Laudines Reisen - Grenzübergänge und Metaebenen


Hausarbeit, 2007

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

I. Erste Schritte

II. Erste Reise: Kultur || Zeit

III. Zweite Reise: Kultur || Raum

IV. Fall || Sprung: Knie und Herz

V. Ab || Sprung

Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur

I. Erste Schritte

Haben wir das Gehen erstmal erlernt, steht uns die Welt im Großen und Ganzen offen: Wir gehen wann wir wollen, wohin wir wollen und mit wem wir wollen. Grenzübergänge sind rar geworden in unserer Zeit und speziell in einem zusammenwachsenden Europa. Entsprechend sind Grenzübertritte für den Menschen des 20. Jahrhunderts in unseren Breitengraden beinahe mit Selbstverständlichkeit an der Tagesordnung. Um das Lesen steht es zum Glück nicht schlechter: Wir lesen wann wir wollen, wo wir wollen und meist auch was wir wollen. Dass wir allerdings beim Lesen ebenfalls Grenzen erfahren können und sollen, scheint zunächst eine befremdliche, jedoch nicht abwegige Vorstellung. Lenken wir daher unseren Blick während der mediävistischen Lektüre auf die stark funktionalisierten Figuren eines mittelalterlichen Artusromans wie den um 1190 entstandenen „Iwein“ von Hartmann von Aue oder seine wenig vorher in Frankreich entstandene Vorlage „Yvain“ von Chrétien de Troyes. Mit ein wenig Gespür lassen sich so Grenzen entdecken, die nicht einzig auf der Landkarte verzeichnet sind, sondern auch und gerade im Text. Um eine klare und deutliche Differenzierung der jeweiligen Grenzen und Gegenstandsbereiche zu erreichen, wird nach Metaebene (was passiert mit und durch den Text in der realen Welt) und textimmanenter, also inhaltlicher Ebene (was passiert im und durch den Text in der Romanwelt) unterschieden.

Die Figur der Hartmannschen Laudine soll hier im Zentrum der Betrachtung stehen, da sie m. E. nach programmatisch verschiedene Formen von Grenzen in ganz besonderer Art und Weise überschreitet bzw. kulturelle Räume und Länder betritt, verändert und wieder verlässt. Ausgehend von diesen räumlichen und semantischen Verschiebungen über gewisse Grenzen hinweg, die keinesfalls als Versehen Hartmanns anzusehen sind, da gerade Hartmann „[...] Französisch und Latein gelernt [...]“[1] habe und neben Heinrich von Veldeke und Gottfried von Straßburg die „[...] französischen Vorlagen offenbar sehr genau verstanden [...]“[2] haben muss, stellt Volker Mertens Weg weisend fest, dass hier von „[...] gezielten Umakzentuierungen [...]“[3] im Konzept der Laudine-Figur auszugehen ist. Die Analyse und Interpretation einiger dieser Betonungsverschiebungen durch Hartmann soll hier durch drei verschiedene Theorien, die sich mit geographischen, kulturellen und semantischen Grenz(gäng)en im Bereich der Literatur beschäftigt haben, untermauert werden. Abschließend soll gezeigt werden, dass die Funktionalisierung der Laudine keineswegs nur literarischer Selbstzweck ist, sondern eher ganz im Zeichen der mittelalterlichen Schreiberintentionen steht.

II. Erste Reise: Kultur || Zeit

Will man den Weg und Werdegang der Laudine-Figur rekonstruieren, so sollte man eine kleine Reise in Chrétiens und Hartmanns Jahrhundert nicht ausschlagen, da die historischen und soziokulturellen Zusammenhänge auch Aufschluss über die zeitgenössischen literarischen Phänomene zu geben vermögen. So weist Bea Lundt darauf hin, dass das 12. Jahrhundert „[...] mit einer vorher ungekannten Intensität eine Welle von Märchentexten und Märchensammlungen im europäischen Raum hervor [brachte].“[4] Es liegt entsprechend nahe, dass auch die Figur der Laudine als Brunnenfee bzw. Variante einer Melusine[5] im Zuge dieser Entwicklung in diverse europäische Länder gelangte. Der konzeptionelle Ursprung der Figur geht allerdings auf damals über tausend Jahre altes keltisches Erzählgut zurück.[6] Mit Rücksicht auf diesen Ursprung ist mit Recht zu vermuten, die Figur der Laudine beinhalte Reste der keltischen Kultur und Gesellschaftsordnung. Immerhin besteht für Peter Ihring in Anlehnung an Jean Markale ausreichend Grund zu der Annahme, dass „[...] sich in den keltischen Mythenerzählungen die Spuren der matriarchalischen Strukturen erhalten [...]“[7] haben könnten, da diese Strukturen den Laudinehof offenbar zu dominieren scheinen.[8]

[...]


[1] Bumke, Joachim: Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter. München 42000, S. 147.

[2] Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. München 102002, S. 115.

[3] Mertens, Volker: Laudine: soziale Problematik im Iwain Hartmanns von Aue. Berlin 11978, S. 7.

[4] Lundt, Bea: Melusinenvarianten im Europa des 12./13. Jahrhunderts: Auf der Suche nach Individualität und neuen Modellen des Zusammenlebens der Geschlechter. In: Ders.: Melusine und Merlin im Mittelalter. München 1991, S. 115f.

[5] Vgl. Lecouteux, Claude: Melusine. In: Enzyklopädie des Märchens. Berlin, New York, 1999, Bd. 9, Ss. 555-562.

[6] Ebd.

[7] Ihring, Peter: Die überlistete Laudine. Korrektur eines antihöfischen Weiblichkeitskonzepts in Chrétiens Yvain. In: Wolfzettel, Friedrich (Hrsg.): Arthurian Romance and Gender. Amsterdam 1995, S. 151.

[8] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Laudines Reisen - Grenzübergänge und Metaebenen
Hochschule
Universität Konstanz
Veranstaltung
GrenzgängerInnen in der Literatur des Mittelalters
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
13
Katalognummer
V79719
ISBN (eBook)
9783638785662
ISBN (Buch)
9783638803830
Dateigröße
401 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Laudines, Reisen, Grenzübergänge, Metaebenen, GrenzgängerInnen, Literatur, Mittelalters
Arbeit zitieren
Frank Schmitz (Autor:in), 2007, Laudines Reisen - Grenzübergänge und Metaebenen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79719

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Laudines Reisen - Grenzübergänge und Metaebenen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden