Über: Jürgen Becker - "Felder"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. ‚Felder’
1. Entstehungshintergrund der ‚Felder’
2. „Felder“ – Der Titel als Programm?
3. Inhalt und Aufbau

III. Das theoretische Konzept Jürgen Beckers
1. Das Prinzip der Gleichzeitigkeit
2. Das multiple Ich

IV. Schlussbetrachtung

V. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

„Als ich wieder anfing mit dem ersten Satz, wirkte die

permanente akustische Collage auf eine Weise mit, daß

die Syntax darüber kaputt ging.“[1]

Jürgen Becker, 1932 in Köln geboren, stellte mit dem Buch ‚Felder’ 1964 ein Werk über die Sprache vor, dass in der Tradition von Döblins ‚Alexanderplatz’ oder Joyces ‚Dublin’ untrennbar mit Köln verbunden ist. Der Autor fängt die Gespräche und Geräusche seiner Umgebung ein und zeichnet die Stadt und die Gesellschaft der 60er Jahre nach. Gleichzeitig war er an der Debatte über das Ende der Erzählbarkeit, die die Literaten dieser Zeit führten, beteiligt. Er stand für die Offenheit und Freiheit in einer subjektiven Erzählhaltung und stellte die Frage nach dem Schreibimpuls des Autors. Als seine ‚Felder’ erstmals veröffentlicht wurden, schrieb man ihm den Ruf eines Schriftstellers zu, der die gängigen Gattungen einschmelze.

Ziel dieser Arbeit ist es, den experimentellen Charakter der ‚Felder’ zu erfassen und das theoretische Konzept Beckers zu analysieren. Hierfür wird mit dem Entstehungshintergrund der ‚Felder’ begonnen. Dazu wird die Problematik einer realistischen und erkenntnisstiftenden Wirklichkeitsbeschreibung im Roman dargestellt. Allerdings soll der Schwerpunkt auf der Frage nach der Funktion von der Sprache liegen. Es wird kurz auf Heißenbüttel und Adorno verwiesen, um die Gemeinsamkeiten mit Becker aufzuzeigen. Die Ergebnisse werden auf den Buchtitel übertragen, um so seiner Tragweite als topographisches Portrait der Kölner Bucht und den dort lebenden Menschen zu begreifen. Auch erhellt sich dadurch die Bedeutung des Titels ‚Felder’ als Sprach- und Bedeutungsfelder, die ihren Ursprung im Bewusstsein des Ichs haben.

Weiter wird dazu übergegangen, das Buch inhaltlich zu erfassen und den Aufbau darzulegen. Es wird die Besonderheit der Syntax, die wie im Eingangszitat angedeutet, unmittelbar mit der Geräuschkulisse in Verbindung steht, herausgearbeitet und sowohl auf die verschiedenen Montagetechniken als auch Textsorten verwiesen werden. Zentral gestaltet sich aber die Frage nach Zeit und Sprechsituation. Denn darin deutet sich an, welches Konzept dem Werk Beckers zugrunde liegt.

Die sich dahinter verbergende Theorie wird auf das ‚Prinzip der Gleichzeitigkeit’ in der Realitätsvermittlung Beckers und der Auffassung eines ‚multiplen Ichs’ dargestellt. Mit einem Verweis auf die Psychologie wird dem Vorwurf beigegangen, ob sich im Werk der private Impuls als zu dominant gegenüber einem allgemeinen Bewusstsein verhält.

In der Schlussbetrachtung werden die Ergebnisse noch einmal zusammengetragen. Dadurch wird die Theorie auf ihre Umsetzung geprüft. So kann die Frage geklärt werden, welche Rolle die Wirklichkeitsvermittlung in ‚Felder’ einnimmt und wie sie sich wertend an die gesellschaftliche Realität anpasst.

II. ‚Felder’

1. Entstehungshintergrund der ‚Felder’

Will der Roman seinem realistischen Erbe treu bleiben und sagen, wie es wirklich ist, so muß er auf einen Realismus verzichten, der indem er die Fassade reproduziert, nur dieser bei ihrem Täuschungsgeschäfte hilft.[2]

Ein Teil von Jürgen Beckers ‚Felder’ wurde 1962 erstmals abgedruckt. In der von Hans Magnus Enzensberger herausgebenden Anthologie ‚Vorzeichen. Fünf neue deutsche Autoren’ war er mit Feld 1-35 enthalten. Der Kölner wird im Band als Autor vorgestellt, der versucht, „die Gattungen einzuschmelzen, die Trennung zwischen epischen, lyrischen und dramatischen Operationen aufzuheben.“[3]

Theodor W. Adorno charakterisierte den Roman als „spezifische literarische Form des bürgerlichen Zeitalters “, an dessen soziale Grundlage und Realität dieser ebenso gebunden bliebe, wie an sein Selbstverständnis und seine ideologischen Widersprüche, die mit der tatsächlichen Realität konfligieren.[4] Becker stimmt mit Adorno überein: Der Roman ist als Produkt des Bürgertums zu sehen und an dessen zeithistorischen Voraussetzungen und Motive, die im Zeichen der Aufklärung standen, gebunden. Jedoch zweifelt er daran, ob diese Gattung noch fähig sei, die Wirklichkeit objektiv und erkenntnisstiftend zu beschreiben: „Denn seit der Romanschreiber die Übersicht über die Wirklichkeit [...] verloren hat, [...] steht der instrumentale Charakter des Romans in Frage.“[5] Becker ist der Meinung, dass der Autor die Fähigkeit eingebüßt habe, die heutige Gesellschaft wegen ihrer Dichte zu ergründen. Statt dessen werfe dieser nur mehr Fragen auf, die weder er selbst noch der Leser beantworten könne. Die Folge ist die Entfremdung zwischen Lesers und Autor und zwischen Autor und Wirklichkeit. Da aber der Roman ursprünglich befähigt war, dem Leser die Widersprüche und Wirrungen der Welt näher zubringen und diese mit neuen Einsichten anzureichern, ist die Gattung zweifelbar. Im Diskurs der 60er Jahre über das Ende der Erzählbarkeit vertrat er die Position, dass es dem Roman nicht genügen dürfe, die Phänomene der Welt zu reproduzieren, sondern dieser müsse die Aufgabe haben, erkenntnisstiftend zu wirken.

Um so das Aufgabenspektrum zu erweitern, stellt er die Frage nach dem individuellen Impuls, der zum Schreiben veranlasse. Erst darin sei der „Sinn des Authentischen[6] enthalten. „Erst seine [d.i. des Romans] aufgelösten Kategorien entlassen den utopischen Text, der jedem Roman schon eingeschrieben ist.“[7]

Mit den 1964 erschienenen Feldern versuchte Becker, diesem selbstgesetzten Anspruch gerecht zu werden. Während im Roman eine Erzählinstanz innerhalb der syntaktischen Ordnung eine Geschichte berichtet, löste er diese auf. Becker konstruiert seine 101 Textstücke ohne greifbare Erzählinstanz und syntaktische Ordnung. Viel mehr richtet er sein Augenmerk auf die Sprache selbst.[8]

2. „Felder“ – Der Titel als Programm?

Helmut Heißenbüttel hat darauf hingewiesen, dass Sprache nicht einfach nur ein Kommunikationsmedium ist, sondern gleichzeitig durch ihre Struktur von Subjekt, Prädikat und Objekt den Realitäts- und Bezugsraum der Sprache darlegt.[9]Die Veränderung der Sprache bedeutet Veränderung der Weltinterpretation.“[10] Er macht deutlich, dass eine Umgestaltung der Sprache oder der Struktur gleichzeitig eine Umformung der Realitätsauffassung hervorruft. Dies betrachtet er als notwendig, um so die Wirklichkeit zeitgemäß deuten zu können: „Ich erkenne [...], daß das alte Grundmodell der Sprache von Subjekt-Objekt-Prädikat nicht mehr standhält.“[11] Für Heißenbüttel ist das Grundgerüst der Sprache hinfällig und veraltet.

[...]


[1] Becker, Jürgen: “Hinterlassenes Terrain“, in: Lose Blätter, Deckert, Renate / Dolling,Birger (Hrsg.), Heft 31, Berlin 2005, S. 898-901. Hier: S. 898.

[2] Adorno, Theodor W.: Noten zur Literatur I, Frankfurt/M. 1958, S. 61-72. Hier: S. 64.

[3] Enzensberger, Hans Magnus (Hrsg.): Vorzeichen. Fünf neue deutsche Autoren, Frankfurt am Main 1962, S 15.

[4] Vgl.: Adorno: Noten zur Literatur I, S. 61.

[5] Becker, Jürgen: „Gegen die Erhaltung des literarischen status quo“, in : Über Jürgen Becker, Kreutzer, Leo (Hrsg.), Frankfurt am Main 1972, S. 15-19. Hier: S. 14.

[6] Becker: Gegen die Erhaltung des literarischen status quo, S. 19.

[7] Ebd.

[8] Zur Theorie des Romans siehe: Vogt, Jochen: Aspekte erzählender Prosa. Eine Einführung in Erzähltechnik und Romantheorie, 8. durchgesehene und aktualisierte Auflage, Opladen / Wiesbaden 1998.

[9] Heißenbüttel, Helmut: Über Literatur, Olten 1966, S. 219-223.

[10] Ebd.: S. 221.

[11] Heißenbüttel: Über Literatur, S. 222.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Über: Jürgen Becker - "Felder"
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Großstadt-Lyrik
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
14
Katalognummer
V80295
ISBN (eBook)
9783638875158
ISBN (Buch)
9783638875264
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jürgen, Becker, Felder, Großstadt-Lyrik
Arbeit zitieren
Alexander Brehm (Autor:in), 2006, Über: Jürgen Becker - "Felder", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80295

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