen Gesell-schaft, die in einem Spannungsverhältnis zu der Sozialstruktur der Gesellschaft steht (vgl. Bock 1995: 72; Lamnek 2001: 115). Laut Merton werden die kulturel-len Ziele von allen Mitgliedern der Gesellschaft angestrebt. Allerdings seien aufgrund verschiedener Bildungsniveaus bzw. wirtschaftlicher Ausgangslagen, die Verfügbarkeit der, legitimen Mittel zur Erreichung dieser Ziele unterschied-lich (vgl. Bock 1995: 72; Lamnek 2001: 116f; Ortmann 2000: 77).

Daraus ergibt sich, dass faktisch die kulturellen Ziele insbesondere für Mitglie-der der Unterschicht nicht erreichbar sind, da der Zugang zu legitimen Mitteln für sie blockiert ist, weil es ihnen an sozialen Bindungen mangelt. Das heißt, dass die in der sozialen Struktur schlechter gestellten unteren Schichten nicht die Zugangschancen finden, wie Personen aus höheren Schichten. Durch diese Situation laste auf den unteren gesellschaftlichen Schichten ein starker Druck. Dieser Druck sei durch desintegrierte Beziehungen zwischen der kulturellen und sozialen Schicht entstanden (vgl. Ortmann 2000: 78). Durch diese Situation entsteht nach Merton ein anomischer Druck (vgl. Bock 1995: 72; Lamnek 2001: 117; Ortmann 2000: 78). Die schichtabhängige Intensität blockiere die legitimen Zugangswege (Zielblockade) durch die kulturelle Struktur. Diese Anforderun-gen, die an das Individuum sowohl als kulturelle sowie auch als soziale Struktur gestellt werden, lösen bei dem Betroffenen eine sehr starke Desorientierung aus, die aber auf eine gewisse Art bewältigt werden müsse. Dies geschehe durch die Reaktion auf die jeweilige Situation (vgl. Lamnek 2001: 117). Es gibt nach Merton hierfür aber mehrere Optionen der Anpassung. Mit Ausnahme des Konformismus22 werden sie als abweichendes Verhalten bezeichnet (vgl. Lam-nek 2001: 117).

Es lässt sich daraus folgern, dass die devianten Handlungen dazu dienen, die gesellschaftlich vorgegebenen und von jedem Einzelnen nicht zu manipulieren-den Strukturen zu bewältigen (vgl. Lamnek 2001: 117). Mit Hilfe der TheorieMertons kann erklärt werden, weshalb davon ausgegangen werden kann, dassKriminalität schichtspezifisch verteilt ist:

„[...] der anomische Druck ist in der Unterschicht am größten, so dass dort häufiger versucht wird, die erstrebten Ziele statt mittels der blockierten legitimen Mittel durch illegitime Mittel zu erreichen.“ (Bock 1995: 73)

Dies bezeichnete Merton als „Innovation“, nannte aber verschiedene weitere Möglichkeiten der Reaktion auf anomischen Druck (Merton 1995: 135).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: „Handlungstypen“23 (aus Bock 1995: 73)

In diesem Zusammenhang ist es wichtig die einzelnen in der Tabelle genannten Begriffe, wie Merton sie verstand, kurz zu erläutern:

Konformität

Konformität bedeute die Zustimmung sowohl zu den Zielen als auch den benö-tigten Mitteln zur Erreichung der Ziele, folglich handelt es sich hierbei nicht um eine Abweichung (vgl. Merton 1995:136; Lamnek 2001: 119; Ortmann 2000: 82;).

„In dem Maße, wie eine Gesellschaft stabil ist, ist der erste Anpassungstyp -die Konformität sowohl mit den kulturellen Zielen, als auch mit den institutionellen Mitteln - der üblichste und am weitesten verbreitete. Wäre dem nicht so, könnten die Stabilität und Kontinuität der Gesellschaft nicht aufrechterhalten werden.“ (Merton 1995: 136)

Innovation

Hier werden insbesondere die kulturellen Ziele betont, die legitimen Mittel je-doch zugleich abgelehnt (vgl. Merton 1995: 136f; Lamnek 2001: 118; Ortmann 2000: 82). Nach Merton bedeutet dies, dass Innovation bei denjenigen Men-schen vorliegt,

„[...] die durch Akzeptanz der kulturellen vorgegebenen Ziele, aber Nicht- Akzeptanz der kulturell als legitim ausgewiesenen Wege zum Ziel beschrieben werden.“ (Ortmann 2000: 82)

Insbesondere bei den unteren Schichten sei man bereit, diese kulturellen Ziele wie Erfolg oder Wohlstand, auch mit risikoreichen Mittel zu erreichen. Sie sind nach Merton am stärksten dem Druck zur Abweichung erlegen (vgl. Lamnek 2001: 119). Merton begründete dies wie folgt:

„[...] denn ihre Angehörigen befinden sich in Situationen die durch die Betonung kultureller Ziele - wie etwa wirtschaftlichen Erfolg - und geringe Zugangsmöglichkeiten zu den legitimen Möglichkeiten der Zielerreichung gekennzeichnet sind.“ (Lamnek 2001: 119)

Merton führte weiter aus, dass ein perfekter Krimineller zwar die in der Gesell-schaft verankerten kulturellen Ziele annimmt, aber zur Erlangung dieser Ziele il-legitime Mittel einsetzt (vgl. Merton 1995: 139). Bei der Innovation wäre folglich die Einsetzung von Gewalt zur Erreichung der kulturellen Ziele denkbar.

Ritualismus

Ritualismus ist dann gegeben, wenn die kulturellen Ziele derart herabgesetzt werden, bis diese erfüllt werden können. Dabei wird zwanghaft an den institutionellen Normen festgehalten (vgl. Lamnek 2001: 120). Nach Merton kann ein derartiges Verhalten nicht eindeutig als problematische Abweichung behandelt werden, da es sich um ein kulturell akzeptiertes Verhalten handelt (vgl. Merton 1995: 145f; Lamnek 2001: 120;).

„Ritualismus bedeutet die Möglichkeit, durch Senkung des eigenen Anspruchsniveaus sich dem permanenten Konkurrenzkampf zu entziehen.“ (Lamnek 2001: 120)

Rückzug

Sofern sowohl die Ziele als auch die Mittel von den Betroffenen akzeptiert wer-den, diese sich aber nicht als effektiv erwiesen haben, kommt es zum Rückzug (vgl. Lamnek 2001: 121). Hierbei handelt es sich um individuelle, also private Reaktionen, die nicht den Anspruch erheben, etwas anderes, neuartiges zu ge-stalten. Allerdings grenzt sich dieser Kreis doch von der Gesellschaft ab und wird von der Gesellschaft als Außenseiter wahrgenommen (vgl. Lamnek 2001: 121). Merton schrieb dazu:

„Von ihren Ursprüngen in der sozialen Struktur her gesehen dürfte dieseForm der Anpassung dann am ehesten auftreten, wenn sowohl die kulturel-len Ziele, als auch die institutionellen Praktiken tief verinnerlicht wurden und eine hohe Affekt- und Wertbesetzung erfahren haben, die zugänglichen in-stitutionellen Mittel und Wege jedoch nicht zum Erfolg führen.“ (Merton 1995: 148)

Aufgrund dessen, dass beim Rückzug sowohl die kulturellen Ziele als auch die legitimen Mittel abgelehnt werden, ist Gewalt anschlussfähig.

Rebellion

Nach Merton wird sich bei der Rebellion von den vorgegeben Zielen entfremdet, es wird aber dennoch gleichzeitig ein Ersatz angestrebt. Die Ziele und die Mittel werden von den Betroffenen als veränderbar angesehen (vgl. Lamnek 2001: 121). Die Rebellion wolle durch aktives Handeln eine Veränderung herbeifüh-ren. Es können verschiedene Typen der Rebellion unterschieden werden24 (vgl. Lamnek 2001: 122). Die betreffenden Individuen haben sich von den Zielen und Normen der Gesellschaft abgewandt und wollen neue eigene Grundordnungen.

„Die ‚Betroffenen’ stellen sich gegen die bestehende Sozialordnung und wollen sie durch eine neue ersetzen.“ (Bohle 1975: 20)

Merton führte zur Verdeutlichung der Rebellion folgendes Beispiel an:

„[...] schließlich sagt der Fuchs in der Fabel nicht, dass er den Geschmack an süßen Trauben verloren habe; er sagt nur, gerade diese Trauben seien nicht süß. Rebellion dagegen bedeutet eine Umwertung, bei der die direkt oder stellvertretend erlebte Frustration zur vollkommenen Absage an die früher hoch geschätzten Werte führt - der rebellische Fuchs erklärt den herr-schenden Geschmack an süßen Trauben einfach für falsch. Das Ressenti-ment verdammt, was es heimlich begehrt; die Rebellion verdammt das Begehren selbst. Doch obwohl beide ganz verschiedene Dinge sind, kann die organisierte Rebellion, sind die Institutionen erst wirklich ins Wanken ge-raten, auf ein großes Potential aus Ressentiment und Unzufriedenheit zurückgreifen.“ (Merton 1995: 150f)

Bei der Rebellion kann es durchaus auch zum Einsatz von Gewalt kommen.

Es bleibt festzuhalten, dass Anomie nach Merton aus der sozialen Umgebung und nicht aus den Eigenschaft der Individuen bedingt ist und aus einem Ungleichgewicht zwischen sozialer und kultureller Struktur resultiert.

„So ist meine zentrale Hypothese denn auch, dass anomales Verhalten soziologisch als ein Symptom der Dissoziation von kulturell vorgeschriebenen Ansprüchen und sozial strukturierten Wegen zur Realisierung dieser Ansprüche angesehen werden kann.“ (Merton 1995: 130)

Zum Abschluss ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass das strukturelle Auseinanderlaufen von Zielen und Mitteln zu sozialen Spannungen führt. Dieser Umstand rufe dann die individuelle Anomie25 hervor. Folglich stehen Anomia und Anomie in einer Interdependenz- bzw. Interaktionsbeziehung zu einander einander (Ortmann 2000: 78f).

Mertons Arbeit und seine Erklärung zum abweichenden Verhalten werden in der Soziologie und der Kriminologie mit verschiedenen Argumenten kritisch be-trachtet. Es wird unter anderem kritisiert, dass es sich bei seinen Ansätzen le-diglich um rein deskriptive Schemen handelt. Weiterhin wird kritisiert, dass Merton seine Begriffe wie Normen und Ziele nicht richtig unterscheide. Die kul-turellen Ziele und sozialen Schichten würden von Merton sehr unzureichend umschrieben. Ferner stehe das gedachte Werte- und Normensystem der Viel-falt verschiedener Normensysteme in der Realität widersprüchlich gegenüber (vgl. Bohle 1975: 10). Ebenso werde von Merton die Frage nicht beantwortet, wie sich fest stellen lässt, ob kulturelle Ziele26 institutionalisiert sind, wenn diese bereits von zwei Individuen als legitim definiert werden, oder ob mehr als zwei Personen diese als legitim empfinden müssen (vgl. Bohle 1975: 11).

Obwohl Merton die Problematik von „White-Collar-Kriminaltät“27 bekannt war (vgl. Merton 1995: 138f) beschränkte er sich in seiner Arbeit größtenteils auf Ei-gentumskriminalität. Dabei schreibe er Kriminalität beinahe automatisch fast ausschließlich der Unterschicht zu, da dort der Druck immer am größten sei undes daher dort am meisten Abweichungen gebe. Betrachtet man Kriminalitätausgehend von Dunkelfeldforschungen, so stellt sie sich nicht als ausschließliches Unterschichtproblem dar. Nach Merton jedoch liegt die ganze Unterschicht in einem Anomiebereich (Schneider 1994: 29; Bohle 1975: 7f).

Ferner wird von Lemert (vgl. Lemert 1974: 60) kritisiert, dass eine Konzeption eines homogenen kulturellen Wertesystems, wie das von Merton, für die Analyse pluralistischer Gesellschaften ungeeignet ist. Außerdem seien es konkrete Menschen, die Werte und Normen vermitteln und nicht eine abstrakte Kultur. Werte, die akzeptiert werden, können als Ergebnisse von Interaktions- und Aushandlungsprozessen gesehen werden.

Von Turner wird schließlich noch angemerkt, dass eine Unterscheidung zwischen Zielen und Mitteln in der Praxis sehr schwierig ist, da Werte nur im Kontext einer spezifischen Handlung zu Zielen oder Mitteln werden. Opp führt darüber hinaus an, dass bei Merton nicht deutlich wird, wann ein Ziel oder eine Norm institutionalisiert ist (Opp 1974: 130)

Nachdem die anomietheoretischen Arbeiten Durkheims und Mertons nachgezeichnet wurden, sollen nun die zentralen Unterschiede zwischen den beiden Arbeiten aufgezeigt werden.

Die zentralen Begriffe in beiden Arbeiten sind u.a. Bedürfnis, Wünsche, Ziele.

Merton erweiterte die Theorie Durkheims. Seine Arbeit unterscheidet sich je-doch zugleich erheblich von der Durkheims (vgl. Lamnek 2001: 114; Ortmann 2000: 106).Merton hat sich „einfacheren“ (vgl. Ortmann 2000: 106) Themen gewidmet, als Durkheim es getan hat. Mertons Arbeit befasst sich mit abweichendem Verhalten, Durkheims Arbeiten hingegen mit Zusammenhängen im Arbeits- und Wirtschaftsbereich, zu denen wiederum auch das abweichende Verhalten in diesen Bereichen zu zählen ist.

Sowohl bei Durkheim als auch Merton kommt den menschlichen Bedürfnissen bei der Entstehung des menschlichen Verhaltens eine sehr bedeutende Rolle zu. Nach Durkheim und auch nach Merton kommt es zu Schwierigkeiten, sofern die Bedürfnisse nicht befriedigt sind oder befriedigt werden. Vollkommen unter-schiedlich ist bei ihnen allerdings die Herkunft und der Entstehungszusammen-hang der Bedürfnisse, sowie der Wünsche, Ziele oder Ansprüche.

Durkheim betrachtet die Bedürfnisse / die Ziele, die jeder besitzt, als ererbt. Dies bedeutet: sie sind quasi von Natur aus gegeben. (vgl. Ortmann 2000:107). Bei Merton28 allerdings kommen sowohl Ziele als auch die Bedürfnisse aus der sozialen Umgebung des Individuums, da das kulturelle Wertesystem für alle Menschen ein zusammengehörendes Erfolgsziel festsetze. Damit ist besonders der Erfolg als Ziel vorgegeben (vgl. Ortmann 2000: 107). Bei Merton liegt das Problem folglich in der Gesellschaft, welche die Ziele und Bedürfnisse vor-schreibt (Ortmann 2001: 107). Für beide allerdings ist das sehr starke Bedürf-nis, die Ziele zu erreichen, das größte und wichtigste Problem.

Weitere zentrale Begriffe bei Durkheim und Merton sind die Mittel und die Möglichkeiten zur Befriedigung von Bedürfnissen. Hier liegt die wichtigste Übereinstimmung der beiden. In beiden Theorien wird dem Begriff der Möglichkeiten eine zentrale Bedeutung zugemessen. Beide gehen davon aus, dass eine Ungleichverteilung der Möglichkeiten in der Gesellschaft vorliegt, deren Grundlage sie jedoch nicht in den selben Bereichen sehen:

„Bei Durkheim ist die Ungleichverteilung mit der Geburt vorgegeben, und zwar als Vererbung ‚natürlicher Begabung’ und ähnlichem sowie - beim ‚gebürtigen Besitzer’ - als Vererbung von Kapital. Diese Ungleichverteilung kann man nicht ändern, und aus ihr ergibt sich bei Durkheim zwingend [...] die Ungleichverteilung der Güter sowie die Legitimation dieser Ungleichverteilung.“ (Ortmann 2000: 109)

„Bei Merton hingegen entsteht die Ungleichverteilung der Mittel und Mög-lichkeiten nicht durch biologische oder soziale Vererbungen entstandene und ab der Geburt vorhandene Ausgangsunterschiede, sondern durch (ungleiche) Zuweisungen oder Verteilung durch die Gesellschaft.“ (Ort-mann 2000: 109)

Bei Durkheim ist die Ungleichverteilung demnach von Geburt an gegeben und bei Merton durch die Zuweisung der Gesellschaft auferlegt.

Letztlich bleibt festzuhalten, dass das Auftreten von Anomie insbesondere nach sozialen Umbrüchen, sowie bei sozialen und ökonomischen Veränderungen beobachtet werden kann. Der Begriff Anomie beschreibt dabei einen Zustandder Norm- und Regellosigkeit, dessen Ursache in der Sozialstruktur einer Ge- sellschaft begründet ist.

Beschäftigt man sich mit den Arbeiten Durkheims und Mertons bezogen auf die heutige Zeit, so erscheint es angebracht, Anomie als eine Reaktion auf die Störung des gesellschaftlichen Gleichgewichts auszulegen, die auch in der Schule zu finden ist (vgl. Ortmann 2000: 100ff).

2.1.2 Drei Komponenten sozialer Anomie in Schulen (J. Bleifuß)

Welche sozialen Krisen können zu Anomie in Schulen führen? Bohle beschreibt drei Komponenten sozialer Anomie: die Regulationskrise, die Kohäsionskrise und die Strukturkrise und formuliert weiter:

„Eine angemessene Analyse von Anomietendenzen in der modernen Gesellschaft ergibt sich also aus der gleichzeitigen und wechselseitigen Berücksichtigung aller drei Dimensionen von Regulation, Kohäsion und struktureller Disbalancen.“ (Bohle et al 1997: 53)

Wir werden im folgenden Teil diese drei Komponenten sozialer Anomie erläu-tern und sie anschließend auf das Feld Schule übertragen. Hierbei werden wir uns überwiegend an der Arbeit über „Schulische Desorganisation und Devianz“ (1997) orientieren, in der Holtappels und Hornberg drei grundlegende anomi-sche Strukturen an Schulen ausmachen, die weitestgehend den drei Arten des Selbstmords bei Durkheim entsprechen. Da Holtappels und Hornberg sich an den Selbstmordarten orientieren, ist ihre Darstellung der anomischen Strukturen an Schulen in Bezug auf die drei Komponenten sozialer Anomie - insbesondere der Regulationskrise - jedoch nicht vollständig und wird von uns ergänzt.

Kohäsionskrise

Bohle zeigt ein bestehendes Abhängigkeitsverhältnis von Anomie und der Stabilität sozialer Bindungen auf. Stabile soziale Beziehungen seien von Bedeutung, da sie die Absehbarkeit sozialer Standards stützen und gleichzeitig ein Forum für das Aushandeln neuer Standards bieten. Eine Schwächung der sozialen Kohäsion, wenn sich also zu viele Mitglieder einer Gesellschaft zu weitgehend dem gesellschaftlichen Einfluss entziehen, unterhöhle so die Verbindlichkeit von Werten und Normen:

„Eine solche Auflockerung der gemeinschaftsbildenden Kräfte unterhöhlt nach Durkheim letztlich auch die Verbindlichkeit von Werten und Normen, denn erst über soziale Einbindung und Interaktionen werden sie bekräftigt und in ihrer Orientierungsfunktion wirksam.“ (Bohle et al 1997: 48)

Eine nachlassende soziale Kohäsion diffundiere die Absehbarkeit sozialer Nor-men und führe zu wahrscheinlichen Regelverstößen. Darüber hinaus erschwere eine Schwächung der sozialen Kohäsion die Aushandlung neuer allgemein geteilter Normen (vgl. Bohle et al 1997: 48), die aber gerade aufgrund des schnellen sozialen Wandels wichtig ist.

Analog zum egoistischen Selbstmord nach Durkheim befassen sich Holtappels und Hornberg mit der sozialen Desintegration an Schulen und ihren Ursachen. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, welche Faktoren zu einer ungenügenden Einbindung von SchülerInnen in die Schulgesellschaft führen könnten. Eine ge-störte Integration könne etwa durch leistungsbezogene und soziale Etikettie-rungs- und Segregationsprozesse bedingt sein, die wiederum dazu führe, dass SchülerInnen kein gemeinsames Ziel und keine Aktivitäten teilten. Unterschei-den sich die Interessen bezüglich der Lern- und Leistungsbereitschaft, sei eine konkurrenzorientierte Rangordnung etabliert, ohne dass andere gleichwertige soziale Stützsysteme wie Arbeitsgemeinschaften oder Freundschaftsbildungen einen Ausgleich schaffen und soziale Anerkennung vermitteln, so könne auch dies zu einer fehlenden Kollektivbindung in Schulen führen.

Holtappels und Hornberg verweisen auf die doppelte Bedeutung, die Schulerfolg einnimmt. So ist Erfolg in der Schule zugleich von Bedeutung für die Zugangschancen in weiteren Bereichen des (späteren) Lebens, z.B. unmittelbar auf den Bereich Arbeitsmarkt. Sie beschreiben die psychosozialen Folgen, die eine(n) erfolgslose(n) SchülerIn potentiell erwarten könnten.

„Da Zensuren und Zeugnisse nachhaltig über gesellschaftliche Teilnahmechancen entscheiden, sind bei erfolglosen Schülern ähnliche psychosoziale Folgen wahrscheinlich, wie sie Durkheim für den Suizid formuliert […].“ (Holtappels u. Hornberg 1997: 334)

So fehle oft der Sinn des Lebens, da die Dinge, die im Leben nun noch möglich scheinen, nicht ausreichen zur Befriedigung sozialer und emotionaler Bedürf-nisse. Der eigene Einsatz scheint nicht lohnenswert. Dieser Effekt verstärke sich, wenn die sachbezogene Ebene schulischen Lernens Entfremdungseffekte hervorrufe.

Darüber hinaus werfen Holtappels und Hornberg einen Blick auf die besondere Situation von SchülerInnen ethnischer Minderheiten und weisen darauf hin, dass soziale Desintegration von nicht-deutschsprachigen Kindern durch denausschließlichen Besuch von „Deutsch-Intensiv“-Kursen29 bedingt werden kön- ne.

„Die Teilnahme an diesen Kurse ermöglicht ihnen zwar eine Bindung an das Kollektiv der nicht deutschsprachigen Schüler/innen, allerdings wird eine auf sozialem Austausch beruhende Integration in die Gruppe aller Schüler/innen durch diese Segregationspraxis erschwert oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.“ (Holtappels u. Hornberg 1997: 334)

Dies sei besonders aus dem Grund ein Problem, da die Sprache eine herausgehoben wichtige Bedeutung besitze:

„Dieses Verfahren scheint insofern besonders problematisch, da erstens ge-rade der Sprache als Symbolwelt-Faktor für eine erfolgreiche Einbindung in die Gemeinschaft eine herausragende Bedeutung zukommt und zweitens bereits bestehende oder aufkeimende Vorurteile und Stereotypisierungen nicht kommunikativ bearbeitet werden können.“ (Holtappels u. Hornberg 1997: 334)

Regulationskrise

Der Begriff der Regulationskrise nach Bohle umfasst im Kern zwei Problemlagen, denen die Annahme Durkheims zu Grunde liegt, dass gesellschaftliche Regeln zwei Voraussetzungen erfüllen müssten:

„Die Regeln erfordern Achtung und positive Ausstrahlung, aber gleichzeitig haben sie auch den Charakter einer Pflicht und sind im Falle des Abweichens durch Sanktionen zu stützen.“ (Bohle et al 1997: 47)

Moralische Werte und gesellschaftliche Normen müssen demzufolge sowohl motivierend wirken als auch eine disziplinierende Funktion ausüben. Darüber hinaus müsse im Falle des Abweichens von allgemeinen Normen eine Sanktionierung gewährleistet sein. Aus dieser Grundannahme seien zwei Defizite gesellschaftlicher Regulation denkbar.

Eine zu starke Betonung nur einzelner Werte bzw. Wertmuster stellt dabei das erste Defizit dar, da dies zu einer mangelnder Disziplinierung führen könne. Dieses Defizit bezieht sich folglich auf die motivierende Wirkung sozialer Re-geln. Würden einzelne Werte zu stark betont und soziokulturell prämiert, so un-terminiere dies die gesellschaftliche Regulierung der menschlichen Antriebskräfte.

Das zweite Defizit bezieht sich explizit auf den Bereich der Sanktionierung ab-weichenden Verhaltens. So führe eine mangelnde bzw. mangelhafte gesell-schaftliche Durchsetzung der Einhaltung der eigenen Normen zu einemVertrauensverlust der Gesellschaft in die eigenen Regeln, was wiederum einerhöhtes Anomierisiko nach sich ziehe.

Bohle betont dabei, dass die Regulationskrise nicht gleichbedeutend sei mit dem bloßen Abweichen von starren Normen, sondern dass entscheidendes Merkmal für die Regulationskrise sei, dass es an wirksamen und hinreichenden sozialen Regulationsmodi fehle. Gerade in Zeiten des rasanten sozialen Wan-dels gelten die stetige Disposition, Reflexion und Modifikation von Normen als Ideal und so können sich soziale Regeln ändern (vgl. Bohle et al 1997: 48) -vielleicht müssen sie dies sogar, um sich den geänderten Verhältnissen anzupassen.

„Anomie tritt erst dann ein, wenn der Vorgang sozialer Regulation zusammenbricht bzw. zu Ergebnissen führt, die von Teilen der Beteiligten auf Dauer nicht hingenommen werden können.“ (Bohle et al 1997: 48)

Voraussetzung für die soziale Regulation und für Sanktionen bei Abweichen von sozialen Normen ist dabei das Vorhandensein allgemeiner sozialer Nor-men. Für diese notwendige Voraussetzung stelle der kulturelle Pluralismus ein strukturelles Hindernis dar. Hier habe jede Gruppe eigene „Normalitätsstan-dards“, so dass sich keine allgemeinen Regeln durchsetzen könnten (vgl. Bohle et al: 47f).

Wo lassen sich für das Feld Schule solche Merkmale ausmachen bzw. an welcher Stelle lassen sich Strukturen an Schulen allgemein ausmachen, die den Merkmalen der Regulationskrise entsprechen?

Holtappels und Hornberg befassen sich in ihrer Arbeit zu den anomischen Strukturen an Schulen ausschließlich mit einem der beiden vorgestellten Defizi-te der Regulationskrise, nämlich der einseitigen, zu starken Betonung einzelner Werte an Schulen in einem speziellen Fall: der einseitigen Betonung von Unter-ordnung und Pflichterfüllung. Diese einseitige Betrachtung lässt sich darauf zu-rückführen, dass Holtappels und Hornberg sich in ihrer Darstellung der anomischen Strukturen an den drei von Durkheim vorgestellten Arten des Selbstmords orientieren. Während dabei die Einordnung der am egoistischen Selbstmord angelehnten „sozialen Desintegration“ in den Bereich der Kohäsi-onskrise und die Einordnung der am anomischen Selbstmord orientierten „Ziel-Mittel-Diskrepanz“ in die von Bohle beschriebene Komponente der Strukturkrise eindeutig ist, ist die Einordnung der am altruistischen Selbstmord angelehnten „Restriktiven Konformitätszwänge“ weniger eindeutig möglich. Zugleich habenHoltappels und Hornberg sich nicht mit den sich aus der Regulationskrise erge- benden Frage nach möglichen Sanktionen und der allgemeinen Frage nach der Durchsetzung sozialer Normen an Schulen befasst.

Unter dem Begriff der restriktiven Konformitätszwänge verstehen Holtappels und Hornberg, wie beschrieben, die einseitige Betonung von Unterordnung und Pflichterfüllung. Diese sei besonders an Schulen zu finden, die autoritäre bzw. unterdrückende Züge aufweisen, etwa in diktatorischen Systemen. Sie erwei-tern jedoch den Ansatz Durkheims um die Merkmale der restriktiven Konformi-tätszwänge sowie Standardisierung, so dass sich auch an Schulen in der heutigen Bundesrepublik anomische Strukturen finden lassen. Dazu gehörten nach Holtappels und Hornberg uniforme Leistungsanforderungen und -inhalte, die die unterschiedlichen Voraussetzungen der SchülerInnen nicht berücksich-tigten. Auch gleichartige Lernformen und Lernbedingungen, die sich etwa in Materialwahl und Zeit zeigten, sowie einförmige Leistungsbewertungsstandards zählen Holtappels und Hornberg dazu.

Die einseitige Betonung des Kollektivs könne in zweierlei Hinsicht die Identitätsbalance stören und Krisen hervorrufen:

„Einerseits kommen unter repressiven Strukturen weder individuelle Interes-sen und Bedürfnisse zum Tragen, noch der Wunsch nach Darstellung und Bewahrung der Einzigartigkeit der Persönlichkeit; Frustrationserlebnisse und Identitätskrisen können zu devianzförmigen Handlungen führen. Anderer-seits steigen mit den restriktiven Konformitätsanforderungen die Wahr-scheinlichkeit von Normübertretungen sowie das Aufkommen psychosozialer Stress- und Spannungssituationen.“ (Holtappels u. Hornberg 1997: 336)

Je restriktiver Normen sind, umso wahrscheinlicher sei, dass sie übertreten werden. Bei strikten Normen, die kein (auch noch so geringes) Abweichen zu-lassen und sich auf den gesamten Schulalltag erstrecken, steige gleichzeitig die Anforderung an das Individuum, sich ständig vor (vielleicht auch unbedachten) Normübertretungen vorzusehen. Dies führe unweigerlich zu Stress. Gleichzeitig sind SchülerInnen in der Darstellung ihrer Persönlichkeit zumindest einge-schränkt, was besonders im Jugendalter vermutlich eine große Rolle spielen dürfte, da in diesem Alter die ständige Suche nach der eigenen Identität von Bedeutung ist. Können sie in diesem Alter ihre Persönlichkeit nicht finden und darstellen, da die durch die Strukturen bedingten legitimen Mittel dies nicht zu-lassen, so werden SchülerInnen vermutlich Normen übertreten.

Holtappels und Hornberg betonen besonders die Schwierigkeiten für SchülerIn- nen ethnischer Minderheiten. So könne der Druck zur Anpassung an kulturelle Normen, der sowohl von MitschülerInnen als auch von Lehrenden ausgeübt werde, übermächtig werden. Der Zwang zur Anpassung könne auch von der Schule direkt ausgeübt werden, etwa, wenn die Minderheitensprache(n) auf dem Schulhof verboten sei:

„Ein […] Beispiel ist der von der Institution Schule ausgehende Zwang zur Anpassung an die Sprache der aufnehmenden Gesellschaft bei gänzlicher Ausblendung der Minoritätensprache bzw. sogar des Verbots, sich ihrer ininformellen Gesprächen zu bedienen. (Holtappels u. Hornberg 1997: 336)

Auch ethnozentrisch konzipierte Lehrmaterialien erschwerten einem Teil der Schülerschaft die Identifikation mit den Unterrichtsthemen und -inhalten, z.B.

„[…] wenn es dem einzelnen ungeachtet seines ethnischen und /oder kulturellen Hintergrundes verwehrt wird, seine Sicht historischer Entwicklungen oder gesellschaftlicher Ereignisse in den Unterricht einzubringen […].“ (Holtappels u. Hornberg 1997: 336)

Gleiches gelte, wenn es nicht erlaubt sei, den Unterrichtsstoff zu kritisieren oder sogar zu korrigieren.

Das Problem der einseitigen Betonung einzelner Werte kann folglich auch an Schulen gegeben sein. Besonders schwierig scheint die Lage zu sein, wenn eine besonders heterogene Gruppe von SchülerInnen, etwa durch verschiedene ethnische Minderheiten, einem hohen Konformitätsdruck ausgesetzt wird, etwa durch die Unterrichtsgestaltung oder aber auch durch ein Verbot der Minderheitensprache in der Schule / auf dem Schulhof.

Doch welche Rolle spielt die Durchsetzung der Normen in der Schule? Dabei sind zwei Aspekte von besonderer Bedeutung: Gibt es geeignete Instrumente zur Sanktionierung abweichenden Verhaltens in Schulen, und wenn es sie gibt, werden sie in ausreichendem Maße angewendet? Fragen, die die Schule betreffen, fallen überwiegend in die Entscheidungskompetenzen der einzelnen Bundesländer. Das „Instrumentarium pädagogischen Handelns“ (Heck u. Tschampa 1976: 13) und damit die offiziellen Sanktionsmöglichkeiten für den Fall abweichenden Verhaltens finden sich dabei in den von den einzelnen Län-dern festgeschriebenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Dies bedeutet auch, dass die vorgesehen Maßnahmen nach Bundesländern differieren. Hier soll jedoch nicht auf die vorgesehenen Maßnahmen der einzelnen Länder ein-gegangen werden, sondern ein grober Überblick über die im Prinzip möglichen Maßnahmen gegeben werden, ohne auf die konkrete Ausgestaltung in den ein-zelnen Ländern einzugehen. Im Wesentlichen jedoch werden Erziehungs- undOrdnungsmaßnahmen nach der Schwere der Vergehen unterschieden. Scheitern durch die einzelne Lehrkraft angeordnete Erziehungsmaßnahmen wie etwa das Führen eines klärenden Gesprächs, das Hinwirken des Lehrers / der Lehrerin auf eine Entschuldigung oder die Übernahme von Hilfsleistungen30, so gibt es folgende Möglichkeiten des Einwirkens, die jedoch nicht in jedem Bundesland gegeben sein müssen bzw. dort in unterschiedlicher Rangfolge und Ausprägung ergriffen werden können:

- Tadel
- Nacharbeit unter der Aufsicht eines Lehrers
- Missbilligung mit Vermerk in der Schulakte
- Ausschluss von (besonderen) Klassen- und / oder Schulveranstaltungen
- (mündlicher oder schriftlicher) Verweis / Androhung des Ausschlussesvom Unterricht
- Ermahnung mit dem Hinweis auf die mögliche Versetzung in einer Paral- lelklasse
- Ausschluss für einen begrenzten Zeitraum
- Versetzung in eine Parallelklasse
- Androhung der Entlassung / des Ausschlusses aus der Schule
- Entlassung / Ausschluss aus der Schule
- Ausschluss aus allen Schulen derselben Schulart
- Ausschluss aus allen Schulen des Schulortes
- Ausschluss aus allen Schulen des Landes31

Je nach den Auswirkungen, die eine angestrebte Maßnahme auf das weitere Leben des Schülers / der Schülerin hat, sind unterschiedliche Organe mit der Beschlussfassung betraut.32 So können bestimmte Maßnahmen durch einzelne LehrerInnen verhängt werden, andere durch die Klassenkonferenz, die Lehrer-konferenz oder die Gesamtkonferenz. Besonders schwerwiegende Maßnahmen wie der Ausschluss von einzelnen oder mehreren Schulen können in einigen Bundesländern nur mit Zustimmung der zuständigen Schulbehörde bzw. desKultusministeriums beschlossen werden (vgl. Heck u. Tschampa 1976: 16-44;Schulgesetze der Länder33).

Bei Betrachtung der möglichen Maßnahmen zeigt sich, dass Maßnahmen für die Sanktionierung abweichenden Verhaltens existieren - und dass diese Maßnahmen je nach Schwere des Abweichens ergriffen werden können.

„Offen sanktioniert werden von diesem Status quo abweichende milieube-dingte Ausdrucksformen in der Regel dann nicht, wenn sie den reibungslo-sen Ablauf des Schulalltags nicht stören.“ (Holtappels u. Hornberg 1997: 336)

Obwohl es also für jede Form des abweichenden Verhaltens passende Maß-nahmen gibt, würden in der Regel erst dann Maßnahmen ergriffen, wenn durch abweichendes Verhalten der Schulalltag gestört wird. Die Frage ist, in welchem Moment, also bei welchem Grad der Abweichung, der reibungslose Ablauf des Schulalltags gestört wird. Sicher sind die Grenzen im laufenden Unterricht en-ger gesetzt, als es in den Schulpausen auf dem Schulhof der Fall ist - zumal hier die Kontrollmöglichkeit aufgrund mangelnder Übersichtlichkeit für LehrerIn-nen geringer einzuschätzen ist. Auch wird die Grenze von Schule zu Schule un-terschiedlich verlaufen. An dieser Stelle können wir - und wollen wir auch -nicht zeigen, wo diese Grenzen liegen und wo sie liegen müssten. Wir werden lediglich darauf hinweisen, welche Einflussfaktoren es auf den Moment, an dem sanktionierend durch LehrerInnen eingeschritten wird, gibt bzw. geben könnte. Sicher spielt dabei eine Rolle, wie sehr eine Schule und damit der Lehrkörper für das Thema von der Norm abweichendes Verhalten und die daraus resultie-renden Probleme (Gewalt, Kriminalität, Drogenkonsum) sensibilisiert ist. Lehre-rInnen, die bereits erlebt haben, wie aus „kleineren Abweichungen“ (etwa drohende Posen, Androhungen von Gewalt) tatsächliche Probleme (Schläge-reien mit Verletzten) resultierten, werden vermutlich eher einschreiten, als jene, die eine solche Eskalation der Situation nicht kennen und damit vielleicht auch nicht erwarten. Umgekehrt kann es vermutlich jedoch auch zu Resignation bei LehrerInnen kommen, wenn zu häufig eingeschritten werden muss. Dies hängt wiederum auch mit dem Engagement des einzelnen Lehrers / der einzelnen Lehrerin zusammen. Unabhängig von den LehrerInnen einer Schule sind auch die SchülerInnen ein wichtiger Einflussfaktor bei der Frage, ab welchem Mo-ment ein abweichendes Verhalten nicht mehr hingenommen und sanktioniert

[...]


1 diese Aufzählung ist keinesfalls vollständig. Sie soll vielmehr einen kurzen Eindruck der Qualität der Gewalttaten vermitteln.

2 im folgenden „Komponenten sozialer Anomie“

3 im folgenden zur besseren Lesbarkeit im Lauftext nur noch als Bohle bezeichnet

4 im folgenden zur besseren Lesbarkeit im Lauftext nur noch als Heitmeyer bezeichnet

5 leicht verändert auf: http://www.lisum.brandenburg.de/toleranz/erklaeren/1erklaer.html#oben5.10.2006

6 dem Bielefelder Erziehungswissenschaftler

7in der allgemeinen sowie in der fachspezifischen Debatte werden die Begriffe „Gewalt“ und„Aggression“ meist als gleichwertige Begriffe benutzt; in der Regel wird aber der Begriff Gewalt als Hauptbegriff gewählt. Geht man allerdings von der langjährigen wissenschaftlichen Tradition aus, verhält es sich genau umgekehrt, d.h. der Aggressionsbegriff war zunächst der übergeord-nete Begriff. Ausgehend von dieser Tradition wird unter Gewalt besonders extreme, insbeson-dere körperliche Gewalt als eine Teilmenge von Aggression verstanden (vgl. Kaiser et al 1993: 177)

8Mobbiisierung leitet sich ab von engl. to mob=jemanden drängen, anpöbeln, über jemanden herfallen, sich zusammenrotten.

9 allerdings bewerten Mädchen unabhängig von ihren Bildungsniveau physische Gewalt durchweg negativ

10 aus dem griechischen: Gesetzlosigkeit. Unter Anomie wird im allgemeinen ein Zustand von Gesetzlosigkeit, Regellosigkeit, mangelnder sozialer Ordnung und des Zusammenbruchs kultureller Ordnung bzw. mangelhafter gesellschaftlicher Integration begriffen (vgl. Endruweit, Trommsdorff 2002: 17f)

11 die Gesamtheit der den Durchschnittsmitgliedern einer Gesellschaft gemeinsamen Überzeugungen und Gefühle. Das Kollektivbewusstsein ist in den einzelnen Gesellschaften verschieden stark verbreitet und wirksam (vgl. Durkheim 1988: 162ff).

12 Durkheims Verständnis einer segmentären Gesellschaft : „Wir bezeichnen als Klan eine Horde, die nicht länger unabhängig ist, um statt dessen zum Element einer erweiterten Gruppe zu werden, und nennen segmentäre Gesellschaften auf der Grundlage von Klanen jene Völker, die aus der Assoziation zwischen Klanen gebildet sind." (Durkheim 1988: 230)

13 Solidarité par similitude

14 die Arbeitsteilung, die Durkheim zu erfassen und zu definieren versucht, ist allerdings nicht mit der wirtschaftlichen Arbeitsteilung identisch

15 Orginalausgabe Le suicid 1897

16 Selbstmord für die Gesellschaft

17 Selbstmord gegen die Gesellschaft

18 abgelehnt werden von ihm:
- die politische Gesellschaft aufgrund der Ferne zu jedem Einzelnen
- die Kirche, da die Einschränkung der Gedankenfreiheit die Grundlage für die Eindämmung des Selbstmordes wäre, diese aber nicht mehr zurückgedrängt werden kann
- die Familie, da die Auflösung der Großfamilien und der Dauerhaftigkeit der Familienbande die Schutzwirkung erodieren lassen. Der Grund hierfür ist die wirtschaftliche Entwicklung, die dazu führt, dass die soziale und räumliche Mobilität stark ansteigt (vgl. Durkheim 1983:
443ff; Durkheim 1988: 245f und 338f).

19 1938

20 er bezieht sich ausschließlich auf die amerikanische Bevölkerung

21 Erfolg ist ein in der amerikanischen Gesellschaft auftretendes dominantes Motiv und fest inder amerikanischen Kultur verankert. Diese Werte werden dem Individuum in der Familie, in der Schule, im Job und in den Medien vermittelt.

22 [Geistes]haltung, die [stets] um Anpassung bemüht ist (an bestehende soziale, politische und andere Verhältnisse)

23 es handelt nicht um eine empirische Häufigkeitsverteilung, sondern lediglich um eine Darstellung von Typologien vorstellbarer Möglichkeiten zur Einstellung zu den kulturellen Zielen

24 ausführlich siehe Lamnek

25 Anomia

26 regulierende Normen

27 bedeutet, dass auch Personen, die ein Sozialprestige und ein hohes legales Einkommen besitzen, die illegale Bereicherung für sich nicht ausschließen, wenn dadurch eine hohe Gewinnmöglichkeit gegeben ist und gleichzeitig die Gefahr vor einer Entdeckung sehr gering ist. Insbesondere kommt dieses in Ausübung des Berufes vor (vgl. Kaiser 1993: 73f).

28 in der amerikanischen Gesellschaft steht das Erfolgsmotiv „streben nach Reichtum“ im Mittel-punkt

29 oder in den sechziger und siebziger Jahren der sogenannten „Auffangklassen“

30 z.B. in Form von Kompensationsarbeit

31 die Entlassung aus der Schule insbesondere ohne die Möglichkeit, an einer anderen Schule den Abschluss zu erlangen, ist erst nach Beendigung der Schulpflicht vorgesehen.

32 auch in den verschiedenen Bundesländern sind die Kompetenzen unterschiedlich verteilt.

33 die Schulgesetze einzelner Länder finden sich auf der beigelegten CD mit den verwendeten Internetmaterialien

Ende der Leseprobe aus 150 Seiten

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Titel
Gewalt an Schulen. Ursachen und Auswege am Beispiel aktueller Ereignisse: Rütli-Schule
Hochschule
Universität Hamburg  (Department Sozialwissenschaften)
Note
1,7
Autoren
Jahr
2007
Seiten
150
Katalognummer
V80914
ISBN (eBook)
9783638823593
ISBN (Buch)
9783638824972
Dateigröße
1083 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewalt, Schulen, Ursachen, Auswege, Beispiel, Ereignisse
Arbeit zitieren
Björn Pamperien (Autor:in)Jessica Bleifuß (Autor:in), 2007, Gewalt an Schulen. Ursachen und Auswege am Beispiel aktueller Ereignisse: Rütli-Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80914

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