Das Problem der Zurechenbarkeit der Gemeinkosten. Überblick und Lösungsmodelle


Hausarbeit, 2007

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Definition von Gemeinkosten

3 Entwicklung und Berücksichtigung der Gemeinkosten

4 Lösungsansätze – Die Kostenrechnungssysteme
4.1 Die traditionelle Vollkostenrechnung
4.1.1 Mehrfache, einstufige und mehrstufige Divisionskalkulation
4.1.2 Äquivalenzziffernkalkulation
4.1.3 Zuschlagskalkulation
4.1.4 Verrechnungssatzkalkulation (Bezugsgrößenkalkulation)
4.2 Prozesskostenrechnung (Activity Based Costing)

5 Schlussbetrachtung

6 Quellen

1 Einleitung

Es gibt in jeder Wissenschaft Fragen, die aus der Natur der Sache heraus nicht beantwortet werden können. Dazu gehört die nahe liegende, aber laienhafte Frage: „Was kostet die Leistungseinheit?“[1]

Nur die wenigsten Unternehmen sind Einproduktbetriebe. Denn schon der Einsatz eines anderen Lacks, lässt ein weiteres Produkt entstehen – eine ganze Produktpalette ist nicht mehr weit entfernt. Die Vielseitigkeit und Vielzahl der Erzeugnisse ist erstrebenswert, unter dem Wettbewerbsdruck oft notwendig, birgt aber für die Kosten- und Leistungsrechnung das Problem, dass angefallene Kosten nicht mehr allein durch die Produktionsmenge teilbar sind, um die Selbstkosten eines einzelnen Produktes zu ermitteln, da jedes Produkt unterschiedliche Produktionsmerkmale aufweist. Unvorteilhaft wirkt sich dieser Umstand etwa bei der Preis-, Erfolgsermittlung oder dem Versuch des Kostenabbaus aus.

Zumal jedes Produkt einen unterschiedlich hohen Anteil an Kosten in der Verwaltung oder andernorts verursacht, können diese Kosten nicht einfach gleichmäßig verteilt werden. Gerade die Art von Kosten, welche nicht eindeutig auf ein Produkt zurückzuführen sind, können nur anhand bestimmter Verfahren, also über Umwege, auf die Erzeugnisse oder Dienstleistungen verrechnet werden. Eine solche Weiterverrechnung erfolgt über eine Schlüsselung, deren Aufgabe es ist, die Beanspruchung der Unternehmensbereiche seitens der Bezugsobjekte möglichst exakt auszuweisen.[2]

Auf dem Grund der nie vollständig zu beantwortenden Frage, wie viel eine Leistungseinheit koste, wartet das Gemeinkostenproblem, dass auch für weitere Verlegenheiten bei den Unternehmen verantwortlich ist. Seine partielle Lösung liegt im Interesse jedes Betriebs. Dieser Wille ist besonders in den letzten Jahren und Jahrzehnten stärker geworden und äußert sich sowohl in den neueren Kostenrechnungssystemen als auch in der immer umfangreicher werdenden Fachliteratur.

Ziel dieser Arbeit ist es, den Begriff und die Entwicklung der Gemeinkosten zu erläutern und die bisher angewandten Lösungsmodelle zur Zuweisung derselben Kosten zu erläutern und auf ihre Eignung hin zu untersuchen.

Die in der Untersuchung beschriebenen Systeme der Kostenrechnung sind solche, die der Vollkostenrechnung angehören, weil sie der Unterscheidung zwischen Gemeinkosten und Einzelkosten im besonderen Maße Rechnung tragen. Gegenstand der Untersuchung ist die traditionelle und moderne Vollkostenrechnung; aufgrund des Umfangs besitzt die Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

2 Definition von Gemeinkosten

Das Anliegen des betrieblichen Rechnungswesens ist die Gewinnung von Zahlen und Fakten, die die Vorgänge innerhalb der Unternehmen sichtbar macht, beschreibt und analysiert.[3] Um möglichst viele Methoden anzuwenden, bedarf es der Ausweisung verschiedenster Kostenarten. Die in einem Betrieb anfallenden Kosten werden u.a. in Einzel- und Gemeinkosten unterteilt. Als Gemeinkosten werden die Kosten bezeichnet, die nicht eindeutig und direkt auf ein Bezugsobjekt (Kostenträger, Kostenstellen, Perioden oder Entscheidungen)[4] zurückzuführen sind. Dies ist immer dann der Fall, wenn die exakte Inanspruchnahme der betrieblichen Vorgänge seitens eines einzelnen Bezugsobjekts nicht nachweisbar ist. Die Kostenträger der Einzelkosten können dagegen verursachungsgerecht ermittelt werden.[5] Gemeinkosten können nur unter Zuhilfenahme des Durchschnitts- oder Kostentragfähigkeitsprinzips zugeordnet werden. Die durch die Dichotomie gewonnene Klarheit gibt die Möglichkeit, die Entstehung von Kosten leichter nachzuvollziehen.

Bei den Gemeinkosten differenziert man außerdem zwischen echten und unechten Gemeinkosten.[6] Letztere sind keine eigentlichen Gemeinkosten, aber werden aus dem Grunde der Wirtschaftlichkeit nicht als Einzelkosten betrachtet, weil der Aufwand, die verantwortlichen Bezugsobjekte zu ermitteln, sich nicht rechnen würde.[7] Zeitraubende Techniken zur verlässlicheren Aufschlüsselung werden meist nur in größeren Zeiträumen angewandt.

Orte an denen Gemeinkosten entstehen, sind etwa das Personalwesen, das Finanz- und Rechnungswesen, die Unternehmensführung; sie fallen u.a. bei Abschreibungen, Mieten, Zinsen an.[8] Der größte Teil der Gemeinkosten setzt sich aus Personalkosten zusammen, die im Verwaltungsbereich angesiedelt sind.[9]

3 Entwicklung und Berücksichtigung der Gemeinkosten

Jede Art von Betrieb kennt heutigentags die Einteilung der Kosten bezüglich des Klassifikationsmerkmals der Zurechenbarkeit in Einzel- und Gemeinkosten. Je größer der Anteil der Gemeinkosten an den Gesamtkosten wird, umso zwingender wird die Notwendigkeit, diese Unterscheidung in die Kostenrechnung mit einfließen zu lassen. Ist die Stückzahl und der Erlös der zu produzierenden Einheiten gering, kann man von der Anwendung eines aufwendigen und kostspieligen Verfahrens zur Klärung der Herkunft von Gemeinkosten absehen. Zumal der Gemeinkostenblock innerhalb der letzten Jahre stark gestiegen ist,[10] beschäftigen sich die neueren Methoden der Kostenrechnung konsequenterweise verstärkt mit der Zurechnung der Gemeinkosten.[11] Dass aber jeder Lösungsvorschlag nur eine Annäherung und nie eine vollständige Lösung darstellt, erklärt sich aus dem Hauptmerkmal der Gemeinkosten – die Multikausalität.[12]

Nicht immer wurde dieser Aspekt in die betrieblichen Überlegungen einbezogen.[13] Die primitivsten Kostenrechnungssysteme verzichteten gänzlich auf eine Berücksichtigung der Gemeinkosten.[14]

Die ab dem 18. Jh. gebräuchliche Divisionskalkulation verteilt willkürlich nach einem Durchschnittsprinzip alle Kosten gleichmäßig auf die Gesamtzahl der Produkte. Selbst wenn ein Betrieb, der die Divisionskalkulation einsetzt, weiß, wo seine Gemeinkosten anfallen, so macht er auf kostenrechnerischer Ebene trotzdem keinen Gebrauch von der Kenntnis. Es werden stattdessen weiterhin die Herstellungskosten aller Produkte einer Periode durch die Produktionsmenge aller Produkte derselben Periode geteilt. Die aus der Rechnung resultierenden Herstellkosten je Produktionseinheit geben wenig Aufschluss über die tatsächlichen Herstellkosten und machen eine gesonderte Betrachtung der Kosten der verschiedenen Produkte unmöglich. Damit ist der Einsatz des Durchschnittskostenprinzips nur bei einem Einproduktbetrieb sinnvoll.[15]

4 Lösungsansätze – Die Kostenrechnungssysteme

Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen haben die Kostenrechnungssysteme, wie die bereits vorweggenommene Divisionskalkulation, eigene Ausprägungen, die unterschiedliche Aufgabenstellungen zu berücksichtigen versuchen und aus denen ein immer anderer Umgang mit den Kosten folgt. Wie der folgende Überblick beweist, sind sie immer weiter verfeinert worden. Die Systeme lassen sich formal nach dem Umfang der Kostenverrechnung und dem Zeitbezug strukturieren.[16] Allen gemeinsam ist ihr Ziel: Die Abbildung des Wirtschaftsgeschehens.

Kein Kostenrechnungssystem kann für sich die zuverlässigste Aufbereitung betrieblicher Daten reklamieren; jedes System hat seine Vorteile und muss nach einem Abwägungsprozess gewählt werden.

4.1 Die traditionelle Vollkostenrechnung

Die traditionelle Vollkostenrechnung wie auch die modernen Kostenrechnungssysteme lassen sich fast alle in die drei aufeinander aufbauenden Phasen Kostenartenrechnung, Kostenstellen­rechnung und Kostenträgerrechnung gliedern.

Eine Unterteilung in Einzel- und Gemeinkosten erledigt die Kostenartenrechnung, da diese den Zweck verfolgt, die verschiedenen Kostenarten zu benennen und festzuhalten.[17] Die anschließende Kostenstellenrechnung bezieht die im vorigen Schritt erkannten Gemeinkosten und rechnet sie den Orten ihrer Entstehung (Kostenstellen) zu. Je nach Ausprägung des Unternehmens, lassen sich die Kostenstellen „nach räumlichen oder nach funktionalen Prinzipien, nach dem Prinzip der Verantwortungsbereiche sowie nach abrechnungstechnischen Prinzipien“[18] bilden. Während der letzten Phase der Vollkostenrechnung werden je nach Kostenstelle Verrechnungs- und Zuschlagssätze ermittelt. Diese ermöglichen die Verrechnung der Gemeinkosten auf die einzelnen Einheiten der Kostenträger. Neben der Erfassung der (Gemein-)Kosten pro Erzeugniseinheit in der Kostenträgerstückrechnung, wird bei der Kostenträgerzeitrechnung die in Bezug auf einen Kostenträger angefallenen Einzel- und Gemeinkosten mit den hervorgebrachten Leistungen zur Ermittlung des Betriebsergebnisses gegenübergestellt.

[...]


[1] Riebel, S. 57

[2] Um einer Lösung der eröffnenden Frage möglichst nahe zu kommen, wird als Hilfsprinzip der Kostenrechnung das Beanspruchungsprinzip gewählt.

[3] Auf der Grundlage der Ergebnisse kann eine Wirtschaftlichkeitskontrolle bei den erstellten Gütern vorgenommen und Planungen für künftige Projekte durchgeführt werden. Durch das qualifizierte Zurechnen der bewerteten Verzehre und der Gegenüberstellung mit den Leistungen kann das Betriebsergebnis ermittelt werden.

[4] Vgl. Burger, S. 278.

[5] Ein praktisches Beispiel für das Begriffspaar: Der Papierverbrauch der Verwaltung nutzt der gesamten Tätigkeit des Unternehmens und wird nicht durch ein einziges Produkt verursacht, weswegen Gemeinkosten vorliegen; die Ausgaben für die Fertigungsteile der zu produzierenden Motoren sind dagegen Einzelkosten, weil die Teile in das Bezugsobjekt direkt eingehen.

[6] Vgl. Wöhe, S. 1289.

[7] Vgl. Burger, S. 280; vgl. Krützfeld, S. 44.

[8] Vgl. Horváth, Vahlens großes Controlling-Lexikon, S. 264; vgl. Witthoff, S. 23.

[9] Vgl. Horváth, Vahlens großes Controlling-Lexikon, S. 264.

[10] Als Gründe hierfür werden angegeben (Horváth, Vahlens großes Controlling-Lexikon, S. 264): „Verlagerung von Tätigkeiten aus der Produktion in vorgelagerte Bereiche, starke Rationalisierung in der Produktion bei Vernachlässigung der Verwaltungsbereiche, höherer Steuerungsaufwand in der Produktion durch höhere Teile-/Variantenvielfalt, zunehmender Koordinations-, Planungs- und Kontrollaufwand durch zunehmende Konkurrenz, Internationalisierung, gesetzliche Vorschriften, etc.“ Vgl. weiterhin Horváth, Controlling, S. 264ff., Wegmann, S. 1f., Zimmermann, S. 198.

[11] Dieses Defizit der mangelnden Sensibilisierung für die Gemeinkosten erklärt sich daraus, dass die älteren Systeme mehr für die Kostenerfassung der produzierenden Bereiche erdacht wurden.

[12] Vgl. Riebel, S. 24.

[13] So geht die Unterscheidung echter und unechter Gemeinkosten auf die Schrift „Selbstkostenrechnung in Walzwerken und Hütten“ von Peter van Aubel aus dem Jahr 1926 zurück (vgl. Riebel, S. 22).

[14] Zur genauen Geschichte und den Vorstufen der Kostenrechnung vgl. Roolf, S. 15-25.

[15] Vgl. Riebel, S. 69.

[16] Vgl. Schmidt, S. 28-34.

[17] Welche Kosten Gemeinkosten und Einzelkosten sind, hängt in der Praxis von der Tiefe der Analyse der Kostenstelle ab. Mit DV-technischen Lösungen lässt sich auch die Belastung von Kostenstellen durch einzelne Aufträge ermitteln. Dabei werden unechte Gemeinkosten in Einzelkosten „umgewandelt“. Um die Kosten aber dauerhaft als Gemeinkosten zu erfassen und einer Doppelung entgegenzuwirken, sollte – wie Kück empfiehlt (S.39)– bei Reisekosten neben der Kostenart „Reisekosten für Aufträge“ auch eine Kostenart „Reisekosten für Kostenstelle“ hinzukommen.

[18] Krützfeld, S. 45.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Das Problem der Zurechenbarkeit der Gemeinkosten. Überblick und Lösungsmodelle
Hochschule
Hochschule für Musik und Theater Hamburg  (Institut für Kultur- und Medienmanagement)
Veranstaltung
Einführung in die Kosten- und Leistungsrechnung
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V80658
ISBN (eBook)
9783638879224
ISBN (Buch)
9783638879293
Dateigröße
464 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Problem, Zurechenbarkeit, Gemeinkosten, Lösungsmodelle, Einführung, Kosten-, Leistungsrechnung
Arbeit zitieren
Miklós Sirokay (Autor:in), 2007, Das Problem der Zurechenbarkeit der Gemeinkosten. Überblick und Lösungsmodelle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80658

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