Salutogenese als Chance für Menschen mit Depressionen


Seminararbeit, 2007

24 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Begriffsklärungen
2.1 Depressionen
2.2 Salutogenese

3 Erleben von Depressionen
3.1 Auslösende Faktoren von Depressionen
3.2 Erfahrungen mit Depressionen
3.3 Medikamentöse Behandlungsformen und ihre Nebenwirkungen
3.4 Auswirkungen von Depressiven auf das soziale Umfeld

4 Sozialpädagogische Ansätze
4.1 Verhältnis von Salutogenese zu Depression
4.2 Umgang mit depressiven Menschen nach Salutogenese
4.3 Salutogenese als Stärkung zur Selbsthilfe

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Angesprochen durch das Seminar „Das Schwarze Loch – Trauer und Depressionen in der Sozialen Arbeit“ reflektierte ich meine Zeit der Pubertät. In dieser unterlag ich Stimmungsschwankungen und hatte häufiger depressive Verstimmungen. Ich war viel emotionaler als meine gleichaltrigen Schulfreunde, die aus meiner Perspektive psychisch stabiler waren und nicht so starke Selbstzweifel hatten. In dieser Zeit grübelte ich viel und verlor mich in diesen Gedanken. Es war wie ein Kreislauf, aus dem ich schwer ausbrechen konnte. Ich stellte den Sinn meines Lebens in Frage und stellte mir häufig vor, wie es sein würde, wenn ich tot sei.

Wenn die Gedanken auch noch so negativ waren und ich häufig keinen Ausweg wusste, hatte ich nie meinen Lebensmut verloren. Tief in mir wusste ich, dass ich kein schlechter Mensch war, geliebt wurde und mein Leben Sinn hat. Wenn ich mir dieses bewusst machte, konnte ich meist dem Gedankensog, der mich quälte, entrinnen.

In einer Diskussion mit einer Kommilitonin über Depressionen versuchten wir uns vorzustellen, wie Menschen mit schweren Depressionen leiden und wie ihnen geholfen werden kann, ohne dass sie Medikamente, die ihnen helfen, aber viele Nebenwirkungen hervorrufen, einnehmen müssen. Während dieser Diskussion erzählte ich der Kommilitonin von meinen Erfahrungen aus der Pubertät und vertrat die Position, dass es Menschen gelingen kann, aus mehr oder weniger eigenem Antrieb aus der Depression zu gelangen.

Aaron Antonovskys Konzept der Salutogenese erinnerte mich an meinen eigenen Weg aus den depressiven Verstimmungen während der Pubertät.

Dies brachte mich auf die Idee, mich intensiver mit dem Thema auseinander zu setzen und eine Hausarbeit darüber zu schreiben. Da es in dieser hauptsächlich um die Begriffe Depression und Salutogenese geht, erkläre ich diese zunächst.

Das darauf folgende Kapitel beschäftigt sich mit dem Erleben und den Auswirkungen von Depressionen auf Menschen und ihrem sozialen Umfeld. Es beschäftigt sich mit den Nebenwirkungen von Medikamenten, die Menschen helfen sollen, besser ihre Depression zu überstehen.

Im vierten Kapitel setze ich mich mit der Salutogenese und ihrer Anwendung als Chance für Menschen mit Depressionen auseinander.

Zur Form erwähne ich, dass ich nachfolgend ausschließlich die männliche Schreibform gewählt habe. Diese wird von mir als neutrale angesehen und soll niemanden vernachlässigen oder diskriminieren. Sie soll der einfacheren Lesbarkeit meiner Arbeit dienen.

2 Begriffsklärungen

2.1 Depressionen

Der Begriff der Depression hat Einzug in unseren täglichen Sprachgebrauch erhalten und es gibt Redewendungen wie z.B.: „Ich fühle mich heute so deprimiert.“ Diese Redewendungen werden nicht pathologisch gemeint, sondern sollen meist ausdrücken, dass sich eine Person an diesem Tag nicht wohl fühlt, introvertiert, in Gedanken versunken ist, unbehaglich oder ähnlich fühlt. Jeder kennt Lebensphasen, in denen man sich hervorragend fühlt und die Probleme der Welt mit links nimmt. Auf der anderen Seite kennt aber auch jeder, dass es Tage gibt, an denen das Selbstbewusstsein, das Selbstwertgefühl sehr niedrig sind; man sich niedergeschlagen fühlt und alles, was man zu erledigen hat, einem schwer fällt. Diese Stimmungsschwankungen hat wohl jeder Mensch durchlebt und sie sind normal.

Eine Depression ist nicht Trauer, Niedergeschlagenheit oder Unwohlsein, sondern ein Zustand, der intensiver und anhaltender ist. Wenn eine Person einen Menschen durch Tod verliert, dann trauert sie über den Verlust der anderen Person. Es besteht die Möglichkeit, dass sich daraus eine Depression entwickelt, jedoch kann niemand festlegen, wie lange der Zustand anhalten muss, um zu erklären, dass aus der Trauer eine Depression geworden ist. Fällt die aufzuwendende Trauerarbeit aus, kann daraus unter anderem eine Depression entstehen. Auf auslösende Faktoren einer Depression gehe ich in Kapitel 3.1 genauer ein.

In der ICD 10 sind Depressionen den affektiven Störungen in den psychischen und Verhaltensstörungen zugeordnet (vgl. www.dimdi.de). Depression in Verbindung mit Manie wird bipolare affektive Störung und alleiniges Auftreten der Depression unipolare affektive Störung genannt. Die einzelnen Grade der Depression werden von leichte depressive Episode über mittelgradige depressive Episode bis zur schweren depressiven Episode mit und ohne psychotische Symptomen eingeteilt (ebd.).

Auf die Symptome von Depressionen gehe ich in Kapitel 3 „Erleben von Depressionen näher ein“.

FINZEN / HOFFMANN-RICHTER (2001) beschreiben Depressionen in verschiedenen Kategorien: Reaktive Depression und Anpassungsstörung, Depressive Störung, mittel- bis schwergradige depressive Störung, Depressionen bei schizophrenen Psychosen.

Bei der reaktiven Depression ist ein bestimmtes Ereignis wie z.B. ein Trauerfall, schwerer Unfall vorausgegangen, auf das die betroffene Person reagiert. Diese Art von Depression kann häufig vom sozialen Umfeld der Person aufgefangen werden und bedarf meist keiner professionellen Hilfe oder medikamentöse Behandlung.

Eine depressive Störung (früher neurotische Depression genannt) kann bei länger anhaltenden seelischen Konflikten vorkommen. Diese Art von Depression hat aber keinen klar zuzuordnenden Auslöser wie es bei der reaktiven Depression der Fall ist. Professionelle Hilfe kann nach Ermessen in Anspruch genommen werden. Medikamente können verordnet werden.

Eine mittel- bis schwergradige Depression (früher endogene Depression genannt) kann den Betroffenen mehrmals im Jahr und mehrere Wochen bis zu über einem Jahr beeinträchtigen. In einer solchen Phase fühlen sich die Betroffenen besonders antriebsschwach und ihr Tagesablauf wird durch die Depression dominiert. Eine professionelle und therapeutische Hilfe sowie eine medikamentöse Behandlung sind nicht auszuschließen und meist erforderlich.

Anders als bei affektiven Psychosen, bei denen nur das Empfinden gestört sein soll, wirken Depressionen bei schizophrenen Psychosen verändernd auf das Denken und Wahrnehmen der Betroffenen.

Des Weiteren werden Depressionen bei älteren Menschen als Ausdruck eines psychosozialen Prozesses mit schwindenden physischen Kräften und zunehmender Vereinsamung sowie symptomatische / organische Depressionen, die im Zusammenhang mit einer Erkrankung stehen, beschrieben.

BOCK und KOESLER geben den Hinweis, dass die Betroffenen nicht passiv und einer Depression ausgesetzt sind, sondern immer auch selbst „Gestalter“ (BOCK, KOESLER 2005, S. 85) ihres Empfindens sind. Mit diesem Hinweis leite ich zur Erklärung der Salutogenese über, die sich mit der Entstehung von Gesundheit auseinander setzt.

2.2 Salutogenese

Begründer der Salutogenese war ein amerikanischer Soziologe, Aaron Antonovsky (1923 – 1994). Er emigrierte 1960 nach Israel und stieß dort eher zufällig auf die Medizinsoziologie. Dort arbeitete er an verschiedenen Forschungsprojekten zum Zusammenhang von Stressfaktoren und Gesundheit (vgl. BENGEL et al. 2001, S. 20).

Um die Salutogenese im Sinne Antonovskys zu erklären, muss ich etwas Grundsätzliches zum Gesundheitsbegriff erklären. Die allgemeine medizinische Forschung ruht auf dem Begriff der Pathogenese, welche sich mit der Entstehung von Krankheiten beschäftigt. So werden Abweichungen vom „Normalen“ untersucht und deren Entstehung gesucht.

Die Salutogenese, obwohl der Wortherkunft nach Gesundheitsentstehung bedeutend, ist nicht das Gegenteil von Pathogenese. Antonovsky sieht die Salutogenese als ein Kontinuum zwischen gesunden und kranken Zuständen. „Salutogenese meint, alle Menschen mehr oder weniger gesund und gleichzeitig mehr oder weniger krank zu betrachten.“ (BENGEL 2001, S. 24). Überspitzt bedeutet dies, dass z. B. ein schwerkranker, alter Mensch zumindest noch soviel Gesundheit besitzt, die ihn am Leben hält und er nicht sterben wird. Die Salutogenese beschäftigt sich mit der Leitfrage: Wie schaffen es Menschen unter bestimmten Bedingungen gesund zu bleiben, unter denen andere krank werden?

ANTONOVSKY beschäftigte sich mit Vulnerabilität, Resilienz und Copingstrategien und entwickelte den „sense of coherance“ (SOC), das Kohärenzgefühl. Er ist wesentlicher Bestandteil zur weiteren Entwicklung der Salutogenese. In einer Pilotstudie wandte sich Antonovsky an Personen, auf die vor allem zwei Kriterien zutrafen. Erstens hat die jeweilige Person ein Trauma mit einschneidenden Konsequenzen wie z.B. Verlust des Partners, ein schwerer Unfall mit bleibender körperlicher Behinderung oder Immigration aus der Sowjetunion. Zweitens traf auf die einzelnen Personen die Aussage zu, dass sie in ihrem Leben erstaunlich gut funktionieren. Unter diesen Personen befanden sich acht Frauen, die in einem Konzentrationslager interniert waren (vgl. ANTONOVSKY, 1997, S. 72). Anhand eines Fragebogens über die drei zentralen Komponenten des SOCs Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit konnte Antonovsky einen Wert für einzelne Personen erstellen, der ihm ermöglichte, den SOC verschiedener Personen zu vergleichen.

Die erste Komponente des SOCs Verstehbarkeit bezieht sich darauf, wie gut eine Person interne und externe Stimuli kognitiv wahrnimmt, ob sie klar und geordnet aufgenommen werden oder undeutlich und als Rauschen. Menschen mit einem hohen Wert der Verstehbarkeit können Tragödien, die ihnen widerfahren sind, für sich selbst erklären.

Die Handhabbarkeit kennzeichnet die Wahrnehmung der Ressourcen, die einem Menschen zur Verfügung stehen, um mit der Anforderung der Stimuli umgehen zu können. Diese Ressourcen können Ehepaare, Freunde, Verwandte, Religiosität oder ähnliches sein.

Die dritte Komponente des SOCs, die Bedeutsamkeit, meint, inwiefern ein Ereignis für eine Person in ihrem Lebensbereich entscheidend ist, wie sehr sie sich dadurch betroffen oder berührt fühlt (vgl. ANTONOVSKY, 1997, S. 34f).

Zu ANTONOVSKYs Salutogenese gehören generalisierte Widerstandsressourcen. Diese können sowohl individuelle (z. B. Intelligenz, Bewältigungsstrategien) als auch kulturelle Faktoren (z. B. Familie, finanzielle Möglichkeiten, hohen hygienischen Standard) haben. Diese Widerstandsressourcen prägen kontinuierliche Lebenserfahrungen und ermöglichen es, bedeutsame Erfahrungen zu machen, die das SOC formen. Ist das SOC hoch, so können die generalisierten Widerstandsressourcen aktiviert werden, um einen Spannungszustand oder reine Krise zu bewältigen.

Ziel der Salutogenese ist eine Homöostase, ein Gleichgewicht im Kontinuum zwischen krankheitserregenden und gesundheitserhaltenden Faktoren zu schaffen. ANTONOVSKY fügt die Metapher eines Flusses ein. Dieser symbolisiert den Lebensweg eines Menschen. Es gibt in dem Fluss Abzweigungen, Stromstellen und ruhige Stellen. Ziel ist also, den schwimmenden Menschen in diesem Fluss mehr zu den ruhigeren und sichereren Stellen zu bewegen anstatt zu den gefährlicheren. Diese schwächen die Kräfte des Menschen. Für ANTONOVSKY ist mehr die Fragestellung als eine Antwort entscheidend. Anstatt sich zu fragen, wo sich die gefährlichsten Stellen im Fluss befinden (pathogenetisches Denken), stellt er in Bezug auf seine Metapher die Frage: „Wie wird man, wo immer man sich in dem Fluß befindet, dessen Natur von historischen, soziokulturellen und physikalischen Umweltbedingungen bestimmt wird, ein guter Schwimmer?“ (ANTONOVSKY, 1997, S. 92).

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Salutogenese als Chance für Menschen mit Depressionen
Hochschule
Hochschule Hannover
Note
gut
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V80125
ISBN (eBook)
9783638866668
ISBN (Buch)
9783638866736
Dateigröße
1094 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Salutogenese, Chance, Menschen, Depressionen
Arbeit zitieren
Andre Tantzscher (Autor:in), 2007, Salutogenese als Chance für Menschen mit Depressionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80125

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