Analyse des Aufsatzes "Kann Erziehungswissenschaft zur Begründung pädagogischer Zielsetzungen beitragen?" von W. Klafki


Seminararbeit, 2006

14 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Diese Arbeit entspricht einer schriftlichen Ausarbeitung des Referats, das am 14. Juni 2006 im Rahmen des fortgeschrittenen Seminars der ethisch-philosophischen Grundlagen zum Thema Ethik und Pädagogik gehalten wurde. Das behandelte Thema des Referats trug den Titel Kann Er­ziehungs­wissenschaft zur Begründung pädagogischer Zielsetzung beitragen?, wobei die Frage gleich­zeitig die Überschrift eines Textausschnitts von Wolfgang Klafki aus dem Jahre 1989 dar­stellt und die Bearbeitungsgrundlage für dieses Referat bildete.

Dementsprechend wird diese Arbeit zunächst den Aufsatz, anlehnend an das gehaltene Referat, mit den wichtigsten Aussagen des Textes in eigenen Worten sowie mit eigenen passenden Beispielen und Erläuterungen wiedergeben. Dieser Teil wird den Großteil der Arbeit darstellen. Die Unterüberschriften entsprechen dabei zum größtem Teil den Überschriften aus dem Text von Klafki.

Bedauerlicherweise war es im Rahmen der Veranstaltung aufgrund des Zeitmangels nicht möglich eine anschließende Diskussion an den Vortrag zu führen. Demnach kann sich diese Arbeit auf keine gemeinsame Diskussionsgrundlage stützen.

Bearbeitete Zusammenfassung des Textes über die von Wolfgang Klafki gestellte Frage, ob Erziehungswissenschaft zur Begründung päda­go­gischer Zielsetzungen beitragen könne

Klafki definiert in seiner Ausführung zunächst den Begriff der pädagogischen Ziele. Er fasst unter dem Begriff der pädagogischen Ziele alle Leitvorstellungen zusammen, die von Erzieherinnen und Erziehern, sozialen Gruppen, ganzen Kulturen und Gesellschaften, gegebenenfalls auch umfassenderen Kulturkreisen oder Staatengemeinschaften in ihrem Wirkfeld als Orientierung des pädagogischen Handelns im Hinblick auf die jeweils nachwachsenden Generationen, aber auch auf die Bildung Erwachsener formuliert werden[1]. Einstellungen, wie etwa ethisch-moralische Normen, werden durch den Lernprozess gleichermaßen vermittelt, wie Fähigkeiten durch jeweilige bewertende Leitvorstellungen bestimmt werden.

Wichtig dabei ist jedoch, dass die pädagogischen Ziele in ihrem Grundgedanken und in ihren zentralen Bestandteilen immer wieder neu zu überdenken und neu zu untersuchen sind. In dem Maße wie Kulturen und deren innewohnenden Wertungen einem Wandel der Zeit unterworfen sind, ändern sich dementsprechend die Anforderungen an bestimmte Fähigkeiten und damit auch die zu erreichenden pädagogischen Ziele beziehungsweise die formulierten Zielvorstellungen. Daher müssen pädagogische Ziele ständig reflektiert und weiterentwickelt werden. Klafki sieht darin die einzige Möglichkeit, um nicht zu sagen eine Pflicht, die bisherigen Erfahrungen und Resultate[2] produktiv zu bewahren und zugleich in neue Konstellationen bringen zu können. Die noch gültigen, aus unserer heutigen Sicht sinnvollen Zielsetzungen können übernommen werden, neue, an unsere heutige Zeit angepasste Zielvorstellungen hinzugefügt und bearbeitet werden. Aktualität und Praxisbezug der Wertsetzungen muss dabei im Auge behalten werden. Somit kann verhindert werden, dass veralteten Zielsetzungen nachgeeifert würde, moderne Zielsetzungen dagegen vernachlässigt und man an einer sinnvollen Pädagogik vorbeidiskutieren würde.

Neue Fragestellungen verwerfen die bisherigen, aus der Entwicklungsgeschichte hervorgegangenen Zielsetzungen dabei nicht zwangsläufig. Sie verändern die Zielsetzungen auch nicht immer in der radikalsten Form. Durch die ständige Reflexion findet dafür jedoch eine Kontrolle statt, die eine optimierte Zusammenfassung erstrebenswerter Ziele für die jeweilige Zeit und ihrer zugrunde liegenden Gesellschaftsstrukturen zu erreichen versucht.

Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass pädagogische Ziele keineswegs statische Werte ausdrücken, nicht universal oder „auf Ewig“ Gültigkeit besitzen, sondern einer steten Überarbeitung bedürfen. Daher wird immer ein Handlungsbedarf bestehen, um den entsprechenden Zeiten und Verhältnissen gerecht werden zu können.

Kann Wissenschaft Aussagen normativen Gehalts machen?

Die nächste Frage knüpft daran an, ob und was speziell die Erziehungswissenschaft zu (eventuell neu gestalteten) Zielsetzungen beitragen kann. Wie bereits angesprochen wurde, besteht und bestand Handlungsbedarf bei der Festsetzung von pädagogischen Zielen.

Besonders deutlich wurde dieser Handlungsbedarf in den 70er Jahren. Als prägnantestes Beispiel erwähnt Klafki den Streit zwischen den Verfechtern der Thesen aus „Mut zur Erziehung“ und deren Kritikern. Unter dem Titel „Mut zur Erziehung“ findet man eine Reihe von Thesen, den so genannten Bonner Thesen, unter anderem zur Erziehungspraxis, die eine konservative Sichtweise vertreten. Darunter fällt zum Beispiel die Forderung, dass Erzieher ihre Autorität gegenüber den Kindern geltend machen und entschiedene Postionen beziehen sollen. Kindern sollen aber, so einiger Kritikpunkte der Gegenseite, die mit Argumenten der demokratischen Ordnung argumentiert, Freiheiten zugestanden, Verantwortung übergeben und zur Selbständigkeit mit eigenen Lösungen geführt werden[3].

Vorgeworfen wird den Verfechtern der Bonner Thesen, dass sie ihre Annahmen über Tatsachen nirgends als Hypothesen kennzeichnen, sondern als gesetzte Wahrheiten darstellen[4].

Der angesprochene Streit zwischen den beiden Gruppen führte nur zu einer Formulierung von Position und Gegenposition. In einen wissenschaftlichen Diskurs mündete sie nicht, das heißt Ergebnisse in konstruktiver Form wurden nicht erreicht. Noch drastischer ausgedrückt, darf man wohl sagen, dass keine wirklich verwertbaren, durchschlagenden Ergebnisse verzeichnet werden konnten, da jede Seite nur auf ihrer Position beharrte. Ihren Sinn hat die „Diskussion“, um es euphemistisch auszudrücken, verfehlt. Wie bereits zu Anfang betont wurde, sollten Erziehungswissenschaftler aber bestrebt sein, einen Konsens zu finden, um zu einer Optimierung der Zielsetzungen zu gelangen. Ihre Aufgabe sollte dahingehen, unterschiedlichste Abwägungen bei der Zielsetzung zu klären, um eine Einigung als bestmögliche Lösung herauszuarbeiten.

Dieser erwähnte Streit betraf lediglich bestimmte Zielsetzungen. Bei dem Streit ging es also um konkrete Inhalte, über die man sich damals nicht einigen konnte.

Die weitaus wichtigere Frage allerdings untersucht, ob und inwiefern Erziehungs­wissenschaft überhaupt Beiträge zur Aufklärung, Begründung und Entscheidung päda­gogischer Zielfragen und Zielkontroversen leisten könne[5]. Kann die Erziehungs­wissenschaft normative Aussagen machen, oder überschreitet sie damit den Rahmen, der jeder Wissenschaft gesetzt ist?[6]

Hierzu gibt es zwei Meinungen. Es gibt die Gruppe derer, die der Wissenschaft generell die Möglichkeit absprechen, Aussagen normativen Gehalts zu treffen. Eine empirische Wissenschaft könne, nach Max Weber, niemandem lehren, was er soll, sondern nur was er kann oder unter Umständen was er will[7]. Wenn aber die Erziehungs­wissenschaft keine Urteile über Geltungsansprüche von pädagogischen Zielen fällen könne, so glaubt die Gegenstimme der Anhänger einer wertenden Sozialwissenschaft, habe die Wissenschaft dem praktischen Leben nichts zu bieten.

Darauf aber, dass die Erziehungs­wissenschaft keine Aussagen normativer Verbindlich­keit treffen könne, berufen sich generell die Vertreter des Kritischen Rationalis­mus. Gestützt wird diese Postition des Kritischen Rationalismus unter anderem von Karl R. Popper, Hans Alberts und Wolfgang Brezinka, die ebenfalls in Klafkis Auszug erwähnt werden.

Der kritische Rationalismus ist eine Theorie der Fehlbarkeit menschlicher Vernunft[8]. Gemäß ihrer Vorstellung gibt es keine perfekten Problemlösungen. Alle Lösungen sind zunächst als unvollkommen zu betrachten und müssen sich erst bewähren. Selbst nach erfolgreicher Bewährung einer Lösung steht die Lösung stets der Kritik und Revision offen[9]. Rationale Vorgehensweisen werden dabei mit kritischen Einstellungen zusammen­gefügt. Es geht nicht nur darum, über ein vorliegendes Problem nachzudenken und festzustellen, warum etwa das Problem formuliert wurde, wie es formuliert wurde oder wie Vorgänger versuchten, das Problem zu lösen[10]. Zudem geht es nämlich ebenfalls darum, diese Lösungsansätze kritisch zu reflektieren und neu zu überdenken. Jede Behauptung wird als unwissenschaftlich abgewertet, die keine Aussagen macht, die sich nicht überprüfen und wenigstens prin­zi­piell widerlegen lassen. Nur falsifizierbare, das heißt angreifbare Aussagen sind demnach empirisch[11].

Aussagen über Fakten einerseits und Aussagen über Geltungsansprüche andererseits gehören prinzipiell und vollständig unterschiedlichen, voneinander streng zu trennenden Dimensionen des menschlichen Bewußtseins an[12].

Auf der anderen Seite stehen die Vertreter der Kritischen Theorie, die maßgeblich von Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Jürgen Habermas bestimmt ist[13]. Die Kritische Theorie[14] bezieht sich völlig auf den Menschen, der die gesamten historischen Lebensformen bestimmt. Die Verhältnisse der Wirklichkeit, von denen die Wissenschaft ausgeht, erscheinen ihr nicht als Gegebenheiten, die bloß festzustellen und nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit vorauszuberechnen wären[15]. Damit werden die Unterschiede zur traditionellen Theorie deutlich, in der die Theorie die Gesellschaft so nimmt, wie sie gerade ist und lediglich ihr Funktionieren analysiert. Die kritische Theorie dagegen spricht die Konflikte und den Wandel in der Gesellschaft mit dem Ziel an, sie zum Besseren zu verändern[16]. Die Er­ziehungs­wissenschaft im Sinne der Kritischen Theorie müsse notwendigerweise zur permanenten Gesellschaftskritik werden[17]. Die kritische Theorie meint, das Problem der Vermittlung von Theorie und Praxis durchschaut zu haben, propagiert aber mit anti-natur­wissen­schaftlichen Denken und stellt sich somit gegen die Methode des kritischen Rationalismus[18].

[...]


[1] Zitiert nach Klafki, Wolfgang: Kann Wissenschaft zur Begründung pädagogischer Zielsetzung beitragen? Über die Notwendigkeit, bei pädagogischen Entscheidungsfragen hermeneutische, empirische und ideologie-kritische Untersuchungen mit diskursethischen Erörterungen zu verbinden, S. 153, in: Pädagogik und Ethik, hrsg. von Kurt Beutler und Detlev Horster, Stuttgart 1996.

[2] Resultate aus dem Erfahrungsschatz, die man bislang aus der historischen Entwicklung der pädagogischen Zielsetzungen gesammelt hat.

[3] Tübinger Erklärung zu den Thesen des Bonner Forums „Mut zur Erziehung“, in: Zeitschrift für Pädagogik, 24, hrsg. von Herwig Blankertz [u.a.], Tübingen 1978, S. 235-237.

[4] Vgl. Klafki: Kann Wissenschaft zur Begründung pädagogischer Zielsetzung beitragen?, S. 158-159.

[5] Zitiert nach Klafki: Kann Wissenschaft zur Begründung pädagogischer Zielsetzung beitragen?, S. 154.

[6] Zitiert nach http://www.didaktik.uni-jena.de/docs/klafki_03.pdf vom 20. Juli 2006.

[7] Vgl. Alberts, Hans: Konstruktion und Kritik. Aufsätze zur Philosophie des kritischen Rationalismus, Hamburg 1972, S. 41.

[8] Zitiert nach Alberts, Hans: Plädoyer für kritischen Rationalismus, München 1971, S. 70.

[9] Vgl. Alberts, Hans: Plädaoyer für kritischen Rationalismus, S. 71.

[10] Vgl. Popper, Karl R.: Logik der Forschung7, Tübingen 1982, S. XV f. in: Die Einheit der Gesellschafts­wissenschaften. Studien in den Grenzbereichen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 4, hrsg. von Erik Boettcher.

[11] Vgl. Popper, Karl R.: Logik der Forschung, S. 15.

[12] Zitiert nach http://www.didaktik.uni-jena.de/docs/klafki_03.pdf vom 20. Juli 2006.

[13] Vgl. Brezinka, Wolfgang: Metatheorie der Erziehung. Eine Einführung in die Grundlagen der Erziehungswissenschaft, der Philosophie der Erziehung und der Praktischen Pädagogik, München 1978, S. 75.

[14] Da die drei Hauptbegründer an der Universität Frankfurt forschten und lehrten, wird diese philosophishce Richtung auch als so genannte Frankfurter Schule der Sozialphilosophie bezeichnet, vgl. hierzu auch http://www.didaktik.uni-jena.de/docs/klafki_03.pdf vom 20. Juli 2006.

[15] Zitiert nach http://www.tu-harburg.de/rzt/rzt/it/kritik/node6.html vom 19. Juli 2006.

[16] Vgl. http://www.tu-harburg.de/rzt/rzt/it/kritik/node6.html vom 19. Juli 2006.

[17] Zitiert nach Brezinka, Wolfgang: Metatheorie der Erziehung. Eine Einführung in die Grundlagen der Erziehungswissenschaft, der Philosophie der Erziehung und der Praktischen Pädagogik, München 1978, S. 76.

[18] Vgl. Alberts, Hans: Konstruktion und Kritik, S. 37.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Analyse des Aufsatzes "Kann Erziehungswissenschaft zur Begründung pädagogischer Zielsetzungen beitragen?" von W. Klafki
Hochschule
Universität Stuttgart  (Philosophisches Institut)
Veranstaltung
Ethik und Pädagogik, EPG II
Note
1,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
14
Katalognummer
V80777
ISBN (eBook)
9783638883849
ISBN (Buch)
9783638884815
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Analyse, Aufsatzes, Kann, Erziehungswissenschaft, Begründung, Zielsetzungen, Klafki, Ethik, Pädagogik
Arbeit zitieren
Dipl. Math. Stefanie Winter (Autor:in), 2006, Analyse des Aufsatzes "Kann Erziehungswissenschaft zur Begründung pädagogischer Zielsetzungen beitragen?" von W. Klafki, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80777

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