Die Erstlingswerke von Marie Luise Kaschnitz und Wolfgang Koeppen

Eine Analyse im Bezug auf die Beständigkeit der Liebe


Zwischenprüfungsarbeit, 2005

31 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Der Begriff Liebe
2.1 Liebe allgemein
2.1 Die romantische Liebe

3 Liebe in den Romanen
3.1 Wolfgang Koeppens „Eine unglückliche Liebe“
3.2 Die Rollen von Friedrich und Sibylle
3.3 Marie Luise Kaschnitz’ „Liebe beginnt“
3.4 Die Rollen von Silvia und Andreas

4 Der Aspekt des Reisens
4.1 Die Bedeutung der Reise
4.2 Die Veränderungen der Liebe und der Beziehung zwischen den Protagonisten in „Eine unglückliche Liebe“
4.2 Die Veränderungen der Liebe und der Beziehung zwischen den Protagonisten in „Liebe beginnt“

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit stellt eine Untersuchung der Romane „Liebe beginnt“ und „Eine unglückliche Liebe“ dar. Die Autoren Marie Luise Kaschnitz und Wolfgang Koeppen haben sich in ihren Erstlingswerken mit dem Thema der Liebe in der Zeit des Nationalsozialismus befasst. Anhand dieser Thematik werden die Handlungen aufgebaut und die Problematik, teilweise auch die Unmöglichkeit von Beziehungen zwischen den Menschen, verdeutlicht.

Ich habe den Schwerpunkt meiner Arbeit auf die Schwierigkeit des Bestehens von Liebe und ihrer Veränderlichkeit durch äußere Einflüsse, insbesondere des Reisens, gelegt. Der Aspekt des Reisens, der ständigen Bewegung und des Ortwechsels, ist gleichzusetzen mit einer Entwicklung, denn er bedingt Veränderungen der Protagonisten in ihren Einstellungen und Sichtweisen, die sich auf die Beziehung zu einem geliebten Menschen und auch auf ihr gesamtes Leben auswirken.

Faktoren wie Vereinsamung, Entfremdung oder Kommunikationslosigkeit sind die entscheidenden Aspekte unter denen die Figuren hier zu leiden und mit denen sie zu kämpfen haben. Der Versuch dem zu entkommen, Grenzen zu überwinden, sich ein neues Leben aufzubauen, das von einer veränderten Perspektive bestimmt wird oder auch Bestehendes zu akzeptieren, sind die Aufgaben, die die Charaktere in ihrer Selbstfindung und Entwicklung bewältigen müssen.

Wolfgang Koeppens Roman „Eine unglückliche Liebe“ beschreibt den Kampf des Studenten Friedrich um die Erfüllung einer von ihm ersehnten Liebe, die letztlich doch an „den zwischen den Menschen bestehenden Barrieren“[1] scheitert, welche für die beiden Figuren unüberwindbar bleiben. In Marie Luise Kaschnitz’ Roman „Liebe beginnt“ kommt es zur Anzweiflung einer bislang vollkommen geglaubten Liebe durch die Protagonistin Silvia zu ihrem Partner Andreas. Ausgelöst durch die Bewegung des Reisens entwickelt sich ein Kampf zwischen den Figuren, wodurch es letztendlich zur Eröffnung neuer, zuvor nie erahnter Perspektiven kommt.

2 Der Begriff Liebe

2.1 Liebe allgemein

Der Begriff Liebe unterliegt dem Wandel der Zeit und variiert mit den Veränderungen der Gesellschaft. Jede Epoche hat ein anderes Verständnis davon, was Liebe bedeutet, was sie beinhaltet und welche Erwartungen sie erfüllen soll.

Unsere heutige Auffassung ist das Produkt einer Jahrhunderte langen Entwicklung. Die Bedeutung, die der Liebe in der modernen Gesellschaft zu gemessen wird, ist enorm. Erstaunlich ist es vor allem dann, wenn man bedenkt, dass diese intensive Beschäftigung zu einem großen Teil auf Versuchen der Problembewältigung beruht. Lösungen sind, obgleich „dieses immensen Aufwands an Zeit, Raum und geistigem Potential“[2], nicht auffindbar. Liebe ist heute zumeist mit dem Eingehen einer Partnerschaft, einer Beziehung, mit der auserwählten Person verbunden. Dass solche tiefen zwischenmenschlichen Kontakte gleichsam Probleme mit sich bringen ist verständlich. „Es wird nicht leichter, den Partner fürs Leben zu finden, und wenn man ihn gefunden hat, ihn zu behalten und glücklich zu werden.“[3] Das Leben zu teilen, dem anderen zu vertrauen, sich ihm hinzugeben, ihm Respekt zu zollen und treu zu sein, Fehler zu akzeptieren und für Veränderungen bereit zu sein, kommunizieren zu können, gleichzeitig aber auch gefeit sein gegen die Gefahr der Abhängigkeit und Fixiertheit auf den Partner, so wie der Isolation von dem sozialen Umfeld. Dies sind Herausforderungen, mit denen jeder Einzelne konfrontiert wird und die von ihm bewältigt werden müssen, damit eine Partnerschaft funktionieren kann.

Die Verbindung von Liebe und Beziehung war nicht immer selbstverständlich, sondern hat sich erst im Laufe der Zeit entwickelt. „Für viele Jahrhunderte, man kann sogar fast von Jahrtausenden sprechen, war die leidenschaftliche Liebe eine Angelegenheit mit sehr kurzem Verfallsdatum.“[4] Mit einer „dauerhafte[n] Partnerschaft“[5] wie der Ehe wurde sie nicht verbunden. Die Ehe diente vor allem der „Zeugung legitimer Nachkommen“[6] und der „Befriedigung des Geschlechtstriebes“[7]. Sie hatte somit „soziale Funktionen für die Gesamtgesellschaft [zu] übernehmen.“[8] Der „institutionell-funktionale[n]“[9] Zweck der Ehe verlor erst Anfang des 18. Jahrhunderts langsam an Bedeutung und wurde von der Idee der „Ehefreundschaft“[10] abgelöst, die sich später, angeregt durch die Romantiker und ihrer Vorstellung der romantischen Liebe, zur „Liebesheirat“[11] entwickelte.

2.1 Die romantische Liebe

Aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen am Anfang des 18. Jahrhunderts, entwickelt sich allmählich, durch die Romantiker angetrieben, eine neue Auffassung von Liebe.

Die Welt ist am Anfang dieses Jahrhundert von gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt, die sich in einem „Übergang zur funktionalen Gesellschaftsdifferenzierung“[12] ausdrücken. Tatsachen sind „die beginnende Maschinisierung der Güterproduktion, die Arbeitsteilung und die Auslagerung der Berufsarbeit aus dem Haus“[13], die völlig neue Anforderungen an jeden einzelnen Menschen stellen und ihm mit einem Mal den Halt durch eine festgelegte Ordnung nehmen. Die Menschen werden nun vor die Aufgabe gestellt ihr Leben eigenständig zu gestalten, ihre Persönlichkeit selbständig zu entwickeln. Der Bedeutungsverlust der Kirche stellt zusätzlich einen weiteren Aspekt dar, der den Weg in die Orientierungslosigkeit bedeuten kann. Vor allem die Romantiker sehen in dieser Entwicklung eine Gefahr, die eine „Unkenntnis über das Wesen der eigenen Person“[14], also eine Entfremdung des Individuums von sich selbst und von seiner sozialen Umgebung bedeuten kann. Es wird nach Möglichkeiten gesucht diese Probleme zu unterbinden oder wenigstens zu mindern.

In der Gesellschaftsstruktur des Mittelalters, wird hierbei ein System gefunden, dass den Romantikern durch die fest vorgegebene Regelung des Lebens jedes Einzelnen als erstrebenswert erscheint. Probleme mit der Persönlichkeitsentwicklung werden in dieser Zeit daher als gering angesehen, denn „[w]er man ist und zu sein hat, wird von außen vorgegeben.“[15]

Als Reaktion auf die bestehende Problematik der Identitätsbildung, wird als Lösung versucht eine neue Bedeutung der Liebe zu entwickeln. War Liebe bisher ein Faktor, der als von flüchtiger Dauer verstanden und vor allem nicht der Ehe zugehörig befunden wurde, wird diesem nun die wichtige Aufgabe der Entwicklung des eigenen Ichs zugesprochen.

Die hierbei entstehende Auffassung von Liebe zeigt, dass der Beziehung zwischen zwei Menschen eine solche Bedeutung zugemessen wird, dass sie der Schaffung einer eigenen Identität dienen soll. Die Liebe wird somit „zur Individualitätskonstrukteurin“[16], durch sie wird sozusagen ein „Schöpfungsakt“[17] vollzogen. Die „Krise auf individueller, sozialer und kommunikativ-semantischer Ebene“[18] soll nun durch den neuen Halt des Partners überwunden werden. Die Entwicklung der persönlichen Identität vollzieht sich damit in einem Lernprozess, der auf der Interaktion zwischen dem Individuum und seinem nächsten Umkreis, besonders dem Partner, beruht.[19]

Zum ersten Mal wird dem Geistigen und Sinnlichen gleichsam Bedeutung zugemessen, sie werden in einem Begriff vereint und machen die wahre Liebe aus. Dieser völlig neue Aspekt grenzt die romantische Liebe von den bisherigen Auffassungen ab.

Das Ziel einer Beziehung liegt darin sich gegenseitig selbst zu erschaffen.

Zentrales Moment auf dem Weg zur Konstitution von Individualität ist das Verständnis durch den exklusiven Weltentwurfsbestätiger. Indem ein Gegenüber, nämlich der Liebespartner, den eigenen Blick auf die Welt, die eigenen biografischen und aktuellen Fragen versteht und nachvollzieht, wird man zu einem ganzen Menschen in einer Umwelt, von der man sich ansonsten nur als entfremdet erfährt.[20]

Die Partner sollen eine Einheit bilden, aber dennoch gleichzeitig zwei unabhängige Individuen bleiben, die in ihrer Eigenheit von dem jeweils Anderen unterstützt werden. Auf diese Weise „komponieren sich die Liebenden dann als ganzheitliches Individuum.“[21]

3 Liebe in den Romanen

3.1 Wolfgang Koeppens „Eine unglückliche Liebe“

Der Roman „Eine unglückliche Liebe“ schildert die unerfüllte Liebe des Philosophiestudenten Friedrich zu Sibylle, einer jungen Schauspielerin. Friedrich liebt Sibylle seit Jahren und wartet ebenso lange darauf, dass sie ihn endlich erhören möge und erkenne, dass sie für ihn bestimmt ist. Friedrich ist überzeugt von diesem Gedanken und kann deshalb auch nicht die Hoffnungslosigkeit seiner Lage erkennen, dass es kaum eine Möglichkeit geben wird diese Sehnsucht zu erfüllen. Stattdessen ist er in ihrer Nähe wie in einem Wahn und drückt seine Verehrung durch völlige Ergebenheit und Selbstaufgabe aus. Anhand der Romanhandlung beschreibt Koeppen allerdings nicht nur die Leiden eines Mannes auf der Suche nach Erfüllung, sondern bringt unter anderem Aspekte von Außenseitertum und Entfremdung, von Kommunikationslosigkeit und der Unmöglichkeit menschlicher Beziehungen zum Ausdruck.

3.2 Die Rollen von Friedrich und Sibylle

Die Beziehung zwischen Friedrich und Sibylle ist sehr seltsam und kompliziert. Die Liebe, die Friedrich empfindet, wird von Sibylle nicht erwidert. Dennoch sieht dieser nicht ein, dass weitere Hoffnungen keinen Sinn zu machen scheinen. Friedrichs Lebenssinn besteht darin Sibylle zu lieben. Diese Überzeugung unterstreicht er immer wieder, indem er behauptet, dass es eine Bestimmung des Schicksals sei. Obwohl Sibylle keine Anstalten macht, ihm in dieser Beziehung entgegenzukommen, ihn stattdessen für ihre Zwecke ausnutzt und häufig grob zurückstößt, erträgt er diese Verletzungen ohne sich zu beklagen und versucht dennoch ihr jeden Wunsch zu erfüllen.

Allein bei der ersten Begegnung wird Friedrich schon völlig von Sibylle eingenommen.

Ich sah Sibylle vor mir, mein wahres Wesen sammelte sich einzig in meinem Blick, ich sah sie an, […] und sah ihre Gestalt und ihr Gesicht, sah die Hände, und hätte ich denken können in diesem Moment, dann hätte ich gedacht, Gott sieht das Herz an, und ich wußte alles, nichts, was auch später geschehen ist, hat mich im Grunde überrascht, ich wußte: ich bin verliebt, ich liebe sie![22]

Für Friedrich ist in diesem Moment alles klar. Hier erlangt er seine Überzeugung, dass sie allein für ihn bestimmt ist. Schon bei dieser ersten Begegnung nimmt Friedrich Verhaltensweisen an, die auch in späteren Situationen immer typisch für ihn sein werden. Er kann sich Sibylle gegenüber nicht normal verhalten, allein ihre Anwesenheit genügt, um ihn zu lähmen. „Ich versteifte mich und verpuppte mich.“[23] In dieser Situation völliger Unsicherheit und Hilflosigkeit täuscht er einen gebrochenen Arm vor und verstärkt damit noch seine selbst empfundene Erniedrigung. Diese steigert er erneut, indem er anfängt mit einem Bein zu lahmen. „Ich humpelte durch das Zimmer, prononciert, überbetont, den Fuß nachschleifend, kleiner werdend und zur Seite gebeugt.“[24] Anhand dieser Szene wird die Überlegenheit von Sibylle sehr deutlich ausgedrückt. Sibylles Art einerseits eine junge Frau zu sein, andererseits aber sehr kindliche Züge zu besitzen, machen anscheinend einen großen Reiz aus. Sie schafft es also auf ihre selbstsichere und leicht unverschämte Art in das Zimmer eines ihr unbekannten Mannes zu treten und den ganzen Raum für sich einzunehmen.

Sibylle betrachtete uns ohne zu lachen, aber freundlich. Sie war ein Kind, das eben ein neues Spielzeug bekommen hat und staunend überlegt, was man mit ihm anfangen kann. Ihr Gesicht war über uns gebeugt, auch wenn es tiefer ruhte als wir spazierten, und ich glaube, wir blickten aus der Perspektive der Spielpuppen in den Marionettentheatern zu der Meisterin empor, die uns an den Schnüren hielt.[25]

Sibylle ist der Mittelpunkt der Handlung, um sie dreht sich jegliches Geschehen; im Grunde wird es von ihr ausgelöst. Sie ist der Impuls, aufgrund dessen Friedrich und Beck mit ihrer Vorstellung beginnen. Sie hält jegliche Fäden in der Hand.

Obwohl Friedrich seit dieser Begegnung weiß, dass es für ihn nur Sibylle gibt und sie die Einzige ist, die er liebt, steigert sich seine Verehrung im Laufe der Zeit immer weiter, so dass er regelrecht in einen Wahn gerät.

Sein Handeln wird während des gesamten Romans überwiegend von seinen gewaltigen Emotionen bestimmt. „[…] he is a man possessed of an extreme romantic sensibility which makes him fall passionately in love with one person, but he is unable to act on his feelings in any positive way.“[26] Ihm ist es nicht möglich die Emotionen und das Verhalten in seinem sozialen Umfeld auf eine vernünftige Weise zu vereinen, vielmehr stehen diese miteinander in einem ständigen Konflikt. Das Resultat ist, dass er mit physischer Passivität reagiert und ihm somit ein vernünftiges und effektives Agieren in seiner Außenwelt verwehrt bleibt. Anfangs traut er sich noch auf sie zu zugehen und ihr seine Liebe zu gestehen. Er hat hier noch die Hoffnung direkt von ihr erhört zu werden und wahrscheinlich die Kompliziertheit, die Sibylle ausmacht, noch nicht erkannt. Er will ihr sein Leben, seine Gedanken, seine Vorstellungen näher bringen, will sich ihr öffnen und alles aufgeben, um sich gänzlich auf sie einlassen zu können.

[…] und daß die Summe dieses Bildes und seiner Tage nun nicht mehr wichtig und jedenfalls umgeworfen, zerstört, in andere Richtungen gebracht sei, durch diese Erkenntnis, Sibylle zu lieben, ja durch die Sicherheit seines Gefühls, sie, grade sie, nur sie lieben zu müssen.[27]

Dass er Sibylle gerade mit diesen Worten verschreckt, ist ihm hier noch nicht bewusst. Sie kämpft für ihre Freiheit, ihre Unabhängigkeit. Der verbindlichen Forderung, die in Friedrichs Worten liegt, kann und will sie nicht gerecht werden.

Sie fühlte den Anspruch, der in der Forderung, du bist für mich bestimmt, lag. Nie leugnete sie in Zukunft, die Leidenschaft, die Friedrich erfüllte und der er sein Ich, sein Wesen unterworfen hatte, nicht erkannt zu haben.[28]

Friedrichs Besessenheit kommt ihr allerdings auch zu Gute, denn hierdurch ist sie in der Lage ihn nach ihren Vorstellungen zu lenken. Friedrich lebt nur, um Sibylle zu lieben. Er ist bereit sein Leben für sie aufzugeben, um sich auf ihre Bedürfnisse konzentrieren zu können. Deshalb stellt er jegliche Anforderungen zurück, so dass allein die Möglichkeit in ihrer Nähe sein zu dürfen, für ihn die größte Befriedigung darstellt.

Ihr Wunsch war, nicht von ihr gehen zu müssen, nicht hinausgestoßen zu werden in die Nacht; vor ihrem Bett nur zu liegen in der Art eines Hundes, das schien schon Seligkeit zu sein.[29]

Die Ausweglosigkeit, in der Friedrich sich hier befindet, scheint er nicht mehr zu bemerken. Seine Erniedrigung vollzieht sich immer weiter, wodurch es schon gar nicht mehr möglich wäre eine wahre Liebesbeziehung aufzubauen, da das Gefälle zwischen den beiden Maße angenommen hat, die unüberwindbar sind. Friedrich akzeptiert diese Situation, die er selbstverschuldet mitverantwortet. Weder will, noch kann er die Kraft aufbringen, sich hieraus zu lösen, verliert er doch jegliche Eigenkraft in Sibylles Gegenwart. Die Intensität seiner Leidenschaft schränkt ihn demnach in seinem Handeln ein, mehr noch, er akzeptiert bestimmte Gesetzmäßigkeiten, die ihm ein bestimmtes Verhalten vorschreiben.

He is neither able nor willing to break free from the intensity of his passion, but he readily accepts a series of unwritten rules concerning his behaviour with Sibylle which keeps his emotions in check.[30]

Diese Regeln dienen vor allem der Erfüllung von Sibylles Wünschen. Friedrich führt diese aus, um in ihrer Nähe zu sein, wird allerdings immer auf Distanz gehalten.

Friedrich diente Sibylle. Er hob sie aus dem Bad und frottierte die Lachende mit rauhen Tüchern […]; wehe aber, wenn Friedrich die rauhen Tücher fallen ließ, wehe über ihn, wenn seine Hände auf ihre Haut sich senkten […].[31]

Er wird damit allerdings niemals glücklich, sondern führt ein gepeinigtes Dasein aus Hoffnung und Verzweiflung. Die Frage, die sich hierbei stellt, ist allerdings die, ob Friedrich wirklich nicht fähig ist sich aus diesem Teufelskreis zu befreien oder ob ihm allein der wirkliche Wille dazu fehlt. Vielleicht braucht er auch die Aufopferung für Sibylle, um seinem Leben einen Sinn zu geben. Nicht zu selten betont er, dass es sein Schicksal ist Sibylle zu lieben und dass sie für ihn bestimmt ist. Hiermit schiebt er jegliche Eigenverantwortung von sich und überlässt sich einer höheren Macht. Vielleicht lässt sich auch so seine körperliche Passivität erklären. Mit ihren Worten kann Sibylle schon recht haben, wenn sie sagt: „Mich liebst du überhaupt nicht, das bildest du dir ein; du liebst die Liebe zu mir!“[32] Friedrich geht in der Aktivität ihr seine Liebe zu zeigen förmlich auf, doch klingt es logisch zu behaupten, dass er damit eigentlich genau das bekommt was er will: eine unerfüllte Liebe. Seine Abneigung gegen jegliche Konventionen und die Langeweile von Routine und Alltäglichkeit widersprechen der Erfüllung seiner Liebe. „Jede Erfüllung könnte der erste Schritt zur Gewöhnung, also in die Anpassung an die konventionelle Alltäglichkeit sein.“[33] Friedrich befindet sich demnach in einer sehr widersprüchlichen Situation, denn eine Vereinigung seiner Grundsätze und der von Sehnsucht und Verlangen heimgesuchten Liebe zu Sibylle ließen sich nur schwerlich miteinander vereinen.

[...]


[1] Thabet: Das Reisemotiv im neueren deutschsprachigen Roman. Untersuchungen zu Wolfgang Koeppen, Alfred Andersch und Max Frisch. Marburg: Tectum Verlag, 2002. S.31.

[2] Reinhardt-Becker, Elke: Liebe als Roman? Skizzen zu ihrer Semantikgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. In: Becker, Frank (Hg.): Geschichte und Systemtheorie. Exemplarische Fallstudien. Frankfurt/ Main: Campus Verlag GmbH, 2004. S. 246.

[3] Ebd. S. 246.

[4] Ebd. S. 246-247.

[5] Ebd. S. 246.

[6] Ebd. S. 252.

[7] Ebd. S. 252.

[8] Bobsin, Julia: Von der Werther- Krise zur Lucinde-Liebe: Studien zur Liebessemantik in der deutschen Erzählliteratur 1770- 1800. Tübingen: Niemeyer, 1994. S. 72.

[9] Reinhardt-Becker, E.: Liebe als Roman?. S. 252.

[10] Bobsin, J.: Von der Werther- Krise zur Lucinde-Liebe. S. 73.

[11] Luhmann, Niklas: Liebe als Passion: zur Codierung von Intimität. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1982. S. 163.

[12] Reinhardt-Becker, E.: Liebe als Roman? S.253.

[13] Ebd. S. 252.

[14] Ebd. S. 253.

[15] Ebd. S. 253.

[16] Reinhardt-Becker, E.: Liebe als Roman? S. 253.

[17] Ebd. S. 254.

[18] Bobsin, J.: Von der Werther- Krise zur Lucinde-Liebe. S. 193.

[19] Ebd. S. 197-198.

[20] Ebd. S. 262-263.

[21] Ebd. S. 254-255.

[22] Koeppen, Wolfgang: Eine unglückliche Liebe. Frankfurt am Main. Suhrkamp Verlag, 1977. S. 32.

[23] Koeppen, W.: Eine unglückliche Liebe. S. 33.

[24] Ebd. S. 34-35.

[25] Ebd. S. 35.

[26] Basker, David: Love in a Nazi Climate: The First Novels of Wolfgang Koeppen and Marie Luise Kaschnitz. In: Blackwell Publishers Ltd. (Hg.): German Life & Letters. A Quarterly Review, 1995. S. 186.

[27] Koeppen, W.: Eine unglückliche Liebe. S. 127

[28] Ebd. S. 127.

[29] Ebd.S. 130.

[30] Basker, D.: Love in a Nazi Climate. S. 186.

[31] Koeppen, W.: Eine unglückliche Liebe. S. 141.

[32] Ebd. S. 48.

[33] Erlach, Dietrich: Wolfgang Koeppen als zeitkritischer Erzähler. Uppsala: Acta Universitatis Upsaliensis, 1973. S. 30.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Die Erstlingswerke von Marie Luise Kaschnitz und Wolfgang Koeppen
Untertitel
Eine Analyse im Bezug auf die Beständigkeit der Liebe
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Veranstaltung
Literatur im Nationalsozialismus
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
31
Katalognummer
V80339
ISBN (eBook)
9783638870399
Dateigröße
542 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erstlingswerke, Marie, Luise, Kaschnitz, Wolfgang, Koeppen, Literatur, Nationalsozialismus
Arbeit zitieren
Dana Schulz (Autor:in), 2005, Die Erstlingswerke von Marie Luise Kaschnitz und Wolfgang Koeppen , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80339

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