Die Komik in Goldonis Komödie 'La Locandiera'


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A: Definition Komik

B: Die Komik in Goldonis Komödie La Locandiera
I. Goldoni und seine Theaterreform
II. La Locandiera: Inhalt und Aufbau
III. Mirandolina und ihr Spiel
IV. Der Cavaliere als komische Figur
VI. Die Ridikülisierung des Adels
VII. Das Spiel im Spiel: Die Komödiantinnen

C: Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

A: Definition Komik

Da sich diese Arbeit mit der Komik in Goldonis Komödie La Locandiera beschäftigen wird, erscheint es sinnvoll, zunächst einmal den Begriff als solchen zu klären. Schon Aristoteles entwarf eine Theorie der Komik, und bis heute haben sich unzählige Komiktheorien mit verschiedenen philosophischen, komödien-theoretischen und psychologischen Ansätzen entwickelt. Allerdings soll es hier nicht darum gehen, die entsprechenden Theorien von z. Bsp. Kant, Hegel, Freud, Bergson oder Schopenhauer zu diskutieren, sondern einen Überblick über die wichtigsten Merkmale der Komik zu geben.

Die Theorie des Aristoteles, der Komik schlicht als „harmlosen, unschädlichen Fehler“[1] definierte, besticht im Vergleich zu den Gängigen durch ihre Einfachheit. Trotzdem enthält sie dabei aber bereits eines der noch heute als wesentlich erachteten Elemente der Komik: Das Harmlose, Ungefährliche, oder um es mit den Worten von Jauss zu sagen, den „Unernst des komischen Konflikts“[2]. Dies bedeutet, dass etwas nur komisch wirken kann, wenn alles ausgeschaltet ist, was Ekel, Mitleid oder Verachtung auslösen könnte, und wenn für den Betroffenen keine Gefahr besteht. Stierle bezeichnet diese Voraussetzung der Komik als „komische Enthebbarkeit“[3] und betont die Notwendigkeit, dass ein Vorgang ohne ernsthafte Folgen bleiben muss, um als komisch empfunden zu werden.

Den Ursprung der Komik sieht Stierle dabei in der „Fremdbestimmtheit“[4] des Handelns, die sich in verschiedenen Formen äußern kann: Die natürliche Fremdbestimmtheit zeigt sich in der Dominanz eines Körperteils oder auch eines Charakterzuges (der Geizige, der von seinem Geiz beherrscht wird, oder im Falle von La Locandiera der Misogyn, dessen Denken und Handeln von seinem Hass auf die Frauen bestimmt wird), während die Komik der kulturellen Fremdbestimmtheit an eine bestimmte Gesellschaftsauffassung gebunden ist (der Diener übernimmt die Rolle des Herrn). Hinzu kommt die Situationskomik, in der der vom Zufall arrangierte Gegensinn das handelnde Subjekt ebenfalls als fremdbestimmt erscheinen lässt, da sich die Veränderung der Situation dessen Kontrolle entzieht.

Ähnlich funktioniert auch die List, die in ihrer Struktur so aufgebaut ist, dass das handelnde Subjekt zwar glaubt, seine eigenen Zwecke zu verfolgen, in Wahrheit aber nur das Objekt einer fremden Handlung ist. Dennoch ist die fremdbestimmte Handlung selbst noch nicht komisch, sondern wird es erst in ihrer Interpretation durch eine andere Person (Zuschauer)[5]. Dies bedeutet, dass die fremdbestimmte und damit gescheiterte Handlung erst auch als solche wahrgenommen werden muss. Die Komödie bedarf also der „Folie der vernünftigen Handlungswelt, um zu ihrer komischen Wirkung zu kommen.“[6]

Lachen entsteht dabei dadurch, dass der Zuschauer diese Fremdbestimmtheit, die auch als Konflikt von ungleichwertigen und widersprüchlichen Prinzipien gesehen werden kann, erfasst, und sich mit dem Überlegenen identifiziert. Da der Unterlegene keinen ernsthaften Schaden nimmt, kann sich die im Stück aufgebaute Spannung also in Lachen lösen, dass so als „Akt der Befreiung“[7] empfunden wird.

Wichtig für Komik ist aber abgesehen davon immer auch schon die Erwartungshaltung des Komischen beim Zuschauer und die daraus resultierende heitere Grundstimmung, die bei einem Theaterstück in der Regel bereits durch die Einordnung eines Stückes zur Gattung der Komödie erfolgt.

B: Die Komik in Goldonis Komödie La Locandiera

I. Goldoni und seine Theaterreform

Nach dieser kleinen Einführung in das Gebiet der Komik, soll nun im Folgenden die Theorie ganz konkret am Beispiel von Goldonis La Locandiera verdeutlicht werden, doch zunächst noch ein paar Worte zu Goldoni selbst.

Von den fünf großen Autoren des Settecento – Metastasio, Da Ponte, Alfieri, Goldoni und Gozzi - sind heute nur noch die beiden Letzten präsent, wobei Goldoni eventuell der Einzige ist, der auch außerhalb Italiens einem breiten Publikum bekannt ist.[8] Bereits mit acht Jahren schreibt der 1707 in Venedig geborene Autor sein erstes Lustspiel. Aber erst nachdem er sein Jurastudium in Padua 1731 beendet hat, wendet er sich endgültig dem Theater zu. Sein Ziel dabei ist die Schaffung einer nationalen Komödienform, die er durch eine behutsame Weiterentwicklung der Commedia dell’arte zu erreichen sucht. Seine Reform setzt an den Hauptkritikpunkten der Stehgreifkomödie an: die erstarrten Masken sollen nach und nach durch wirklichkeitsgetreue Charaktere (caratteri veri) nach Vorbild Molières ersetzt werden, um so dem von Goldoni angestrebten Ziel der verosimiglianza, also der „Übereinstimmung mit der Natur“[9], zu entsprechen. Wichtig ist ihm neben der Abschaffung der Unwahrscheinlichkeit der Commedia dell’arte auch die Vermeidung von Obszönitäten, die er durch die schriftliche Ausformulierung der Texte verhindert. Diese sowohl für die Schauspieler, als auch für das Publikum recht gravierenden Veränderungen vollziehen sich, wie gesagt, nur schrittweise. Zunächst schreibt Goldoni daher Mischspiele, in denen zumindest die vier Hauptmasken (Pantalone, Brighella, Arlecchino und Dottore) noch erhalten bleiben.[10] Aber auch die Improvisationsfreiheit dieser Masken wird nach und nach reduziert und schließlich aufgehoben. Das erste vollständig ausformulierte Stück ist dann 1743 La donna di garbo, das aber noch die typischen Elemente der Commedia dell’arte enthält. Erst 1750 schreibt Goldoni mit La Pamela sein erstes Stück ganz ohne Masken und in dem 1752 entstandenen Stück La Locandiera sind die Hauptpunkte der Reform dann quasi abgeschlossen.[11]

Neben der Literarisierung der italienischen Komödie ist Goldonis Ziel die „Schaffung eines bürgerlichen Theaters, das sich als moralische Anstalt versteht“[12], um so das Publikum nach dem horazischem Vorbild des delectare aut prodesse zur Vernunft zurückzuführen.

II. La Locandiera : Inhalt und Aufbau

Das Stück La Locandiera ist bis heute eine der beliebtesten und bekanntesten Komödien Goldonis. Er selbst bezeichnet sie in seinem L’autore a qui legge als „la più morale, la più utile, la più istruttiva“[13]. Allerdings bleibt fraglich, ob der moralische Gehalt, den Goldoni seinem Stück in dem nachträglich hinzugefügten Vorwort attestiert, tatsächlich vorhanden ist, da die Protagonistin eine durchaus ambivalente Frauenfigur ist; aber dazu später mehr. Klaus Ley sieht jedenfalls gerade in dieser Ambivalenz der Locandiera einen Grund für die Attraktivität dieses Stücks[14], in dem sich alles um die Verführungskünste der Wirtin dreht.

Ort der Handlung dieser dreiaktigen Komödie ist eine von Mirandolina geführte Locanda in Florenz. Die Kampfeslust der von ihren Gästen umworbenen Wirtin wird im ersten Akt durch den Frauenfeind Ripafratta geweckt, der mit seiner schroffen Art den Stolz und die Eitelkeit Mirandolinas verletzt. Ihre Rachepläne zeigen auch bereits im zweiten Akt Wirkung: Durch kleine Aufmerksamkeiten mürbe geworden, wertet der Cavaliere die (vermeintliche) Ohnmacht Mirandolinas bei seiner Abreise als Zeichen ihrer Liebe, und gesteht sich seinerseits seine Verliebtheit ein. Damit ist Mirandolinas Ziel im Prinzip mit dem Ende des zweiten Aktes erreicht. Der Cavaliere liegt ihr zu Füßen und umwirbt sie mit heimlichen Geschenken, doch die Rachegelüste der Wirtin sind damit noch keineswegs befriedigt. Der dritte Akt ist daher eine einzige Demütigung des entflammten Cavaliere, die Mirandolina so weit treibt, dass es fast zum Kampf kommt. Um ihren guten Ruf zu wahren, und als letzten Ausweg aus dem Dilemma, entscheidet sie sich schließlich für die von ihrem Vater vorgesehene Heirat mit dem treuen Diener Fabrizio.

Abgesehen von der Einteilung in drei Akte, ist die Komödie auch auf inhaltlicher Ebene dreigeteilt: Die vor dem Einsetzen der Bühnenhandlung herrschende patriarchalische Ordnung wird in der eigentlichen Bühnenhand-lung durch die Entscheidung Mirandolinas gestört, dem Willen des Vaters nicht zu entsprechen und weiterhin ledig zu bleiben. In der Schlussszene wird diese Ordnung durch die Heirat mit Fabrizio dann aber wieder hergestellt, wobei Mirandolinas neuer Familienstand den geltenden bürgerlichen Normen entspricht.[15]

III. Mirandolina und ihr Spiel

Laut Hösle handelt es sich bei Mirandolina um eine Frauenfigur, die als „Regisseur des Geschehens“[16] alle Fäden in der Hand hält, und ihre Gäste wie „Hampelmänner um sich herumtanzen lässt“[17]. Ihr Komödienspiel macht den Zentralteil des gesamten Stückes aus, und obwohl dieses durchaus als unmoralisch bezeichnet werden könnte, ist Mirandolina zweifellos die Sympathieträgerin. Sie vereint alle guten Eigenschaften des Bürgertums in sich: „wirtschaftlichen Weitblick, maßvollen Umgang mit Finanzen, Organisationstalent und zugleich Verbindlichkeit im gesellschaftlichen Umgang“[18]. Auf der anderen Seite aber ist sie überaus eitel und möchte von der Männerwelt umworben werden: „Tutto il mio piacere consiste in vedermi servita, vagheggiata, adorata.”[19] Wie sehr ihr daran gelegen ist, muss der Cavaliere am eigenen Leib erfahren. An ihm statuiert Mirandolina ein exemplum, an ihm demonstriert sie ihre Überlegenheit. Ihr Verhalten ist daher zu verstehen als „kalkuliertes Inszenieren einer Rolle, die darauf abzielt, das Verhalten des Cavaliere gleichfalls als Rolle, aber als unreflektierte zu demaskieren.“[20]. Ihr Mittel dazu ist die List – eine Eigenschaft, die auf das Profil der servetta der Commedia dell’arte zurückgeht, wobei sie hier losgelöst von ihrer ursprünglichen Helferfunktion erscheint.[21] Neben dem verstandesmäßigen Kalkül ist daher ihre Haupteigenschaft die „furbizia“[22], eine Schlauheit, bei der Intellekt und moralische Bedenkenlosigkeit aufeinandertreffen. Ihre listige Überlegenheit aber ist es, die beim Publikum ein „solidarisierendes Mitlachen“[23] provoziert, wobei ihre Opfer – also ihre Verehrer – schadenfroh verlacht werden. Diese sind für Mirandolina nichts weiter als „caricature“[24], mit denen sie ihre Spielchen treiben kann. Während diese Spielchen sowohl mit dem Marchese, als auch mit dem Conte recht harmlos und in festgefügten Bahnen verlaufen, reizt die übertriebene Schroffheit des Cavaliere sie zu einer öffentlichen Demonstration ihrer Überlegenheit.

MIRANDOLINA E questo signor Cavaliere, rustico come un orso, mi tratta sì bruscamente? /.../ È una cosa che mi muove la bile terribilmente...nemico delle donne? Non le può vedere? Povero pazzo! /.../ Con questi per l’appunto mi ci metto di picca. Quei che mi corrono dietro, presto presto mi annoiano. /.../ E voglio usar tutta l’arte per vincere, abbattere e conquassare quei cuori barbari e duri che son nemici de noi, che siamo la miglior cosa che abbia prodotto al mondo la bella madre natura.[25]

[...]


[1] Müller: Theorie der Komik, S. 9.

[2] Jauss: Grenzziehung, S. 361.

[3] Stierle: Komik der Handlung, S. 251.

[4] Ebd., S. 239.

[5] Vgl. Stierle: Komik der Handlung, S. 244.

[6] Ebd., S. 266.

[7] Ebd., S. 250.

[8] Vgl. Stillers: Kalkül kontra Leidenschaft, S. 124.

[9] Hillmann: Lachkulturen, S. 103.

[10] Vgl. Kindermann: Italienisches Theater, S. 371.

[11] Vgl. Stillers: Kalkül kontra Leidenschaft, S. 125.

[12] Metzler: Literaturgeschichte, S. 224.

[13] Goldoni: Locandiera, S. 18.

[14] Vgl. Ley: Neue Kontexte, S. 121.

[15] Vgl. Regn: Commedia borghese, S. 330.

[16] Hösle: Goldoni, S. 159.

[17] Hösle: Goldoni, S. 159.

[18] Stiller: Kalkül kontra Leidenschaft, S. 130.

[19] Goldoni: Locandiera, S. 34f.

[20] Stiller: Kalkül kontra Leidenschaft, S. 123.

[21] Vgl. Regn: Commedia borghese, S. 329.

[22] Vgl. Goldoni: Locandiera, S. 98.

[23] Regn: Commedia borghese, S. 327.

[24] Goldoni: Locandiera, S. 35.

[25] Goldoni: Locandiera, S. 34f.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Komik in Goldonis Komödie 'La Locandiera'
Hochschule
Universität zu Köln  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Italienisches Theater des 18. Jahrhunderts
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V80315
ISBN (eBook)
9783638870269
Dateigröße
450 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Komik, Goldonis, Komödie, Locandiera, Italienisches, Theater, Jahrhunderts
Arbeit zitieren
Dorothea Nolde (Autor:in), 2005, Die Komik in Goldonis Komödie 'La Locandiera', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80315

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