Übersetzung von Rechtstexten


Term Paper (Advanced seminar), 2007

27 Pages, Grade: 1,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Überlegungen zu Recht und Übersetzung
2.1. Recht und Kultur
2.2. Merkmale von Rechtstexten
2.3. Translation von Recht
2.4. Interpretation
2.5. Textsorten
2.6. Merkmale der Übersetzung

3. Theoretische Überlegungen zum EU-Recht
3.1. Besonderheit des EU-Rechts
3.2. Sinn gemeinschaftsrechtlicher Texte

4. Beispiel aus der Praxis: EU- Recht in Bulgarien
4.1. Organisation der Übersetzung von EU-Rechtsakten in Bulgarien

5. Beispiel: Rechtsakte der Europäischen Union
5. 1. Aufbau eines Rechtsakts der Europäischen Union
5.2. Vergleich eines polnischen und deutschen Rechtsakts

6. Zusammenfassung

7. Quellen

1. Einleitung

Mit der zunehmenden Vernetzung der Welt und der Zusammenfassung von Rechtssystemen, wie z.B. innerhalb der Europäischen Union, wird die Übersetzung von Rechtstexten immer dringlicher. Damit sind jedoch große Schwierigkeiten verbunden, weil Rechtstexte auf Rechtsordnungen basieren, denen bei der Übersetzung größere Bedeutung zukommt, als der Sprache. Sie haben sich historisch auf unterschiedliche Weise entwickelt und verschiedene Rechtsbegriffe ausgebildet, die womöglich in einer anderen Kultur eine ganz andere Bedeutung haben können.

Zunächst wird die Übersetzung von Rechtstexten theoretisch betrachtet. Es werden Merkmale von Rechtstexten und ihrer Übersetzung vorgestellt. Dabei nehmen EU-Rechtsakte eine Sonderrolle ein, was nachfolgend erörtert und anhand der Entwicklung der Übersetzung von EU-Recht in Bulgarien veranschaulicht wird. Ein Vergleich zwischen einem deutschen und einem polnischen Rechtsakt zeigt dann Differenzen in der Verwendung von Rechtsbegriffen und Standardformeln auf.

2. Theoretische Überlegungen zu Recht und Übersetzung

2.1. Recht und Kultur

Bei Übersetzungen ist häufig am bedeutsamsten, wie man einen Text in einer anderen Sprache ausdrückt. Die Übersetzung von Rechtstexten nimmt dabei eine Sonderrolle ein, da nicht die Sprache, sondern die entsprechende Kultur mit ihrer Rechtsordnung Priorität hat.

Nach Creifelds besteht eine Rechtsordnung aus „Regeln, durch die das Verhältnis einer Gruppe von Menschen zueinander oder zu den übergeordneten Hoheitsträgern oder zwischen diesen geregelt ist.“[1] Daraus ergibt sich der Vergleich zwischen Recht und Kultur, denn auch bei der Kultur geht es um eine Gruppe von Menschen, die sich durch gemeinsame Merkmale definiert. Außerdem ist das Recht ein wesentlicher Bestandteil von Kultur, was am Zusammenspiel von Rechts- und Kulturgeschichte deutlich wird. Am häufigsten wird ein kulturelles Kollektiv durch eine gemeinsame Sprache bestimmt. Das Recht unterscheidet sich von Kultur in dem Punkt, dass es eben nicht durch sprachliche, sondern durch gesellschaftliche und politische Bedingungen bestimmt wird. Dabei ist das Recht von der jeweils verwendeten Rechtssprache unabhängig. Beispielsweise werden in der Schweiz unterschiedliche Sprachen gesprochen, aber es ist nur eine Rechtsordnung gültig. Bei der Übersetzung von Rechtstexten, die auch in der Zielsprache juristisch angewendet werden sollen, kommt es somit darauf an, dass der Text an die Rechtsordnung der Zielsprache angepasst wird.

Nach dem Rousseauschen Gesellschaftsvertrag regelt jeder Staat sein Rechtssystem unabhängig von dem anderer Staaten. Das ist der Grund für die vielen unterschiedlichen Rechtsordnungen. Diese Rechtsordnungen können aber in Rechtskreisen nach gemeinsamen Merkmalen, wie der historischen Herkunft oder einer besonderen juristischen Denkweise zusammengefasst werden. Die wichtigsten Rechtskreise sind in Europa der romanische, deutsche und nordische Rechtskreis und auf anderen Kontinenten der angloamerikanische und fernöstliche Rechtskreis, das Hindu-Recht und das islamische Recht.[2]

Zum Beispiel basiert die angloamerikanische Rechtsordnung auf dem Common Law, wonach Urteile auf der Grundlage früherer Urteile gefällt werden. Es gibt dort also umfangreiche Urteilssammlungen mit Präzedenzfällen. Die romanischen Länder und Deutschland sind dagegen vom Civil Law geprägt, wonach Urteile durch das Gesetz, das in einer Verfassung festgeschrieben ist, entschieden werden. Hier sind schon Schwierigkeiten zu erkennen, die bei der Übersetzung von Rechtstexten entstehen.

2.2. Merkmale von Rechtstexten

Auch bei der Betrachtung der Merkmale von Rechtstexten nimmt das Recht eine Sonderstellung ein. Das wichtigste Merkmal von Rechtstexten ist ihre Einbettung in die Fachkommunikation. Dabei ist Fachsprache als Gesamtheit aller sprachlichen Mittel zu verstehen, die „in einem fachlich begrenzbaren Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung zwischen den in diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten.“[3] Die Kommunikation bestimmt das Wesen von Recht, denn Regeln müssen mitgeteilt werden, damit das Rechtssubjekt weiß, woran es sich zu halten hat. Diese Kommunikation läuft im Rahmen einer bestimmten Rechtsordnung ab, welche die rechtlichen Inhalte und auch die Sprache bestimmt. Der oberste Kommunikationsrahmen ist also die Rechtsordnung. Eine spezifisch rechtliche Kommunikation zeichnet sich dadurch aus, dass sie von Rechtsexperten durchgeführt wird, dass soziale Sachverhalte im Rahmen einer Rechtsordnung geregelt werden und dies innerhalb eines institutionellen Rahmens geschieht. Es müssen aber nicht alle Merkmale gelten, sondern die wichtigste Voraussetzung für rechtliche Kommunikation ist, dass mit einem Text juristische Handlungen ausgeführt werden.[4]

Ein weiteres Merkmal von Rechtstexten ist die Transdisziplinarität, d.h., dass sich das Recht auf alle Lebensbereiche erstreckt und alle Fachgebiete durchdringt. Dies ist ein großer Unterschied zu anderen Gebieten der Fachkommunikation, wie z.B. der Kommunikation im wirtschaftlichen Bereich, die sich auf wenige Disziplinen konzentrieren und somit auch einen geringeren Fachwortschatz benötigen.

Mit dem Merkmal der Transdisziplinarität ist die Adressatenpluralität verbunden. Damit ist gemeint, dass das Recht an alle Mitglieder eines Kollektivs gerichtet ist. Jedoch setzt dies nicht automatisch eine gute Verständlichkeit der Rechtstexte voraus, denn diese können nur von Fachexperten verstanden werden. Damit sind die Adressaten in zwei Gruppen unterteilt: Zum einen wendet sich das Recht an die Juristen und zum anderen an die Rechtsbefolger. Der Unterschied zu anderen Fachsprachen ist hierbei, dass die Rechtssprache Ausdrücke verwendet, die an die Gemeinsprache angelehnt sind. Diese können aber semantisch von der allgemeinsprachlichen Bedeutung abweichen. Der Grund für diese Anknüpfung des Rechts an die Allgemeinsprache ist, dass mit ihm soziale Sachverhalte geregelt werden. Damit Rechtssicherheit gewährleistet werden kann, müssen die Begriffe aus der Alltagssprache jedoch eindeutig definiert, also in ihrer Bedeutung eingeschränkt, werden. Ansonsten könnte man diese Begriffe nach eigenen Interessen auslegen.

Gesetzestexte und Verordnungen werden auch von Rechtsbefolgern gelesen, womit die Frage verbunden ist, warum diese für den Laien nicht verständlicher formuliert werden. Ursache dafür ist, dass die primäre Funktion eines Rechtstextes nicht seine Lektüre ist, sondern dass er in einem juristischen Zusammenhang ausgelegt wird. Dies ist die Aufgabe von Experten, die in der Lage sind, Rechtstexte zu verstehen.

Rechtstexte sind mit ihrer Fachsprache an nationale Rechtssysteme gebunden, somit besteht eine Vielzahl an voneinander unabhängigen Kommunikationszusammenhängen. Dabei ist die Ähnlichkeit der Rechtssysteme davon abhängig, ob sie einer Rechtordnung oder nur einem gemeinsamen Rechtskreis angehören. Soll ein Rechtstext in eine Sprache übersetzt werden, die einem völlig anderen Rechtskreis zugeordnet ist, so kann es vorkommen, dass eine Übersetzung unmöglich ist, da die kommunikativen Zusammenhänge voneinander abweichen.

2.3. Translation von Recht

Bei der Translation von Recht handelt es sich um Rechtsvorschriften, Rechtsinhalte oder rechtliche Information, die in eine andere Sprache übertragen werden. Dabei werden rechtliche Inhalte von einer Rechtsordnung in eine andere übersetzt.

Nicht die Sprache bestimmt die Translationsstrategie, sondern die Rechtsordnung, die im Zieltext verwendet werden soll. Außerdem spielt die Kommunikationssituation eine große Rolle, denn der zu übersetzende Rechtstext ist in den Kommunikationsrahmen einer Rechtsordnung eingebettet. Somit ist es für den Übersetzer unabdingbar, dass er vor der Translation eine Übersetzungsstrategie wählt. Er kann zwischen einer dokumentarischen und einer instrumentellen Übersetzung entscheiden. Bei der dokumentarischen Übersetzung soll der ausgangssprachliche Rechtstext für den Rezipienten nur abgebildet werden. Dabei handelt es sich um Kommentare oder Lehrbücher, die Informationen über die Rechtsordnung der Ausgangssprache liefern, aber keine performative Kraft besitzen. Bei der instrumentellen Übersetzung soll der Zieltext in der Zielsprache als eigenständiges Instrument fungieren. Es geht also um performative Texte, wie Gesetze und Urteile.[5]

Diese performativen Texte müssen je nach Übersetzungsauftrag unterschiedlich übersetzt werden. Wenn es sich um ein mehrsprachiges Land, wie die Schweiz oder Kanada, handelt, so gibt es Aufträge, wo bei der Übersetzung die Rechtsordnung der Ausgangssprache beibehalten wird. Der Rezipient unterliegt dann auch der Rechtsordnung der Ausgangssprache, weil in einem Staat jeweils nur eine Rechtsordnung zulässig ist. Daneben gibt es Übersetzungsaufträge für rechtsetzende Texte, die für einen Rezipienten aus einer anderen Rechtsordnung übertragen werden. Das könnten z.B. Vertragspartner sein, die einem Vertrag einer anderen Rechtsordnung zustimmen wollen. In diesen beiden Fällen wird die Rechtsordnung der Ausgangssprache beibehalten. Es gibt noch den dritten Fall, dass bei der Übertragung des Rechtstextes die Rechtsordnung der Zielsprache verwendet wird. Das ist möglich, wenn ein Ausgangstext als Rechtsgrundlage in eine andere Rechtsordnung aufgenommen wird, wo vorher vielleicht noch eine Gesetzeslücke bestand.

Bei den Übersetzungsaufträgen muss es sich aber nicht immer um rechtsetzende Ausgangstexte handeln, die zu rechtsetzenden Texten in der Zielsprache werden. Es gibt auch Situationen, wo sich die Texttypen in Ausgangs- und Zielsprache unterscheiden. Das ist zum einen der Fall, wenn ein rechtsetzender Ausgangstext zu einem deskriptiven Text in der Zielsprache wird. Dann soll der Zieltext das Original dokumentieren. Für Rechtswissenschaftler ist es beispielsweise von Interesse, Rechtsordnungen miteinander zu vergleichen und daher benötigen sie Informationen über den Umgang mit Recht in anderen Ländern. Auch der umgekehrte Fall ist möglich, wenn ein deskriptiver Ausgangstext zu einem rechtsetzenden Zieltext in der anderen Rechtsordnung wird.

Wird eine Übersetzung angefertigt, bei der es notwendig ist, eine andere Rechtsordnung zu verwenden, stellt dies sehr hohe Anforderungen an den Übersetzer. Er muss über Kenntnisse der Ausgangs- und Zielrechtsordnungen verfügen, weshalb man die Übersetzung von Rechtstexten meist Juristen überlässt. Hier wird noch einmal deutlich, dass die Rechtsordnung Priorität vor der Sprache hat. Soll der Zieltext ein rechtsetzender Zieltext sein, so muss die Rechtssicherheit bei der Translation gewahrt bleiben. Damit übernimmt der Übersetzer eine große Verantwortung. Außerdem muss sein translatorisches Handeln transparent sein, d.h. der Auftraggeber muss die Entscheidungen des Übersetzers nachvollziehen können. Dies kann durch Anmerkungen außerhalb des Textes geschehen.

2.4. Interpretation

Rechtstexte erfüllen als Bestandteile rechtlichen Handelns bestimmte Funktionen. Diese werden von Fachexperten durch Interpretation erschlossen. Erst durch die von Juristen ausgeführte Interpretation kommt dem Text eine Bedeutung zu, die dann zur Urteilsentscheidung herangezogen wird. Der Übersetzer von Rechtstexten muss also zunächst den Ausgangstext verstehen und auslegen, ehe er ihn in der Zielsprache mitteilen kann, wobei auch der Übersetzungsprozess stark durch die Interpretation des Übersetzers beeinflusst wird, wenn beispielsweise Begriffe übertragen werden müssen, die in der anderen Sprache nicht existieren. Je nach Rechtsordnung unterscheiden sich dabei die Auslegungsmethoden. Zwar besteht auch die Möglichkeit, die sprachlichen Äußerungen eines Textes in unreflektierter Art und Weise zu verstehen und „wortwörtlich“ in einer anderen Sprache wiederzugeben, aber für Sandrini gehört zur Übersetzung von Rechtstexten ihre vorherige Auslegung.[6]

Interpretiert werden müssen vor allem die Rechtsbegriffe, die die Hauptinformationsträger eines Rechtstextes sind und die die Inhalte einer Rechtsordnung repräsentieren.

Aus diesem Grund ist es kaum möglich, Rechtsbegriffe unterschiedlicher Rechtsordnungen gleichzusetzen, da sich ihre Bedeutungen erheblich unterscheiden können. Es ist nur möglich, sie inhaltlich zu vergleichen und umschreibende Äquivalente in der anderen Sprache zu finden. Sandrini fordert deshalb neue Fachwörterbücher, die nicht mehr Begriffe nur gleichsetzen, sondern Informationen darüber geben, wie die Begriffe in den einzelnen Rechtsordnungen verwendet werden.[7]

[...]


[1] siehe Sandrini, P. (1999), S. 9.

[2] ebenda, S. 10.

[3] ebenda, S. 12.

[4] ebenda, S. 11.

[5] ebenda, S. 16

[6] ebenda, S. 29.

[7] ebenda, S. 31.

Excerpt out of 27 pages

Details

Title
Übersetzung von Rechtstexten
College
Dresden Technical University  (Institut für Slavistik)
Course
Recht und Sprache
Grade
1,0
Author
Year
2007
Pages
27
Catalog Number
V80869
ISBN (eBook)
9783638879804
File size
647 KB
Language
German
Keywords
Rechtstexten, Recht, Sprache
Quote paper
Katharina Veit (Author), 2007, Übersetzung von Rechtstexten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80869

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