Frazer-Rezeption bei Malinowski


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

18 Seiten, Note: 2,6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Biographie Malinowski

II. Biographie Frazer

III. die Rezeption Frazers – eine biographische Würdigung
- Die Widersprüche in Frazers Persönlichkeit und Werk
- Frazers Stellung in der Entwicklung der ethnologischen Theorie
- Kritische Untersuchung einiger spezieller Theorien

Abschluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

“Ein Fach ist kein Fach, eine Wissenschaft keine Wissenschaft.”1 In den modernen Sozialwissenschaften, vor allem in der Ethnologie und der Anthropologie, als auch der Religionswissenschaft findet dieser Satz heutzutage seine Bestätigung. Paul Reiwald bezeichnet diesen Satz auch als jenen, der Bronislaw Malinowski in seiner wissenschaftlichen Persönlichkeit am besten verkörpert.

Malinowskis Arbeit setzte hohe Anforderungen voraus, um Theorie und Praxis miteinander zu verbinden.

Er verbrachte einen Großteil seiner Forschungen und Studien hauptsächlich bei den Trobriandern in Neu-Guinea und in West-Melanesien. Da erforschte er vor Ort die fremde Kultur und verglich sie mit Elementen seiner eigenen, um durch die Vertraulichkeit dieser letztendlich die fremden und ungewohnten Elemente zu entdecken. Er verglich das Erlernen einer fremden Kultur mit dem Erlernen einer fremden Sprache: „... zunächst bloßes Sich-Anpassen und rohes Übersetzen, schließlich ein vollkommenes Sich-Loslösen von der ursprünglichen Sprachwelt und wirkliches Beherrschen der neuen.“2 Diese vertrauten Hinweise3 mussten also als Ausgangspunkte für eine gute ethnographische Arbeit dienen.

Damit gab sich Malinowski jedoch nicht zufrieden und versuchte immer wieder der Ethnologie eine Grundlage zu geben, in dem er seine sogenannte ‚funktionale Theorie’ entwickelte.

Malinowski versuchte die Psychologie (hier die Psychoanalyse) und die Ethnologie zu verknüpfen, was man in seiner Untersuchung „Mutterrecht und Oedipuskomplex“ sehen kann.

Er verband die Rechtswissenschaft mit der Ethnologie in „Crime and punishment in Savage Society“. All dies konnte nur entstehen, wenn es zur Überwindung „... jener großer Konzeptionen der Völkerpsychologie kam, wie sie sich gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts in zwei so markanten Gestalten wie Wilhelm Wundt und James Frazer verkörperte.“4

Wundt wie Frazer sind nach Reiwald die Enzyklopädisten der Ethnologie („das mächtigere Format lag zweifellos bei ihnen wobei [die] Gestaltungskraft Wilhelm Wundts nicht an die Frazers heranreicht“). Sie waren in dem großen europäischen Kulturzusammenhang, der sie befähigte, ihren Stoff nicht nur zu beherrschen, sondern ihn auch künstlerisch zu gestalten.5

Malinowski, den Frazer wohl am meisten in seinem Werk beeinflusst hat, widmet Frazer eine Würdigung, die in dieser Hausarbeit zur Grundlage für die Erörterung der ‚Rezeption Frazers bei Malinowski’ dient.

Dabei stelle ich zuerst die Biographien beider Persönlichkeiten vor, um dann davon auf Malinowskis ‚Biographische Würdigung’ einzugehen.

I. Biographie Malinowski

Der polnisch-englische Sozial-Anthropologe Bronislaw Kaspar Malinowski wurde am 17. April 1884 in eine gebildete aristokratische Familie in Krakau (1846 durch die Donaumonarchie Österreich annektiert; heute Polen) geboren. Sein Vater stammte aus dem niederen polnischen Adel und war Professor für slawische Philologie und Folklore. Er starb bereits im Jahre 1898. Ein Jahr später bereiste das Einzelkind mit seiner Mutter für ein halbes Jahr Afrika.6 Gesundheitliche Probleme führten dazu, dass er für eine längere Zeit von seiner Mutter unterrichtet wurde.

An der Universität Krakau nahm er 1902 ein Philosophiestudium auf, welches er mit seiner Promotion im Jahre 1906 beendete. Der Schwerpunkt seines Studiums ist zunächst auf die naturwissenschaftlichen Fächer (Physik und Mathematik) und später auf die Philosophie und Psychologie ausgelegt. Seine Lehrer waren insbesondere Juristen und Historiker mit breitem anthropologischem und ethnologischem Interesse. Er beschäftigte sich auch mit philosophischen Fragen.7

Die Promotion befasste sich mit dem Thema der „Ökonomie des Denkens“ in Anschluss an den österreichischen Physiker und Wissenschaftstheoretiker Ernst Mach. Hier findet man bereits den Begriff der Funktion 8, im Sinne der Mathematik.

1904/05 lass Malinowski eine Lektüre, die ihn ‚hochgradig fesselte’.9 Es war „The Golden Bough“ von Sir James Georges Frazer und somit auch sein erster Zugang zu ihm.

Von 1810 bis 1814 studierte Malinowski für 3 Semester in Leipzig. Hier wollte er bei Karl Büchner Wirtschaftsgeschichte studieren. Bemerkenswert im Rückblick ist, dass zur selben Zeit der Völkerpsychologe Wilhelm Wundt in Leipzig lehrte, und man geht davon aus, dass Malinowski auch an seinen Veranstaltungen teilnahm.10

In London studierte er dann von 1910 bis 1914 an der London School of Economics mit Hilfe eines Habilitationsstipendiums weiter. Da machte er Bekanntschaft mit den Kulturanthropologen C. G. Seligman und Edvard Westermarck.

Er schrieb hier auch seine ersten Bücher: die eher soziologisch ausgerichtete Arbeit „The Family Among the Australian Aborigines“ und 1915 die religionswissenschaftlich orientierte Arbeit „Primitive Glaubensweisen und Formen des Gesellschaftssystems. Ausblick auf die Entstehung der Religion mit besonderer Berücksichtigung des Totemismus“.

In ihr geht es um die Ursprungstheorien von Religion. Er kritisiert hierin vor allem den Intellektualismus in Frazers Konzeption. Er betont, dass emotionale Faktoren die Motivation für religiöses Verhalten abgeben.

Die Jahre 1915 bis 1918 verbrachte er im Pazifik auf der Insel Mailu und den Trobriand-Inseln. Auch weil er aufgrund des Ersten Weltkrieges nicht nach Europa zurückkehren konnte. Hier führte er die intensivste Feldforschung seines Lebens aus, deren Erkenntnis in mehreren Publikationen zu finden sind. Die wohl bekannteste ist die 1922 publizierte „Argonauts of the Western Pacific“. Sie hat einen rituellen Gabentausch in Melanesien zum Thema. Die seiner Meinung nach reifste Arbeit ist dann 1935 das Buch „Coral Gardens and their Magic“.

Seit 1923 lebte Malinowski mit seiner 1918 geheirateten Frau Rosaline Masson (die Tochter eines schottischen Professors) in Südtirol. Er war aber als Lecturer in London tätig.

1922 orientierte er sich dann endgültig zur angelsächsischen Welt hin, als er den neu geschaffenen Ethnologie-Lehrstuhl in Krakau ablehnte.

Seine erste USA-Reise unternahm er 1926. 1927 übernahm er einen Lehrstuhl für Anthropologie in London und zog mit seiner Familie endgültig dahin.

In den 30er Jahren hielt er sich dann mehrmals in den USA auf und übernahm in Folge des Zweiten Weltkriegs eine Professur an der Yale University. Er kehrte nicht mehr nach Europa zurück und starb am 16. Mai 1942.

Es berührt seltsam, dass er nur ein Jahr nach Frazer starb, obwohl in Wahrheit der Unterschied einer Generation, die sich mit ihrer Arbeit einen neuen Weltteil der Wissenschaft erobert hatte, zwischen ihnen lag.11

II. Biographie Frazer

Der schottische Anthropologe, Religionswissenschaftler und klassische Philologe James George Frazer wurde am 1. Januar 1854 in Glasgow geboren. Sein Vater war Apotheker und er war mit seinen Eltern Mitglied in der Free Church of Scotland.12 Dies äußerte sich darin, dass vor allem die Sonntagsruhe befolgt wurde und heimische Gottesdienstfeiern abgehalten wurden. Später gab es in Frazers Biographie einen Bruch mit dem Christentum. Er betonte aber später, dass er seine Kindheit nie bedrückend empfand.13

1869 wurde Frazer zwei Monate vor seinem Geburtstag an der University of Glasgow immatrikuliert. Er sagte später selber, dass dies die Zeit war wo er die Liebe zur klassischen Philologie und zur klassischen Antike entdeckte – eine Liebe, die sein ganzes Leben halten sollte.14 Hier entwickelte er auch seinen ausgeprägten Rationalismus mit der Erkenntnis, dass die Welt unveränderlichen Naturgesetzen gehorche. Als Konsequenz dessen wendete er sich von der Religion seiner Kindheit ab und wurde Religionskritiker.

[...]


1 Paul Reiwald, Einleitung in: Bronislaw Malinowski, Eine wissenschaftliche Theorie der Kultur und andere

Aufsätze, Zürich 1949

2 ebd.

3 hier also die Parallelen zwischen Europa und den Trobiand-Inseln

4 ebd.; beide Lehrer Malinowskis

5 Paul Reiwald, Einleitung in: Bronislaw Malinowski, Eine wissenschaftliche Theorie der Kultur und andere

Aufsätze, Zürich 1949

6 wie auch einige Jahre später

7 eine Semesterarbeit von ihm beschäftigte sich mit Friedrich Nietzsche; Fritz Stolz, Bronisław Kaspar

Malinowski, aus: Axel Michaelis (Hrsg.), Klassiker der Religionswissenschaft – Von Friedrich Schleiermacher

bis Mircea Eliade, München 1997

8 dieser wird noch mal wichtig für seine Theoriebildung in Zusammenhang mit seiner Funktionaltheorie

9 Fritz Stolz, Bronisław Kaspar Malinowski, aus: Axel Michaelis (Hrsg.), Klassiker der Religionswissenschaft –

Von Friedrich Schleiermacher bis Mircea Eliade, München 1997

10 obwohl er nie unter seinen eingeschriebenen Studenten zu finden war; ebd.

11 Paul Reiwald, Einleitung in: Bronislaw Malinowski, Eine wissenschaftliche Theorie der Kultur und andere

Aufsätze, Zürich 1949

12 eine 1840 von der Church of Scotland abgeschiedene Denomination

13 Hans Wißmann, James George Frazer, aus: Axel Michaelis (Hrsg.), Klassiker der Religionswissenschaft – Von

Friedrich Schleiermacher bis Mircea Eliade, München 1997

14 ebd.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Frazer-Rezeption bei Malinowski
Hochschule
Universität Leipzig  (Religionswissenschaftliches Institut)
Veranstaltung
Geschichte der Religionswissenschaft
Note
2,6
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V7972
ISBN (eBook)
9783638150644
ISBN (Buch)
9783668105577
Dateigröße
589 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frazer-Rezeption, Malinowski, Geschichte, Religionswissenschaft
Arbeit zitieren
Eric Maes (Autor:in), 2002, Frazer-Rezeption bei Malinowski, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7972

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