Rezeptionsmodalitäten und Kinokultur

Eine Online-Befragungsstudie in den USA


Magisterarbeit, 2006

164 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Zusammenfassung

Abstract

1 Einleitung

2 Kinokultur in den USA und in Deutschland
2.1 Der Kulturbegriff: Etymologie und Definitionen
2.1.1 Kultur aus evolutionspsychologischer Sicht
2.1.2 Definition Kinokultur
2.2 Kinokultur aus medienökonomischer Perspektive
2.2.1 Erfolgsfaktoren von Kinofilmen
2.2.2 Gründe für die ökonomische Dominanz US-amerikanischer Filme
2.2.2.1 Markt der Filmstars
2.2.2.2 Cultural Discount
2.2.2.3 Größe des Sprach- bzw. Kulturraums
2.2.2.4 Standortfaktoren
2.2.2.5 Vertikale Integration

3 Das Konstrukt der Rezeptionsmodalitäten
3.1 Vita Monika Suckfüll
3.2 Rezeptionsmodalitäten als integratives Konstrukt in der Medien-wirkungsforschung
3.3 Rezeptionsmodalitäten als Modalitäten der Filmrezeption
3.3.1 Definition der Rezeptionsmodalitäten
3.3.2 Operationalisierung und Validierung
3.3.3 Das Involvement Konstrukt
3.3.4 Das 4-Faktoren-Modell
3.3.4.1 Modelländerung und Hypothese
3.3.4.2 Stichprobe
3.3.4.3 Ergebnisse und Interpretation
3.3.5 Aspekte der Filmrezeption aus evolutionspsychologischer Sicht
3.4 Zusammenfassung

4 Exkurs: Internet und internetbasierte Erhebungsmethoden
4.1 Definition und Entstehung des Internet
4.2 Internetgestützte Datenerhebungsverfahren
4.3 Vor- und Nachteile von Online-Befragungen
4.4 Internetnutzung in den USA

5 Fragestellungen und Forschungshypothesen

6 Untersuchungsdesign
6.1 Interkulturelle Forschung
6.2 Datenerhebung
6.2.1 Erhebungsmethode
6.2.2 Aufbau und Inhalt des Fragebogens
6.2.3 Pretest
6.2.4 Stichprobenziehung
6.2.5 Untersuchungsablauf
6.3 Störfaktoren und kritische Anmerkungen zur empirischen Studie
6.3.1 Befragtenverhalten
6.3.2 Stichprobenziehung, Selbstselektion und Repräsentativität
6.3.3 Kontaktierung der Probanden per direkter E-Mail-Anfrage
6.3.4 Nonresponse
6.3.5 Länge des Fragebogens
6.3.6 Incentives
6.3.7 Zusammenfassung der kritischen Anmerkungen

7 Ergebnisse
7.1 Auswertung der Rezeptionsmodalitäten mittels explorativer Faktorenanalyse
7.2 Interpretation der Faktorenstruktur
7.3 Auswertung des Fragebogens
7.3.1 Auswertung der Fragen F2 und F3: weitere Rezeptionsmodalitäten
7.3.2 Auswertung F4 und F5: Lieblingsfilme nach Produktionsland
7.3.3 Auswertung F7 und F8: Die Bedeutung der Filmstars

8 Diskussion

Literaturverzeichnis

Anhang I

Ehrenwörtliche Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2-1: Erfolgsfaktorenmodell von Kinofilmen

Abbildung 3-1: Der dynamisch-transaktionale Ansatz

Abbildung 3-2: Sieben-Faktor-Modell der Rezeptionsmodalitäten

Abbildung 3-3: Modifiziertes 4-Faktoren-Modell der Rezeptionsmodalitäten

Abbildung 3-4: Analysemodell zur Beschreibung von Medienrezeptionsprozessen

Abbildung 4-1: Datenerhebung über das Internet

Abbildung 4-2: Internetzugang in den USA

Abbildung 4-3: Ablauf der Datenerhebung für die US-amerikanische Stichprobe

Abbildung 4-4: Nonresponseformen bei Web-Surveys

Abbildung 4-5: Answering Drop-Outs der US-amerikanischen Studie

Abbildung 7-1: Scree Plot

Abbildung 7-2: Modell der Rezeptionsmodalitäten für die US-amerikanische Stichprobe

Tabellenverzeichnis

Tabelle 3-1: Die sieben Modalitäten der Filmrezeption und ihre Bedeutung

Tabelle 4-1: Anzahl der Internet-Hosts von 1969 bis 2006 (Monat)

Tabelle 4-2: Vor- und Nachteile von Online-Befragungen

Tabelle 7-1: Bartlett-Test und Kaiser-Meyer-Olkin-Wert (KMO-Wert)

Tabelle 7-2: MSA-Werte

Tabelle 7-3: Eigenwerte und Varianz

Tabelle 7-4: Komponentenmatrix (Faktorladungen vor der Rotation)

Tabelle 7-5: Mustermatrix (Faktorladung>0,35) nach einer schiefwinkligen obliminen Rotation

Tabelle 7-6: Resultate der Reliabilitätsbetrachtung

Tabelle 7-7: Interpretation Faktor Trust

Tabelle 7-8: Interpretation Faktor Identity Work

Tabelle 7-9: Interpretation Faktor Imagination

Tabelle 7-10: Interpretation Faktor Control

Tabelle 7-11: Interfaktorkorrelation der Faktormittelwerte

Tabelle 7-12: Lieblingsfilme nach Produktionsland

Vorwort

Bereits zu Schulzeiten hatte ich den Wunsch, das Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“ zu bereisen und kennen zu lernen. So entschloss ich mich, nach meinem Abitur für 13 Monate in die USA zu gehen und mir ein eigenes Bild von dem Land, seinen Bewohnern und seiner Kultur zu machen. Schon damals hatte ich großes Interesse an Medien und besuchte am Finger Lakes Community College (FLCC) u.a. den Kurs von Richard Cook Introduction to Mass Communication. Dieser Kurs, unter hervorragender Leitung, mit interessanten Themen und zahlreichen „Ausflügen“ in die Praxis, wie z.B. eine Exkursion nach New York zur Aufführung von Cabaret am Broadway, war u.a. ausschlaggebend für meine Entscheidung, an der Friedrich-Schiller-Universität Jena – neben Germanistik und Romanistik (Spanisch) – Medienwissenschaft im Hauptfach zu studieren.

Das Thema der vorliegenden Magisterarbeit ermöglicht es mir, mein Interesse an den USA, Kinofilmen und der Rezeptions- und Wirkungsforschung zu kombinieren. Es war mir zudem von großer Bedeutung, dass sowohl Arbeitsfeld I, welches auf das Medium Film spezialisiert ist, als auch Arbeitsfeld II, welches besonders (massen)mediale Kommunikation und Medienwirkungen behandelt, in der Abschlussarbeit berücksichtigt werden. Durch das Hauptseminar Kommunikationswissenschaftliche Ansätze aus evo-lutionspsychologischer Sicht unter der Leitung von Prof. Dr. Monika Suckfüll im Winter-semester 2004/05 wurde ich auf das von ihr entwickelte Konstrukt der Rezeptions-modalitäten aufmerksam. Ich entschloss mich im Rahmen meines Studienabschlusses das Thema Rezeptionsmodalitäten und Kinokultur. Eine Online-Befragungsstudie in den USA zu bearbeiten.

Traditioneller Bestandteil von Vorworten sind Danksagungen. So möchte auch ich dieser Tradition folgen und an erster Stelle meinen beiden Betreuern, Prof. Dr. Monika Suckfüll und Prof. Dr. Wolfgang Seufert, für ihre Unterstützung danken. Besonderer Dank gebührt meiner Familie, die mich stets in meinen Entscheidungen unterstützt, mir meine Freiheiten gewährt und in schwierigen Zeiten zur Seite gestanden hat. Mein Dank gilt außerdem meinen Freunden, die mich jederzeit motivierten und mit Rat und Tat beiseite standen. Ich spreche allen amerikanischen Befragungsteilnehmern meinen Dank für die Beteiligung an der Befragungsstudie aus.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusammenfassung

Die vorliegende Studie basiert auf dem von Suckfüll (u.m.) entwickelten 4-Faktoren-Modell der Rezeptionsmodalitäten. Das 4-Faktoren-Modell ist ein multidimensionales Konstrukt von Involvement in fiktive Filme, bestehend aus den hierarchischen Faktoren zweiter Ordnung Identity Work und Trust sowie den Faktoren erster Ordnung Imagination und Control. Der Faktor Identity Work dient zur Klärung der Faktoren erster Ordnung Socio - und Ego - Involvement während Trust die Faktoren erster Ordnung Diegetic und Emotional Involvement erklärt.

Die vorliegende Arbeit untersuchte, ob das Modell der Rezeptionsmodalitäten auf die US-amerikanische Bevölkerung übertragbar ist. Die Autorin dieser Arbeit vermutete, dass aufgrund der landesspezifischen medienökonomischen Aspekte der amerikanischen Kinokultur eine Übertragbarkeit nur begrenzt möglich ist.

Im Zeitraum vom 04. August bis 15. Oktober 2006 erfolgte die Überprüfung der Hypothese mittels einer Online-Befragung an 261 US-amerikanischen Probanden.

Die Daten wurden mit Hilfe einer explorativen Faktorenanalyse ausgewertet. Für die US-amerikanische Stichprobe konnten 4 Faktoren erster Ordnung ermittelt werden. Sie entsprechen weitestgehend den Modalitäten von Suckfüll (u.m.) Control, Imagination, Identity Work und Trust. Unterschiede ergeben sich vor allem bei der Betrachtung der interfaktoriellen Beziehungen. Die Forschungshypothese wurde bestätigt. Folgestudien unter Verwendung der Rezeptionsmodalitäten von Suckfüll (u.m.) in den USA, könnten vielversprechende Ergebnisse liefern, u.a. auch bezüglich der Operationalisierung und Entwicklung von Rezeptionsmodalitäten für das Fernsehen.

Abstract

The study presented is based on the model of Rezeptionsmodalitäten (reception modalities) developed by Suckfüll (u.m.). The four-factor-model is a multidimensional construct of involvement in fictional films with the hierarchical factors of second order Identity Work and Trust and the factors of first order Imagination and Control. The factor Identity Work serves to explain the factors of first order Socio - and Ego-Involvement whereas the factor Trust explains the factors of first order Diegetic and Emotional Involvement.

The work presented analyzed, if the four-factor-model of reception modalities is transferable to the US-American population. The author of this work presumed that because of country-specific aspects of the American cinema culture a transfer is only possible with some limitations.

The validation of the hypothesis using an online survey was carried out from the 4th of August till the 15th of October with 261 US-American respondents.

The data was analyzed by using an explorative factor analysis. For the US-American population four factors of first order could be identified. Those factors correspond to the modalities of Suckfüll (u.m.) Control, Imagination, Identity Work and Trust as far as possible. Mainly, there are differences concerning interfactor relations. So the hypothesis of the author was validated.

Following studies in the USA using the model of reception modalities by Suckfüll (u.m.) could provide promising results, inter alia with regard to the operationalization and development of reception modalities for television.

1 Einleitung

Während in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung bisher vor allem die Inhalte, Häufigkeit und Dauer der Nutzung einzelner Medien thematisiert und untersucht wurden, interessieren sich zunehmend mehr Forscher für das Wie der Verarbeitung von Medienangeboten durch den Rezipienten. Die individuell divergierenden Verhaltensweisen der Nutzer während der Rezeption, die große und unterschiedliche Auswahl medialer Angebote und nicht zuletzt die Anpassung der technischen Möglichkeiten an das Nutzungsverhalten begünstigen, dass die Art und Weise der Verarbeitung massenmedialer Angebote das Forschungsinteresse von Kommunikationswissenschaftlern weckte. Die individuellen Nutzungsmuster und Verarbeitungsmethoden der Rezipienten werden als so genannte Rezeptionsmodalitäten bzw. Rezeptionsstrategien bezeichnet. Wie aktuelle Studien im Bereich der Rezeptionsforschung zeigen, können Untersuchungen zu den Rezeptionsmodalitäten bzw. -strategien unterschiedlich operationalisiert werden.

Die vorliegende Arbeit basiert auf dem von Suckfüll (2004, u.m.) entwickelten Konstrukt der Rezeptionsmodalitäten. Suckfüll (2004) definiert Rezeptionsmodalitäten als „im Laufe einer Mediensozialisation eingeübte[n] Strategien, die die Rezipienten während der Rezeption eines Medienangebotes anwenden (111)“. Ein von Suckfüll (2004) entwickeltes 7-dimensionales Modell von Rezeptionsmodalitäten konnte mittels diverser Folgestudien zu einem 4-Faktoren-Modell modifiziert und verbessert werden. Da das 4-Faktoren-Modell im deutschsprachigen Kulturraum mit deutschen Teilnehmern entwickelt wurde, ist interessant zu erforschen, ob es auch auf andere Nationen und Kulturen übertragbar ist. Unterschiedliche Mediensysteme und verschiedene Mediennutzungsge-wohnheiten in anderen Ländern müssen beachtet werden.

Die vorliegende Arbeit untersucht die Übertragbarkeit des Konstruktes auf den US-amerikanischen Kulturraum unter Berücksichtigung diverser Aspekte des US-amerikanischen Kinosystems und der unterschiedlichen Kino- und Filmnutzungs-gewohnheiten der Amerikaner. Die Autorin dieser Arbeit geht davon aus, dass sich aufgrund der Unterschiede zwischen dem deutschen und amerikanischen Kinosystem sowie möglicher unterschiedlicher Rezeptionshaltungen in beiden Ländern Abweichungen bezüglich der Faktorenstruktur ergeben werden. Unter Rückgriff auf die theoretischen Ausführungen und die Analyse des Fragebogens sollen mögliche Unterschiede erklärt werden.

Die Arbeit gibt einführend in Kapitel 2 einen Überblick über die Kinokultur in den USA und in Deutschland. Im Speziellen wird zuerst die sprachliche Bedeutung des Begriffes Kultur dargelegt und es werden diverse Definitionen von Kultur vorgestellt. Für die Argumentation dieser Arbeit ist der darauf folgende Abschnitt von großer Relevanz, denn dieser befasst sich mit medienökonomischen Aspekten der US-amerikanischen Kinokultur, vor allem aber mit den Erfolgsfaktoren eines Kinofilmes. Partiell erfolgt eine kontrastive Darstellung des US-amerikanischen und deutschen Kinomarktes. Im dritten Kapitel wird das von Suckfüll (2004; u.m.) entwickelte Modell der Rezeptionsmodalitäten vorgestellt. Es erfolgt die Beschreibung der Modifizierung des zunächst 7-dimensionalen Konstruktes zu einem 4-Faktoren-Modell (Suckfüll u.m.) unter Beachtung des Involvement Konstruktes. Zusätzlich wird das von Suckfüll (2005) entwickelte Drei-Ebenen-Modell beschrieben, welches im Kontext evolutionspsychologischer Annahmen entwickelt wurde und zur Analyse von Medienrezeptionsprozessen herangezogen werden kann. Das vierte Kapitel befasst sich in einem Exkurs mit dem Internet und internetbasierten Erhebungs-methoden. Da in der vorliegenden Arbeit eine Online-Befragung durchgeführt wird, sind vor allem die Vor- und Nachteile einer mit Hilfe des Internet durchgeführten Befragung von Interesse. An die theoretischen Grundlagen und Betrachtungen schließt Kapitel 5 an, in welchem die Fragestellungen und Forschungshypothesen formuliert werden. Im darauf folgenden Kapitel 6 erfolgt eine Darstellung des Untersuchungsdesigns, wobei besonders auf die Datenerhebung und die Datenerhebungsmethode, den Ablauf der Untersuchung, die Stichprobe sowie die Störfaktoren eingegangen wird. Im Anschluss daran wird in Kapitel 7 die Auswertung der Ergebnisse mittels explorativer Faktorenanalyse vorgestellt. Die Daten werden interpretiert und die bestehenden Zusammenhänge der einzelnen Modalitäten werden in Kapitel 8 diskutiert. Abschließend werden eine Zusammenfassung sowie ein Ausblick auf zukünftige Forschungsmöglichkeiten gegeben (Kapitel 9).

2 Kinokultur in den USA und in Deutschland

In diesem Kapitel wird zunächst der Kulturbegriff beleuchtet: die Etymologie des Begriffes und Definitionen werden vorgestellt. Desweiteren widmet sich dieses Kapitel vor allem den Erfolgsfaktoren von Kinofilmen, im speziellen den Gründen für die Dominanz US-amerikanischer Filme.

2.1 Der Kulturbegriff: Etymologie und Definitionen

Befasst man sich mit dem Begriff Kultur fällt sofort auf, dass dieses Wort geradezu inflationär verwendet wird. Schnell wird klar, dass es kein universal gültiges Konzept von Kultur gibt und auch keine alles umfassende und allgemeingültige Definition. Zahlreiche Wissenschaftszweige, wie z.B. die Kultur-, Literatur-, Politik- und Wirtschaftswissen-schaft, Archäologie, Biologie, Anthropologie, Soziologie, Psychologie, Pädagogik oder aber auch die Medien- und Kommunikationswissenschaft, befassen sich mit dem Begriff Kultur, wenn auch unter Verwendung von inhomogenen Begriffserklärungen. Unterschied-liche Begriffsbestimmungen des Modewortes Kultur reflektieren die diversen Theorien der Beurteilung, Bewertung und des Verständnisses menschlichen Handelns. Alfred L. Kroeber und Clyde Kluckhohn (1963: 81ff.) zeigten bereits 1952 die Heterogenität des Kulturbegriffes auf, indem sie aus den unterschiedlichsten Wissenschaftsgebieten 164 verschiedene Begriffserklärungen ansammelten. Trotz der Heterogenität der Wortbedeu-tung gibt es charakteristische Merkmale, die bei allen bestehenden Theorien zu finden sind. Otten (2004) fasst diese Merkmale folgendermaßen zusammen:

Kultur

… wird sozial vermittelt und erst durch Interaktion belebt.
… wirkt kollektiv und identitätsstiftend. Soziale Kulturträger sind die Mit-glieder sozialer Gruppen, Gemeinschaften oder Gesellschaften.
… zeigt sich materiell und immateriell in materiellen und geistigen Schöpfungen, Artefakten und Kreationen.
… zeigt sich symbolisch und beinhaltet Symbole, die durch die Mitglieder der Kultur geschaffen, eingesetzt und verstanden werden können.
… reduziert Unsicherheit: Als Orientierungssystem bietet Kultur relative Verhaltenssicherheit und kognitive Entlastung.
… wirkt handlungsleitend, indem sie explizit oder implizit das soziale Handeln steuert (aber nicht determiniert!).
… sichert Kontinuität. Vergangenheit drückt sich in der Geschichtlichkeit von Kulturen aus.
… wandelt sich dynamisch und verändert sich durch stetigen oder plötzlichen Kulturwandel“ (7; Hervorheb. im Orig.).

Um sich dem Begriff der Kinokultur und seiner Bedeutung zu nähern, wird zunächst die sprachgeschichtliche Bedeutung des Wortes Kultur betrachtet. Der Begriff Kultur ist ein aus dem lateinischen Wort cultura (zurückgehend auf die Verben colo, colui, cultus) entlehnter Ausdruck, der einerseits Pflege des Ackers, Bearbeitung, Bestellung, Anbau und Viehzucht bedeutet. Im metaphorischen Sinn meint der Begriff andererseits die Geistes-ausbildung, Pflege der intellektuellen Fähigkeiten und (religiöse) Verehrung (Pfeiffer 1989: 943). Gegen Ende des 17. Jahrhunderts erfolgte die Integration des Wortes Kultur in die deutsche Sprache. Im Zuge des land- und forstwirtschaftlichen Aufschwungs in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wurde der Begriff zunehmend verbreitet. Seine eigentliche Popularität erlangte er aber in seiner metaphorischen Bedeutung: „Ins Gesellschaftliche ausgeweitet und zu einem Schlagwort der Epoche wird das Wort im philosophischen Denken der dt. Aufklärung“ (Pfeiffer 1989: 943). Heute umfasst das deutsche Substantiv Kultur folgende vier Bedeutungen (z.B. Hansen 2000: 11ff.):

1. Kultur als Ergebnis agrarwirtschaftlicher und pflegerischer Tätigkeiten

z.B.: in der Landwirtschaft (Anbau von Getreide- und Pflanzenkulturen, Monokultur), Geografie (Kulturlandschaft[1]) oder Medizin (Bakterienkulturen)

2. Kultur als Wortgebrauch für den spezifischen Lebensstil, die Eigenarten, Gewohnheiten und Besonderheiten, die für bestimmte Gruppierungen oder auch für einen speziellen Bereich typisch sind

z.B.: Bräuche, Manieren, Rituale, Sitten, Religion, Ästhetikempfinden, Auffassung von Raum und Zeit oder z.B. auch Esskultur oder die Kultur einer religiösen Sekte etc.

3. Kultur als Bezeichnung für einen speziellen Lebensstil (Kultiviertheit) eines Menschen

z.B.: Pflege von Benehmen, Höflichkeit, Bildung, Geschmack, Manieren, schöngeistige Interessen, Kreativität und Beschäftigung mit Kunst

4. Kultur im Sinne menschlicher Kreativität und Kunst

z.B.: Theater, Oper, Literatur, Architektur, Film, Kunstwerke etc.

2.1.1 Kultur aus evolutionspsychologischer Sicht

Neben den gängigen Betrachtungsperspektiven rücken im Zuge evolutionspsychologischer Annahmen[2] auch kulturelle Aspekte in das Interesse von Forschern. Innerhalb der evolutionären Psychologie besteht ein Ansatz darin, Kultur in evozierte und übertragene Kultur zu differenzieren (Buss 2004: 521; vgl. Tooby und Cosmides 1992). Unter evozierter Kultur werden all jene Phänomene subsummiert, die in einigen Gruppen aufgrund äußerlicher Bedingungen häufiger auftreten als in anderen (Buss 2004: 522).

„Die Tatsache, dass Kalifornier meist stärker gebräunt sind als Menschen aus Oregon, scheint widerzuspiegeln, dass man in beiden Staaten unterschiedlich starker und häufiger Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. Solche 'kulturellen Unterschiede' sind durch die Verbindung eines universellen evolutionären Mechanismus kombiniert mit je nach Gruppe ideal unterschiedlichem Input in den Mechanismus zu erklären“ (Buss 2004: 522).

Übertragene Kultur hingegen „bezieht sich auf Ideen und Vorstellungen, die ursprünglich in mindestens einem Gehirn existieren und durch Beobachtung oder Interaktion an andere weitergegeben werden“ (Buss 2004: 524). Die übertragene Kultur kann mit Hilfe so genannter Inferenz-Mechanismen erklärt werden. Sowohl die evozierte als auch die übertragene Kultur basieren auf evolutionsbedingten psychologischen Mechanismen. Bei der übertragenen Kultur beeinflussen diese Mechanismen, „welchen Ideen wir Aufmerksamkeit widmen, welche wir im Gedächtnis speichern, wieder hervorholen und an andere weitergeben“ (Buss 2004: 525).

Vor dem Hintergrund der Diskussion des Kulturbegriffes aus einer evolutions-psychologischen Perspektive lässt sich auch die Rezeption von Kunst, Fiktion, Film oder Musik einordnen. Die bestehenden Daten sind noch rein spekulativ und empirische Forschungsarbeiten rar. Doch auch die Evolutionspsychologie beschäftigt sich mit Fragen wie „Warum locken manche Filme Millionen von Besuchern in die Kinos, während andere kläglich floppen?“ (Buss 2004: 526).

2.1.2 Definition Kinokultur

Obwohl der Begriff Kinokultur in aller Munde ist, ist erstaunlich, dass sich kaum eine Definition von Kinokultur finden lässt. Zunächst ist festzustellen, dass Kino und Film eine besondere Affinität zueinander haben. Die ersten öffentlichen Filmvorführungen waren ein Teil der Programme von Varietés, Theatern, Jahrmarktsvergnügen oder Musikauf-führungen (Borstnar, Pabst und Wulff 2002: 79). Im Gegensatz dazu wird die Filmrezeption im Kino zu einem homologen Erlebnis: „Film wird kollektiv rezipiert, die Zuschauer haben einen festen Sitzplatz im Theater, der Zuschauerraum wird verdunkelt und die Rezipienten nehmen das Geschehen mehr oder weniger von einem konstanten Standpunkt wahr“ (Borstnar, Pabst und Wulff 2002: 79).

In der vorliegenden Arbeit wird unter Kinokultur die landesspezifische Art und Weise der Rezeption verstanden, die durch die Gegebenheiten medienökonomischer Aspekte beein-flusst wird. Das Kino ist in den USA viel stärker in die Alltagskultur integriert, als das z.B. in Deutschland der Fall ist. Es ist davon auszugehen, dass US-amerikanische Bürger, z.T. auch aufgrund der unterschiedlichen geschichtlichen Entwicklung des amerikanischen und deutschen (europäischen) Kinos auch unterschiedliche Rezeptionsweisen und -haltungen haben. Die Filmrezeption ist durch eine mediale Sozialisation geprägt, wobei auch immer der kulturelle Hintergrund betrachtet werden muss. Medien, und in diesem spezifischen Fall der Film, sind ein Produkt menschlicher Kreativität und dienen aber gleichzeitig der Vermittlung sowie Tradierung von Kultur. Dass die Kinorezeption sich von der heimischen stark unterscheidet wird im folgenden Zitat deutlich:

„Weiche Teppiche, schwere Vorhänge vor den Türen, tiefe Sessel, sanftes Licht mit Dimmern im 'Lichtspielraum' verweisen auf Filmrezeption als Sammlung und Erlebnis, als eine Art Traum, aus dem man am Endes des Films, wenn das Licht wieder langsam hell wird, gleichsam 'erwacht'. Es geht hier um Identifikation, um Projektion, um Empathie, um das Unbewußte, das Verdrängte: Die Produkte der 'Traumfabrik Hollywood' und aller anderen Filmemacher und Filmstudios der Welt gestalten paradigmatische Ängste, Begierden, Heldenrollen, Sehnsüchte, innere Abgründe, Wünsche, Verbotenes, Traumata, die wir alle in uns haben und uns doch nicht eingestehen. Im Kino dürfen wir sie für zwei Stunden ausleben, weil sie im Spielfilm auf eine Weise zugerichtet sind, die sie für uns erträglich werden läßt. Der Spaß am Kino ist die Lust am Träumen und Durchleben des Latenten, des Verborgenen“ (Faulstich 2002: 324).

Die Beschreibung von Faulstich (2002) verdeutlicht den Begriff der Kinokultur in all seinen Facetten sehr gut und bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Erklärung.

[...]


[1] Mit Kulturlandschaft wird eine durch den Menschen veränderte und geprägte Landschaft bezeichnet (Varnhorn 2005: 377).

[2] Zur Evolutionspsychologie siehe Abschnitt 3.3.5.

Ende der Leseprobe aus 164 Seiten

Details

Titel
Rezeptionsmodalitäten und Kinokultur
Untertitel
Eine Online-Befragungsstudie in den USA
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
164
Katalognummer
V80575
ISBN (eBook)
9783638830492
Dateigröße
2227 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar der betreuenden Professorin: "Ute Flamich hat (...) eine interessante Fragestellung entwickelt, die einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung des Konstruktes leistet. [...] Der Interpretation der Ergebnisse ist im Großen und Ganzen zuzustimmen, allerdings wäre ein stringenter Bezug auf den Theorieteil der Arbeit von Vorteil gewesen. [...] Positiv hervorzuheben ist allerdings die kritische Diskussion der Studie (die möglicherweise die Zurückhaltung bei der Interpretation stimuliert hat). Insgesamt ist die Arbeit verständlich geschrieben, gut strukturiert und übersichtlich angelegt."
Schlagworte
Rezeptionsmodalitäten, Kinokultur
Arbeit zitieren
Magistra Artium (M.A.) Ute Flamich (Autor:in), 2006, Rezeptionsmodalitäten und Kinokultur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80575

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