Lebensqualität anstatt Wohlstand - soziale Indikatoren


Hausarbeit, 2005

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definition zum Konzept der Lebensqualität
2.1 Ansätze und Konzepte der Lebensqualität-Forschung
2.2 Messung von Lebensqualität

3 Wohlstand, Wohlergehen und neue Konzepte
3.1 Kritik an neuen Wohlfahrtskonzepten

4 Der Lebensstandardbegriff

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

In der Wirtschafts- und Sozialpolitik steht der Wohlfahrtsbegriff für das Erreichen aller Ziele, der den Fortschritt einer Gesellschaft wiedergibt, die in Wohlfahrtskonzepten zum Ausdruck kommen.

Im Vordergrund der Forschung steht die Intention, Kriterien für das „gute Leben“ oder auch die „good society“ zu identifizieren, wie sie auf politischer Ebene diskutiert werden. Ziel ist es, die realen Lebensver-hältnisse im Rahmen von „Soll-Ist-Vergleichen“ zu messen und Verände-rungen des sozialen Wandels, die sich für die Gesellschaftsmitglieder ins-gesamt oder für einzelne Teilgruppen ergeben, im Zeitverlauf festzu-stellen. (vgl. Noll 2000:1).

Wohlfahrtskonzepte beinhalten unterschiedliche Bestandteile, die sich in ihren jeweiligen Aussagen unterscheiden. Die materielle Dimension der Wohlfahrt umfasst die Begriffe Wohlstand, als auch Lebensstandard und meint die Verfügung über Einkommen und Vermögen, den Besitz und den Konsum von Gütern und Dienstleistungen. Wohlbefinden ist eine Wohlfahrtinterpretation, die das Individuum mit seinen Wahrnehmungen, kognitiven Bewertungen und Gefühlszuständen in den Mittelpunkt rückt. Lebensqualität steht dazu als multidimensionales Konzept, das die objek-tiven wie subjektiven Wohlfahrtskomponenten gleichzeitig erfasst, indem das „besser“ gegenüber dem „mehr“ betont wird. Demnach hat Wohlfahrt eine objektive und subjektive Dimension. Der Lebensstandard (level of living) bezieht sich primär auf die materiellen Bedürfnisse (having) und unterscheidet sich von der Lebensqualität durch die Einbeziehung der Bedürfnisse nach Zugehörigkeit (loving) und Selbstverwirklichung (being).

Aus Sicht der Neoklassik wird Wohlstand als individuell vorhandene Geldmenge bzw. Einkommen definiert. Die Unternehmen stellen durch die Produktion Güter zur Verfügung, die die Haushalte mit ihrem Einkommen erwerben können, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Doch nicht alle Bedürfnisse lassen sich befriedigen, da die materiellen Güter knapp sind. Als Maß der Bedürfnisbefriedigung steht der Begriff des Nutzens. Die Nutzenfunktion ist die Wiedergabe einer Präferenzordnung, indem jedes einzelne Individuum den Nutzenwert des jeweiligen Gutes oder mehrerer Güter für sich bewertet. Diese Theorie ist kritisch zu be-trachten, da sie unvollständig ist. Die Grenznutzentheorie besagt, dass der Nutzen einer zusätzlichen Gütereinheit mit zunehmender Sättigung sinkt. Auch wenn die Bedürfnisbefriedigung, im Rahmen von Grundbedürf-nissen, den Menschen ein erfülltes Leben garantiert, ist zu überlegen, das Wohlstandszuwachs durch Befriedigung aber auch durch Verringerung gegeben ist. So beinhalten Wohlfahrtskonzepte auch qualitative Komponenten.

2 Definition zum Konzept der Lebensqualität

Das Konzept der Lebensqualität ist ein modernes Wohlfahrtskonzept aus den späten 60er Jahren. Den Anstoß der Lebensqualität-Debatte gab der damalige amerikanische Präsident Johnson in seinem Programm „Great society“. Ein internationaler Kongress über die Lebensqualität, der sich mit diesem Thema beschäftigte, wurde erstmalig 1972 in der Bundes-republik von der IG Metall veranstaltet und von der SPD in ihrem Programm während des Bundestagswahlkampfes im gleichen Jahr vorge-stellt (vgl.ebd.: 4). Hintergrund für diese neue Debatte war die zuneh-mende Erkenntnis, dass das Wachstum des Bruttosozialproduktes, als Maßstab gesellschaftlicher Entwicklung und Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft, mit der Lebensqualität der Individuen in einer Gesellschaft nicht gleichzusetzen ist. Immer offensichtlicher wurden die sozialen und ökologischen Kosten und die damit verbundene „öffentliche Armut“, als Kehrseite privaten Reichtums. Durch die Wachstumskosten und den erst-mals ernsthaft betonten Grenznutzen des Wachstums wurde ein Perspektivwechsel in der gesellschaftspo­litischen Zieldiskussion bewirkt. Das Konzept der Lebensqualität entstand in dieser Zeit als Alternative zu den mittlerweile fragwürdig gewordenen Wohlstandsbegriff und lieferte der Gesellschaftspolitik mithin eine neue Zielformel, die wesentlich umfangreicher war. Die zeitgleich aufkommende Sozialindikatoren-forschung hatte die Aufgabe das Konzept der Lebensqualität zu operatio-nalisieren und zu quantifizieren (vgl.ebd.: 6).

Im wissenschaftlichen Bereich wurden verschiedene Definitionsansätze zum Konzept der „Lebensqualität“ diskutiert. Allen Definitionsversuchen ist gemeinsam, dass sich die Lebensqualität vom Lebensstandard unterscheidet und dass sich Wohlstand nicht auf die Versorgung von Gütern und Dienstleistungen reduzieren lässt. Manche sehen in der Lebensqualität die inhaltlichen Annehmlichkeiten des Lebensstandards, die aber auch darüber hinaus weist und somit als eine Erweiterung des herkömmlichen Wohlstands­kon­zeptes – z.B. um Chancengleichheit, Einkommensgerechtigkeit, Selbstverwirkli­chung und Solidarität – verstanden wird. Andere wiederum sehen die Lebensqualität stärker im Widerspruch zum Lebensstandard und rücken die wohlstandskritischen Elemente, wie Wachstumsgrenzen, Bedrohung der ökologischen Existenzgrundlagen und die Überflussgesellschaft, mehr in den Mittelpunkt. Diese unterschiedliche Sichtweise von Lebensqualität führte zu unterschiedlichen Fragestellungen, die auf theoretischer Ebene unbeantwortet blieben und eine angemessene Operationalisierung und Messung der Lebensqualität erschwerten (vgl.ebd.: 8).

2.1 Ansätze und Konzepte der Lebensqualität-Forschung

In dem Anliegen der Wohlfahrtsforschung das Lebensqualität-Konzept zu operationa­lisieren und empirisch zu messen, lassen sich zwei grundlegende Ansätze unterscheiden:

In der skandinavisch-schwedischen Perspektive ist Wohlfahrt gleichbedeutend mit individueller Lebensqualität und wird im Rahmen des „level of living-approach“ über ein Ressourcenkonzept definiert als „individuelle Teilhabe, unter Festsetzung gegebener mobiler Existenzgrundlagen, mit denen Individuen ihre Lebensbedingungen kontrollieren und bewusst lenken können“. Das einzelne Individuum wird als aktiver, kreativer und autonomer Bestimmer seiner eigenen Ziele gesehen, seine individuellen Ressourcen sind Mittel zum Zweck. Zu den individuellen Ressourcen zählt das Einkommen und Vermögen, aber auch Bildung, soziale Beziehungen und eine physische sowie psychische Fähigkeit, die eine Gestaltung der individuellen Lebensverhältnisse nach eigenen Bedürfnissen ermöglichen. Aspekte der Lebensbedingungen, die sich seiner Kontrolle entziehen sind Determinanten, wie natürliche Umwelt, Gesundheit, oder die Infrastrukturanpassung. Marktkonstella-tionen, wie auf dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt, bestimmen den Wert der individuellen Ressourcen. Somit sind die individuellen Lebensbe-dingungen abhängig von den Umständen der Gesellschaft in dem das Individuum lebt. „Die Ressourcenkombination und die Determinanten bestimmen die individuellen Konditionen. Dies in Verbindung mit seinem individuellen Streben bestimmt sein Wohlbefinden“ (vgl.ebd.: 9).

Die Operationalisierung der Lebensqualität erfolgt hauptsächlich über objektive Indikatoren. Eines der Erhebungskonzepte ist der „level of living survey“.

Der zweite grundlegende Ansatz ist die amerikanische „quality of Life“-Forschung, deren Entstehungshintergrund in der Sozialpsychologie und der „mental health“-Forschung liegt. Subjektive Wahrnehmungs- und Bewertungsprozesse bei gesellschaftlichen Veränderungen stehen hier im Vordergrund. Individuelles Wohlbefinden als zentrales Ziel liefert Aussagen über die Lebensqualität, an der die Entwicklung der Gesellschaft gemessen werden kann. Im Rahmen der Maslowschen Bedürfnistheorie spielt die Zunahme immaterieller Komponenten bei der Bestimmung der Wohlfahrt und Lebensqualität eine wichtige Rolle. Die Operationalisierung der Lebensqualität erfolgt daher über subjektive Indikatoren, wie Zufriedenheit, Glück und andere Maße subjektiven Wohlbefindens. Empirische Studien der 70er und 80er Jahre dazu sind unter anderem der „Quality of American Life“ oder der „Americans Perception of Life Quality“.

Als Synthese beider Ansätze sind zwei weitere zu nennen: Der finnische Soziologe Erik Allardt (1973;1993) kritisierte die skandinavisch-schwedische Perspektive als zu eng und entwarf ein breiteres Konzept von Lebensqualität, das sich in drei Kategorien von Grundbedürfnissen unterscheidet. Unter der Kategorie Having fasst Allardt alle Aspekte des Wohlstands bzw. die materiellen Dimensionen des Lebensstandards zusammen. Dazu gehören ökonomische Ressourcen, Wohnbedingungen, Beschäftigung, Arbeitsbedingungen, Gesundheit, Bildung und Umwelt-verhältnisse.

Unter der Kategorie Loving fallen alle Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und sozialen Kontakten, wie z.B. Nachbarschaft, Familie und Verwandt-schaft, Freundschafts­beziehungen, Kontakte am Arbeitsplatz sowie Aktivitäten und Beziehungen in Vereinen. Die Kategorie Being beinhaltet Optionen, Beteiligung und Selbstverwirk-lichung. Dazu gehören politische Aktivitäten, Einfluss- und Entschei-dungsmöglichkeiten sowie Möglichkeiten zu sinnvoller Arbeit und Freizeitbetätigung.

Die Operationalisierung der Lebensqualität über objektive wie subjektive Indikatoren der Bedürfnisbefriedigung führt nach Allardt über alle drei Kategorien hinweg (vgl. ebd.: 10).

Auch in der deutschen Wohlfahrtsforschung wird Wohlfahrt und Lebensqualität in der Synthese von objektiven Lebensbedingungen und subjektiven Wohlbefinden verstanden und wurde durch die Sozial-forschung von Allardt beeinflusst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Als Well-Being bezeichnet wird das erstrebenswerte Zusammentreffen von guten objektiven Lebensbedingungen und subjektiven Wohlbefinden und entspricht damit der OECD Terminologie. Hingegen objektiv schlechte Lebensbedingungen können ein subjektives Wohlbefinden nicht ermöglichen, dies entspricht der Konstellation der Deprivation. Zwei Ausnahmen dazu bilden die Konstellationen Dissonanz und Adaptation. In der Dissonanz, oder auch Unzufriedenheitsdilemma, sind die Individuen trotz guter Lebensbedingungen Opfer ihrer eigenen unrealis-tischen Erwartungshaltungen oder Opfer fremdbestimmter Standards, welches ihr subjektives Wohlbefinden beeinträchtigt. In der Adaptation, auch als Zufriedenheitsparadoxon bezeichnet, wird trotz schlechter objektiver Lebensbedingungen das subjektive Wohlbefinden der Betrof-fenen als positiv bewertet. Das kann zum einen daran liegen, dass sie trotz ihrer Mangellage sich individuell an die objektiven Rahmen-bedingungen angepasst haben oder sie zum anderen als Herausforderung sehen.

Zielgruppe der Sozialpolitik sind die Deprivierten und Adaptierten. Die Adaptierten insofern, dass sie sich in ihre Mangelsituation einfügen und mit sozialpolitischen Maßnahmen nicht erreicht werden. Als empirische Erhebungen lassen sich der „Wohlfahrtssurvey“ und das „sozioökonomische Panel“ nennen, die Basis für weitere Studien der letzten 20 Jahre waren.

Insgesamt ist festzuhalten, dass in der empirischen Wohlfahrts- bzw. Lebensqualitäts­forschung die individuelle Wohlfahrt im Sinne von objektiven Lebensbedingungen und subjektivem Wohlbefinden bei der Operationalisierung des Konzeptes die größere Rolle gespielt hat. Die Qualität der Gesellschaft und kollektive Aspekte, wie Freiheit, Solidarität oder Schutz der natürlichen Umwelt, wurde geringere Beachtung geschenkt (vgl.ebd.:12).

2.2 Messung von Lebensqualität

Bei der Messung von Lebensqualität besteht die Schwierigkeit darin, dass subjektives Wohlbefinden nur ordinal, durch Informationsgewinnung aus Befragungen und über Rückschlüsse aus beobachteten Handlungen der Individuen, messbar ist. Diese Informationen können die Anforderungen der reinen Theorie nicht erfüllen, da die Wirtschaftssubjekte unterschied-liche Präferenzen verfolgen. Versuche über interpersonelle Wohlfahrts-vergleiche eine gesamtgesellschaftliche Wohlfahrtsfunktion zu erstellen, scheiterte an der mangelnden Vergleichbarkeit. Eine Aggregation der unterschiedlichen Nutzen- und Wohlfahrtsniveaus lässt sich nicht herstellen. Die Gewichtung der Nutzenniveaus verschiedener Individuen ist ungleich und ohne Nachhaltigkeitsbetrachtung. Doch das ist Basis einer Demokratie, eine gerechte Wohlfahrtsverteilung auf alle Gesell-schaftsmitglieder zu garantieren. Und das bezieht sich nicht nur auf die heute lebenden Generationen, sondern auch unter Einbeziehung zukünf-tiger Gesellschaftsmitglieder.

Da sich die Messung des individuellen Wohlbefindens problematisch erweist, können nur „second-best“-Lösungen erzielt werden. Die eine ist weiterhin der Versuch über Befragungen subjektive Lebensqualität zu identifizieren, die andere besteht darin, über ausgewählte Komponenten der Wohlfahrt ein Ergebnis zu erhalten, die objektiv für alle Gesell-schaftsmitglieder Gültigkeit haben (vgl. Diefenbacher 2001:175ff).

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Lebensqualität anstatt Wohlstand - soziale Indikatoren
Hochschule
Fachhochschule für Wirtschaft Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V80879
ISBN (eBook)
9783638879859
ISBN (Buch)
9783638883009
Dateigröße
477 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lebensqualität, Wohlstand, Indikatoren
Arbeit zitieren
Angelika Mennad (Autor:in), 2005, Lebensqualität anstatt Wohlstand - soziale Indikatoren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80879

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