Erklärungsmodelle des Wahlverhaltens


Seminararbeit, 2007

12 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Zur Bedeutung politischer Wähler

2. Geschichte und Grundfragen der Wahlerverhaltensforschung

3. Theoretische Ansätze Modelle des Wählerverhaltens
3.1. Expressive Erklärungsansätze
3.1.1. Soziologischer Ansatz (Columbia School) - 1940
3.1.2. Cleavage-Theorie (Lipset/Rokkan) – 1967
3.1.3. Sozialpsychologischer Ansatz (Michigan School) - 1954
3.2. Instrumentelle Erklärungsansätze
3.2.1. Theorie des rationalen Wählers (Downs) – 1957
3.2.2. Theorie retrospektiver Wahlentscheidung (Key; Fiorina) – 1966/1981

4. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Zur Bedeutung politischer Wahlen

Die politische Wahl ist uns seit der Antike ein Begriff. Sie diente und dient vor allem der Legitimität politischer Akteure durch das wahlberechtigte Volk, ermöglicht den wahlberechtigten Bürgern Einfluss auf die politische „Linie“ auszuüben und schafft ein Kontrollmechanismus gegenüber Machtmissbrauch von Seiten der Politiker. Über einen langen Zeitraum beschränkte sich das Wahlrecht auf eine relativ kleine Gruppe, die durch bestimmte Merkmale wie Geschlecht, Besitz oder Abstammung gekennzeichnet war (vgl. Arzheimer/Falter 2003: 553). Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde das Wahlrecht in vielen Staaten auf immer größere Teile der Gesamtbevölkerung ausgedehnt[1]. Aber nicht jeder Staat, der seine wahlberechtigen Bürger zur Wahl schreiten lässt, ist nach unserem heutigen Verständnis eine Demokratie; Repräsentanten ehemaliger Ostblockstaaten, aber auch heutiger östlicher Staaten wurden und werden „demokratisch“ gewählt – sind es aus unserer Sicht allerdings nicht zwangsläufig; denn das Wahlverfahren stellt eine weitere Bestimmungsgröße für demokratische Qualität dar.

Um die Beweggründe von Menschen, warum sie wen wählen, haben sich erstmals anfang des 20. Jahrhunderts Wissenschaftler beschäftigt; inzwischen zählt die Wahlforschung zu den am höchsten entwickelten Teilbereichen der Politikwissenschaft (vgl. Eith/Mielke 1996: 278)

2. Geschichte und Grundfragen der Wählerverhaltensforschung

Eine einheitliche Definition von Wahlforschung ist in der Literatur nicht zu finden. Einige Autoren grenzen die Wahlforschung von der Wahlsystemforschung ab und setzten so Wahlforschung mit „Wählerforschung“ beziehungsweise „Wählerverhaltens-forschung“ gleich (vgl. Arzheimer/Falter 2003: 556); Andere benutzen Wahlforschung als Überbegriff und ordnen darunter die Analyse des Wahlrechts, des Wahlsystems sowie des Wahlverhaltens (vgl. Broscheck/Schultze 2006: 2).

In dieser Ausarbeitung sind diese Definitionsfragen ohne weiteren Belang, da es sich hierbei ausschließlich um eine Auseinandersetzung mit dem Wählerverhalten handelt. Es ist unerheblich, ob dies eine Unterkategorie darstellt oder nicht. Im Folgenden wird, um Verwirrungen zu vermeiden, nur noch von Wählerverhaltensforschung die Rede sein.

Als Begründer der Wahlforschung gilt der Franzose André Siegfried, der 1913 die erste wahlgeographische Untersuchung vorlegte, Charles Merriam und Harold Gosnell (1924), die die erste Nichtwählerstudie erarbeitet haben, sowie Stuart Rice, Charles Hickman Titus und Ben Arneson, die ebenfalls in den 1920er Jahren mit der Durchführung von quantitativen Wahlstudien für Aufsehen sorgten.

In den 1940er Jahren entstanden schließlich die bis heute als Klassiker der Wahlsoziologie geltenden amerikanischen Wahlstudien von Paul F. Lazarsfeld, Angus Campbell und ihren Mitarbeitern. In der Bundesrepublik Deutschland setzte der breite Aufschwung der Wahlforschung erst zur Bundestagswahl 1961 mit der „Kölner Wahlstudie“ ein (vgl. Eith/ Mielke 1996: 278).

3. Theoretische Ansätze des Wählerverhaltens

Anhand von Theorien, die durch empirische Untersuchungen unterstützt werden, versucht die Wahlforschung Aussagen über die „individuellen und gruppenspezifischen Prozesse und Bestimmungsfaktoren“ (Eith/Mielke 1996: 285) des Wählerverhaltens zu treffen.

Im Grunde geht es um die Analyse von Einstellungen, Verhaltensmustern und Motiven des einzelnen Wählers und darum, welchen Voraussetzungen, Bedingungen, Einflüssen seine Wahlbeteiligung und Stimmabgabe unterliegen und welche Konsequenzen ihres Handelns die Wähler antizipieren. Hierbei sei erwähnt, dass Modelle keineswegs ein verkleinertes Abbild der sozialen Wirklichkeit darstellen, sondern lediglich Abstraktionen ebendieser sind, die nur bestimmte Aspekte der Realität betonen, während sie Andere vernachlässigen. Die Funktion dieser Modelle ist lediglich eine instrumentelle. (vgl. Arzheimer/Falter 2003: 564).

„Theoretisch kann man unterscheiden zwischen Ansätzen, die die soziale Determiniertheit des Wählens betonen (expressive Theorien des Wählens), und solchen, die vom rationalen Verhalten des Wählers ausgehen (instrumentelle Theorien des Wählens), sowie zwischen dem Gruppenansatz und dem individuellen Identifikationsansatz“ (Schultze 2003: Kap. 2.1.[2] ).

Im Folgenden werden die einzelnen Richtungen der Wählerverhaltensforschung dargestellt.

3.1. Expressive Erklärungsansätze

Den expressiven Erklärungsansätzen liegt implizit das idealtypische Menschenbild des homo sociologicus zugrunde. Dieses Menschenbild suggeriert, dass Menschen immer gruppenspezifisch auf Umweltreize – und so auch auf Wahlkampagnen und Wahlen – reagieren, sie quasi durch ihr soziales Umfeld determiniert sind.

3.1.1. Soziologischer Ansatz (Columbia School) – 1940

Kernaussage: „Wählerverhalten ist Gruppenverhalten“ (Eith/Mielke 1996: 288)

Der soziologische Erklärungsansatz – auch als mikrosoziologischer, sozialstruktureller oder gruppentheoretischer Ansatz bekannt – entwickelte sich aus der Untersuchung des Meinungsbildungsprozess bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl 1940 in Erie County (Ohio) von Paul F. Lazarsfeld und seinen Mitarbeitern der Columbia University[3] (vgl. Eith/Mielke 1996: 288). Hierbei wurden 800 Menschen über die Dauer des Wahlkampfes bis zu sieben Mal bezüglich ihrer Wahlabsicht, ihrer Bewertung der Kandidaten und ihrer Einschätzung der wichtigsten politischen Themen befragt. So ließ sich feststellen, wie sich die politische Einstellungen bei den einzelnen Menschen entwickelten und welchen Einfluss der Wahlkampf auf diese Entwicklung ausübte (vgl. Arzheimer/Falter 2003: 565).

Es stellte sich heraus, dass, ganz im Gegensatz der erwarteten Ergebnisse, der Medieneinfluss beziehungsweise die Wahlpropaganda viel weniger die Wähler beeinflusste, als die Gruppenzugehörigkeit[4]. Daraus entwickelte sich – in Anlehnung an die Ende des 19. Jahrhunderts von Georg Simmel aufgestellte Theorie sozialer Kreise – der mikrosoziologische Erklärungsansatz für das Wahlverhalten.

Beim mikrosoziologischen Modell rückt vor allem die gesellschaftsstrukturelle, langfristigen Verankerung des Wählers in den Vordergrund der Untersuchungen (vgl. Broscheck/Schultze 2006: 3). Dabei spielen vor allem Gruppenaspekte – die Einbindung des Einzelnen in soziale Milieus sowie die Mitgliedschaft in gesellschaftlichen und politischen Organisationen –, die sich in politischen Verhalten und insbesondere im Wahlakt manifestieren, eine entscheidende Rolle. Über sogenannte soziale Hintergrundvariablen – wie Einkommen, Beruf, Konfession, Alter etc. – identifiziert sich der Einzelne mit einer spezifischen Gruppe, die wiederum über spezifische Wahlnormen verfügen. D.h., die wenigsten Gewerkschaftler werden zum Beispiel NPD wählen. Zusammengefasst ist die zentrale These des Ansatzes, „dass das Wahlverhalten umso stabiler [und homogener, Anmerkung C.E. ] ist, je fester gefügt die Milieus, je stärker die Gruppenbindung und je gleichförmiger die durch Meinungsführer vermittelten Informationen sind“ (Broscheck/Schultze 2006: 3). Die Konsequenz aus dieser Theorie ist, dass die Informationen über den Wahlkampf und die Kandidaten nur sehr selektiv wahrgenommen werden und nicht mehr der Meinungsbildung, sondern vielmehr der Bestätigung einer bereits getroffenen Meinung dienen (vgl. Arzheimer/Falter 2003: 566). Ein Wahlkampf hat folglich lediglich einen Verstärkungs-Effekt. Das demokratische Idealbild eines mündigen Bürgers, der sich pflichtbewusst über die zur Wahl stehenden Parteien und Personen informiert und dann zu einer abgewogenen Entscheidung kommt, wurde mit diesem Ansatz eliminiert (vgl. ebd.). Lazarsfeld stellt resignierend fest: „A person thinks, politically, as he is, socially“.

[...]


[1] Die Schweiz führte das Wahlrecht für Frauen erst am 7. Februar 1971 ein. Die Schweiz war somit eines der letzten europäischen Länder, welches seiner weiblichen Bevölkerung die vollen Rechte als Bürgerinnen zugestand, doch es war das erste Land, wo dies durch eine Volksabstimmung (des männlichen Teils der Bevölkerung) geschah.

[2] http://www.bpb.de/wissen/04768486125261468992311725518417,1,0,Wahlforschung.html

[3] Aus dieser Untersuchung entstand 1945 und in überarbeiteter Version 1968 der Klassiker „The People’s Choice“

[4] Hierbei sei auf das Forschungsjahr hingewiesen; 1940 waren die medialen Transformationsmöglichkeiten bei weiten nicht so ausgefeilt, wie sie es heute sind.

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Details

Titel
Erklärungsmodelle des Wahlverhaltens
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Institut für Politische Wissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
12
Katalognummer
V79954
ISBN (eBook)
9783638857529
ISBN (Buch)
9783640522842
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erklärungsmodelle, Wahlverhaltens
Arbeit zitieren
Christoph Egen (Autor:in), 2007, Erklärungsmodelle des Wahlverhaltens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79954

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