SARS im Spiegel der chinesischen Medien


Diplomarbeit, 2007

125 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Teil I: Inhaltlicher Kommentar
Einleitung
1 Medien in der VR China – ein Überblick
1.1. Die Xinhua -Nachrichtenagentur
1.2 Übersicht über die verschiedenen Medienformen in China
1.2.1 Printmedien
1.2.2 Rundfunk und Fernsehen
1.2.3 Internet
1.3 Zensur der Medien
1.3.1 Rechtliche Lage
1.3.2 Nachrichtenzensur in Krisensituationen
2 Tendenzen der Informationspolitik in der VR China von 1949 bis heute
2.1 Allgemeine Bemerkung zur zeitlichen Untergliederung
2.2 Entwicklung von 1949 bis 1978
2.3 Situation von Ende 1978 bis 1989
2.4 Entwicklungen zwischen 1989 und 2001
2.5 Tendenzen seit dem WTO-Beitritt
3 Zeitlicher Verlauf und Ausbreitung der SARS-Epidemie
3.1 Erste Anzeichen
3.2 Verstärkte Ausbreitung
3.3 Hochphase
3.4 Ausklang
4 Tendenzen und Phasen der Berichterstattung zu SARS in den chinesischen Medien
4.1 Generelle Bemerkung zur Phaseneinteilung
4.2 Vereinzelte Berichterstattung
4.3 Verharmlosende Berichterstattung
4.4 Auswirkungen der Intervention des Militärarztes Jiang Yanyong
4.5 Verhältnismäßig offene Berichterstattung
4.6 Fazit
5 Vergleich der Krisenberichterstattung in China und westlichen Ländern
Resümee

Teil II: Übersetzungen
ZT I: Beurteilung des Medienverhaltens während der SARS-Krise
ZT II: SARS erfolgreich unter Kontrolle gebracht:
Gesundheitsminister Zhang Wenkang beantwortet auf einer Pressekonferenz
des Staatsrats die Fragen chinesischer und ausländischer Journalisten

Teil III: Übersetzungswissenschaftlicher Kommentar
Einleitung
1 Überblick über die Entwicklung der Übersetzungswissenschaften
2 Kurzer Überblick über einige relevante Translationstheorien
3 Texttypologie zu Ausgangstext I
3.1 Texttyp
3.2 Textsorte
4 Textsortenprofil zu Ausgangstext I
4.1 Allgemeine Bemerkung zum Textsortenprofil für AT I
4.2 Textexterne Faktoren
4.2.1 Wer übermittelt den Text?
4.2.2 Wozu übermittelt der Verfasser den Text?
4.2.3 Wem wird der Text übermittelt?
4.2.4 Über welches Medium wird der Text übermittelt?
4.2.5 Wo wird der Text übermittelt?
4.2.6 Wann wird der Text übermittelt?
4.2.7 Aus welchem Anlass wird der Text übermittelt?
4.3 Textinterne Faktoren
4.3.1 Was ist das allgemeine Thema des Textes?
4.3.2 Was ist der konkrete Inhalt des Textes?
4.3.3 Was wird in dem Text nicht gesagt, sondern als Vorwissen vorausgesetzt?
4.3.4 Wie sind die Informationen gegliedert?
4.3.5 Welche nichtsprachlichen Mittel werden eingesetzt?
4.3.6 Welche Besonderheiten weist die Wortwahl in dem Text auf?
4.3.7 Welche suprasegmentalen Merkmale weist der Text auf?
4.3.8 Welche syntaktischen Mittel sind charakteristisch für den Text?
5 Übersetzungsprobleme bei Ausgangstext I
6 Texttypologie zu Ausgangstext II
6.1 Texttyp
6.2 Textsorte
7 Textsortenprofil zu Ausgangstext II
7.1. Allgemeine Bemerkung zum Textsortenprofil für Text II
7.2 Textexterne Faktoren
7.2.1 Wer übermittelt den Text?
7.2.2 Wozu übermittelt der Verfasser den Text?
7.2.3 Wem wird der Text übermittelt?
7.2.4 Über welches Medium wird der Text übermittelt?
7.2.5 Wo wird der Text übermittelt?
7.2.6 Wann wird der Text übermittelt?
7.2.7 Aus welchem Anlass wird der Text übermittelt?
7.3 Textinterne Faktoren
7.3.1 Was ist das allgemeine Thema des Textes?
7.3.2 Was ist der konkrete Inhalt des Textes?
7.3.3 Was wird in dem Text nicht gesagt, sondern als Vorwissen vorausgesetzt?
7.3.4 Wie sind die Informationen gegliedert?
7.3.5 Welche nichtsprachlichen Mittel werden eingesetzt?
7.3.6 Welche Besonderheiten weist die Wortwahl in dem Text auf?
7.3.7 Welche syntaktischen Mittel sind charakteristisch für den Text?
7.3.8 Welche suprasegmentalen Merkmale weist der Text auf?
8 Übersetzungsprobleme bei Ausgangstext II

Schlusswort

Gesamtbibliographie

Anhang: Ausgangstexte

Vorwort

Die vorliegende Diplomarbeit wurde zum Erreichen des Grades einer Diplomübersetzerin nach dem Studium am Institut für Orient- und Asienwissenschaften im Arbeitsbereich Chinesisch der Abteilung für Orientalische und Asiatische Sprachen (ehemals Seminar für Orientalische Sprachen) angefertigt. Thematisiert wird in dieser Arbeit der Umgang der Medien in der Volksrepublik China mit der Ende 2002 erstmals in Südchina ausgebrochenen Lungenseuche SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome). Die Verfasserin beschränkt sich in erster Line auf den für dieses Thema interessantesten und ereignisreichsten Zeitraum, von November 2002 bis Juni 2003. In Teil I, dem inhaltlichen Kommentar, wird das Verhalten der chinesischen Medien während der SARS-Krise beschrieben und kommentiert. Teil II besteht aus der Übersetzung zweier verschiedener Texte, in denen das Medienverhalten in der VR China zur SARS-Zeit thematisiert wird, aus dem Chinesischen ins Deutsche. Den letzten Abschnitt der vorliegenden Diplomarbeit, Teil III, stellt der übersetzungswissenschaftliche Kommentar. In diesem werden die in Teil II übersetzten Texte untersucht und analysiert, außerdem werden einige problematische und interessante Textstellen herausgegriffen und deren Übersetzung erläutert.

Teil I: Inhaltlicher Kommentar

Einleitung

In der Volksrepublik China werden Nachrichten oft zensiert und über Einiges darf gar nicht berichtet werden. Vor allem negative Erscheinungen wie Naturkatastrophen, Unfälle, politische Skandale, soziale Missstände und Epidemien innerhalb der Volksrepublik (VR) China sind auch heute noch ein Tabuthema für die chinesischen Medien. Es ist schwer vorstellbar, wie die Kommunistische Partei (KP) Chinas in der heutigen globalen Informationsgesellschaft diese Praktik weiter durchsetzen will, besonders wenn es um Angelegenheiten geht, die zu einem bedeutsamen Thema für die ganze Welt werden können. In der vorliegenden Arbeit soll ein Überblick über die Berichterstattung der chinesischen Medien zu der im November 2002 in Südchina erstmals aufgetretenen Lungenkrankheit SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome)[1] gegeben werden. In Punkt 1 der inhaltlichen Ausarbeitung wird zunächst die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua[2] kurz vorgestellt und dem Leser eine allgemeine Übersicht über die Medien in China, gesetzliche Grundlagen von Presse- und Meinungsfreiheit sowie über die Nachrichtenzensur der chinesischen Behörden in Krisenzeiten geboten. Dabei wird auf Zeitungspublikationen, sowie auf die Nachrichtenberichterstattung in Rundfunk, Fernsehen und im Internet eingegangen. Punkt 2 umfasst die Vorstellung der informationspolitischen Tendenzen der VR China in vier unterschiedlichen Zeiträumen zwischen 1949 und 2007. Im dritten Punkt wird der zeitliche Verlauf und die Ausbreitung der SARS-Epidemie von den ersten Anzeichen, über die Höhepunkte, bis hin zum Ausklang der Krankheit skizziert. Im Anschluss daran werden in Punkt 4, dem eigentlichen Hauptteil der vorliegenden Arbeit, Tendenzen und Phasen der Berichterstattung zu SARS in den chinesischen Medien vorgestellt. In diesem Kapitel wird außerdem auf die Rolle der chinesischen Regierung während der Krise eingegangen. Im fünften und letzten Kapitel wird ein kurzer Vergleich der Krisenberichterstattung chinesischer und westlicher Medien skizziert. Zum Abschluss dieser Diplomarbeit wird die Verfasserin im Resümee die Ergebnisse der Auseinandersetzung mit dem Thema des Umgangs der chinesischen Medien mit der SARS-Krise kritisch beleuchten und einige Überlegungen zur möglichen zukünftigen Entwicklung der Medien- und Informationspolitik in der VR China anstellen.

1 Medien in der VR China – ein Überblick

1.1. Die Xinhua -Nachrichtenagentur

Im Jahre 1930 gründete die Kommunistische Partei die Hongse Zhonghua Tongxunshe[3], die 1937 zur Xinhua- Nachrichtenagentur wurde. Diese untersteht heute der Kontrolle der Öffentlichkeitsabteilung (ehemals Propagandaabteilung) der chinesischen Regierung.

Xinhua ’s goal is to maintain the CCP’s news monopoly. It is, according to the official definition, ‘the eyes, ears and voice of China’. It is the de facto largest centre of news gathering and distribution in the country. No news, especially on sensitive issues, should reach the media without the say-so of the all-powerful Xinhua.” (Battistella 2005: 2).

Xinhua versorgt die chinesischen Medien mit sämtlichen wichtigen nationalen und internationalen Pressemeldungen. In der Nachrichtenagentur wird entschieden, welche Meldungen ausschließlich für die Führungsspitze Chinas geeignet sind, und welche auch an die Öffentlichkeit weitergegeben werden dürfen. (vgl. Maurer 1990: 51ff.; Battistella 2005: 2ff.)

1.2 Übersicht über die verschiedenen Medienformen in China
1.2.1 Printmedien

Die erste Zeitung in China, die Dibao[4], wurde bereits in der ersten Hälfte des 8. Jh.n.Ch. herausgegeben. Später wurde sie zur Jingbao[5] und existierte noch bis zum Ende der Qing -Dynastie 1911 unter verschiedenen Namen und in unterschiedlichen Formen (vgl. Li 2005: 37.; Yan 2000: 499). In China bestand schon immer ein enger Zusammenhang zwischen Presse und Politik. „From early times, the Chinese have used the press to advocate their ideas and to mobilize the people to support their cause.“ (Yan 2000: 499). Nach der Machtübernahme der KP 1949 wurde zur Festigung der Herrschaft der Partei mit dem Aufbau eines nationalen Pressesystems begonnen. Die ein Jahr zuvor gegründete Renmin Ribao[6] wurde zum wichtigsten Presseorgan und zum Sprachrohr des Zentralkomitees der KPCh. (vgl. Yan 2000: 500f.)

Im Laufe der Zeit gründete man Zeitungen speziell für Arbeiter, Jugendliche, Intellektuelle, Bauern etc. Zur Zeit der Kulturrevolution[7] wurden die Zeitungen in den politischen Kampf zwischen den unterschiedlichen Gruppen in der Partei hineingezogen, weshalb viele von ihnen schließen mussten. Während der Wirtschaftsreformen in den 1980er Jahren herrschte dann eine entspanntere politische Atmosphäre und die Presse erlebte eine Blütezeit. Viele während der Kulturrevolution geschlossene Zeitungen nahmen die Arbeit wieder auf. Die erste englischsprachige Zeitung Chinas, die China Daily, gibt es seit 1981. Sie richtet sich an Ausländer in China, wird aber auch von zahlreichen der englischen Sprache mächtigen Chinesen gelesen. Auch die Inhalte der China Daily werden streng kontrolliert und dienen nicht zuletzt der Propaganda der chinesischen Führung. (vgl. Li 2005: 43)

Ende 1988 gab es bereits 1.579 Zeitungen, die in der Volksrepublik offen erhältlich waren (vgl. Yan 2000: 500ff.). Nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung in Beijing 1989 mussten jedoch wieder viele Zeitungen aus politischen Gründen schließen, außerdem wurden die Inhalte der verbliebenen Druckschriften stark zensiert (vgl. Yan 2000: 502). Im Laufe der 1990er Jahre erholte sich die Branche jedoch rasch und schon 1990 waren wieder 1.444 verschiedene Zeitungen auf dem Markt erhältlich. 1993 gab es alleine 398 verschiedene Tageszeitungen im Lande (vgl. Li 2005: 45). Mit der Gründung der Guangzhou Ribao Baoyejituan[8] 1996 entstand der erste Zeitungskonzern Chinas, womit die entstaatlichte Zeitungsvermarktung in der Volksrepublik einsetzte (vgl. Li 2005: 45f.). Im Jahre 2005 gab es in China mehr als 2000 Tages- und Wochenzeitungen (vgl. Heberer 2005: 44). Zu dieser Zahl kommt noch eine Unmenge an Monatszeitungen, periodischen Publikationen und vielen weiteren Formen hinzu. Allerdings sollte trotz der steigenden Zahlen bedacht werden, dass es in China noch immer eine Analphabetismusrate von rund neun Prozent gibt und viele Menschen in ländlichen Gegenden weder genug Geld für Zeitungen noch den Zugang zu solchen haben.

1.2.2 Rundfunk und Fernsehen

Auch Radio und Fernsehen wurden von der Kommunistischen Partei seit ihrer Gründung zur Beeinflussung der Volksmassen genutzt. 1941 eröffnete die KP ihren ersten Radiosender, den Yan’an Xinhua Guangbo Diantai[9], der später zum Zhongyang Renmin Guangbo Diantai[10] wurde. Mit diesem an der Spitze wurde ein Rundfunknetzwerk mit den Stufen zentral, regional, Provinz und Stadt geschaffen. Bereits seit 1950 gibt es Radioprogramme in Minderheitensprachen, wie Tibetisch, Mongolisch und Uigurisch. „Radio Peking“[11] sendet in sieben Fremdsprachen: Englisch, Japanisch, Koreanisch, Vietnamesisch, Burmesisch, Thai und Indonesisch, sowie in chinesischen Dialekten, beispielsweise in Kantonesisch. (vgl. Yan 2000: 502)

Der Ausbau eines verkabelten Rundfunksystems auf dem Land Anfang der 1950er Jahre trug in großem Maße zur politischen und kulturellen Ausbildung der Bauern, sowie zur Verbreitung von Informationen und der Förderung des kulturellen Lebens in ländlichen Gegenden bei, wobei natürlich auch der Propagandagedanke eine gewichtige Rolle spielte. Ende 1959 waren in China 122 Radiosender aktiv, jedoch erlitt auch der Rundfunk während der Kulturrevolution Rückschläge, da das Personal der Radiostationen für die Revolution kämpfen musste. Durch den politischen und wirtschaftlichen Wandel der 1980er Jahre entwickelte sich in China dann allerdings auch die Rundfunktechnologie weiter. Anfang der 1990er Jahre gab es bereits über 1.200 Radiosender in der Volksrepublik. (vgl. Yan 2000: 503)

Der erste Fernsehsender der VR China, der Beijing Dianshitai, 1978 umbenannt in Zhongyang Dianshitai (CCTV)[12], ging am 1. Mai 1958 zum ersten Mal auf Sendung. Das Farbfernsehen erreichte China 1973. Das Ministry of Radio, Film and Television (MRFT), später umbenannt in Guojia Guangbo Dianying Dianshi Zongju (SARFT)[13] begann 1985 damit, auf nationaler Ebene, sowie auf Provinz-, Städte- und Bezirksebene Fernsehstationen zu errichten. Im Jahre 1999 hatten bereits ca. 90 Prozent der chinesischen Haushalte mindestens ein Fernsehgerät und 1,1 Milliarde Menschen in der Volksrepublik zählten zum regelmäßigen Fernsehpublikum. (vgl. Yan 2000: 503f.)

Im Jahre 2005 existierten in der VR China schon ca. 3000 Rundfunk- und Fernsehstationen (vgl. Heberer 2005: 44).

1.2.3 Internet

Die ersten Schritte zur Vernetzung Chinas mit der Welt wurden bereits 1986 getätigt, als das Zhongguo Xueshu Wang[14] gegründet wurde, das mit der Universität Karlsruhe zusammenarbeitete. Die vollständige Anbindung Chinas an das World Wide Web, und damit auch die Gründung von Gesellschaften und Organisationen, die sich mit den Angelegenheiten des Internets in der VR China befassen, geschah im April 1994. (vgl. Li 2006:79, CNNIC 2003)

Heute gibt es in China bereits ca. 137 Millionen Internetnutzer[15] und 843.000 Webseiten (vgl. CNNIC 2007: 5f.). Die Zahl der Nutzer ist im vergangenen Jahr um 26 Millionen, also 23,4 Prozent, gestiegen, die der Webseiten erhöhte sich um 148.800, also 21,4 Prozent (vgl. ebd.: 24; 30). 53,5 Prozent der chinesischen Internetuser nutzen das Netz als Nachrichtenmedium, 85 Prozent als Informations- und 47,4 Prozent sogar als Hauptinformationsquelle (vgl. ebd.: 13). Die großen chinesischen Zeitungen und Zeitschriften begannen schon früh damit, auch im Internet zu veröffentlichen und verschiedene Serviceleistungen online anzubieten.[16] Es entstehen auch stetig neue Internetforen und Chaträume, in denen vor allem junge Chinesen ihre Meinung äußern und einander informieren und aufklären können. Allerdings besteht, gerade aufgrund der häufigen Vorenthaltung von Informationen durch die traditionellen Medien, die Gefahr der Ausbreitung von Unwahrheiten und Gerüchten im Internet (vgl. Zhang 2004: 4f.).

Von chinesischen Servern aus hat man keinen Zugriff auf Internetseiten, die sich mit Menschenrechten befassen, wie beispielsweise Human Rights Watch oder Amnesty International, und auf ausländische Nachrichtenseiten, wie die von CNN oder BBC.

Über die „Great Firewall of China“[17] wird der Zugang zu solchen Seiten verhindert, und der User zu einem gesicherten nationalen Intranet weitergeleitet. Durch bestimmte Tricks können versierte Internetnutzer in China die Sperren jedoch umgehen, was allerdings bei den Behörden ausgesprochen ungern gesehen und von ihnen nach Möglichkeit umgehend unterbunden wird. (vgl. Walton 2001)

1.3 Zensur der Medien
1.3.1 Rechtliche Lage

In der Verfassung der Volksrepublik China ist das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit festgeschrieben. „Citizens of the People's Republic of China enjoy freedom of speech, of the press, of assembly, of association, of procession and of demonstration.”[18] (China Constitution 1982: Artikel 35). Doch dieser eigentlich sehr eindeutige Artikel wird durch die unten stehenden Verfassungsartikel, die in der Praxis höher bewertet werden, abgeschwächt.

„Article 51. The exercise by citizens of the People's Republic of China of their freedoms and rights may not infringe upon the interests of the state, of society and of the collective, or upon the lawful freedoms and rights of other citizens. […] Article 53. Citizens of the People's Republic of China must abide by the constitution and the law, keep state secrets, protect public property and observe labour discipline and public order and respect social ethics. Article 54. It is the duty of citizens of the People's Republic of China to safeguard the security, honour and interests of the motherland; they must not commit acts detrimental to the security, honour and interests of the motherland.”[19] (China Constitution 1982: Artikel 51, 53, 54).

Wie aus den oben zitierten Artikeln ersichtlich ist, werden die Interessen, die Sicherheit und die Ehre des Staates über die persönlichen Rechte und Freiheiten der Bürger gestellt.

Die chinesische Regierung betrachtet die Medien als eine eigenständige Branche und sieht daher keinen Grund eine Mediengesetzgebung für diese zu erlassen. Die angeblich als Richtlinie geltende Pressepolitik der Partei wird in der Praxis wie ein Gesetz behandelt. (vgl. Yan 2000: 504)

Auf Grund der fehlenden Gesetzgebung ist es für die Medien sehr schwierig zu entscheiden, was sie veröffentlichen dürfen und was nicht. Oft schweigen sie deshalb aus Angst vor Strafe. Grundsätzlich gilt in China, dass die Medien „…must propagate the party’s programs, policies, and directives; and that they must accept the party’s leadership and stick to the party’s organizational principles and press policies.” (Yan 2000: 504). Die Parteirichtlinien stehen über Prinzipien wie Pressefreiheit, Aufrichtigkeit, Objektivität und Nachrichtenwert. Mit der Gründung des Guojia Xinwen Chuban Ju (SPPA)[20] im Jahre 1987 begann der Wechsel von informaler hin zu formaler Kontrolle der Regierung über die Medien. Die SPPA ist eine Regierungsbehörde mit Vertretungen auf Provinz- und Städteebene, die für Pressevorschriften, die Bewilligung von Veröffentlichungen und die Kontrolle von Schriftstücken zuständig ist. (vgl. Yan 2000: 505f.)

Besonders für die Nutzung des Internets werden derzeit zahlreiche neue Regelungen und Gesetze ausgearbeitet. Im September 2005 wurde in Beijing vom Staatsrat ein neues Gesetz zur Verschärfung der Internetzensur erlassen. Nach den „Vorschriften für die Verwaltung von Internetnachrichten und Informationsdiensten“ muss sich nun jeder Chinese, der im Internet Informationen sammelt und versendet, offiziell registrieren lassen. Jedoch können diese Lizenz ausschließlich berufserfahrene Personen bekommen, die viel Kapital besitzen. Einige kritische Foren haben nach Bekanntwerden dieser Regelungen bereits geschlossen. (vgl. Lietsch 2005)

1.3.2 Nachrichtenzensur in Krisensituationen

Beim Auftreten großer sozialer oder gesundheitlicher Krisen auf dem chinesischen Festland hält die Regierung die inländischen Medien in der Regel unter Strafandrohung dazu an, keinerlei Informationen ohne offizielle Erlaubnis herauszugeben. Wer sich dem widersetzt muss mit der Schließung der Zeitung oder des Senders, oder sogar mit der Verhängung von Gefängnisstrafen rechnen. Ein Verstoß wird als Verrat am Vaterland und Preisgabe von Staatsgeheimnissen gewertet. Die Veröffentlichung solcher Informationen stellt in den Augen der zentralen Führung eine Gefährdung der sozialen Stabilität und des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Regierung dar. Die Bevölkerung Chinas wird über Naturkatastrophen (wie Überschwemmungen oder Erdbeben), Unfälle (wie Verschüttungen in Bergwerken, Flugzeugabstürze oder Chemieunfälle), Skandale (wie im Fall der verseuchten Blutspenden in der Provinz Henan) und Epidemien in der Regel nicht informiert. (vgl. Zhang 2004: 7) Dass die Mehrheit der Chinesen zumindest schon einmal etwas von „SARS“ oder der „atypischen Lungenentzündung“ gehört hat, ist darauf zurückzuführen, dass sich die Epidemie weltweit verbreitete und die chinesische Regierung durch den internationalen Druck dazu gezwungen war weit reichende Maßnahmen zu ergreifen und die Bevölkerung zu warnen, anstatt sie über die Krankheit im Dunkeln zu lassen. Es ist anzunehmen, dass, hätte sich SARS nicht auch in verhältnismäßig großem Umfang außerhalb Chinas ausgebreitet, die chinesischen Behörden niemals wahrheitsgemäße Zahlen zu Erkrankten und Opfern herausgegeben und die Epidemie bis zur endgültigen Eindämmung zu vertuschen versucht hätten. In diesem Fall hätte man weltweit nur über die wahren Ausmaße der Verluste in China spekulieren können.

Nach der Überwindung der SARS-Krise, im Juni 2006, behandelte der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses einen Gesetzesvorschlag zur Verschärfung der Zensur der Medienberichterstattung in Krisenzeiten. Diesem Entwurf zufolge können bei der unautorisierten Veröffentlichung von Informationen in Krisenfällen für die betreffenden Medien Strafen von 5.000 bis 10.000 Euro verhängt werden. (vgl. Schäfter 2006)

2 Tendenzen der Informationspolitik in der VR China von 1949 bis heute

2.1 Allgemeine Bemerkung zur zeitlichen Untergliederung

„Because of the government’s belief that the media must keep social stability, China’s media policy hast tightened or loosened with the country’s state of stability.“ (Yan 2000: 518). Wie schon Yan sagt, gab es in China seit der Ausrufung der Volksrepublik ein ständiges Auf und Ab, abhängig von der sozialen und politischen Situation im Lande. Die im Folgenden dargestellten Zeiträume wurden von der Verfasserin dieser Arbeit auf der Grundlage wichtiger Eckdaten abgegrenzt. Auch Pan (2006: 97) und Li (2005) nehmen ähnliche Untergliederungen vor.

2.2 Entwicklung von 1949 bis 1978

Der von der KPCh bereits vor der Gründung der Volksrepublik, am 1. Oktober 1949, errichtete und ausgebaute Propagandaapparat spielte schon für die Machtübernahme eine Schlüsselrolle. Daher wurden die Medien in China traditionell als Sprachrohr und Instrument der Partei angesehen. In den ersten Jahren nach der Gründung der Volksrepublik

„…hatte sich [...] eine autoritäre, hierarchische Struktur in der VR China herausgebildet, die das Recht auf Informationszugang auf einen kleinen Teil der Kader beschränkte, während die Bevölkerung von der Teilnahme an Informationsvorgängen ausgeschlossen blieb.“ (Maurer 1990: 20).

Für die Kommunistische Partei war das Volk lediglich Empfänger von Informationen und Nachrichten, der auf diese hin reagieren musste, sobald sie von der Informationsmaschinerie der Regierung übermittelt worden waren (vgl. ebd.).

Während der 1966 einsetzenden Kulturrevolution kapselte sich China fast vollkommen von der Außenwelt ab, wodurch insbesondere inländische Nachrichten für Übersee vernachlässigt wurden (vgl. Li 2005: 21). Die von Mao Zedong[21] aufgebrachte Losung „Von den Massen lernen, in die Massen hineintragen“ hatte zum Ziel, das Volk durch die Möglichkeit der Partizipation an der öffentlichen Information und Kommunikation dazu zu motivieren, mehr für den sozialistischen Aufbau zu leisten. Doch bei den von der Partei in den Massenkampagnen preisgegebenen Informationen handelte es sich nur um ausgewähltes Material, wodurch sich diese Partizipationschance als erneuter Versuch der Kontrolle und Indoktrinierung herausstellte. (vgl. ebd.)

Nach Mao Zedongs Tod und dem Ende der Kulturrevolution 1976 war offensichtlich, dass dieser Ansatz dem Volk keinerlei Vorteile gebracht hatte. Das Recht auf Information war noch immer nur hochrangigen Mitgliedern der Partei und wichtigen Regierungsbeamten vorbehalten.

Laut Pan (2005: 97) herrschte in dieser soeben beschriebenen Phase eine Art „institutionelles Gleichgewicht“ auf der Basis der Prinzipien des kommunistischen Parteipressesystems, dass erst durch die Einführung der Wirtschaftsreformen Ende der 1970er Jahre aus den Fugen geriet.

2.3 Situation von Ende 1978 bis 1989

In den 1980er Jahren herrschte unter Deng Xiaoping[22] eine politisch relativ stabile Zeit. Die Politik der Marktreformen und der Öffnung nach Außen, die Ende 1978 einsetzte, brachte den Medien verhältnismäßig große Freiheiten in Bezug auf ihre Berichterstattung. Durch die Wirtschaftsreformen und die Kommerzialisierung der Branche musste die Rolle der Medien in China neu definiert werden. Sie waren nun nicht mehr allein ein Instrument der Partei, sondern sie mussten sich auch zunehmend an den Konsumenten orientieren, um sich finanzieren zu können. (vgl. Yan 2000: 519)

In dieser Zeit wurden die Medien gefördert, um mit ihrer Hilfe die wirtschaftliche Öffnung nach Außen voranzutreiben. Es entstanden unabhängige Zeitungen und Journalisten forderten zunehmend mehr Pressefreiheit und die Formulierung von verbindlichen Gesetzen für das Nachrichtenwesen. So weit kam es jedoch auf Grund der im Folgenden beschriebenen Entwicklungen nicht.

2.4 Entwicklungen zwischen 1989 und 2001

Nachdem die anhaltenden Demonstrationen für Demokratie von Studenten auf dem Tiananmen -Platz am 4. Juni 1989 blutig niedergeschlagen wurden, legte die chinesische Regierung bei ihrer Medienpolitik wieder mehr Wert auf Stabilität und Sicherheit und schränkte daher die Medien erneut verstärkt ein. Sie sollten wieder die grundlegenden Funktionen erfüllen, die Gesellschaft und die Öffentlichkeit zu lenken, den Leitlinien der Partei zu folgen und hauptsächlich über Gutes zu berichten, anstatt Schlechtes herauszustellen und zu kritisieren. (vgl. Li 2005: 19)

Doch diese Situation hielt nicht lange an. Bereits zu Anfang der 1990er Jahre, als man damit begann, in China Auslandsinvestitionen zu gestatten und die Medien finanziell immer unabhängiger vom Staat wurden, entstand eine Tendenz zu mehr Medienfreiheit. Als Mitte der 1990er Jahre der Übergang von Deng Xiaoping zu Jiang Zemin[23] vorbereitet wurde, schränkte man die Freiheit der Medien wieder stärker ein, da der Machtwechsel eine politische Unsicherheit darstellte und die soziale Stabilität gewährleistet werden musste. Im Jahre 1998 sprach sich Premierminister Zhu Rongji[24] bei der Pressekonferenz zu seiner Amtseinführung für Demokratie aus. In einem Interview für CCTV bezeichnete er die Medien als Vorhut von Reformen, Sprachrohr der Massen, Spiegel und Wachhund über die Regierung und Aufseher der Regierung durch die öffentliche Meinung. (vgl. Yan 2000: 518)

Zuvor hatte er sich bereits bei Parteimitgliedern, den Medien und der Propagandabehörde für mehr Medienfreiheit ausgesprochen, um die weit greifenden Wirtschaftsreformen Chinas zu unterstützen. Doch am Ende des Jahres hielt Staatspräsident Jiang Zemin eine Rede zum 20. Jahrestag von Deng Xiaopings Marktreformen, in der er vor „feindlichen Kräften“ warnte. Kurz darauf wurde bekannt gegeben, dass jeder, der zur Untergrabung der Staatsmacht aufrufe, mit lebenslangen Gefängnisstrafen zu rechnen habe. Das Jahr 1999 war voller kritischer Jubiläen und daher sehr bedeutsam für die Stabilität der Regierung. Die Niederschlagung der Studentenproteste jährte sich zum zehnten Mal, die Gründung der VR China zum fünfzigsten Mal und die Jugendbewegung vom 4. Mai 1929 gegen die Guomindang[25] hatte ihren siebzigsten Jahrestag. In diesem Jahr wurden Zeitungsartikel zensiert, weil sie das Massaker der Niederschlagung der Demokratiebewegung von 1989 erwähnten. (vgl. ebd.: 518f.)

2.5 Tendenzen seit dem WTO-Beitritt

Am 11. Dezember 2001 trat die VR China der Welthandelsorganisation (WTO) bei. Aufgrund der durch den Beitritt zur WTO entstandenen „Bedrohung“ durch die weltweiten Medien beauftragten die parteistaatlichen Behörden die Parteizeitungen, durch Fusionen und Übernahmen, Medienkonglomerate zu bilden, die die Genehmigung haben, Investitionen von verschiedenen Quellen, wie z.B. von Börsennotierungen, anzuziehen. (vgl. Pan 2005: 97)

Nach der verhältnismäßig offenen Berichterstattung der chinesischen Medien infolge der SARS-Krise hoffte man innerhalb und außerhalb Chinas auf eine Verbesserung der Informationspolitik in Form von Medienreformen. Gegen Ende 2003 verkündete jedoch ein hochrangiger Mitarbeiter der SPPA:

„no matter how much the managerial mechanisms of the media change, the Party’s control over the media, the cadres who manage the media, the ideological direction of the media and the properties of media organisation will not change.“ (zitiert nach Pan 2005: 99).

Die öffentliche Diskussion scheint dennoch mittlerweile in China angekommen zu sein, wobei allerdings die Führungsspitze der VR noch immer darüber bestimmt, welche Themen erlaubt sind und welche unterbunden werden (vgl. Shi 2005: 4).

Auf der aktuellen „Rangliste der Pressefreiheit 2006“ der Organisation Reporter ohne Grenzen liegt die VR China mit Rang 163 nur fünf Plätze vor dem Schlusslicht Nordkorea (vgl. Reporter ohne Grenzen 2006).

3 Zeitlicher Verlauf und Ausbreitung der SARS-Epidemie

3.1 Erste Anzeichen

Der erste Fall der „atypischen Lungenentzündung“, die später auf den gleichen Erreger wie das über mehrere Monate hinweg intensiv vor allem in China grassierende SARS zurück geführt werden konnten, tauchte bereits am 16. November 2002 in der Stadt Foshan in der südchinesischen Provinz Guangdong auf (vgl. Nip 2005: 31). Er wurde von den dortigen Ärzten wie eine normale Lungenentzündung behandelt und nicht den Gesundheitsbehörden gemeldet. Weitere Krankheitsfälle traten in Heyuan, ebenfalls in der Provinz Guangdong, Anfang Dezember 2002 auf. (vgl. Staiger 2003a: 295)

Ein Patient aus Heyuan wurde noch im Dezember in das Institut für Atemwegserkrankungen[26] in Guangzhou eingeliefert. Zuerst hielt man auch diesen Fall für eine gewöhnliche Lungenentzündung, doch nach einigen Tagen zeigten auch die Ärzte, Krankenschwestern, die Familienmitglieder des Erkrankten und sogar der Fahrer des Krankenwagens Symptome der „atypischen Lungenentzündung“. Die Ärzte unterrichteten daraufhin das Gesundheitsministerium der Provinz Guangdong von der hoch ansteckenden Krankheit. (vgl. Zhong 2003: 4)

3.2 Verstärkte Ausbreitung

Am 1. Januar 2003 wurde ein Gesundheitsteam von der Provinzregierung Guangdongs nach Heyuan geschickt, fast drei Wochen später, am 21. Januar, unterrichtete man die Gesundheitsbehörden Guangdongs über die Krankheit und erst am 7. Februar gab die Provinzregierung die Informationen über den Ausbruch der Epidemie in Guangdong an die Zentralregierung in Beijing weiter. Zwei Tage darauf entsandte diese wiederum ein Expertenteam, bestehend aus Mitarbeitern des Gesundheitsministeriums, in die befallene Region. (vgl. Pomfret 2003)

Bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits in insgesamt sechs Städten der Provinz Guangdong SARS-Fälle aufgetreten, namentlich in Foshan, Guangzhou, Heyuan, Jiangmen, Shenzhen und Zhongshan (vgl. Lesche 2003).

Am 11. Februar wurden in Guangdong zwei Pressekonferenzen gegeben, bei denen von 305 Erkrankten und fünf Verstorbenen im Zusammenhang mit der „atypischen Lungenentzündung“ berichtet wurde (Nip 2005: 32).

Die Zahl der in Guangdong mit dem Virus Infizierten war am 26. Februar bereits auf 792 angestiegen, die der Toten auf 31 (vgl. Lesche 2003). Am 26. März gab die chinesische Regierung erstmals zu, dass sich die Krankheit auch außerhalb der Provinz Guangdong verbreitete. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab am 2. April – erstmalig in ihrer 55-jährigen Geschichte für eine Nicht-Kriegsregion – eine Reisewarnung für Guangdong und Hongkong heraus (vgl. Döring 2003:452).

Der chinesische Gesundheitsminister Zhang Wenkang gab am 3. April während einer internationalen Pressekonferenz[27] des Staatsrates die offiziellen Zahlen für die Stadt Beijing bekannt. Laut Zhang gab es zu diesem Zeitpunkt nur 12 Infizierte und drei Tote in der Hauptstadt. Diese Zahlen wurden später durch das Eingreifen des pensionierten Militärarztes Jiang Yanyong widerlegt. Dieser wusste zu jenem Zeitpunkt bereits von ca. 60 Kranken und sechs Toten alleine im Beijinger Militärkrankenhaus Nr. 309, seinem früheren Arbeitsplatz. (Pomfret 2003; Nip 2005: 35)

3.3 Hochphase

Am 20. April gab der stellvertretende chinesische Gesundheitsminister, Gao Qiang, bei einer internationalen Pressekonferenz in Beijing bekannt, dass man bis zum 18. April landesweit 1.807 SARS-Erkrankungen zu verzeichnen habe, 339 – im Gegensatz zu der bisherigen offiziellen Zahl von 37 – davon in Beijing. (vgl. Nip 2005: 36)

Am folgenden Tag meldete Beijing weitere 109 SARS-Fälle und über 400 Verdachtsfälle, womit die Gesamtzahl der bestätigten Infektionen landesweit auf 1.959 anstieg. Am 22. April wurden für Beijing 159 weitere SARS-Kranke sowie fünf Todesfälle gemeldet. Tags darauf – mit einem Stand von landesweit 2.158 SARS-Kranken, 97 Todesfällen und 1.213 als geheilt Entlassenen – beschloss die WTO auch eine Reisewarnung für Beijing herauszugeben. Am 28. April gab es in der Hauptstadt bereits 1.199 an SARS Erkrankte, landesweit waren es 3.106. Alleine in Beijing standen zu diesem Zeitpunkt 800 Menschen unter Quarantäne. Am 22. Mai wurde in China der 300. SARS-Tote gemeldet, infiziert waren dort zu dieser Zeit 5.271 Personen. (vgl. Lesche 2003)

3.4 Ausklang

Im Juni entspannte sich die Lage endlich. Am 2. Juni gab es erstmals seit Beginn der täglichen Berichte über Infektionen und Todesfälle keine weiteren Erkrankungen zu melden. Der aktuelle Stand Anfang Juni lag bei 334 Toten und 5.328 mit SARS Infizierten in der Volksrepublik. (vgl. ebd.)

Die Reisewarnung für China wurde von der WHO am 24. Juni 2003 aufgehoben (vgl. Schüller 2003: 702). Im Dezember trat ein neuer SARS-Fall in Guangdong auf, auch im folgenden Jahr wurden vereinzelte Infektionen mit dem Virus gemeldet, doch es kam zu keinem größeren SARS-Ausbruch mehr.

4 Tendenzen und Phasen der Berichterstattung zu SARS in den chinesischen Medien

4.1 Generelle Bemerkung zur Phaseneinteilung

Im vierten Teil dieser Arbeit soll auf die unterschiedlichen Phasen und Inhalte der chinesischen Medienberichterstattung zu SARS eingegangen werden. Die Phasen wurden von der Verfasserin dieser Arbeit nach umfangreicher Recherche eingegrenzt. Allgemein lässt sich sagen, dass ein tendenzieller Anstieg in der Anzahl der Medienberichte zwischen November 2002 und April 2003 abzulesen ist. Auf die Umstände und Ursachen dieser Entwicklung soll im Folgenden näher eingegangen werden.

4.2 Vereinzelte Berichterstattung

Der erste Bericht zu SARS mit dem Titel „News of unknown disease caused Heyuan citizens’ panic buying of antibiotics“ erschien am 3. Januar 2003 in der Yangcheng Wanbao[28]. Es folgten vereinzelte weitere Nachrichtenmeldungen über beunruhigte Bürger und Hamsterkäufe von Medikamenten und Hausmitteln wie z.B. Essig (der angeblich gegen das Virus helfen sollte), bis sich der Parteisekretär Guangdongs, Zhang Deijiang, einschaltete und die weitere Veröffentlichung von Medienberichten zu SARS untersagte. (vgl. Nip 2005: 31; Lesche 2003)

Die Provinzregierung Guangdongs wusste bereits seit dem 21. Januar von der hoch ansteckende Krankheit, doch sie wartete ganze drei Wochen, bis sie mit ihren Informationen an die Öffentlichkeit ging. Die ersten beiden Pressekonferenzen in der Provinz Guangdong zur SARS-Situation – und damit auch die erste offizielle Berichterstattung zum Thema SARS überhaupt – fanden am 11. Februar statt. Eine wurde von der Provinzregierung abgehalten, die andere von der Guangdonger Gesundheitsbehörde, beide wurden live im Fernsehen übertragen. Man berichtete von 305 Krankheits- und fünf Todesfällen aufgrund des Virus. Aber es wurde betont, man habe die Situation unter Kontrolle. Am Tag der Pressekonferenz erlaubte der Provinzgouverneur Guangdongs, Huang Huahua, den Medien, trotz Zhang Dejiangs vorangegangenem Verbot, über das Thema SARS zu berichten. Allerdings wurde angeordnet, die Inhalte dürften nur bestimmter „unschädlicher“ Ausrichtung sein. Daher konzentrierte sich die Berichterstattung auf die folgenden vier Themenbereiche:

„(1) the disease [is] under control and life [is] as usual, (2) the chronology of events related to the disease, (3) the government crackdown on merchants who profiteered from the products said to help, and (4) the reason for the widespread rumours.” (Nip 2005: 32).

Am 23. Februar wurde von Zhangs Propagandabüro erneut ein Verbot zur Medienberichterstattung über die Epidemie verhängt. Begründet wurde dieses damit, dass zu viel Kritik die soziale und politische Stabilität beeinträchtigen könne. Zu dieser Zeit grassierten in der Bevölkerung bereits zahlreiche Warnungen vor der Epidemie im Internet und in Form von SMS-Nachrichten, da die offizielle Berichterstattung zu viele Fragen offen ließ und das wahre Ausmaß der Epidemie verschwieg. Auf diese Weise entstanden auch viele Gerüchte, die via Internet und Kurznachrichten stetig weiter getragen wurden. (vgl. ebd.: 39; Zhang 2004: 13)

4.3 Verharmlosende Berichterstattung

Die Zentralregierung in Beijing war von den Behörden Guangdongs am 7. Februar über die Epidemie unterrichtet worden, doch auch diese gab keinerlei Informationen an die Medien weiter. Dies kann zu einem Großteil sicherlich auf die Tatsache zurückgeführt werden, dass am 5. März der 16. Nationale Volkskongress (NVK) in Beijing eröffnete. Traditionell verbietet die chinesische Regierung prinzipiell jedwede negative Medienberichterstattung während dieses Zeitraumes. Außerdem kam im März 2003 hinzu, dass es sich um die erste Sitzung des NVK unter der neuen Führung von Wen Jiabao und Hu Jintao handelte. Trotz dieses Verbotes veröffentlichte die Zeitung Nanfang Dushibao[29], die ihren Sitz in Guangdong hat, am 6. März einen Artikel, der den Aussagen der Regierung, die Lage sei unter Kontrolle, widersprach. Parteisekretär Zhang Dejiang zwang die Nanfang Dushibao ihren Korrespondenten von Beijing abzuziehen und drohte die Zeitung zu schließen. (vgl. Pomfret 2003)

Am 9. März hielt das Gesundheitsministerium in Beijing eine Sitzung mit den Leitern der wichtigen Krankenhäuser der Hauptstadt ab. Man informierte über SARS und betonte gleichzeitig, dass nichts über die Verbreitung der Krankheit an die Medienöffentlichkeit gelangen dürfe (vgl. ebd.).

Am nächsten Tag wandte sich die Zentralregierung Chinas dann offiziell an die WHO und bat diese um Mithilfe bei der Identifizierung der Ursache für die Epidemie. Vorverhandlungen zwischen der WHO und dem chinesischen Gesundheitsministerium hatte es bereits im Februar gegeben, doch erst am 23. März konnte das fünfköpfige internationale Expertenteam der WHO in Beijing mit Vertretern des zentralen Gesundheitsministeriums sprechen. Zunächst verweigerte man den Experten die Erlaubnis zur Ursachenforschung nach Guangdong zu reisen, doch nach massivem internationalen Druck wurde ihnen am 3. April auch der Zugang zum Ursprungsgebiet der Seuche gestattet. (vgl. Staiger 2003a: 295f.)

Bereits am 15. März hatte die WHO eine erste globale Warnung zu SARS herausgegeben, doch das zentrale Propagandaministerium verbot den chinesischen Medien darüber zu berichten. Drei Tage nach dem Eintreffen des internationalen Expertenteams in Beijing gab die chinesische Regierung erstmals zu, dass sich das Virus auch über die Grenzen Guangdongs hinaus verbreitete. (vgl. Pomfret 2003)

Außerdem mussten die Behörden Guangdongs eingestehen, dass die SARS-Epidemie sich in ihrer Provinz mit sehr hoher Geschwindigkeit ausgebreitet hat, denn die Zahl der Erkrankten war bereits am 26. Februar auf 792 gestiegen und die der Todesfälle auf 31 (vgl. Lesche 2003).

Am 28. März war sich die WHO sicher, dass der Ursprung von SARS in China liegt (vgl. Staiger 2003a: 296). Die chinesische Regierung teilte der WHO am selben Tag mit, dass die Gesundheitsbehörden der einzelnen Provinzen nun verpflichtet seien, ihre Krankheitsfälle an die höheren Instanzen zu melden, da SARS ab sofort als eine Krankheit der Klasse „B“ eingestuft werde (vgl. Lesche 2003).

Das chinesische Disease Prevention and Control Center[30] veröffentlichte am 1. April Vorbeugungs- und Heilungsrichtlinien für SARS im Internet. Am nächsten Tag befasste sich der Staatsrat in einer von Premierminister Wen einberufenen Sondersitzung, die die grundlegende Überarbeitung des Systems der Bekämpfung von Epidemien in China zum Thema hatte, erstmals eingehend mit dem Thema SARS. (Lesche 2003; Holbig 2003a: 424)

Ebenfalls am 2. April gab die WHO eine Reisewarnung für Guangdong und Hongkong heraus, dies geschah zum ersten Mal in ihrer 55-jährigen Geschichte für eine Nicht-Kriegsregion (Döring 2003: 452). Noch am 3. April behauptete der chinesische Gesundheitsminister Zhang Wenkang während der ersten internationalen Pressekonferenz des Staatsrates zum Thema SARS, die Krankheit sei unter effektiver Kontrolle und lud Geschäftsleute und Urlauber ein, in das nach seinen Erkenntnissen „völlig sichere“ Land China zu kommen (vgl. Lingdao juece xinxi 2003). Nach dieser Pressekonferenz war es den chinesischen Medien erneut erlaubt, über SARS zu berichten, allerdings nur über die Kooperation Chinas mit der WHO und selbstverständlich keinesfalls regierungskritisch (vgl. Nip 2005: 35).

4.4 Auswirkungen der Intervention des Militärarztes Jiang Yanyong

Der pensionierte Militärarzt Jiang Yanyong sah die Übertragung der oben erwähnten Pressekonferenz im Fernsehen und war entsetzt über die Zahlen, die der Gesundheitsminister bei dieser Gelegenheit nannte. Zhang sprach von 12 SARS-Fällen in Beijing bis Ende März. Doch Jiang wusste bereits von 60 Infizierten und sechs Toten allein im Beijinger Militärkrankenhaus Nr. 309, seinem früheren Arbeitsplatz. Daher schickte er eine E-Mail an den Festlandchinesischen Fernsehsender CCTV und den Hongkonger Fernsehsender Phoenix TV[31]. Keiner der beiden veröffentlichte die Informationen, doch die E-Mail wurde an westliche Nachrichtenagenturen weitergeleitet. Am 8. April druckte die deutsche Zeitschrift „Der Spiegel“ die Äußerungen Jiangs ab. Am Folgetag veröffentlichte auch das amerikanische „Time Magazine“ die Aussagen des chinesischen Arztes auf seiner Homepage. Es folgten weitere Berichte zu den Vorwürfen Jiangs in den westlichen Medien, viele davon wurden ins Chinesische übersetzt und an die E-Mail Postfächer etlicher Chinesen versandt. Durch diese Medienberichte wurde auch die WHO verstärkt alarmiert und der internationale Druck auf China wuchs an. Besonders nachdem am 7. April der erste Ausländer, ein Finne namens Pekka Aro, an SARS gestorben war. Infolge der dramatischen Entwicklungen berief Wen Jiabao am 13. April eine Notsitzung des Staatsrates ein, bei der er den Ernst der Lage eingestand und Partei- und Regierungsvertreter landesweit unter Androhung von Strafen vor der Vertuschung der wahren Ausmaße der SARS-Epidemie warnte. Am 17. April berief Hu Jintao ein außerplanmäßiges Treffen des ständigen Ausschusses des Politbüros der KPCh ein und gestand, dass die Regierung in Bezug auf SARS gelogen hatte. Auch er ordnete an, dass die chinesischen Funktionäre aufhören sollen, über die Ausmaße der Epidemie zu lügen. Hu rief zum Kampf gegen SARS auf. Seine Anordnungen erschienen am folgenden Tag auf den Titelseiten sämtlicher chinesischer Zeitungen. (vgl. Pomfret 2003)

4.5 Verhältnismäßig offene Berichterstattung

Ab dem 18. April berichteten die chinesischen Medien massiv und vergleichsweise offen über die Krankheit. Die hauptsächlichen Inhalte umfassten die Regierungsarbeit, Aufrufe zum gemeinsamen Kampf gegen SARS, sowie Berichte anderer Länder und der WHO über die Verbreitung der Epidemie. Zwei Tage darauf, am 20. April, wurde während einer bedeutungsvollen Pressekonferenz des Gesundheitsministeriums, unter dem Vorsitz des stellvertretenden Gesundheitsministers Gao Qiang, die Amtsenthebung des chinesischen Gesundheitsministers, Zhang Wenkang, sowie die des Beijinger Bürgermeisters, Meng Xuenong, bekannt gegeben. Die Begründung lautete, die beiden Politiker hätten die wahren Ausmaße der SARS-Epidemie vertuscht. Dieser Schritt – eine für chinesische Verhältnisse ausgesprochen seltene politische Maßnahme – verdeutlichte, wie ernst es der zentralen Führung Chinas war. Des Weiteren gestand die Regierung bei dieser Gelegenheit offen ein, schwere Fehler begangen zu haben. (vgl. Döring 2003: 454)

Gao verkündete während jener Pressekonferenz, dass bis zum 18. April 1.807 Erkrankungen bekannt gewesen seien, 339 davon in Beijing, womit die bisherigen offiziellen Zahlen von 37 Erkrankten in der Hauptstadt sehr deutlich nach oben korrigiert wurden. Um die Ausbreitung des Virus zu bekämpfen streiche man die einwöchigen Maiferien, teilte Gao mit. Außerdem werde man in Zukunft alle Zahlen zu SARS täglich veröffentlichen. Für Beijing wurden bereits am Tag nach der bedeutsamen Pressekonferenz 109 weitere SARS-Fälle gemeldet, die Gesamtzahl bestätigter Krankheitsfälle landesweit stieg damit auf 1.959 Personen an. (vgl. Lesche 2003)

Am 23. April, als landesweit bereits 2.158 SARS-Kranke, 97 Todesfälle und 1.213 als geheilt Entlassene zu verzeichnen waren, beschloss die WTO auch für Beijing eine Reisewarnung herauszugeben. Über diesen Umstand wurde jedoch nichts in den chinesischen Medien berichtet. Stattdessen veröffentlichte die Renmin Ribao ein Interview, dass am Vortag mit einem WHO-Prüfer durchgeführt wurde, der sich darin zufrieden über die Kooperation Chinas äußert. Außerdem beschloss der Staatsrat an jenem Tag die Einrichtung eines „Leitungsstabes für die Vorsorge und Bekämpfung von SARS“ mit Vizepremierministerin Wu Yi[32] als Leiterin. Am 24. April veröffentlichte der Xinhua -Nachrichtendienst die SARS-Zahlen aus dem WHO-Bericht vom Vortag, erwähnte aber die Reisewarnung für Beijing mit keinem Wort. Ab dem 25. April begann der Leitungsstab unter Wu reguläre Pressekonferenzen zur Information über die aktuelle SARS-Situation abzuhalten. Am 26. April übernahm Wu Yi auch vorübergehend das Amt der Gesundheitsministerin. (vgl. Nip 2005: 36)

Am 16. Mai erklärte die chinesische Regierung

„…das Verheimlichen eines SARS-Verdachts und das Inkaufnehmen einer Weiterverbreitung von SARS zum Kapitalverbrechen. Darauf [stünden] mehrjährige Gefängnisstrafen. Im Falle der mutwilligen Weiterverbreitung von Infektionskrankheiten, darunter würde auch SARS fallen, [könne] sogar die Todesstrafe verhängt werden.“ (Lesche 2003).

4.6 Fazit

Hier soll nun geklärt werden, wie die in Kapitel 4 dargestellten unterschiedlichen Tendenzen und Phasen der SARS-Berichterstattung der chinesischen Medien zustande gekommen sind. Wie weiter oben bereits erwähnt, erhob die jeweilige Führungsspitze Chinas auch in der Vergangenheit in der Regel den Anspruch, darüber bestimmen zu können, welche Informationen von den Medien an das Volk weiter gegeben werden dürfen. Die Veröffentlichung jeglicher Nachrichten, die die Partei und die Regierung in einem schlechten Licht dastehen lassen, ihre Autorität untergraben, oder allgemein zu Unruhe in der Gesellschaft führen könnten, gilt als illegal und kann bestraft werden.

Nach den ersten Medienberichten über die bis dahin unbekannte Krankheit SARS reagierte die Provinzregierung Guangdongs mit einem generellen Verbot für die Herausgabe von Nachrichten zu diesem Thema. Als eine vollständige Verheimlichung schon nicht mehr möglich war verharmloste man die Epidemie, behauptete, sie sei unter Kontrolle und verkündete weit untertriebene Erkrankungs- und Opferzahlen. Der Mediziner Jiang Yanyong, der einen großen Beitrag zur späteren Aufklärung der Krise leistete, wurde nach Bekanntwerden seiner Intervention unter Hausarrest gestellt. Durch den immer größeren internationalen Druck war die Führung Chinas schließlich Mitte April 2003 dazu gezwungen ihre Fehler zuzugeben und den Kurs im Umgang mit der Krankheit zu verändern. Darüber, was genau hinter dem plötzlichen Richtungswechsel der chinesischen Administration stand, lässt sich nur mutmaßen. Wie auch Zhang (2004: 8.) sagt, breiteten sich wegen der ausbleibenden Nachrichten von offiziellen Quellen Gerüchte über die Epidemie im Internet und in Form von SMS-Nachrichten aus. Auch die Tatsache, dass Falschmeldungen solcher Art, dadurch, dass es keinerlei Informationen von offiziellen Quellen gab, nicht widerlegt werden konnten zeigt, dass die Informationsblokade zu Beginn der SARS-Krise schwere Schäden angerichtet hat. Die Menschen wussten nicht, wie sie sich richtig vor einer Infektion schützen konnten, und gerieten in Panik.

Für die Gründe, weshalb die Aufdeckung schwerer Krisen in China meist sehr viel Zeit beansprucht – sofern überhaupt eine Aufdeckung stattfindet – lassen sich durchaus historische Parallelen ziehen. Schon vor der Republikgründung (1949) mussten kaiserliche Beamte um ihren Posten bangen, sobald in ihrem Regierungsbereich etwas „nicht Erwünschenswertes“ (wie z.B. die Ausbreitung von Krankheiten oder Hungersnöten in der Bevölkerung) geschah. Daher verschwiegen sie es lieber und ließen den Kaiser und somit auch den Rest des Reiches uninformiert darüber. Auch in der Volksrepublik, zur Zeit der Missernten von 1960 und 1961 infolge des „Großen Sprungs nach vorn“[33] trat dieses Phänomen unter der Herrschaft Mao Zedongs auf (vgl. Gernet 1983: 555f.). Ihm wurde damals lange nichts von den Hungersnöten auf dem Lande berichtet, weil die lokalen Kader Angst vor Strafe hatten. So könnte man argumentieren, dass die chinesische Tendenz, den Überbringer schlechter Nachrichten zu bestrafen, mit für die lange Vertuschung der SARS-Epidemie verantwortlich gewesen sei. Es ist durchaus denkbar, dass, aufgrund der wahrscheinlichen Konsequenzen für die Karriere des jeweiligen Verantwortlichen, Informationen über die SARS-Epidemie zu spät an höhere Instanzen weitergegeben wurden, was bedeuten würde, dass die administrative Beschaffenheit der großflächigen VR China einen nicht unerheblichen Teil zur langsamen Reaktion auf die Ausbreitung des Virus beigetragen hat.

[...]


[1] 非典型肺炎 fēidiǎnxíngfèiyán.

[2] 新华 xīnhuá: New China.

[3] 红色中华通讯社 hóngsè zhōnghuá tōngxùnshè: Red China News Agency.

[4] 邸报 dǐbào: Court Gazette.

[5] 京报 jīngbào: Beijing Gazette.

[6] 人民日报 rénmín rìbào: People’s Daily.

[7] 文化大革命 wénhuàdàgémìng (1966-1976).

[8] 广州日报报业集团 guǎngzhōu rìbào bàoyè jítuán: Guangzhou Daily Press Group.

[9] 延安新华广播电台 yán'ān xīnhuá guǎngbō diàntái: Yan’an Xinhua Broadcasting Station.

[10] 中央人民广播电台 zhōngyāng rénmín guǎngbō diàntái: Central People’s Broadcasting Station (CPBS).

[11] 北京广播电台 běijīng guǎngbō diàntái.

[12] Für Beijing wurde dann ein eigener Lokalsender eingerichtet.

[13] 国家广播电影电视总局 guójiā guǎngbō diànyǐng diànshì zǒngjú: State Administration of Radio, Film and Television (SARFT).

[14] 中国学术网 zhōngguó xuéshù wǎng: Chinese Academic Network (CANET).

[15] Zu den Internetnutzern wird jeder chinesische Bürger ab dem Alter von sechs Jahren gezählt, der eine Stunde oder länger in der Woche online ist. (vgl. CNNIC 2007: 3).

[16] Die Renmin Ribao beispielsweise ist bereits seit 1997 online abrufbar. (vgl. Zhou 2006: 148).

[17] 中国的防火墙长城 zhōngguó de fánghuǒqiáng chángchéng.

[18] 第三十五条 中华人民共和国公民有言论、出版、集会、结社、游行、示威的自由。(Zhonghua Renmin Gongheguo Xianfa 1982).

[19] 第五十一条 中华人民共和国公民在行使自由和权利的时候,不得损害国家的、社会的、集体的利益和其他公民的合法的自由和权利。[…]第五十三条 中华人民共和国公民必须遵守宪法和法律,保守国家秘密,爱护公共财产,遵守劳动纪律,遵守公共秩序,尊重社会公德。(Zhonghua Renmin Gongheguo Xianfa 1982).

[20] 国家新闻出版局 guójiā xīnwén chūbǎn jú: State Press and Publications Administration.

[21] 毛泽东 Máo Zédōng *1893 †1976.

[22] 邓小平 Dèng Xiǎopíng *1904 †1997.

[23] 江泽民 Jiāng Zémín.

[24] 朱镕基 Zhū Róngjī.

[25] 国民党 guómíndǎng: Nationalist People’s Party.

[26] 广州呼吸疾病研究所 guǎngzhōu hūxī jíbìng yánjiùsuǒ.

[27] Die oben erwähnte Pressekonferenz liegt dieser Arbeit als AT II in transkribierter chinesischer Form, sowie in der von der Verfasserin dieser Diplomarbeit erstellten Übersetzung (ZT II) bei.

[28] 羊城晚报 yángchéng wǎnbào: Yangcheng Evening News.

[29] 南方都市报 nánfāng dūshì bào: Southern Metropolitan Daily.

[30] 中国疾病预防控制中心 zhōngguó jíbìng yùfáng kòngzhìzhōngxīn: Chinese Disease Prevention and Control Center.

[31] 凤凰电视台 fènghuáng diànshìtái.

[32] 吴仪 Wú Yí.

[33] 大跃进 dà yuè jìn 1958-1962.

Ende der Leseprobe aus 125 Seiten

Details

Titel
SARS im Spiegel der chinesischen Medien
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Institut für Orient- und Asienwissenschaften)
Note
1,1
Autor
Jahr
2007
Seiten
125
Katalognummer
V80254
ISBN (eBook)
9783638867566
ISBN (Buch)
9783638868488
Dateigröße
3028 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
SARS, Spiegel, Medien
Arbeit zitieren
Anne Bettingen (Autor:in), 2007, SARS im Spiegel der chinesischen Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80254

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