Weiblichkeitsbilder in E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" und "Der goldne Topf"


Seminararbeit, 2006

19 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Konträre Weiblichkeitsbilder in "Der Sandmann"
2.1 Clara
2.2 Verhältnis zwischen Clara und Nathanael
2.3 Olimpia
2.4 Verhältnis zwischen Olimpia und Nathanael

3. Konträre Weiblichkeitsbilder in "Der goldne Topf"
3.1 Veronika
3.2 Verhältnis zwischen Veronika und Anselmus
3.3 Serpentina
3.4 Verhältnis zwischen Serpentina und Anselmus

4. Grundgedanken von Silvia Bovenschens "Die imaginierte Weiblichkeit" am Beispiel der Hoffmann'schen Frauen

5. Vergleich der beiden Frauenpaare

6. Schluss

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Frau war in vergangener Zeit ein reines Objekt für den Mann, doch in der Literatur konnte man schon früh Darstellungsweisen finden, die in Bezug zur Realität eindeutig fiktiver Art sind. Um dies zu untersuchen, habe ich die beiden phantastischen Werke „Der Sandmann“ und „Der goldne Topf“ ausgewählt, die aus der Epoche der Romantik stammen.

In der folgenden Ausarbeitung werde ich mich also mit der Frage beschäftigen, ob Silvia Bovenschens Thesen bezüglich der Situation der Frau an den beiden Werken von E.T.A. Hoffmann festzumachen sind.

Dabei werde ich zuerst die Frauen einzeln herausstellen und dann ihr Verhältnis zum jeweiligen Mann beleuchten, damit ich dies danach mit Bovenschens Ansätzen in Verbindung bringen kann. Anschließend wird ein Vergleich der Frauen untereinander folgen.

Meiner Hausarbeit möchte ich folgendes Zitat kommentarlos voranstellen:

„Wer wagt, durch das Reich der Träume zu schreiten, gelangt zur Wahrheit.“

E.T.A. Hoffmann (1776 - 1822)

2. Konträre Weiblichkeitsbilder in „Der Sandmann“

2.1 Clara

Clara ist eine bürgerliche Frau, die als Kind zur Waise wurde. Sie wird als freundlich und immer fröhlich beschrieben. Zwar hat sie schöne Augen, aber dennoch ist sie keine Schönheit. Der Erzähler stellt sie als ein heiteres und zartes Gemüt dar, das zugleich kindlich ist. Trotzdem verfügt Clara über einen scharfen Verstand und ist durch und durch realistisch. Obwohl sie nicht an geheimnisvolle Dinge glaubt, ist sie immer unbefangen. Manche sagen ihr nach, sie sei kalt, gefühllos und prosaisch. Jedoch wird sie zugleich als sehr verständig charakterisiert. Trotz Claras gnadenloser Ehrlichkeit, ist sie meist eher schweigsam.

Ihre Tätigkeiten drehen sich allesamt um den Haushalt. Unter anderem kocht, putzt und strickt sie.

Insgesamt wird sie in der Erzählung oft als Engel bezeichnet. Betrachtet man sich den Namen „Clara“ etwas genauer, entdeckt man, dass er aus dem Lateinischen stammt und für das Klare, Helle und Reine steht.

2.2 Verhältnis zwischen Clara und Nathanael

Da Clara und ihr Bruder Lothar als Kinder zu Waisen wurden und Nathanaels Mutter die beiden bei sich aufnahm, kennen sich die inzwischen Verlobten seit ihrer Kindheit. Allerdings sind sie zu Beginn des Nachtstücks voneinander getrennt, da er in G. studiert. Doch es dauert nicht mehr lange bis er seine Familie zu Hause besuchen wird. In dieser Zeit schreiben sich die beiden eifrig Briefe. In einem dieser berichtet er von einem schrecklichen Erlebnis in seiner Kindheit, das ihn wieder einzuholen scheint. Clara macht sich darüber viele Gedanken und versucht ihn zu beruhigen und ihn wieder zu Vernunft zu bringen. Als er endlich wieder bei ihr ist, scheint für kurze Zeit alles wieder gut zu sein, doch seine Gedankengänge werden immer düsterer. Obwohl Clara ihren Nathanael über alles liebt, hat sie Angst vor seinen Phantasien.

Wenn er ihr etwas erzählt oder seine Gedichte vorliest und sie zumeist dabei etwas anderes tut, wie z.B. stricken, stört ihn das sehr. Allerdings würde der Haushalt Kopf stehen, wenn sie für ihn alles stehen und liegen lassen würde, so wie er es verlangt. Dennoch versteht er es nicht, dass sie sich auch um diese Dinge kümmern muss.

Als er ihr sein neuestes Gedicht vorträgt, das von ihnen beiden und ihrem schrecklichen Schicksal handelt, sagt Clara, er solle dieses schaurige Märchen ins Feuer werfen. Daraufhin bezeichnet er sie als leblosen Automaten. Nach der folgenden Eskalation (Duell) versöhnen sie sich und wieder scheint es, als sei alles überstanden. Doch als Nathanael nach seiner Rückkehr nach G. Olimpia kennen lernt, vergisst er Clara.

Obwohl er aufgrund der folgenden Ereignisse ins Tollhaus muss, liebt sie ihn immer noch. Nach seiner Genesung scheint sich nun endgültig alles zum Guten gewendet zu haben. Aber dann ereignet sich die Szene auf dem Turm, bei der Nathanael versucht, Clara herunter zu stoßen. Letztendlich rettet Lothar seine Schwester und der Verlobte stürzt sich in die Tiefe. Der Erzähler berichtet, dass Clara Gerüchten zufolge noch glücklich geworden ist und, dass der im Innern zerrissene Nathanael ihr nie hätte das Leben geben können, das sie sich wünschte.

2.3 Olimpia

Olimpia ist Professor Spalanzanis Tochter – ein 20 Jahre lang gehütetes Geheimnis. Denn sie ist kein richtiger Mensch, sondern ein Automat.

Äußerlich ist sie eine schlanke und schön gewachsene Frau mit einem Gesicht wie ein Engel. Sie ist immer schön gekleidet, doch ihre Augen sind starr, als ob sie keine Sehkraft hätte. Meist sitzt sie stundenlang in einer Position und blickt unverwandt zu Nathanael herüber. So wird sie auch als „schöne Bildsäule“[1] beschrieben. Der Erzähler schreibt ihr eine Wespentaille und ein wunderschönes Gesicht zu. Jedoch ist ihr Gang steif und wirkt abgemessen. Das Klavierspiel und ihr Gesang sind tadellos. Als Nathanael Olimpia berührt, fühlt sie sich zuerst eiskalt an. Aber dann „fingen an in der kalten Hand Pulse zu schlagen und des Lebensblutes Ströme zu glühen“[2]. Des Weiteren spricht sie nur sehr wenig. Wenn sie etwas verlauten lässt sind es meist die Wonneseufzer „ach, ach“. Dadurch wird sie auch zu einer perfekten Zuhörerin.

2.4 Verhältnis zwischen Olimpia und Nathanael

Als Nathanael Olimpia zum ersten Mal durch sein Fenster entdeckt, findet er sie zwar hübsch, aber er bemerkt auch, dass sie starr ist. Durch Coppolas Perspektiv hingegen ist sie in seinen Augen plötzlich ein „himmlisches Geschöpf“ und ein „herrlicher Liebesstern“[3]. Es kommt ihm vor „als gingen in Olimpias Augen feuchte Mondesstrahlen auf“[4], so dass er zu dem Schluss kommt, dass sie ein „verführerischer Anblick“[5] ziert. Somit verliebt er sich durch das Perspektiv in sie. Auf Spalanzanis Ball, auf dem sie offiziell vorgestellt wird, ist er dann ganz und gar hingerissen. Er tanzt stundenlang mit ihr. Dabei wird er sehr poetisch. Dies führt soweit, dass er sie am Ende des Abends fragt, ob sie ihn liebe. Doch sie antwortet nur mit „ach, ach“ darauf. Die nächsten Tage verbringt er sehr viel Zeit bei ihr. Er liest Olimpia vor und sie hört stundenlang zu, ohne etwas anderes dabei zu machen. Er glaubt zu spüren, dass sie für immer sein ist und weiß, dass sie die Einzige ist, die ihn wirklich versteht („es schien ihm, als habe Olimpia über seine Werke, über seine Dichtergabe überhaupt recht tief aus seinem Innern gesprochen, ja als habe die Stimme aus seinem Innern selbst herausgetönt.“[6] ). Seine Kommilitonen versuchen ihn zur Vernunft zu bringen, aber alle Versuche scheitern. Schließlich hält Nathanael bei ihrem Vater um ihre Hand an. Doch zur Hochzeit wird es nie kommen, denn in seinem Beisein wird Olimpia, die Puppe, von Spalanzani und Coppelius während eines Streits entzwei gerissen, worüber Nathanael in Wahnsinn gerät und ins Tollhaus muss.

3. Konträre Weiblichkeitsbilder in „Der goldne Topf“

3.1 Veronika

Veronika ist die Tochter des Konrektors Paulmann. Sie ist 16 Jahre alt und wird als recht hübsch beschrieben. Des Weiteren besitzt sie schöne dunkelblaue Augen und eine helle klare Stimme. Sie ist schlank, hat langes kastanienbraunes Haar und eine feine Hand. Der Erzähler sagt ihr außerdem das „engelsschöne Gesicht“[7] nach und, dass sie heiter und anmutig ist. Veronika träumt davon Hofrätin zu sein, was für sie bedeutet, viel Geld zu besitzen, Bedienstete zu haben und ein insgesamt höfisches Leben zu führen. Dazu gehört natürlich auch Schmuck und schöne Kleidung, die sie als Zeichen der Liebe geschenkt bekommen möchte. Zusätzlich dazu phantasiert sie von einem Treffen mit der geheimen Rätin Y, da sie auch am kulturellen Leben teilhaben will. Charakterlich wird sie als kämpferisch beschrieben. Außerdem besitzt sie bürgerlichen Charme. Insbesondere wird sie als emanzipierte Frau dargestellt, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt. Doch Veronika glaubt auch an das Magische, entsagt diesem aber am Ende des Märchens.

3.2 Verhältnis zwischen Veronika und Anselmus

Veronika und der Student Anselmus kennen sich durch Konrektor Paulmann, der als Freund dessen eingeführt wird. Er findet sie hübsch und nett, aber sie ist ganz einfach nicht wie Serpentina (siehe Punkt 3.3). Jedoch gibt es immer wieder Momente in denen er zwischen den beiden Frauen und ihren verschiedenen Welten hin- und her gerissen ist. Veronika hingegen liebt ihn und sieht ihn schon in der Zukunft als Hofrat und sich an seiner Seite. Auch ihr Vater kann daran nichts ändern. Als er ihren Geliebten des Wahnsinns beschuldigt, verteidigt sie ihn. Veronika will Anselmus unbedingt haben und aus Serpentinas Fängen befreien. Deshalb geht sie zur Hexe und bittet diese um ihre Hilfe. Gemeinsam schaffen sie während des Äquinoktiums einen Metallspiegel, der Anselmus an Veronika binden soll. Dies scheint zu Beginn zu funktionieren, doch er findet wieder zu Serpentina zurück und somit verliert Veronika ihn und ist deshalb todtraurig. Allerdings stellt sich nach kurzer Zeit heraus, dass der Registrator Heerbrand Hofrat wird. Als dieser dann um Veronikas Hand anhält und als Geschenk ihre erträumten Ohrringe mitbringt, ist sie glücklich und stimmt der Hochzeit zu. Doch sie weiß auch, dass Anselmus nun mit Serpentina verbunden ist, die viel reicher und schöner sei als sie. Durch die Heirat mit Heerbrand erfüllt sich letztendlich der gesamte Traum von ihrem Leben.

3.3 Serpentina

Serpentina ist eine der drei Töchter des Geheimen Archivarius Lindhorst, der in Wirklichkeit ein Salamander ist und aus Atlantis stammt. Seine Kinder werden als Schlänglein aus grünem Gold beschrieben. Unter dem Holunderbaum werden ihr eine verwirrende Rede und ein Flüstern wie Kristallglöckchen zugeschrieben. Betont werden immer wieder ihre wunderschönen Augen: „ein Paar herrliche dunkelblaue Augen […] mit unaussprechlicher Sehnsucht“[8], „holdseligen Augen“[9], „herrlichen Augenpaars“[10]. Ihr Gesang ist lieblich und betörend. Und auch „ihr Duft war wie herrlicher Gesang“[11]. Außerdem scheint sie zu schweben, sich zu schlängeln und schnell winden zu können. Über ihrem „schlanker als schlanken Leib“[12] trägt sie ein Gewand in schillernden Farben. Wenn Anselmus sie näher betrachtet, erkennt er in ihr „ein liebliches herrliches Mädchen“[13]. An einzelnen Stellen ist von einem Arm und Lippen die Rede. Jedoch wird Serpentina nicht näher körperlich beschrieben, als dass sie schön und anmutig sei.

Der Name stammt aus dem Lateinischen (serpens „Schlange“ oder serpentinus „schlangenförmig“) und verweist auf die figura serpentinata[14], die in der Ornamentik ein Spiralmotiv darstellt. Sie bezeichnet eine gewundene Figur, die für und durch William Hogarth und Karl Philipp Moritz zu einem ästhetischen Schriftideal wurde.

3.4 Verhältnis zwischen Serpentina und Anselmus

Zum ersten Mal begegnen sie sich am Himmelfahrtstag unter dem Holunderbaum, wo Anselmus sofort alles um sich herum vergisst. Er wird durch ihre Augen und ihren Gesang verführt. In ihrer Nähe gelingt dem sonst so tollpatschigen Studenten alles. Sie hat Vertrauen in ihn und in seine Liebe. Ist sie anwesend, empfindet er eine „nie gefühlte Behaglichkeit“[15]. Serpentina bietet ihm eine phantastische Welt, die zugleich ungewöhnlich und zauberhaft ist und er glaubt an die Wunder dieser anderen Welt. Anselmus liebt sie über alles („Kann die grüne Schlange nicht mein werden, so will ich untergehen in Sehnsucht und Schmerz!“[16] ) und selbst die schwarze Magie der Hexe kann daran langfristig nichts ändern. Durch ihren Metallspiegel werden in ihm Zweifel an diese Liebe ausgelöst, sodass Anselmus aus Versehen einen Tintenfleck auf die zu kopierenden Schriftrollen macht und aufgrund dessen in eine Flasche eingesperrt wird. Jedoch kann er sich durch seine Liebe zu Serpentina und der nötigen Hoffnung aus dieser Situation befreien. Und so kommt es doch noch zu einem glücklichen Ende. Die beiden heiraten und sind somit auf ewig miteinander verbunden. Von nun an leben sie in Atlantis auf dem Rittergut des Archivarius.

[...]


[1] Hoffmann, E.T.A.: Der Sandmann, Stuttgart 2000, S.26, Z.9.

[2] Hoffmann, E.T.A.: Der Sandmann, Stuttgart 2000, S.30, Z.22ff.

[3] Hoffmann, E.T.A.: Der Sandmann, Stuttgart 2000, S.28, Z.35.

[4] Hoffmann, E.T.A.: Der Sandmann, Stuttgart 2000, S.27, Z.29.

[5] Hoffmann, E.T.A.: Der Sandmann, Stuttgart 2000, S.28, Z.21.

[6] Hoffmann, E.T.A.: Der Sandmann, Stuttgart 2000, S.34, Z.23ff.

[7] Hoffmann, E.T.A.: Der goldne Topf, Stuttgart 2004, S.58, Z.19.

[8] Hoffmann, E.T.A.: Der goldne Topf, Stuttgart 2004, S.10, Z.19f.

[9] Hoffmann, E.T.A.: Der goldne Topf, Stuttgart 2004, S.10, Z.23f.

[10] Hoffmann, E.T.A.: Der goldne Topf, Stuttgart 2004, S.11, Z.4.

[11] Hoffmann, E.T.A.: Der goldne Topf, Stuttgart 2004, S.11, Z.7.

[12] Hoffmann, E.T.A.: Der goldne Topf, Stuttgart 2004, S.67, Z.18.

[13] Hoffmann, E.T.A.: Der goldne Topf, Stuttgart 2004, S.66, Z.14f.

[14] Vgl. Simonis, Annette: Grenzüberschreitungen in der phantastischen Literatur, Einführung in die Theorie und Geschichte eines narrativen Genres, Heidelberg 2005, S.133.

[15] Hoffmann, E.T.A.: Der goldne Topf, Stuttgart 2004, S.63, Z.3f.

[16] Hoffmann, E.T.A.: Der goldne Topf, Stuttgart 2004, S.86, Z.15ff.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Weiblichkeitsbilder in E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" und "Der goldne Topf"
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Weiblichkeitsbilder in der phantastischen Literatur
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V80739
ISBN (eBook)
9783638873758
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Weiblichkeitsbilder, Hoffmanns, Sandmann, Topf, Weiblichkeitsbilder, Literatur
Arbeit zitieren
Nadine Klein (Autor:in), 2006, Weiblichkeitsbilder in E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" und "Der goldne Topf", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80739

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Weiblichkeitsbilder in E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" und  "Der goldne Topf"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden