Identitätsentwicklung. Definitionen und die personale und soziale Identität nach Straub


Seminararbeit, 2007

24 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Identität: Definitionen und Begriffsklärung

3 Die personale Identität nach Straub (2000 / 2002 / 2004)
3.1 Identität als Aspiration
3.2 Differenzialität und konstitutiver Selbstentzug
3.3 Qualitative Bestimmungen und die Form oder Struktur personaler Identität
3.4 Kontinuität, Konsistenz und Kohärenz
3.5 Handlungspotential und Autonomie
3.6 Zusammenfassende Bemerkung

4 Die kollektive Identität nach Straub (2002 / 2004)
4.1 Kurze Begriffsgeschichte
4.2 Signifikant ohne Signifikat
4.3 Identity politics
4.4 Vorschlag für die Begriffsbestimmung

5 Abschließende Bemerkung / Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die individuelle Identität eines Individuums ist seit den modernen Gesellschaftsprognosen, von z.B. Ulrich Beck, stark umstritten. Dieses gilt für alle Arten von Identität, personale, also persönliche oder soziale Identität aber auch die kollektive Identität. Selbst die Verwendung des Begriffs »Identität« ist nicht mehr klar und erfreut sich zahlloser Analysen und Diskussionen. Außerdem ist der Begriff »Identität« längst zum Modewort avanciert.

Ich selbst habe mich schon früher mit dem Thema der Identitätskonstruktion auseinandergesetzt. Der Fokus lag dabei in der Regel auf der Erklärung und Analyse von Identität, die durch postmoderne, individualisierte Gesellschaftsformen beschrieben wird.

Auch die Unterscheidung zwischen personaler und kollektiver Identität hatte dabei eher eine nebensächliche Bedeutung.

Ich werde mich hier vornehmlich den Texten von Dr. Jürgen Straub widmen, denn sie beschäftigen sich ausführlich mit den beiden Themen personale und kollektive Identität und betrachten Identität außerdem unter einem anderen als dem mir schon bekannten Blickwinkel.

Straub betrachtet die These der „individualisierten Identität“ sehr kritisch und greift auch immer wieder die Theorein bestimmter Verfechter dieser Ansätze (z.B. Heiner Keupp, der den Begriff der Patchwork-Identität prägte) auf, um darauf explizit einzugehen. Ich werde mich daher fast ausschließlich mit den Texten von Jürgen Straub beschäftigen, da es mich persönlich sehr interessiert hat, auch einmal eine kritische Sicht auf die postmoderne Identität zu erleben. Er lässt dabei natürlich die uns umgebenden gesellschaftlichen Veränderungsprozesse in seiner Analyse nicht aus, er versucht allerdings, die allzu schnell übernommenen „Horrorszenarien“ bezüglich der Entwicklung und Konstruktion unserer Identität realistisch zu betrachten. Die personale und kollektive Identität werden von Jürgen Straub sehr bewusst streng getrennt. Diese Trennung habe ich übernommen, da ich es in Hinblick auf die dazu gehörigen Argumente als sinnvoll erachtete.

Da bei Straub, was die kollektive Identität betrifft, die Anzahl an Veröffentlichungen relativ gering ist, werde ich mich hier besonders einem Text widmen, der aber grundsätzlich alles enthält, was für das Verständnis des Ansatzes nötig ist. Straub widmete sich vornehmlich der personalen Identität und forschte hier besonders unter dem Gesichtspunkt der permanenten Revision des Identitätsbegriffs.

Es wird eine allgemeine Begriffs- und Bedeutungserklärung anschließen, dann wird die Analyse der Texte von Jürgen Straub folgen.

2 Identität: Definitionen und Begriffsklärung

Der Begriff Identität ist in vielen Disziplinen der Wissenschaft vertreten. Von der Psychologie bis zur Pädagogik über Soziologie, Geschichts- und Literaturwissenschaft bis zur Philosophie. Dass allein macht die Komplexität des Begriffes deutlich. Auch die Meinungen zum Begriff der Identität sind sehr kontrovers. Einerseits gehört er unverzichtbar zum wissenschaftlich-theoretischen Vokabular, andererseits wird er als Ärgernis empfunden und seine Abschaffung empfohlen. (vgl. Straub 2004, S. 277)

Trotz allem ist ’Identität’ ein wissenschaftlicher Grundbegriff. Deshalb soll hier versucht werden, den Begriff aus verschiedenen psychologisch begründeten Perspektiven darzustellen und zu klären. Es werden verschiedene Definitionen und Begriffserklärungen genutzt, um einerseits die Komplexität deutlich zu machen, andererseits ein möglichst vielfältiges, abgerundetes Bild von dem Begriff Identität zu erstellen. Der Anspruch eines vollständigen Bildes kann allein aufgrund der Komplexität der Forschungsgebiete hier nicht erfüllt werden.

Identität als psychologisches Konzept wird im Folgenden dargestellt.

„Der Begriff der Identität bezieht sich zunächst in einem allgemeinen Sinn auf die einzigartige Kombination von persönlichen, unverwechselbaren Daten des Individuums wie Name, Alter, Geschlecht und Beruf.“ (Oerter / Dreher 2002, S. 290)

Diese Definition bewegt sich auf einer sehr allgemeinen Ebene und bezieht sich lediglich auf grundlegende Kennzeichen einer Person, durch welche man sie von anderen unterscheiden kann. Die Definition lässt sich in dieser Form generell auch auf Gruppen oder Kategorien von Personen anwenden.

Wenn die Definition von Identität in einem engeren psychologischen Sinn betrachtet wird, verändert sich die Dimension.

Identität ist „die einzigartige Persönlichkeitsstruktur, verbunden mit dem Bild, das andere von dieser Persönlichkeitsstruktur haben.“ (Oerter / Dreher 2002 S. 291)

Die Definition von Identität wird hier um den Faktor der äußeren Umwelt erweitert. Auch diese Umwelt oder die Lebenswelten des Individuums tragen zur Identität dessen bei.

(vgl. Oerter / Dreher 2002, S. 290 f)

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Perspektive und das Verständnis von Identität verändert. Klassische Theorien, wie etwa die psycho-soziale Entwicklungstheorie von Erik H. Erikson, stellen Identität als eine über Kohärenz und Kontinuität beschriebene Entwicklung dar. Andere Ansätze, die sich an der postmodernen oder individualisierten Gesellschaftstheorie orientieren, formulieren Identität oft als „Patchwork-Identität“.

Erik H. Erikson war der Erste, der die Entwicklung der Identität als eine der wesentlichen und grundlegenden Leistungen der Persönlichkeitsentwicklung in der Adoleszenz bezeichnete. Er richtet sein Augenmerk auf die Entwicklung von Identität im Laufe des Lebenszyklus.

Die Entwicklung der Identität ist, laut Erikson, ein wichtiger Schritt hin zu einem produktiven, glücklichen Leben als Erwachsener. Diese Definition bezieht sich in erster Linie auf die entwicklungspsychologische Ebene (vgl. Berk 2005, S. 525 f).

„Die Konstruktion einer Identität beinhaltet eine Definition dessen, der man selbst ist, der eigenen Werte und der Richtung, die man in seinem Leben einschlagen möchte“

(Berk 2005, S. 526).

Fortgeführt wurde dieser Ansatz von James E. Marcia, der das Modell erweiterte und so das „Ego Identity Status - Modell“ entwickelte. Nach Marcia kann Identität unter drei Aspekten betrachtet werden: strukturell (structural), phänomenologisch (phenomenological) und verhaltensbestimmt (behavioral).

Er gliedert Identität außerdem in vier verschiedene Identitätsstadien. Die erarbeitete Identität, das Moratorium, die übernommene Identität und die diffuse Identität[1]

(vgl. Straub 2000, S. 292 ff).

Andere Autoren, beispielsweise Werner Greve, sprechen von einem Begriff des „Selbst“.

Das Selbst meint „ein dynamisches System, das einerseits auf die jeweilige Person bezogene Überzeugungs- und Erinnerungsinhalte in hochstrukturierter Form und andererseits die mit diesen Inhalten und Strukturen operierenden Prozesse und Mechanismen umfasst“

(Greve 2000, S. 17).

Auch George H. Mead ist ein bekannter Autor der Theorie des Selbstkonzeptes. Seine Unterscheidung in „I“, „Me“ und „Self“ sind die Grundlage der Handlungstheorie. Diese lässt sich eindeutig eher in den sozialpsychologischen Bereich der Soziologie einordnen. Auch Mead beschreibt so die Inhalte und Prozesse des Selbst.

Ein anderer Ansatz, der Identität als Patchwork bezeichnet, wurde geprägt durch Heiner Keupp. Hier ist Identität folgendermaßen definiert: „In ihren Identitätsmustern fertigen Menschen aus den Erfahrungsmaterialien ihres Alltags patchworkartige Gebilde und diese sind Resultat der schöpferischen Möglichkeiten der Subjekte.“ (Keupp 2004, S.7)

Diese Definition bezieht sich stark auf die sozialpsychologische Ebene und greift die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen auf.

Jürgen Straub formuliert eine Begriffserklärung, die mehrere Ansätze vereint.

„ Der Identitätsbegriff bezeichnet eine spezifische Form oder Struktur des Selbstverhältnisses einzelner Personen, die sich auf der Grundlage ihrer Sprach- und Handlungsfähigkeit zu sich selbst verhalten können.“ (Straub 2000, S. 281)

„Identität als Form, Struktur oder als »Gestalt« lassen sich zunächst als jene »Einheit« oder »Ganzheit« auffassen, als die sich ein nämliches Subjekt unter wechselnden raum-zeitlichen Umständen versteht, empfindet und präsentiert. […] Die als Einheit oder Ganzheit der Person gefasste Identität impliziert »Kontinuität« und »Kohärenz«“ (Straub 2002, S. 284).

Wie nun deutlich werden sollte, ist die Fülle von Definitionen, die den Begriff Identität in verschiedenen Bereichen und Artikulationen beschreiben, fast grenzenlos.

Grundlage dieser Arbeit wird die oben genannte Definition von Jürgen Straub sein, der sich kritisch mit verschiedenen Identitätsmodellen auseinandersetzt.

3 Die personale Identität nach Straub (2000 / 2002 / 2004)

Personale Identität ist ein theoretischer Begriff, der in der Soziologie und der Psychologie entwickelt wurde. Bezieht man es auf die Psychologie, gibt es immer noch eine aktuelle Auseinandersetzung über die Bedeutung des Begriffs. Es gäbe auch hier „eigentlich nicht den theoretischen Identitätsbegriff, sondern mannigfaltige Gebrauchsweisen […].“ (Straub 2004, S. 278).

Folgt man Straub weiter, formuliert er, dass es einen grundsätzlichen Unterschied mache, ob man von personaler Identität oder von kollektiver Identität spräche. Dieser Unterschied wird hier weiter aufrechterhalten, obwohl natürlich eine Abhängigkeit der beiden Begriffe voneinander besteht und diese auch nicht außer Acht gelassen werden soll.

Personale Identität definiert Straub als „qualitative Merkmale oder die Form bzw. Struktur des praktischen, kommunikativen Selbstverständnisses einer Person…“ (Straub 2004, S. 278).

Personale Identität wird – laut Straub – immer öfter als „ein anachronistisches Relikt aus vergangenen Tagen“ (Straub 2002, S. 85) bezeichnet. Aufgrund der gesellschaftlichen Veränderung, des Wandels zur postmodernen Gesellschaft, sei der Wunsch nach Identität als ein „fragwürdiges Produkt einer Sozialisation und Entkulturation entlarvt“ (Straub 2002, S. 86) und würde somit die „Überflüssigkeit oder Unmöglichkeit personaler Identität in spät- oder postmodernen Gesellschaften“ (ebd.) bestätigen. Straub begegnet dieser Annahme recht kritisch und ist der Ansicht, dass „die Angelegenheit so einfach nicht ist. Personen werden in den systemischen Sphären funktional differenzierter Gesellschaften […] auch in Zukunft keine bloßen Rollen- und Funktionsträger sein müssen und ’dürfen’.“ (Straub 2002, S. 87).

Laut Straub werden alle Individuen stets Handlungsspielräume haben, in denen sie sich als individuelle Person bewegen können. Straub bezeichnet dieses kreative Handeln geradezu als eine Voraussetzung für die Funktionalität von Organisationen und Institutionen

(vgl. Straub 2002, S. 87 f).

[...]


[1] Vgl. hierzu: Jürgen Straub: Identität als psychologisches Deutungskonzept. In: Werner Greve: Psychologie des Selbst, 2000

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Identitätsentwicklung. Definitionen und die personale und soziale Identität nach Straub
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Institut für Pädagogische Psychologie)
Veranstaltung
Entwicklungspsychologie des Erwachsenenalters
Note
1,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V80411
ISBN (eBook)
9783638870849
ISBN (Buch)
9783668344594
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Identitätsentwicklung, Definitionen, Identität, Straub, Entwicklungspsychologie, Erwachsenenalters
Arbeit zitieren
Lena Metzing (Autor:in), 2007, Identitätsentwicklung. Definitionen und die personale und soziale Identität nach Straub, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80411

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