Epitheliale Natrium-Kanäle - Vom Molekül zur Krankheit


Examensarbeit, 2006

67 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Epithelien
2.1 Struktur und Funktion biologischer Membranen
2.2 Bau und Funktion von Epithelien

3 Der epitheliale Natriumkanal
3.1 Die ENaC/Deg Familie
3.2 Charakterisierung des ENaCs
3.2.1 Vorkommen
3.2.2 Aufbau
3.2.3 Funktionelle Domänen
3.2.4 Biophysikalische und physiologische Eigenschaften
3.3 Einzelkanalleitfähigkeit
3.3.1 Transport via ENaC
3.4 Regulation

4 Dysfunktionen
4.1 Liddle-Syndrom
4.2 Pseudohypoaldosteronismus
4.2.1 Pseudohypoaldosteronismus Typ1
4.3 Zystische Fibrose

5 Behandlungsstrategien
5.1 Liddle-Syndrom
5.2 Pseudohypoaldosteronismus Typ1
5.3 Zystische Fibrose

6 Zusammenfassung und Ausblick

7 Summary

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Der epitheliale Natriumkanal (ENaC) spielt in zahlreichen Epithelien eine zentrale Rolle bei der Kontrolle der Natriumhomöostase, des Blutvolumens und des Blutdrucks eines Organismus. Um einen uneingeschränkten Ionentransport zu gewährleisten, ist eine genaue Regulation dieses Kanals unabdingbar. Sie erfolgt mittels zahlreicher Hormone sowie anderer intrazellulärer Faktoren. Dysregulation und mutationsbedingte Funktions- störungen des ENaCs, welche in Form von Über- und Unteraktivität auftreten können, resultieren in drei ernsthaften, lebensbedrohlichen Erbkrankheiten: Liddle-Syndrom, Pseudohypoaldosteronismus Typ1 und Zystische Fibrose. Die essentielle Bedeutung des ENaCs für den gesamten Organismus wird durch seine Einbindung in die Pathogenese dieser Krankheiten besonders hervorgehoben.

Ziel dieser Arbeit wird es sein, einen Überblick über die Zusammenhänge zwischen dem epithelialen Natriumkanal und der Krankheitsentstehung dieser drei Erkrankungen zu geben. Dazu werden zunächst in Kapitel 2 allgemeine Informationen zu Funktion und Aufbau biologischer Membranen und Epithelien gegeben. Im nächsten Kapitel wird der epitheliale Natriumkanal selbst charakterisiert. Zunächst sei dort die Position des ENaCs innerhalb der ENaC/Deg Familie beleuchtet, um anschließend die Kennzeichen des Kanals unter besonderer Berücksichtigung von Vorkommen, Aufbau, seinen funktionellen Domänen, den biophysikalischen Eigenschaften sowie des Transportes via ENaC herauszustellen. In Kapitel 3.3 werden anschließend die verschiedenen Regulationswege des ENaCs in aller Kürze dargestellt. Für ausgiebige Informationen zu diesem Thema sei hier allerdings auf aktuelle Literatur verwiesen. Der zweite Teil dieser Arbeit behandelt die drei ENaC- assoziierten Erkrankungen. In Kapitel 4 wird zunächst die Pathogenese des Liddle-Syndroms, des Pseudohypoaldosteronismus Typ1 sowie der Zystischen Fibrose dargestellt. In diesem Rahmen werden sowohl Krankheitsbild als auch zugrunde liegende Mutationen der drei Krankheiten vorgestellt. Das Kapitel 5 soll anschließend einen Überblick über aktuelle Behandlungsstrategien bieten sowie deren Vor- und Nachteile erörtern.

Abschließend werden die wichtigsten Inhalte dieser Arbeit in Verbindung mit der Essenz aktueller Publikationen zum Thema „Epitheliale Natriumkanäle“ resümiert werden. In diesem Zusammenhang soll außerdem der Versuch erfolgen, eine Prognose zur weiteren Entwicklung dieses Forschungsfeldes zu formulieren.

2 Epithelien

2.1 Struktur und Funktion biologischer Membranen

Jede Zelle als Ganzes sowie alle intrazellulären Organellen sind von einer dünnen Biomembran umgeben. Diese gestattet einerseits eine Abgrenzung der Zelle von der Umgebung sowie ihren Schutz vor äußeren Einflüssen. Darüber hinaus wird aufgrund der intrazellulären Kompartimierung ebenfalls ein zeitgleicher Ablauf verschiedener Reaktionen im Zellinnern ermöglicht. Aufgebaut ist eine solche Zellmembran aus einer Lipiddoppelschicht, deren Grundlage amphiphile Phospholipide bilden. In der Doppelmembran lagern sich die hydrophoben Köpfe der Lipidmoleküle zusammen, so dass ihre hydrophilen Schwänze (unpolaren Kohlenwasserstoffketten) in die wässrige Umgebung des Extra- bzw. Intrazellularraums ragen. Durch einen derartigen Aufbau ist einerseits eine problemlose Kontaktaufnahme der Zelle mit allen Stoffen des wässrigen Milieus gewährleistet, andererseits entsteht aber auch eine Art Barriere zwischen Zellinnerem und extrazellulärem Medium. Während also Wasser und darin gelösten Stoffen der Weg durch diese Schranke verwehrt bleibt, gelingt es fettlöslichen Stoffen wie Sauerstoff, Kohlenstoff und Alkohol sehr wohl, ins Zellinnere zu gelangen (Schmidt et al., 2004).

Ein zusätzlicher Bestandteil solcher Biomembranen sind Membranproteine, die beispielsweise eine enzymatische Funktion innehaben oder aber als Oberflächenrezeptor bzw. Transportproteine fungieren können. Man unterscheidet hierbei zwischen integralen Proteinen, welche die Membran vollständig durchsetzten, und peripheren Proteinen, die mittels hydrophoben Molekülfortsätzen in der Lipiddoppelschicht verankert sind, diese jedoch nicht vollständig penetrieren. Die Art und Anzahl der Proteine einer Membran sind stark variabel.

Die verschiedenen Membranproteine sind zudem innerhalb des Lipidbilayers frei beweglich (nach dem Flüssigmosaikmodell (Singer & Nicolson, 1972), sie können lateral diffundieren und sich zusätzlich um ihre eigene Achse drehen. Sogenannte „flip-flops“, also der Wechsel eines Lipidmoleküls von einer Membranschicht in die andere, sind dabei eher selten. Dies gewährleistet die resolute Trennung von extra- und intrazellulärer Matrix.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: a) Schemazeichnung einer Zellmembran. b) Detailansicht eines Phospholipids. Quelle: www.wikipedia.de, Stand: 06.02.2006.

Die Aufgaben einer biologischen Membran sind demnach die Aufrechterhaltung des intrazellulären Milieus mit Hilfe selektiver Permeabilität bzw. verschiedener Transportmechanismen sowie die Weiterleitung extrazellulärer Signale ins Zellinnere (Neurotransmitter, Hormone, etc.) (Schmidt et al., 2004).

2.2 Bau und Funktion von Epithelien

Epithelien begrenzen einen Organismus zur eigentlichen Körperaußenseite hin (durch die Haut) sowie zu der sogenannten funktionellen Außenseite. Diese wird von den Lumina der von außen zugänglichen Körperhöhlen gebildet, die ihren Inhalt zunächst aus der Außenwelt aufnehmen und ihn später an selbige zurückgeben (z.B. Magen-Darm-Trakt, Nierentubuli).

Darüber hinaus bilden Epithelien aber auch Grenzflächen zwischen den inneren Flüssigkeitskompartimenten des Körpers, die keine Verbindung zur Außenwelt besitzen wie beispielsweise Pleura, Epikard sowie die Auskleidung der inneren Organe und Gefäßwände. Letztere werden oftmals als Endothelien bezeichnet, funktionell gesehen handelt es sich jedoch meist um sehr durchlässige Epithelien.

Epithelzellen sind ein- oder mehrschichtig und von typischer polarer Struktur. Einige Transportproteine sind dementsprechend nur in der apikalen Membran (z.B. ENaC), andere nur im basolateralen Bereich (z.B. Na+/K+-ATPasen) zu finden. Die apikale Zellmembran ist definitionsgemäß dem Außenmedium zugewandt. Sie bildet in vielen Epithelien Mikrovilli aus, die man als Bürstensaum bezeichnet. Die basolaterale Zellmembran setzt sich aus der basalen Membran der Zelle, die der Blutseite zugewandt ist, und den lateralen, also seitlich gelegenen Zellmembranen zusammen. Eine begriffliche Zusammenfassung erfolgt hier aufgrund gleichartiger Ausstattung beider Bereiche mit Transportern und ihrer ungehinderten Verbindung zum interstitiellen Raum.

Lateral benachbarte Zellen sind innerhalb des Interzellulärspaltes auf drei Arten verbunden. Neben den Desmosomen und Konnexionen, die auch in anderen Zelltypen vorkommen, sind für Epithelzellen spezifische Schlussleisten, die sogenannte „tight junctions“ charakteristisch. Diese befinden sich in den lateralen Membranen nahe der funktionellen Außenseite und grenzen dort den apikalen vom basolateralen Bereich ab. Neben der Funktion als Barriere, die der freien Stoffdiffusion zwischen benachbarten Zellen vorbeugt und die laterale Beweglichkeit membranspezifischer Proteine begrenzt, können tight junctions aber auch kontrollierten, parazellulären Transport zwischen zwei Zellen vermitteln.

Einen zweiten Transportweg stellt der transepitheliale Weg durch eine Epithelzelle dar, den man, erfolgt er von der funktionellen Außenseite ins Interstitium, als Resorption bezeichnet. In umgekehrter Richtung spricht man von Sekretion.

Eine Unterteilung verschiedener Epitheltypen erfolgt im Allgemeinen anhand ihrer Transporteigenschaften, der sogenannten Leckheit. Man unterscheidet hier zwischen undurchlässigen, dichten und durchlässigen Epithelien (Schmidt et al., 2004).

3 Der epitheliale Natriumkanal

3.1 Die ENaC/Deg Familie

Der Name ENaC/Deg Familie hat seinen Ursprung in den ersten beiden Mitgliedern dieser Gruppierung: dem epithelialen Natriumkanal (ENaC) und den Degenerinen (Deg). Anfang der 90er-Jahre beschrieben Calfie et al. eine Gruppe von Genen in Caenorhabtidis elegans, die im mutierten Zustand eine Degeneration verschiedener, an der Tasterkennung beteiligter Neuronen bedingten. Hiervon abgeleitet entstand auch ihr Name, die Degenerine (Chalfie & Wolinsky, 1990;Huang & Chalfie, 1994).

Der von diesen Mutationen induzierte Phänotyp legte die Vermutung nahe, die Degenerine seien Ionenkanäle. Aufgrund nachfolgender Studien konnten noch viele weitere Mitglieder dieser stetig wachsenden Proteingruppe von Vertebraten sowie Invertebraten hinzugefügt werden. Kürzlich ergänzte, neu entdeckte Kanäle werden in nicht-epithelialem Gewebe exprimiert, dort vor allem in Neuronen. Da sie aber auch in anderen Zelltypen vertreten sind, lässt sich eine große Varietät ihrer Funktionen vermuten (Alvarez de la Rosa et al., 2000). Der bis dato bestcharakterisierte Vertreter dieser Superfamilie von Ionenkanälen ist der epitheliale Natriumkanal. Folglich soll im Laufe dieser Arbeit gelegentlich auf übrige Mitglieder der Familie verwiesen werden, im Wesentlichen aber der ENaC behandelt werden.

3.2 Charakterisierung des ENaCs

3.2.1 Vorkommen

Der epitheliale Natriumkanal ist ein Bestandteil der apikalen Membran vieler salzabsorbierender Epithelien, der eine essentielle Rolle beim Ionentransport innerhalb zahlreicher Organe spielt. So ist er zum Beispiel in der Niere, dem Darm und den Schweiß- sowie Speicheldrüsen an der Na+-Reabsorption beteiligt, durch die wiederum der Na+-Gehalt im Blutplasma sowie in Urin, Fäzes, Schweiß und Speichel bestimmt wird. In der Lunge und den Atemwegen hingegen spielt die Natrium-Resorption durch den ENaC sowohl bei der postnatalen Trockenlegung der Alveolen und der damit verbundenen Adaption an die Luftatmung als auch bei der späteren Regulation der Mukusviskosität eine wichtige Rolle. ENaC wird zudem in Zellen nicht- transportierender Epithelien exprimiert (Keratinozyten und Haarfollikel), die zwar Mineralokortikoid-sensitiv sind, aber keine Rolle bei der Natriumhomöostase spielen (Firsov et al., 1996;Firsov et al., 1998). ENaC scheint an dieser Stelle die Differenzierung der Haut sowie das Haarwachstum mitzuverantworten (Mauro et al., 2002). Es konnte darüber hinaus nachgewiesen werden, dass der epitheliale Natriumkanal auch in den Geschmacksknospen der Zunge aufzufinden und dort an der Geschmackserkennung von „salzig“ beteiligt ist (Kretz et al., 1999;Lindemann, 1996). Neuere Studien induzierten zudem, dass der ENaC im Auge und Innenohr an der Ionenzusammensetzung des Humor aquosos (Kammerwassers) sowie der Endolymphe mitwirkt (Kellenberger & Schild, 2002). Genauere Informationen zur Funktion des ENaCs und den Abläufen innerhalb dieser letztgenannten Gewebe werden sich noch aus aktuellen sowie zukünftigen Untersuchungen ergeben müssen.

All diesen unterschiedlichen Funktionen, die ENaC an den verschiedensten Stellen im Organismus ausübt, liegt ein komplexes molekulares Regulationssystem zugrunde, aufgrund dessen eine Anpassung an die jeweiligen Anforderungen des Elektrolyttransportes erst möglich ist. Nähere Informationen hierzu werden zum Teil in Kapitel 3.3 (Regulation) zu finden sein.

Die größte Aufmerksamkeit vergangener Forschungsarbeiten galt bisher dem renalen ENaC (und seiner Aldosteron-abhängigen Regulation). In der Niere lokalisiert übernimmt er den größten Teil der Na+-Homöostase des gesamten Körpers sowie die Kontrolle des Blutdrucks und des Blutvolumens (Rossier et al., 2002). Wie essentiell diese Regulation durch den epithelialen Natriumkanal für einen Organismus ist, wird deutlich, wenn man verschiedene Mutationen desselbigen betrachtet, die in Über- oder Unterfunktionen resultieren können und ernste, lebensbedrohliche Krankheiten zur Folge haben (Oh & Warnock, 2000). Welche pathophysiologischen Veränderungen sich genau aus solchen Mutationen ergeben, wird im Kapitel 4 (Dysfunktionen) dieser Arbeit ausführlich erläutert werden.

3.2.2 Aufbau

Obwohl Natriumkanäle in Epithelien schon vor einigen Jahre identifiziert und funktionell charakterisiert wurden - zunächst mittels der von Ussing entwickelten Kurschlussstrom-Technik, später dann mithilfe moderner Techniken wie „Noise Analysis“ und „Patch-clamp“ - so wurde erst kürzlich die molekulare Struktur des ENaCs entdeckt. Es gelang dank der Expression von mRNA, die aus dem Dickdarm von Ratten isoliert wurde, in Xenopus - Oozyten, den molekularen Aufbau des ENaCs erstmals zu beschreiben (Canessa et al., 1994).

Der epitheliale Natriumkanal wurde erstmals im Jahre 1993 kloniert und kurz ENaC benannt (Canessa et al., 1993). Er ist ein heteromultimeres Protein, welches sich aus drei verschiedenen, homologen Untereinheiten (UE) zusammensetzt. Diese sogenannten α-, β- und γ-UE bestehen aus 698, 638 bzw. 650 Aminosäuren und besitzen ein Molekulargewicht (Mr) von 72 bis 78 kDa (Garty & Palmer, 1997). Im glykolysierten Zustand beträgt das Mr für alle drei UE rund 90 kDa. Ihre Aminosäuresequenzen stimmen zu ungefähr 30- 35% überein (Canessa et al., 1994;Garty & Palmer, 1997), was vermuten lässt, dass eine Gentriplikation des Vorläufergens die Ursache dieser Homologie darstellt.

Obwohl alle drei UE in Xenopus Oozyten injiziert homomere Kanäle bilden können, weist nur der aus Į-UE zusammengesetzte einen signifikanten Na+- Transport auf (Canessa et al., 1993). Sobald eine weitere Untereinheit (ȕ oder Ȗ) assoziiert wird, steigt der Na+-Leitwert bereits erheblich (30% (Įȕ) bzw. 10% (ĮȖ) des wt-Stroms). Maximaler Natriumtransport wird allerdings erst erreicht, wenn alle drei UE an der Bildung des Kanals beteiligt sind (Canessa et al., 1994).

Eine weitere, vor einigen Jahren erst entdeckte į-Untereinheit teilt bezüglich ihrer Struktur und Funktion die größte Übereinstimmung mit der α-UE (~37%) (Waldmann et al., 1995). Sie ist ebenso in der Lage, einen homomeren Kanal zu bilden, der eine signifikante Na+-Leitfähigkeit aufweist. Auch bei der δ-UE erhöht diese sich bereits mit der Anlagerung einer weiteren Untereinheit. Maximale Leitwerte erreicht sie (in vitro) jedoch ebenfalls nur, wenn sowohl β- als auch γ-UE assoziiert sind. Die biophysikalischen Eigenschaften der įȕįȖ-Kanäle weichen allerdings leicht von denen der ĮȕĮȖ-Kanäle ab. So

wurde neben einer geringeren Amilorid-Sensitivität der Kanäle auch eine gesenkte Selektivität für Lithium über Natrium festgestellt. Bisher konnte die δ-UE lediglich bei Schimpansen und Menschen nachgewiesen werden; im Gegensatz zu den übrigen drei UE wurde sie dort vor allem in neuronalem Gewebe wie dem Gehirn sowie in geringerer Anzahl auch in anderen Geweben (Hoden, Eierstöcke, Herz und Magen) gefunden (Waldmann et al., 1995). Da weder ȕ- noch Ȗ-UE die Gewebsverteilung der į-UE teilen, ist es gut möglich, dass noch weitere, bisher unidentifizierte Untereinheiten deren Rolle in vivo übernehmen. Aufgrund der noch ungenauen Kenntnisse zur physiologischen Bedeutung der į-UE wird sich diese Arbeit im weiteren Verlauf größtenteils auf die drei übrigen, bisher bekannten UE (α,β und γ) beschränken.

Das Gen SCNN1A, welches für ĮENaC kodiert, ist auf dem Chromosom 12p13 lokalisiert. Sowohl für ȕ- als auch Ȗ-UE befinden sich die Gene SCNN1B bzw. SCNN1G auf benachbarten Regionen des Chromosoms 16p12, 400kb voneinander entfernt (Voilley et al., 1995). Diese räumliche Nähe stützt die Vermutung, beide Gene seien ebenfalls aufgrund einer Multiplikation des gemeinsamen Vorgängergens entstanden, allerdings weit nachdem sich das Gen für die Į-UE aus dem Vorläufergen entwickelte. Für diese Sicht spricht auch die Tatsache, dass im Darm die ȕ- und Ȗ-UE der selben transkriptionalen Kontrolle unterziehen, wohingegen die Į-UE anders reguliert wird (Renard et al., 1995).

Aufgebaut ist jede Einzelne der drei Untereinheiten aus zwei kurzen, intrazellulären Domänen (N- und C-Terminus), zwei hydrophobe Transmembrandomänen (M), sowie einem großen extrazellulären Loop, der die beiden Ms miteinander verbindet und mit ca. 65% der Aminosäuren den Großteil der UE ausmacht.

Auf die genauen Funktionen dieser einzelnen Domänen einer Untereinheit sowie auf die in Abbildung 2 bereits gekennzeichneten, bisher aber noch nicht beschriebenen Sequenzen wird im Kapitel 3.2.3 (Funktionelle Domänen) dieser Arbeit noch näher eingegangen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Modell einer UE des ENaCs, H: hochkonservierte Sequenz (modifiziert nach Pratt, 2005).

Zum stöchiometrischen Aufbau des heteromultimeren ENaCs gibt es bisher noch keine einheitliche Meinung. Im Allgemeinen wird zwar angenommen, dass sich ENaC aus zwei α-, einer β-, und einer γ-Untereinheit zusammensetzt, die pseudosymmetrisch um die Kanalpore angeordnet sind (Canessa et al., 1994;Firsov et al., 1998;Kosari et al., 1998). Es wurden jedoch auch Forschungsarbeiten veröffentlicht, die eine heterononamere Struktur mit einem Verhältnis von 3α:3β:3γ postulieren (Eskandari et al., 1999;Snyder et al., 1998). Aufgrund des aktuellen Wissensstandes über dreidimensionale Strukturen favorisieren vielen Forschern dennoch die heterotetramere Variante der Stöchiometrie, da ein Aufbau aus 9 UE eher unüblich ist für hoch selektive Kanäle wie den epithelialen Natriumkanal. Es könnte sich bei den beobachteten, nonameren Strukturen viel mehr um ein „Clustering“, d.h. eine Zusammenlagerung mehrerer ENaCs an der Zelloberfläche handeln (Loffing & Schild, 2005). Endgültige Eindeutigkeit bezüglich dieser Frage wird sich erst nach weiterer Forschung mit Hilfe neuer Methoden ergeben.

In dieser Arbeit wird im Folgenden gemäß der populäreren Meinung von einer heterotetrameren Struktur des ENaCs ausgegangen (siehe Abbildung 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Aufbau von ENaC in Auf- und Seitenansicht (modifiziert nach Rossier et al., 2002)

3.2.3 Funktionelle Domänen

Eine hoch-konservierte Region innerhalb des zytoplasmatische N-Terminus, die direkt vor der ersten Transmembrandomäne lokalisiert ist, spielt eine Schlüsselrolle im Schaltverhalten des ENaCs (Grunder et al., 1997). Die Bedeutung dieser Sequenz variiert allerdings zwischen den einzelnen UE (Į>>ȕ>Ȗ). Es konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass der Amino-Terminus auch an der Assoziation der UE sowie deren Transport zur Zellmembran beteiligt ist (Benos & Stanton, 1999;Chalfant et al., 1999b). Ferner reguliert die intrazelluläre Domäne außerdem, wie lange der ENaC in der Plasmamembran verweilt. Durch Ubiquitinierung N-terminal lokalisierter Lysinreste der Į- und ȕ-UE wird das Protein für die Endozytose und anschließende Degradation gekennzeichnet (Staub et al., 1997). Aufgrund dieses regulatorischen Mechanismus kann die Anzahl der epithelialen Natriumkanäle in der apikalen Membran stark variieren.

Der intrazelluläre C-Terminus aller drei UE enthält mehrere funktionale Domänen, die in die Regulation der Anzahl an Kanälen in der Zelloberfläche beteiligt sind. Eine hoch konservierte, Prolin-reiche Sequenz (PPPxY), die als PY-Motiv bezeichnet wird (siehe Abb.1), ist in allen drei ENaC-UE, nicht jedoch in der į-UE zu finden. Sie interagiert mit einem Protein namens Nedd4- 2, welches die Aktivität des ENaCs und seine Dichte in der Zellmembran reguliert (Staub et al., 1996). Deletionen und Missense-Mutationen innerhalb dieses PY-Motivs führen zu einer pathophysiologischen Entwicklung (siehe Kapitel 4.1: Liddle-Syndrom).

An eine weitere Prolin-reiche Sequenz des C-Terminus der Į-Untereinheit bindet das zytoskelettale Strukturprotein Į-Spectrin (Rotin et al., 1994). Diese Interaktion könnte eine Rolle in der Lokalisierung und/oder der Verankerung des ENaCs in der Zellmembran spielen.

Die hydrophoben Domänen des ENaCs durchspannen die Membran vollständig. Die erste Transmembrandomäne (M1) schließt sich in Form einer Į-helikalen Struktur direkt an den N-Terminus an. Aufgrund vorangegangener Sequenzvergleichen gehen aktuelle Modelle der UE davon aus, dass die zweite Transmembrandomäne (M2) ebenfalls eine Į-Helix formt, die mit der konservierten AS Serin (ĮS589) beginnend 22 AS weiter downstream in einer bestimmten ENaC-Sequenz endet. Die M2 beeinflusst die Amiloridbindung (Alvarez de la Rosa et al., 2000) ebenso wie die Ionenselektivität (Kellenberger et al., 1999a). Unmittelbar vor dieser M2 befindet sich eine kurze, weniger strukturierte Sequenz (pre-M2), die als eine kurze Schleife ebenfalls in die Membran eintaucht und an der Bildung des Selektivitätsfilters sowie der Kanalpore beteiligt zu sein scheint (Benos & Stanton, 1999;Kellenberger et al., 1999b).

Der extrazelluläre Loop der ENaC-Untereinheiten stellt wie bereits erwähnt den Großteil des Proteins dar. Er wird von zehn verschiedenen Exons kodiert. N- und C-Terminus werden im Vergleich dazu lediglich von je einem Exon verschlüsselt. Innerhalb der hydrophilen Domäne sind mehrere Glykolisierungsstellen zu finden (Canessa et al., 1994). Charakteristisch sind zudem zwei Cystein-reiche Sequenzen (CRB1, CRB2), die 6 bzw. 10 Cysteine umfassen. Firsov et al. zeigten, dass Interaktionen zwischen zwischen den Cysteinen 1 und 6 (CRB1) sowie 11 und 12 (CRB2) mitverantwortlich für den Transport des Kanals zur Zellmembran sind (Firsov et al., 1999).

Zusätzlich beinhaltet die hydrophile Schleife eine hoch affine Bindungsstelle für Amilorid. Der pre-M2-Domäne wurde eine wichtige Rolle bezüglich der Blockade mittels Amilorid sowie die Beteiligung an der Bildung der Kanalpore nachgewiesen (Schild et al., 1997). Ein Model selbiger wird im Kapitel 3.2.4 vorgestellt werden.

3.2.4 Biophysikalische und physiologische Eigenschaften

Der epitheliale Natriumkanal weist vier charakteristische, biophysikalische Eigenschaften auf:

eine hohe Ionenselektivität,

eine niedrige Einzelkanalleitfähigkeit, eine langsame Kinetik und

eine hohe Affinität für das Kalium-sparende Diuretikum Amilorid.

Ionenselektivität

Besonders charakteristisch für den epithelialen Natriumkanal ist seine ausgeprägte Ionenselektivität. So erweist er sich als hoch selektiv für Na+ gegenüber K+ mit einem Permeabilitätsverhältnis von mindestens 100:1, nach Garty und Palmer bis hin zu 1000:1 (Garty & Palmer, 1997). Die einzigen Kationen, für die ENaC neben Na+ ebenfalls permeabel ist, sind die noch kleineren Lithium-Ionen. Das Verhältnis von Li+ zu Na+ beträgt in etwa 1,5:1 (Alvarez de la Rosa et al., 2000).

Die Beobachtung, dass ENaC für das im Vergleich zu Na+ kleinere Li+- Ion (sowie für H+) permeabel ist, im Gegensatz aber zu den spannungsgesteuerten, neuronalen Na+-Kanälen keine größeren Ionen wie K+, Rb+ oder Cs+ passieren lässt, untermauert die Annahme, der Natriumkanal selektiere Ionen aufgrund ihrer Größe im dehydrierten Zustand. Dies spräche wiederum für die im Anschluss erläuterte Idee der sich stark verengenden Kanalpore (Garty & Palmer, 1997) (siehe Abbildung 4).

Die Mutagenese von Sequenzen zwischen der M2 und der Amilorid- Bindungsstelle, die später noch ausführlicher beleuchtet werden wird, führen zu Veränderungen der Permeabilitätseigenschaften des ENaCs. Größere Kationen können als Folge die Kanalpore ungehindert passieren, während der Einstrom von Na+ oder Li+ in die Zelle gleichzeitig verringert wird (Alvarez de la Rosa et al., 2000).

3.3 Einzelkanalleitfähigkeit

Die Einzelkanalleitfähigkeit des ENaCs bezüglich des Na+-Einstroms beträgt bei Raumtemperatur und einer Na+-Konzentration von >100mM im extrazellulären Medium 4-5 pS. Analog zu der zuvor beschriebenen, höheren Selektivität von Li+ ergibt sich für diese Kationen eine ebenfalls höhere Einzelkanalleitfähigkeit von ~8pS (Palmer & Frindt, 1988). Steigt die Temperatur auf 37°C so erhöhen sich auch die Werte auf 9pS für Na+ und 13 pS für Li+ (Palmer & Frindt, 1986). Techniken, mit denen man zum Teil bereits früher und in den allermeisten, heutigen Untersuchungen die Einzelkanalleitwerte ermittelt, sind die „Noise Analysis“ sowie das „Patch clamp“-Verfahren.

Kinetik

Die „Gating“-Eigenschaften des ENaCs sind einzigartig. Obwohl der Natriumkanal selbst keine Spannungsabhängigkeit aufweist, so stellte sich jedoch heraus, dass die Kinetik seines Offen- und Geschlossen-Zustandes sehr wohl schwach spannungsabhängig ist. Die Offen-Wahrscheinlichkeit (aus dem Englischen: open probability: P0) des ENaCs erhöht sich zum Beispiel, sobald ein negatives Membranpotential vorliegt (Garty & Palmer, 1997). Darüber hinaus variiert unter ähnlichen physiologischen Bedingungen die P0 einzelner ENaCs verschiedener Gewebe, aber sogar auch derer in einem einzelnen Patch des selben Gewebes von 0,05 bis 0,9; im Mittel liegt die P0 bei circa 0,5 (Rossier, 2003). Eine mögliche Erklärung dieser breiten Spanne an einzelnen P0s könnten verschiedene Gating-Modi sein (Palmer & Frindt, 1996). Darüber hinaus wurde noch weiteren Variablen ein Einfluss auf das Gating des ENaCs nachgewiesen, die im Kapitel 3.3 (Regulation) dieser Arbeit noch genauer erläutert werden.

Grundsätzlich ist die Kinetik des ENaCs eine sehr langsame. Sie kennzeichnet sich durch langes Andauern des geöffneten und geschlossenen Zustands eines Kanals, das bei Raumtemperatur 3-5sek beträgt (Rossier et al., 2002). Darüber hinaus wurde zusätzlich eine leichte Temperaturabhängigkeit der Kinetik beobachtet. So verkürzen sich die Öffnungs- bzw. Verschlusszeiten bei 37°C, allerdings spielt sich der Wechsel zwischen den beiden Zuständen auch beidieser Temperatur noch im Bereich Hunderter von Millisekunden ab (Frindt et al., 1993).

Amiloridsensitivität

Eine weitere biophysikalische Eigenschaft des ENaCs ist seine hohe Sensitivität gegenüber dem Kalium-sparenden Diuretikum Amilorid, welches sich aus einem Pyrazinring und einer Guanidin-Gruppe zusammensetzt. Bereits submolekulare Mengen dieser schwachen Base (sowie ihrer Analoga Benzamil und Triamteren) von extrazellulärer Seite her zugefügt reichen aus, um den Kanal zu blockieren - der elektrogene Natriumtransport kommt in Folge zum Erliegen.

Die Amilorid-induzierte Hemmung des ENaCs erfolgt gewöhnlich rasch und ist reversibel. Der Ki-Wert, d.h. die notwendige Konzentration an Amilorid, um 50% des Na+-Transportes zu blockieren, beträgt < 1µM bei einer hohen extrazellulären Na+-Konzentration (Smith & Benos, 1991). Deletionen innerhalb der Bindungsstelle für Amilorid können den Ki auf bis zu 26,5 µM erhöhen (Ismailov et al., 1997).

Studien bezüglich der pH-Abhängigkeit dieser Hemmung haben gezeigt, dass die positiv geladene Form des Diuretikums die effektivste ist (Chalfant et al., 1999a). Eine Erklärung für die Spannungsabhängigkeit der Blockade ist daher, dass das vorhandene Transmembranpotential die kationisierte Form von Amilorid zu seiner Bindungsstelle zieht. Die Vermutung, diese befände sich wie durchaus üblich für geladene Blocker (Palmer & Andersen, 1989) innerhalb des transmembranen elektrischen Feldes, eventuell sogar in der Pore selber, lag daher schon früh nahe (Garty & Palmer, 1997).

Darüber hinaus wurde der Amilorid-induzierten ENaC-Inhibierung eine dritte, zusätzliche Abhängigkeit von der extrazellulären Na+-Konzentration nachgewiesen. Man vermutete diesbezüglich zunächst eine kompetitive Interaktion zwischen dem permeablen Na+-Ion und dem Porenblocker Amilorid aufgrund zweier sich überlappender Bindungsstellen der Substrate (Palmer, 1985). In nachfolgenden Studien konnte diese Annahme jedoch eindeutig wiederlegt werden. Segal et al.

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Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Epitheliale Natrium-Kanäle - Vom Molekül zur Krankheit
Hochschule
Universität Münster
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
67
Katalognummer
V80378
ISBN (eBook)
9783638818612
ISBN (Buch)
9783638820622
Dateigröße
1110 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Epitheliale, Natrium-Kanäle, Molekül, Krankheit
Arbeit zitieren
Mariele Alteköster (Autor:in), 2006, Epitheliale Natrium-Kanäle - Vom Molekül zur Krankheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80378

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