Modelle der Gesundheit - Unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte


Seminararbeit, 2007

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was heißt Gesundheit? Definitionsbeispiele von Gesundheit

3. Gesundheit und Geschlecht

4. Modelle der Gesundheit
4.1 Das biomedizinische Krankheitsmodell
4.2 Das salutogenetische Modell von Antonovsky
4.3 Das sozialisationstheoretische Gesundheitsmodell von Hurrelmann
4.4 Das Integrative Anforderungs- Ressourcen- Modell von Becker

5. Zusammenfassung, Ausblick und kritische Reflexion

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Pflege ist auf dem Weg, eine eigenständige Profession zu werden. Das Studium der Pflegewissenschaft an der Medizinischen Universität in Graz ist ein wesentlicher Schritt dahin.

Gesundheit ist zentral für die Pflege.[1] Das Ziel der Pflege ist der Erhalt, die Wiederherstellung oder die Verbesserung der Gesundheit.[2] Wie kann durch die Pflege Gesundheit verbessert werden? Welchen Beitrag leistet die Pflege für die Gesundheit? Diese und andere Fragen rücken die Gesundheit als gedankliches Konstrukt ins Zentrum der Pflege. Niemand, der sich mit der Pflege auseinandersetzt, ob theoretisch oder praktisch, kann dies ohne eine begriffliche Konfrontation mit Gesundheit tun. Ansonsten besteht die Gefahr, über ein notwendiges Konzept in der Pflege, irrtümlich eine dogmatische Klarheit voraus zu setzen, in dem, und das werde ich unter anderem in meiner Arbeit aufzeigen, keine Einigkeit herrscht.

Anhand dieser Überlegungen wäre anzunehmen, dass sich PflegetheoretikerInnen dem bewusst sind. Erschrocken stellte ich fest, dass in den mir vorliegenden Pflegemodellen, die Beachtung des Begriffes der Gesundheit marginal behandelt wurde. Die semantische Festlegung der Gesundheit wurde vage und lückenhaft vorgenommen.[3] Außerdem habe ich in der mir zugänglichen Literatur kein Gesundheitsmodell aus der Pflege vorfinden können.

Dass die Gesundheit elementar für die Pflege ist, ist unumstritten. Darum habe ich mich entschieden, den Begriff der Gesundheit und Modelle der Gesundheit als das Thema meiner Arbeit zu nehmen.

Es gibt keine allgemein gültige und von allen anerkannte Definition von Gesundheit, je nach Perspektive wird der Gesundheitsbegriff moduliert. Demnach sind auch Modelle der Gesundheit von dem Wissenschaftszweig beeinflusst, dem sie entstammen. Die vier Modelle die ich kurz vorstellen werde, habe ich aus der mir zugänglichen Lektüren ausgewählt, da sie, wie ich meine, für das Ziel der Arbeit sehr förderlich sind. Das Ziel liegt darin, dem Leser einen klaren und übersichtlichen Einblick in Modelle der Gesundheit zu geben.

Die Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den Geschlechtern im Zusammenhang mit dem Thema der Gesundheit ist in dieser Arbeit ebenso zentral und durchgängig präsent, da die Arbeit im Rahmen des Seminars über geschlechtliches Gesundheitsverhalten verfasst wurde.

Zuerst werde ich mich verschiedenen Gesundheitsdefinitionen und deren Kategorisierung zuwenden. Das anschließende Kapitel behandelt Gesundheit unter Beachtung der Geschlechter. Die vorgestellten Modelle werden anhand der von Becker vorgeschlagenen Kriterien beurteilt, die anschließende Zusammenfassung reflektiert die zentralen Ergebnisse bzw. weiterführende Gedanken.

2. Was heißt Gesundheit? Definitionsbeispiele von Gesundheit

Ich denke, bevor ich mich in dieser Arbeit näher mit Gesundheits- bzw. Krankheitsmodellen auseinandersetze, ist es wichtig, den Begriff der Gesundheit einzugrenzen bzw. festzulegen, was darunter verstanden wird.

Ich möchte im Folgenden einige Beispiele nennen:

„Gesundheit kann definiert werden als der Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums für die Erfüllung der Rollen und Aufgaben, für die es sozialisiert worden ist.“[4]

„Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.“[5]

„Gesundheit ist die aus der Einheit von subjektivem Wohlbefinden und individueller Belastbarkeit erwachsene körperliche, seelische und soziale Leistungsfähigkeit des Menschen.“[6]

Gesundheit ist „eine dynamische Lebenserfahrung, die durch optimalen Einsatz der eigenen Ressourcen eine kontinuierliche Anpassung an Stressfaktoren in der internen und externen Umwelt impliziert, um das tägliche Leben optimal zu bewältigen.“[7]

„Gesundheit ist ein relativ überdauernder Zustand, in dem die Person wohl angepasst ist, Freude am Dasein empfindet und Selbstaktualisiert bzw. Selbstverwirklichung erreicht. Es ist ein positiver Zustand…“[8]

Aus der inhaltlichen Vielfalt der oben genannten Definitionen lässt sich schließen, dass es in der Wissenschaft keine allgemein gültige und von allen anerkannte Definition von Gesundheit gibt. Waller spricht daher von Definitionsversuchen.[9]

Aus den hier angeführten Beispielen stelle ich die These auf, dass die (wissenschaftliche) Herkunft die Perspektive auf die Gesundheit bestimmt. So beschreibt der Soziologe Parsons Gesundheit als ein Funktionieren des Individuums in der Gesellschaft. Jemand gilt als gesund, wenn er seine rollengemäßen Aufgaben erfüllen kann. Anders beschreibt die WHO Gesundheit: ihr geht es vor allem darum, dass Gesundheit mehr als das „Fehlen von Krankheit und Gebrechen“ ist und dass neben den körperlichen auch die psychischen und sozialen Aspekte Eingang finden. Der deutsche Ärztetag definiert Gesundheit als eine „Einheit von subjektivem Wohlbefinden und individueller Belastbarkeit“ und die daraus resultierende Leistungsfähigkeit. Sie ähnelt in dieser Hinsicht der Definition von Parsons. Für die Pflegetheoretikerin King ist Gesundheit eine Lebenserfahrung, die jemand erlebt, der das Leben optimal bewältigt. Die Psychologen English und English definieren die seelische Gesundheit als einen Zustand, der relativ überdauernd ist. Wem oder was gegenüber die Person angepasst ist, bleibt unklar. Für sie ist Gesundheit unmittelbar mit einer empfundenen Selbstverwirklichung verbunden. Gesundheit ist demnach ein positiver Zustand.

Alle diese Definitionen enthalten verschiedene Aspekte von Gesundheit. Anderson hat darum eine Einteilung der Gesundheitsdefinitionen vorgeschlagen:[10]

Gesundheit

- als Folge oder als Produkt
- als Potential oder als Fähigkeit
- als ein Prozess
- als etwas, das von Einzelmenschen erfahren oder von außenstehenden Beobachtern bestimmt werden kann
- als fixer Zustand oder dynamisches Verhältnis
- als ein Attribut eines Menschen wie körperliche Fitness
- als Eigenschaft der gesamten Person.

Anhand dieser Unterscheidung würden die Definitionen der WHO und des Deutschen Ärztetages unter die Kategorie „Gesundheit als Produkt“ fallen, die Definition Parsons in die Kategorie „Gesundheit als Potential“, King´s Definition unter dem, was „von Einzelmenschen erfahren werden kann“, aber auch unter die Kategorie „Gesundheit als Potential“ usw. Hier wird klar ersichtlich, dass die Einteilung einer Definition in eine Kategorie schwer durchführbar ist. Was wiederum den Wert der Klassifizierung von Anderson erheblich einschränkt.

Ungeachtet der Verschiedenheiten in der Festlegung und Begrenzung der Bedeutung des Begriffes der Gesundheit unterscheiden sich Frauen und Männer hinsichtlich ihrem Verständnissen von Gesundheit. So assoziieren Männer mit Gesundheit vorzugsweise die Vermeidung von Krankheitsrisiken und demnach bedeutet ihnen Gesundheit die Freiheit von Krankheit und Schmerz und gesundes Verhalten, wie Sport. Für Frauen ist die soziale und persönliche Dimension von Gesundheit vordergründig. So verbinden sie mit Gesundheit die Verringerung von Stress und soziale Harmonie.[11]

Aus diesem Grund betont Becker die Wichtigkeit, sich neben wissenschaftlichen Konzepten der Gesundheit auch mit den subjektiven Vorstellungen zu beschäftigen. Da sie Aufschluss darüber gibt, ob eine vorgeschlagenen Präventionsmaßnahme angenommen und durchgeführt wird oder nicht.[12]

Um die nähere Betrachtung von Geschlecht und Gesundheit handelt das nächste Kapitel. Darin werde ich die Unterschiede in der Gesundheit und im Gesundheitsverhalten von Frau und Mann erörtern.

3. Gesundheit und Geschlecht

Die Gesundheitsforschung der letzten Jahrzehnte wurde von den Männern dominiert. Die Forscher und der Forschungsgegenstand waren Männer. Die Ergebnisse allerdings wurden auf beide Geschlechter übertragen. Die geschlechtsspezifischen körperlichen, psychischen und sozialen Unterschiede wurde dabei völlig ignoriert. Das ging so weit, dass Frauen zum Beispiel von Studien ausgeschlossen wurden, anhand derer die Wirkung von Medikamenten getestet wurden, die vorwiegend Frauen einnahmen. Es zeigen Statistiken, dass in allen Altersklassen der Faktor Geschlecht die Morbiditäts- und Mortalitätsrate am stärksten beeinflusst.[13]

So ist es nicht verwunderlich, dass sich für die Gesundheitsforschung in den westlichen Industrieländern ein Geschlechterparadoxon beschreiben lässt. Es besagt, dass Frauen zwar länger als Männer leben, um etwa sieben Jahre, aber zugleich unzufriedener mit ihrem Gesundheitszustand sind und viel häufiger unter psychischen oder psychosomatischen Krankheiten leiden.[14] Wie kann das erklärt werden?

Kolip legt fünf Gründe bzw. Erklärungsversuche vor, die diesen Unterschied plausibel erörtern:[15]

Biologisch- genetische Faktoren

Biologisch- genetische Erklärungsansätze basieren auf der Tatsache der unterschiedlichen hormonellen Ausstattung zwischen Männern und Frauen und demnach darauf, dass bestimmte weibliche Hormone protektive Funktionen für manche Krankheiten, zum Beispiel für die koronare Herzkrankheit, haben. Zudem wird Jungen eine höhere Anfälligkeit für Erbkrankheiten, zum Beispiel die Bluterkrankheit, beigemessen, aufgrund nur eines X-Chromosoms.

Symptomwahrnehmung und Krankheitsverhalten

Frauen und Männer unterscheiden sich darin, wie sie Symptome wahrnehmen und wie sie sich im Krankheitsfall verhalten. Dabei wird angenommen, dass Frauen eine höhere Bereitschaft aufweisen, anderen über ihre Beschwerden Auskunft zu geben.

Der Grund dafür, warum Männer weniger bzw. später ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, wird darauf zurückgeführt, dass sich das männliche Selbstbild nicht mit der Krankenrolle vereinbaren lässt.

Methodische Artefakte

Bevölkerungsweite Befragungsstudien müssen unter der möglichen Verzerrung betrachtet werden, dass meist Haushalte die Erhebungseinheiten sind. Da eben der Anteil außer dem Haus beschäftigten Frauen geringer ist als bei den Männern, ist es wahrscheinlich, dass die befragte Person eine Frau ist. Diese berichten anders über Beschwerden.

Erfahrungen mit dem Gesundheitswesen

Wie schon vielfach bestätigt, unterscheiden sich bestimmte Krankheiten wie der Myokardinfarkt in der Symptomatik bei Männern und Frauen. Dem folgt, dass Frauen bei gleicher oder schwererer Symptomatik weniger aufwendig diagnostiziert und therapiert werden. Das führt zum Beispiel nach Bypass Operation am Herzen zu einer doppelt so hohen Sterblichkeitsrate bei Frauen. Weiters wird ein Einfluss von Geschlechtsstereotypen in der Interaktion zwischen Arzt und Patient angenommen. Bei pubertierenden Jugendlichen war in einer Studie von Sichrovsky das Verschreibungsverhalten der Ärzte gegenüber Mädchen deutlich stärker. Sie bekamen im Vergleich zu gleichaltrigen Jungen dreimal häufiger Medikamente verschrieben. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass generell weibliche Körperprozesse pathologisiert und als Problem gesehen werden.

Erworbene Risiken

Frauen und Männer unterscheiden sich sowohl in ihrem gesundheitsrelevanten Verhalten wie auch in ihren Arbeits- und Lebensbedingungen. Weiters besteht ein Unterschied in der Ernährung, im Freizeitverhalten, in der Inanspruchnahme von Vorsorgeleistungen und im Stressbezogenem Verhalten. Die Autorin gibt unterschiedliche Sozialisationsbedingungen und –ziele als Gründe für ein verschiedenes Verhalten an. So dienen manche Gesundheitsver­halten dazu, die eigene Geschlechtsidentität zu betonen. Als Beispiel führt Kolip exzessiven Alkoholkonsum als Ausdruck von Männlichkeit an.

[...]


[1] Vgl. Meleis (1999), S. 184; Fawcette (1998), S. 18

[2] Vgl. Meleis (1999), S. 523

[3] Vgl. ebd. S. 439- 623

[4] Waller (1995), S. 9

[5] ebd.

[6] Schwartz et. al. (1998), S. 11, zit. Nach Deutschen Ärzteblatt 1994

[7] Meleis (1999), S. 524, zit. Nach King 1981, S. 5

[8] Foussek (1996), S. 31, zit. Nach English und English zit. Nach Becker 1982, S. 3

[9] Vgl. Waller (1995), S. 9

[10] Vgl. ebd., S. 11

[11] Vgl. Foussek (1996), S. 113

[12] Vgl. Waller ((1995), S. 12

[13] Vgl. Foussek (1996), S. 134 und S. 144

[14] Vgl. Kolip (1998), S. 507

[15] Vgl. ebd. S. 510-513

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Modelle der Gesundheit - Unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte
Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz
Veranstaltung
Gesundheitspsychologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
28
Katalognummer
V80717
ISBN (eBook)
9783638874687
Dateigröße
404 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Modelle, Gesundheit, Unter, Berücksichtigung, Aspekte, Gesundheitspsychologie
Arbeit zitieren
Albert Etschmaier (Autor:in), 2007, Modelle der Gesundheit - Unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80717

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