Pier Paolo Pasolini, sein Leben und sein Werk


Seminararbeit, 2005

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Lebenswege

3. Die wichtigsten Werke

4. Ragazzi di vita

5. Schlussbemerkung

6. Bibliografieangabe

7. Anlage

1. Einleitung

In meiner folgenden Arbeit möchte ich über einen Menschen schreiben, der sein ganzes Leben lang kämpfen musste; war es, um seine Vorstellungen durchzusetzen, sein Dasein zu verteidigen oder nur um eine bisschen Liebe zu erhalten.

Die Rede ist von dem Schriftsteller, Journalisten und Filmemacher Pier Paolo Pasolini.

Kaum ein anderer Intellektueller hat so sehr die Öffentlichkeit gesucht und benutzt, wie Pasolini und kaum ein anderer wurde von der Öffentlichkeit so sehr verfolgt wie er.[1]

Sein Leben ist geprägt durch enorme Intensität. Mit schonungslosen Provokationen und durch realitätsnahe, schriftliche sowie filmische Veröffentlichungen erwarb er sich begeisterte Anhänger und erbitterte Gegner.

Vor allem auch durch seine offen gelebte Homosexualität stieß er auf Widerstand und schockierte die Gesellschaft stets aufs neue.

Beginnen werde ich meine Arbeit mit einer grundlegenden Biografie, um später die wichtigsten Werke vorzustellen und mich am Ende etwas genauer mit seinem Roman Ragazzi di vita auseinander zu setzten.

An dieser Stelle möchte ich von vornherein anmerken, dass alle biografischen Angaben hauptsächlich auf dem Werk von Enzo Siciliano und auf einer Kurzbiografie von Hans Helmut Prinzler[2] basieren.

2. Lebenswege

Pier Paolo Pasolini wird am 5. März 1922 als Sohn von Carlo Alberto und Susanna Pasolini (ehemalige Colussi) in Bologna geboren. Die Ehe des Berufsoffiziers und der Lehrerin ist jedoch von Anfang an durch Feindseligkeiten gekennzeichnet, die den jungen Pasolini bereits früh prägen. Sein Vater, der bis zum Wahnsinn in Susanna verliebt ist, verzweifelt an ihrer feindseligen Haltung und verläßt mehrmals die Familie um dann jedoch wieder zu ihr zurückzukehren. Ab seinem dritten Lebensjahr entwickelt der junge Pasolini eine konfliktgeladene Spannung zu seinem Vater, die sich von da an in einer Art Hass- Liebe äußert.

Aufgrund Carlo Albertos militärischer Karriere muss die Familie sehr oft transferieren. So verlebt Pier Paolo eine unruhige Kindheit und Jugend in verschiedenen norditalienischen Garnisonsstädten wie Bologna, Parma, Belluno, Conegliano, Sacile, Cremona, Idria und Scandiano. Im Sommer reisen die Pasolinis oft nach Casarsa della Delizia im Friaul, ein kleiner Ort nahe der Grenze zum ehemaligen Jugoslawien, wo Susanna geboren wurde.

Im Jahre 1925 kommt in Belluno Pier Paolos Bruder Guido Alberto auf die Welt.

Susannas ganze Liebe gilt ihren beiden Söhnen und insbesondere Pier Paolo, zu dem sie eine beinahe krankhafte Zuneigung entwickelt.

Trotz der ständigen Schulwechsel ist der junge Pasolini ein sehr guter Schüler. In der ersten Klasse der Grundschule in Conegliano zählt er zu einem der Besten und erhält sogar eine Auszeichnung. Die zweite Klasse besucht er in Casarsa, im Friaul, das später zu seiner gefühlten Heimat wird. Mit sieben Jahren, als er in Sacile in die dritte Grundschulklasse kommt, verfasst Pier Paolo bereits die ersten Gedichte mit komplizierten Versmaßen in der Tradition Petrarcas. Die vierte Klasse besucht er in Idria und für die Fünfte kehrt er nach Sacile zurück. Im folgenden besucht er die Gymnasien in Conegliano, Cremona und Scandiano, um dann ab 1936 wieder in Bologna am Gymnasium und später an der Facoltà di lettere zu studieren. Dort trägt er sich für die Fächer Romanische Philologie und Kunstgeschichte ein und verfolgt unter anderem die kunstgeschichtlichen Vorlesungen Roberto Longhis.

1942 gerät Carlo Alberto Pasolini in Kenia in Gefangenschaft, womit Susanna mit ihren beiden Söhnen in ihre Heimatstadt Casarsa zieht.

Zu dieser Zeit entstehen die Poesie a Casarsa, ein Gedichtband in friaulischem Dialekt.

Am 1. September wird Pier Paolo zum Militärdienst nach Pisa einberufen, was „eines der schönsten Jahre“[3] seines Lebens im Friaul verfinstert. Über den Krieg schreibt er:

Der Krieg ist mir nie so abscheulich und grausig erschienen wie jetzt. Hat denn nie einer daran gedacht, was ein Menschenleben ist?[4]

Doch Pasolinis Wehrdienst sollte nur eine Woche andauern, denn nach einem Waffenstillstand zwischen den Alliierten und Italien wird seine Abteilung von den Deutschen gestoppt um deportiert zu werden. Aber durch eine riskante Aktion kann der junge Pasolini fliehen um sich bis zur endgültigen Befreiung Italiens in Casarsa aufzuhalten.

Guido, der im Gegensatz zu Pier Paolo einen großen Hang zum Revolutionären hat, schließt sich 1944 kommunistischen Partisanen an. Im Februar 1945 wird er von Anhängern Titos, die teilweise aus nationalistischen Überlegungen heraus mit italienischen Faschisten zusammenarbeiteten, in einem Hinterhalt gefangengenommen und hingerichtet. In den späteren Werken Pasolinis findet man häufig schmerzliche Verarbeitungen dieses Mordes. Aufgrund des Todes Guidos kehrt Carlo Alberto frühzeitig aus dem Krieg nach Casarsa zurück.

Mit 23 Jahren und nach Ende des Krieges beendet Pier Paolo Pasolini sein Studium mit einer Abschlussarbeit über den italienischen Dichter Giovanni Pascoli und erhält dafür die besten Noten und eine Auszeichnung. Er findet eine Stelle als Lehrer an der Mittelschule in Valvasone, einem kleinen Ort in der Nähe von Casarsa. Am 18. Februar 1945 gründet er mit Hilfe einiger Kommilitonen die Academiuta de lenga furlana, ein Forschungszentrum für friaulische Sprache und Kultur. Von da an erscheint außerdem regelmäßig der Stroligut, ein Almanach für die friaulische Dialektliteratur.

Bis 1949 verfasst der junge Autor zahlreiche Gedichte, vor allem in seiner angelernten Heimatmundart, die aber erst Ende der fünfziger Jahre veröffentlicht werden. Außerdem skizziert er den Roman Il sogno di una cosa (der im Jahre 1962 erscheinen wird) und mehrere Essays zur italienischen Volkslyrik.

Ein erstes politisches Engagement, im Sinne der friaulischen Unabhängigkeit, zeigt Pasolini mit seinem Beitritt in die Vereinigung Patrie dal Friul am 30. Oktober 1945. Im Jahre 1946 näherte er sich schließlich der KPI[5] an, obwohl sein Bruder von Kommunisten getötet wurde. Doch Pier Paolo sieht in der Bewegung eine „dialektische und rationalisierende Waffe“[6] und schreibt sich (wahrscheinlich im Laufe des Jahres 1947) bei der antiklerikalen kommunistischen Ortsgruppe San Giovanni di Casarsa ein, wo er 1949 zum Sekretär ernannt wird. Am 26. Oktober des selben Jahres wird er jedoch aufgrund „moralischer und politischer Unwürdigkeit“[7], von der Ortsleitung, aus der Partei ausgeschlossen. Dadurch, dass Pasolini seine Homosexualität offener auslebt, was seine Stellung als kommunistischer Sekretär außerordentlich angreifbar macht, kommt es eines Tages zu einer Anzeige wegen Verführung Minderjähriger. Carlo Alberto Pasolini kann die Andersartigkeit und die Spannung zu seinem Sohn nicht ertragen und verfällt, auch durch die verweigerte Liebe seiner Frau, in eine Krise, die er versucht mit Alkohol zu betäuben.

Von da an erfährt Pasolini schmerzlich, was es heißt „anders“ zu sein und das Leben in Casarsa wird unerträglich. Das geliebte Friaul ist ihm fremd geworden.

Auch aufgrund des fehlenden Einkommens flieht Pasolini schließlich im Winter 1949 mit seiner Mutter und ohne das Wissen des Vaters nach Rom.

Die ersten Monate in der neuen Stadt sind hart. Es ist schwer Arbeit zu finden und über anfängliche Privatstunden als Lehrer und journalistische Beiträge findet er schließlich im Frühling 1951 eine Stelle als Lehrer an einer privaten Mittelschule in Ciampino. Zu dieser Zeit kommt auch der Vater nach Rom; verliert jedoch kein Wort über die „Flucht“ von Frau und Sohn. Sein Unglück ertränkt er weiter im Alkohol.

1953 beendet Pier Paolo seine Lehrertätigkeit und widmet sich fortan dem Kino, was ihn bereits in den Jahren im Friaul angezogen hatte. Für den Regisseur Mario Soldati verfasst er in Zusammenarbeit mit Bassani sein erstes Drehbuch. Pasolini verdient wieder gut und kann seiner Familie somit auch ein besseres Leben bieten.

Die Jahre 1953 bis 1961 sind die intensivsten und erfolgreichsten für Pasolini. Neben dem Veröffentlichen seiner wichtigsten Werke[8] regt er 1955 zusammen mit Schriftstellern wie Francesco Leonetti und Roberto Roversi die Literaturzeitschrift Officina[9] an und verfasst wütende Polemiken. Es folgen zahlreiche Justizverfahren aufgrund umstrittener Schriften und seiner immer wieder kritisierten Andersartigkeit.

Am 19. Dezember 1958 stirbt Carlo Alberto Pasolini, nach langer Agonie, an seinem Leberleiden aufgrund der Alkoholsucht.

Pier Paolo Pasolini lernt in Rom viele Leute kennen, die sich in seinem Leben als wichtige Freunde erweisen. Darunter zählen zum Beispiel Carlo Emilio Gadda, Alberto Moravia, Elsa Morante, Cesare Garboli, Laura Betti und vor allem auch die Jungen aus der Borgata (Randgebiete um Rom), die ihm viele Ideen für seine Romane einbringen.

Ab dem Jahre 1960 und mit der Bekanntschaft zu Fellini beginnt Pasolinis intensive Beschäftigung mit dem Film. Parallel zu seiner Regiearbeit publiziert Pasolini in den kommenden Jahren auch zahlreiche Aufsätze zur Filmsprache, sowie zur Politik.

Im Herbst 1965 hofft Pier Paolo Pasolini auf die Neugestaltung der von Alberto Carocci und Moravia geleiteten Zeitschrift Nuovi Argomenti als eine Art literarische Initiative.

Seine kreative umfangreiche Aktivität führt ihn im März 1966 jedoch zu einer totalen Erschöpfung, die sich in einem Magendurchbruch äußert. In dem einen Monat, den Pasolini im Bett verbringen muss, verfasst er sechs Texte seines dramatischen Werkes. Zusammen mit Alberto Moravia und Dacia Maraini ruft er ein Theater der italienischen Schriftsteller ins Leben, das sich Teatro del Porcospino nennt.

Nach der überstandenen Krankheit, die auch die Angst vor dem Älterwerden mit sich bringt, flammt die Lebenslust neu auf. Er kleidet sich in der Folgezeit auffällig, färbt seine Haare und reist viel herum. Reiseziele sind unter anderem die Tschechoslowakei, Ungarn und die USA.

Das Jahr 1968 ist geprägt durch die europaweiten Studentenbewegungen, die gekennzeichnet sind durch Barrikaden, Rauchwolken aus Tränengas und Polizisten, die hinter Plastikschildern in Deckung gehen. Pasolini stellt sich dabei auf die Seite der Polizisten, was von vielen nicht verstanden wird und begründet seine Ansicht damit, dass die „Polizisten Söhne von armen Leuten sind“[10]. Die Studenten sind dabei die reichen „Vatersöhnchen“[11], die, auch wenn sie Recht haben, dennoch die Armen verprügeln. Pasolini fordert sie demnach auf, nicht nur an ihre Rechte zu denken und aufzuhören ihre Macht mit allen Mitteln durchsetzen zu wollen.

In diesen unruhigen Zeiten ist der umstrittene Autor für den italienischen Kulturbetrieb ein „Ruhestörer“[12], dem man am liebsten den Mund verbieten möchte.

Es kommt eine Zeit im Leben des Autors, in der sein Ruf als Regisseur sein Ansehen als Schriftsteller in den Schatten zu stellen scheint, obwohl er weiterhin große Erfolge mit seinen Filmen hat. Er schreibt vermehrt politische und kulturelle Polemiken. Einige Kritiker versuchen die freizügigen Darstellungen in seinen neuen filmischen Werken von 1971 bis 1974 (Trilogia della vita) nicht als Kunst zu sehen, sondern stempeln sie als Pornografie ab.

Pasolini schreibt und veröffentlicht weiter, doch seine Erfolge können nicht mit denen früherer Schaffensphasen gleichgesetzt werden.

Im November 1970 erfüllt sich Pasolini einen Traum und erwirbt einen Turm (den Rest einer alten Burg) in Chia, wo er sich gern in Einsamkeit zurückzieht und wo er ab dem Sommer 1972 wieder an einem neuen Roman schreibt, der nach seiner Aussage zweitausend Seiten umfassen solle.

Außerdem widmet er sich erneut dem journalistischen Schaffen und schreibt drei Artikel für den Corriere della sera. Er polemisiert unter anderem über die Veränderungen im Land und vergleicht das Verschwinden der alten Werte der Gesellschaft durch die Christdemokraten mit dem Verschwinden der Glühwürmchen aus Italien, aufgrund der Luftverschmutzung und der Verunreinigung des Wassers.[13]

Im September und Oktober 1975 entwirft Pasolini eine Art politisches Reformprojekt, womit seine Popularität wächst.

In den ersten Monaten des Jahres 1975 dreht er seinen letzten Film (Salò o le 120 giornate di Sodoma) und reist am 26. Oktober nach Stockholm und Paris aufgrund von Übersetzungsarbeiten.

Am 31. Oktober kehrt Pier Paolo Pasolini nach Rom zurück und wird in der Nacht vom 1. zum 2. November auf einem seiner für ihn typischen nächtlichen Streifzüge durch die Borgata am Idroscalo von Ostia brutal ermordet.

[...]


[1] Siciliano, Enzo. Pasolini. Leben und Werk. Mit einem Vorwort von Christoph Klimke (Aus dem Italienischen von Christel Galliani). List Taschenbuch Verlag. München, 2000. S. 5.

[2] In: Pier Paolo Pasolini. Reihe Film 12. Hsg.: W. Jansen, Peter; Schütte, Wolfram. Carl Hanser Verlag. München, Wien, 1977. S. 197/198.

[3] Siciliano, Enzo. Pasolini. Leben und Werk. Mit einem Vorwort von Christoph Klimke (Aus dem Italienischen von Christel Galliani). List Taschenbuch Verlag. München, 2000. S. 90.

[4] Ebd. S. 90.

[5] Kommunistische Partei Italiens

[6] Siciliano, Enzo. Pasolini. Leben und Werk. Mit einem Vorwort von Christoph Klimke (Aus dem Italienischen von Christel Galliani). List Taschenbuch Verlag. München, 2000. S. 136.

[7] Vgl. Siciliano, Enzo. Pasolini. Leben und Werk. Mit einem Vorwort von Christoph Klimke (Aus dem Italienischen von Christel Galliani). List Taschenbuch Verlag. München, 2000. S. 181.

[8] Auf sie soll jedoch an späterer Stelle eingegangen werden.

[9] Die Zeitschrift erscheint bis zum Juni 1959.

[10] Vgl. Siciliano, Enzo. Pasolini. Leben und Werk. Mit einem Vorwort von Christoph Klimke (Aus dem Italienischen von Christel Galliani). List Taschenbuch Verlag. München, 2000. S. 415.

[11] Ebd. Vgl. S. 416.

[12] Ebd. S. 418.

[13] Siciliano, Enzo. Pasolini. Leben und Werk. Mit einem Vorwort von Christoph Klimke (Aus dem Italienischen von Christel Galliani). List Taschenbuch Verlag. München, 2000. S. 479/480.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Pier Paolo Pasolini, sein Leben und sein Werk
Hochschule
Universität Trier
Veranstaltung
Letteratura italiana del Novecento
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
27
Katalognummer
V79955
ISBN (eBook)
9783638857536
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pier, Paolo, Pasolini, Leben, Werk, Letteratura, Novecento
Arbeit zitieren
Susann Rabe (Autor:in), 2005, Pier Paolo Pasolini, sein Leben und sein Werk, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79955

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