Intermediäre Kräfte nachhaltiger Gesellschaftspolitik

Zur Politikvermittlung europäischer Nicht-Regierungs-Organisationen


Doktorarbeit / Dissertation, 2006

351 Seiten, Note: Magna cum laude


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Danksagung

1 Einleitung
1.1 Problemdimension
1.2 Leitende Forschungsfragen und Gliederung der Arbeit

2 Untersuchungsfelder: Koordination und Kommunikation europäischer Nachhaltigkeitspolitik
2.1 Europäische Willensbildungsprozesse und NGOs
2.2 Nachhaltige Gesellschaftspolitik für Europa
2.3 Untersuchungsdesign: Theoriebausteine und empirische Felder

3 Theoriebausteine: Pouvoirs Intermédiaires – Vermittler intersystemischer Kommunikation
3.1 Exkurs: Kommunebewegung und „nichtlegitime Herrschaft“ – Max Weber
3.2 Die Theorie der Zwischengewalten – Charles de Montesquieu
3.3 Zwischengewalten und despotische Demokratie – Alexis de Tocqueville
3.4 Zwischengewalten als moralische Instanz – Emile Durkheim
3.5 Intermediäre Instanzen in der Soziologie der Gegenwart: Typen, Funktionen, Strukturen
3.6 Die Theorie der ökologischen Kommunikation – Niklas Luhmann
3.7 Steuerungspessimismus! Die Strukturationstheorie als theoretische Alternative?
3.8 Strukturelle Kopplung und intersystemische Kommunikation durch Organisationen

4 Organisationen in der Wissensgesellschaft
4.1 Organisationen und gesellschaftlicher Wandel
4.2 Von der virtuellen Organisation zur gesellschaftlich legitimierten Institution
4.3 Wissensmanagement und Wissensgemeinschaften
4.4 Nachhaltige Wissensgesellschaft
4.5 Wissen als Ereignis
4.6 Wissensnetze: Schnittstellen im Willensbildungsprozess
4.7 Organisationen und Nachhaltigkeit

5 NGOs: Netzwerke der Politikvermittlung
5.1 Zivilgesellschaft und NGOs
5.2 NGOs als interorganisationale Netzwerke
5.3 Politikvermittlung als wechselseitige Kommunikation
5.4 NGOs – Phänomen der Globalisierung
5.5 Governance und NGOs: Wege aus der globalen Anomie
5.6 Exkurs: Die andere Seite der Medaille – Terror und die Asymmetrien globaler Ordnung
5.7 Steuerungsoptionen in Zeiten der Globalisierung
5.8 Steuerungsoptionen nachhaltiger Entwicklung

6 NGOs: Akteure im Europa jenseits der Nationalstaaten
6.1 Der europäische Integrationsprozess
6.2 „Der Flirt mit der Zivilgesellschaft“ – NGOs und europäische Politik
6.3 Dimensionen des Lobbyismus in Europa
6.4 Ebenen der Lobbyarbeit in Europa
6.5 Techniken der NGO-Arbeit und Kooperationen
6.6 Standpunkte: Öffentliche Finanzierung am Beispiel europäischer Umwelt-NGOs
6.7 Aspekte und Probleme demokratischer Legitimation
6.8 Wissensmanagement in Umwelt-NGOs

7 Der Reformprozess Europäisches Regieren
7.1 Die Reformen der Prodi-Kommission
7.2 Das Weißbuch „Europäisches Regieren“ als zentrales Element der Reformen
7.3 Formen und Foren der Partizipation
7.4 Formalisierung von Schnittstellen
7.5 Einschätzungen: Online Konsultationen und Internetforen
7.6 Der Wirtschafts- und Sozialausschuss als Repräsentationsorgan der Zivilgesellschaft?
7.7 „Glocal Governance“ und die Reformen von Maastricht
7.8 Neue Medien und politische Öffentlichkeit in Europa

8 Nachhaltige Gesellschaftspolitik für Europa
8.1 Nachhaltige Entwicklung: Historischer Kontext
8.2 Etymologische Bedeutungsbestände und Probleme der Konzeptionalisierung
8.3 Zur Veränderung ökologischer Kommunikation – NGOs und politische Resonanz
8.4 Die „Greening the Treaty Kampagne“ und der Vertrag von Amsterdam
8.5 Meilensteine der Integration – von Amsterdam nach Göteborg
8.6 „Generation Attac“ und „Die Krise der Umweltbewegung“
8.7 Interorganisationale Vernetzung und intersystemische Kooperationen
8.8 Nachhaltigkeit für die EU – Blockaden und Chancen

9 Zivilgesellschaft und Konventsforum – empirische Befunde I
9.1 Der Europäische Verfassungskonvent
9.2 Das Konventsforum: Organisation und Strukturen
9.3 Bemerkungen zu Auswertung und Operationalisierung
9.4 Forum komplett: Akteure und Beiträge im Detail
9.4.1 Zuordnung der Akteure zu Ländergruppen
9.4.2 Beziehungen zur Europäischen Union
9.4.3 Akteure mit 10 und mehr Beiträgen
9.4.4 Prozentuale Verteilung der Akteure nach Rubriken
9.4.5 Prozentuale Verteilung der Beiträge nach Rubriken
9.4.6 Forumsrubriken im Vergleich: Anteile der EU-Akteure
9.5 Untersuchungsfeld Rubrik 1: Akteure im Detail
9.5.1 Herkunft der Akteure
9.5.2 Betätigungsfelder der Akteure
9.6 Forum Rubriken 3 und 4: Wichtige Akteursgruppen
9.7 Analyse: Beteiligung und Defizite

10 Nachhaltigkeit und Konventsforum – empirische Befunde II
10.1 Bemerkungen zu Auswertung und Operationalisierung
10.2 Forum und Nachhaltigkeit: Akteure und Beiträge im Detail
10.2.1 Herkunft der Akteure
10.2.2 Betätigungsfelder der Akteure
10.2.3 Nachhaltigkeitsbezüge nach Betätigungsfeldern
10.2.4 Verhältnis von Nachhaltigkeitsbezügen zu Akteuren und Beiträgen
10.2.5 Beiträge mit Nachhaltigkeitsbezügen: Wichtige Akteursgruppen
10.2.6 Themencluster: Ein Spektrum nachhaltiger Entwicklung
10.2.7 Anteile der Akteure und Beiträge mit Nachhaltigkeitsbezügen
10.2.8 Nachhaltigkeitsbezüge nach Herkunft der Akteure
10.3 Nachhaltigkeit und der Konventsprozess
10.4 Details: Nachhaltigkeit als Ziel der Union
10.5 Konventsprozess und Kooperationsimpulse
10.6 Befunde: Nachhaltigkeit und Konventsprozess

11 Schlussbetrachtung
11.1 Intermediäre Kräfte in Europa
11.2 Organisationsmacht und politische Dynamik
11.3 Zwischen Totalitarismusgefahr und Globalisierungskatastrophe

Literatur

Anhang
A.1 Verzeichnis der Abbildungen
A.2 Verzeichnis der Tabellen
A.3 Abkürzungsverzeichnis
A.4 Ausgewertete Quellen
A.4.1 Tabellen der Forumsakteure zur Bestimmung ihrer Anzahl, Betätigungsfelder und Ländergruppenzugehörigkeiten
A.4.1.1 Rubrik 1: „Sonstige, Zivilgesellschaft, NRO und Bewegungen“
A.4.1.2 Rubrik 2: „Hochschulen und Think Tanks“
A.4.1.3 Rubrik 3: „Politik/ öffentlich-rechtliche Körperschaft“
A.4.1.4 Rubrik 4: „Wirtschaft und Gesellschaft”
A.4.2 Tabelle der Forumsakteure aus Rubrik 1 zur Bestimmung der Anzahl von Beiträgen mit Nachhaltigkeitsbezügen, der Zuordnung zu Ländergruppen und der Zuordnung der Nachhaltigkeitsbezüge zu Themenclustern
A.4.3 Dokumentation zum Konventsforum auf Daten-CD
A.5 Interviews und Konferenzteilnahmen
A.5.1 Verzeichnis der InterviewpartnerInnen und Organisationen
A.5.2 Informationen zu den Interviewprotokollen
A.5.3 Informationen zur Anwendung des Interview-Leitfadens
A.5.4 Interview-Leitfaden
A.5.5 Konferenzteilnahmen
A.6 Bildrechte

Für Itzy, die immer für mich da war

Danksagung

Mit der Veröffentlichung dieser Dissertationsschrift endet für mich ein Lebensabschnitt, der im Februar 1994 mit der „Einschulung“ in das Ruhr-Kolleg zu Essen begann. Erst die am zweiten Bildungsweg erlangte allgemeine Hochschulreife öffnete mir die Türen in die Welt der Wissenschaft und zur akademischen Qualifikation.

Es war kein leichter Weg – er war oft steinig und hart. Daher möchte ich all jenen danken, die meine Talente und Kompetenzen gesehen und gefördert haben und mir die Freiräume ermöglichten, die zur persönlichen Entfaltung nötig sind. Ich danke all jenen Menschen, die mich auf diesem Weg mit freundschaftlichen Gesprächen und Diskussionen begleitet und gespiegelt haben – damit ich daran wachsen konnte.

Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Eckart Pankoke, der das Promotionsprojekt von Beginn an begleitet hat. Ohne seine Unterstützung wäre diese Dissertation wohl nie geschrieben worden.

Herzlich danken möchte ich dem Präsidenten des Sustainable Europe Research Institutes (SERI) in Wien, Dr. Friedrich Hinterberger, der durch seine einmalig kollegiale Art wichtige Impulse lieferte für die Ausrichtung meiner wissenschaftlichen Arbeit und durch dessen Vertrauensvorschuss ein Einblick in die praktische Forschungsarbeit erst möglich wurde. Danken möchte ich auch Prof. Dr. Raimund Bleischwitz und Dr. Philipp Schepelmann vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Sie ermöglichten mir im Rahmen einer herzlichen Atmosphäre die Mitarbeit an Projekten auf internationaler Ebene. Manche Tür wurde so aufgestoßen und mancher wichtige Kontakt geknüpft.

Ich danke meinen Freunden, die mir bei der Erstellung der Doktorarbeit wertvolle Hilfe geleistet haben. Insbesondere Robert Kruk danke ich für die kritischen Fragen und Kommentare, Michel Buse für die erstklassige Gestaltung und Realisierung der Daten-CD und Dr. Pauli und meiner ganzen Familie für ihre wertvolle Unterstützung.

Mein Dank gilt auch den Interviewpartnern, die wertvolle Informationen bereitstellen konnten, die sich für den Blick auf die Praxis als unverzichtbar erwiesen.

Ferner gilt mein Dank der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Vorsitzenden des Graduiertenkollegs „Europäische Gesellschaft“ an der Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr. Wilfried Loth; insbesondere für die Zweitbegutachtung meiner Arbeit. Erst die durch das Promotionsstipendium ermöglichte Unabhängigkeit schaffte den finanziellen Freiraum für die Arbeit an der Studie.

Und schließlich – aber doch an allererster Stelle – danke ich Itzy, die mich seit dem Ruhr-Kolleg auf meinem Lebensweg begleitet, die immer an mich geglaubt und mich immer wieder motiviert hat, die immer an meiner Seite stand und auch in schwierigen Situationen die richtigen Worte fand – oder einfach nur für mich da war.

Essen, im April 2006

Jürgen Schäfer

1 Einleitung

1.1 Problemdimension

Seit etwa Anfang der 1990er Jahre gewann der Begriff Globalisierung in der Folge revolutionärer politischer und technischer Veränderungen enorme Popularität. Neue Kommunikationstechnologien, die Überwindung der in zwei Blöcke geteilten Welt und das Entstehen eines neuen Weltwirtschaftsraumes in Ost- und Südasien bieten der Finanzwelt völlig neue Möglichkeiten der Geldanlage, des Geldtransfers und der Spekulation. Effizientere Transporttechnologien und eine enorme Vergrößerung der Welthandelsflotte ermöglichen den schnelleren Austausch von Rohstoffen und Gütern und beschleunigen den Prozess der global positionierten und internationalen Arbeitsteilung.[1] Die zivile Nutzung des Internet sorgte für eine Kommunikationsrevolution mit stetig im Wachsen begriffenen Datentransferkapazitäten, die den weltweiten und sofortigen Austausch von Information und Wissen ermöglichen. Der Begriff der Globalisierung charakterisiert die Verquickung dieser Entwicklungen, die eine neue Epoche begründet zu haben scheinen und seither die Weltordnung tief greifend verändern.

Die Postmoderne sei angebrochen, so Menzel (1998: 8), und führe mit der Auflösung der alten Ordnungsmuster zu einer neuen Unübersichtlichkeit, „in der die Welt als ein Tollhaus“ erscheine. Eine erste, allerdings sehr allgemeine und dadurch „profilarme“ Definition von Höffe (1999: 13 ff.) bestimmt „Globalisierung als Zunahme und Verdichtung der weltweiten sozialen Beziehungen.“ Und Zürn (1998: 73 ff.) beobachtet „in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten“ eine Verdichtung von „wirtschaftlichen Handlungszusammenhängen innerhalb der OECD-Welt“ und vertritt die These, dass der Begriff der Globalisierung aufgrund der „OECD-Zentriertheit“ dieser Veränderungen nicht angemessen sei.[2] Fürstenberg / Oesterdiekhoff (2004: 7 f.) plädieren jedoch für ein weiteres Verständnis von Globalisierung, um gegenüber „diesen verkürzten Sichtweisen“ etwa anhand einseitiger ökonomischer Kriterien eine umfassendere und grundlegendere „Perspektive zu konzipieren und zu begreifen.“ Teusch (2004: 16) fasst den Globalisierungsdiskurs so zusammen, dass weithin darin Einigkeit bestehe, „dass sich im Zuge der Globalisierung überkommene Grenzen auflösen, dass sie porös oder zumindest problematisch werden oder sich in ihrem Verlauf ändern.“ Betroffen seien „insbesondere die Grenzen zwischen Staaten bzw. einzelner Gesellschaften, zwischen dem also, was innerhalb dieser Staaten und Gesellschaften geschieht, und dem, was außerhalb von ihnen geschieht.“[3]

Das Globalisierungsphänomen vereint somit die Verdichtung sozialer Beziehungen mit Entgrenzungstendenzen und „immer mehr ökonomische, politische, kulturelle und soziale Phänomene haben oder erzeugen globale Effekte und sind auf globale Strukturen angelegt und ausgerichtet.“[4] Globalisierung und die damit verbundenen Möglichkeiten beschleunigter globaler Kommunikation, der grenzüberschreitenden Berichterstattung der Medien nahezu in Echtzeit und der globale Tourismus begründen auch die Entgrenzung von Problemlagen, die aus dem engen Blickfeld der Lokalität weichen und das Bewusstsein für globale Prozesse schärfen. Gleichzeitig sind die Auswirkungen der Globalisierung ein erheblicher Teil des Problems, dass durch sie selbst erst beobachtbar wird. Stichworte wie der Nord-Süd Konflikt, das Problem der digitalen Teilung, die Debatte um das Ozonloch, um die Biodiversität oder die Klimaerwärmung sind solche Phänomene, die als entgrenzte und globale Problemdimensionen gelten.

„Die so genannte “Postmoderne“ sei nicht frei von postkolonialen und fundamentalistischen Machtansprüchen“, so Fürstenberg / Oesterdiekhoff (2004: 9). Daher stellen sie unter den Bedingungen einer fortschreitenden Globalisierung eine ganz zentrale gesellschaftspolitische Frage:

„Welche durchsetzbaren Ordnungsmuster für die gesellschaftliche Dynamik zeichnen sich ab, ohne das Innovationspotenzial der sozialkulturell vermittelten Freiheitsräume zu gefährden?“ Fürstenberg / Oesterdiekhoff (2004: 9)

Es liegt auf der Hand, dass die gleichzeitige Verdichtung und Entgrenzung sozialer Handlungszusammenhänge in ihrer globalen Dimension eine neue Qualität von Steuerungsproblemen mit sich bringt, die Formen und Foren transnationaler Willensbildung erfordern. Die durch die Globalisierung wirksam werdenden Kräfte und die grenzüberschreitenden Auswirkungen der Entscheidungen weltweit operierender Akteure bedürfen einer neuen Ordnungspolitik, die auf globaler Ebene über das System zwischenstaatlicher Beziehungen hinausgeht und zur Bewältigung der damit einhergehenden Probleme entsprechende Strukturen der Problembearbeitung sicherstellen muss.[5] Es besteht mithin eine Tendenz zum Ökonomismus: Der Verdrängung der Politik durch den Markt.[6] Konsequenz daraus wäre, dass nicht mehr Staaten, sondern Märkte die Regeln und Grenzen von Morgen definieren mit allen Konsequenzen auch für soziale, ökologische und kulturelle Entwicklungen.

Gerade bei der Gestaltung einer neuen Ordnungspolitik ist die Zivilgesellschaft[7] herausgefordert, sich an transnationalen Willensbildungsprozessen und am Aufbau von Strukturen der Problemlösung zu beteiligen. Ebenso wie die Marktakteure profitiert auch die Zivilgesellschaft von den neuen technischen Möglichkeiten der Vernetzung und es entstehen neue Arenen politischer Öffentlichkeit.

Relativ unverbindliche Verantwortungsstrukturen auf globaler Ebene erzeugen ein Machtvakuum jenseits nationalstaatlicher Einflusssphären, sorgen für Intransparenz und verschleiern die Zurechenbarkeit von Entscheidungen. Angesichts der potentiell erzeugten multidimensionalen Problemlagen erfordern die weit reichenden Konsequenzen der Entscheidungen einzelner Akteure jedoch transnationale Legitimität. In diesem Prozess der Politikgestaltung spielen die Nicht-Regierungs-Organisationen (NRO, NGOs)[8] zunehmend eine tragende Rolle.[9]

Die „Proliferation nicht-staatlicher Akteure auf der Weltbühne“ und ihr Einfluss „auf die Gestaltung und Formulierung staatlicher Politikinhalte“ stünden zusammen mit „der These von der Entgrenzung und Entterritorialisierung politischen Handelns“ im Mittelpunkt der Globalisierungsdebatte, so Behr (2002: 59). Beck (2002: 186) identifiziert „im Ringen um ein globales Regelsystem“ plakativ die „Akteursgruppen [...] Kapital, globale Zivilgesellschaft“ und „Staaten“. Doch während sich Akteure der Zivilgesellschaft und Staaten „in einem öffentlich-politischen Prozeß [...] erst konstituieren müssen, um als Mitspieler Macht auszuüben“, legitimiert sich das Handeln der „Kapitalseite“ anhand der Kriterien ökonomischer Vernunft und bedarf keiner politischen Rechtfertigung.[10]

Im Sinne des klassischen, kausalen Machtbegriffes von Max Weber, wonach Macht jede Chance bedeutet, „innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“[11], bilden die NGOs ein Gegengewicht zu den „stummen Zwängen“ (Karl Marx, 1890 / 1968: 765) des globalen kapitalistischen Produktionsprozesses;[12] sie bewirken Wirkungen gegen Widerstand.[13] Sie vermögen es, durch den Einsatz von Wissen zu Partnern im Problemlösungsprozess zu werden und diesen aufgrund ihrer kommunikativen Profile unter Umständen durch die Herstellung und Sensibilisierung politischer Öffentlichkeit erst auf den Weg zu bringen. Gleichzeitig profitieren die NGOs von dem Verlust staatlicher Steuerungsmacht, der mit der Verschiebung und Aufhebung alter Grenzen einhergeht. Die Machtfaktoren der NGOs begründen sich so zum einen durch ihre Fähigkeit, Legitimationsdruck zu erzeugen, und zum anderen durch den gezielten Einsatz von Wissen in einzelnen Regelungsfeldern, die durch die Staatsgewalt alleine nicht mehr gesteuert werden können oder nicht mehr gesteuert werden sollen. NGOs vertreten als intermediäre Organisationen die Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und sind damit potentiell dazu befähigt, im internationalen Kontext und losgelöst von wirtschaftlichen oder nationalstaatlichen Interessen zu agieren und unter Einsatz ihrer Ressourcen einen Teil des Machtvakuums zu relativieren.

Auf globaler Ebene haben sich NGOs insbesondere auf dem Gebiet des Umweltschutzes Gehör verschafft und verdient gemacht. Vor allem seit dem Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 forcierten die NGOs den „Trend zur Vernetzung“[14] und es begann die „Konjunktur der Supernova am Firmament globaler Politik.“[15] „Am Medienhimmel ist ein neuer Stern aufgegangen“, jubeln Walk / Brunnengräber / Altvater (2000: 10), und beschreiben so die Zunahme des öffentlichen Interesses an NGOs und die damit verbundene verstärkte öffentliche Kommunikation über NGOs.

Spätestens nach der Rio-Konferenz wurde das Konzept der nachhaltigen Entwicklung als ein gesellschaftspolitischer Entwurf geprägt durch die Herausforderung, die Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales miteinander zu verknüpfen. Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe sollte die strukturell erzeugten Ungleichgewichte als Resultat eines funktional-differenzierten Gesellschaftssystems ausgleichen oder zumindest abmildern.[16] Damit war der Umweltschutz, wenngleich für die Genese des Konzepts die genuine Grundlage, nunmehr eine von drei Problemdimensionen. Diese Konstellation war zugleich Auftrag an die NGOs, Strategien der Kooperation und Vernetzung zu entwickeln die sie in die Lage versetzen, die erhöhte Komplexität des mehrdimensionalen Konzeptes bewältigen zu können. Die so veränderte Rolle und Funktion der Umwelt-NGOs ließ sie auf europäischer Ebene zu kompetenten Akteuren für eine nachhaltige Gesellschaftspolitik werden und die Verarbeitung erhöhter Komplexität spiegelt sich in den interorganisational angelegten Netzwerken wider.

Gleichzeitig konnte die Rolle der NGOs insbesondere im Nachhaltigkeitsdiskurs institutionell stabilisiert werden, denn ein grundsätzlicher Auftrag der Agenda 21 ist die Gewährleistung einer möglichst umfassenden Beteiligung der Öffentlichkeit sowie die Forderung nach einer tatkräftigen „Mithilfe der nichtstaatlichen Organisationen (NRO) und anderer Gruppen“.[17] Und ein separates Kapitel der Agenda 21 widmet sich speziell der „Stärkung der Rolle der nichtstaatlichen Organisationen“ als „Partner für eine nachhaltige Entwicklung“ und fordert ausdrücklich eine „echte Mitwirkung“ und partnerschaftliche Beteiligung von NGOs, um „ein gemeinsames Zielbewusstsein im Namen aller gesellschaftlichen Bereiche zu aktivieren".[18]

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sehen sich die europäischen Gesellschaften einem zunehmenden Reformdruck ausgesetzt. Die Sicherung der Sozialsysteme, die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und der Umgang mit natürlichen Ressourcen sind zentrale Anliegen der öffentlichen Diskussion auf der nationalstaatlichen wie auch europäischen Ebene. Vor dem Hintergrund der Osterweiterung der Europäischen Union (EU) und der damit verbundenen Integrationsaufgabe sind ebenfalls die Fragen der Gestaltung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Rolle von Europa in der Welt wichtige Felder europäischer Politik, die, wie auch die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung, allgemein akzeptierte Lösungen und Antworten erfordern.

Nachhaltige Entwicklung

Die Verwendung der Begriffe nachhaltige Entwicklung, Nachhaltigkeit und ihrer englischsprachigen Synonyme sustainable development und sustainability basiert zunächst auf der zentralen Definition des Brundtland-Berichtes der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung aus dem Jahre 1987[19]:

„Dauerhafte Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ Hauff (1987: 46)

Im Verlauf der Studie wird jedoch eine intensivere Diskussion notwendig, die sich der zunehmenden Verwendung des Begriffes als Teil der politischen Programmsprache widmet, in deren Rahmen sowohl das politisch-administrative System als auch verschiedenste gesellschaftliche Gruppen versuchen, den Begriff oft interessengeleitet mit Inhalt zu füllen und als Leitbild zu instrumentalisieren.

Die Vereinigung europäischer Staaten und der Aufbau von supranationalen Strukturen in der Europäischen Union kann durch die zwei Merkmale (1) verdichteter ökonomischer, politischer, kultureller und sozialer Handlungszusammenhänge und (2) als Entgrenzungsprozess der sich zunehmend von kongruenter nationalstaatlicher Verfasstheit lösenden Mitgliedsstaaten charakterisiert werden. Durch die Verschiebung von Souveränitäten zwischen Nationalstaaten und Europäischer Union stellt sich auch hier die Frage nach der Dimension und Qualität staatlicher Steuerungsmacht in entgrenzten Regelungsfeldern und, damit verbunden, die Frage nach der Gestaltung politischer Prozesse unter Einbezug nicht-staatlicher gesellschaftlicher Kräfte. Strukturell entgrenzt, aber räumlich begrenzt, verdeutlicht das ‚Laboratorium’ Europäische Union alle Probleme einer die herkömmlichen Arenen politischer Willensbildung verlassenden und die Grenzen der Nationalstaaten überschreitenden Politikgestaltung.

Neben der Kritik an der Bürokratisierung und den Legitimationsdefiziten einer „Eurokratie“ existieren zahlreiche Interessen und Widerstände für und wider die europäische Integration und ihrer Ziele.[20] Die Möglichkeiten für eine kohärente europäische Politik hängen somit von den Fähigkeiten zur Integration ab, die sich nicht auf die bloße technische Integration neuer Politikfelder in den bestehenden Apparat oder auf immanent strukturelle Anpassungen auf supranationaler Organebene durch veränderte Rechtsgrundlagen beschränken kann. Die Fähigkeit zur Integration der Bürgerinnen und Bürger Europas und der organisierten gesellschaftlichen Interessen ist vital für die Zukunft der Union. Teilhabe schafft Demokratie und Transparenz, bietet Identifikationsanlässe und den Raum für eine europäische Teilidentität. Die „Meinungs- und Interessenvermittlung, Willensbildung und Entscheidungsfindung, Stabilitäts- und Legitimitätssicherung, aus der gesellschaftlicher Zusammenhalt erwächst“, können dabei nicht alleine von staatlichen Organen bewirkt werden.[21]

„Diese sind dabei vielmehr auf die vielfältigen intermediären Strukturen innerhalb der Gesellschaft angewiesen, die sich zwar auf staatliche Institutionen beziehen, von diesen aber weder garantiert noch ersetzt werden können.“ Grimm (1995: 38)

Die zunehmende Verdichtung der europäischen Suprastrukturen durch eine Ausweitung von Zuständigkeiten und Regelungsfeldern kam Ende der 1990er Jahre mit der Realisierung von Binnenmarkt und Währungsunion zusammen. Das so durch die Vollendung des Binnenmarktprojektes „befreite europapolitische Engagement“ setzte nun auch konzeptionelle und intellektuelle Energien frei, die 1999 zu einer „neuen Europadebatte“ führten, „in der es um den Sinn der europäischen Integration geht, um Leitbilder von ihrem Endzustand.“[22] Die so wieder angestoßene Diskussion um eine europäische Verfassung, „die eine ständige Begleiterin des Integrationsprozesses seit seinen Anfängen ist“,[23] bekam nun neuen Aufwind. Und ab 1999 beschäftigten sich auch die politischen Eliten Europas ernsthaft mit der Frage einer europäischen Verfassung und den diesbezüglichen Fragen zur Zukunft der Europäischen Union.[24]

Bereits im Zusammenhang mit den Diskussionen über den Vertrag von Maastricht wurde die europäische Verfassung zum Thema, denn spätestens mit den Veränderungen durch Maastricht „ging die Entdeckung des europäischen Demokratiedefizits einher“, so Grimm (1995: 14).[25] Mit den Fragen zur Zukunft der Gemeinschaft im Fahrwasser von Maastricht und verstärkt durch die Einführung des Subsidiaritätsprinzips und des Konzepts des Europas der Regionen, begann auch die Diskussion um die Rolle der intermediären Institutionen im europäischen Integrationsprozess, die „alle [...] nationalstaatlich organisiert“ waren und sich an „nationalstaatlichen Entscheidungsprozessen“ orientierten.[26] Scharpf (1994: 42) meint, dass sich Interessengruppen und politische Bewegungen solange nicht effektiv europäisieren könnten, wie „die nationalen Regierungen in Europa das Heft in der Hand behalten“. Da der Einfluss der Interessengruppen und politischen Bewegungen durch nationale Instanzen vermittelt werden müsse, „werden auch spezifisch nationale Interessendefinitionen und Organisationsformen konserviert und verstärkt“.[27] So stellt Grimm (1995: 39) fest, dass sich auf der europäischen Ebene „intermediäre Strukturen [...] noch kaum gebildet“ haben und auch Beyme (1995: 104) konstatiert ein Organisationsdefizit im „intermediären Bereich“, das auch zehn Jahre später – im Jahr 2005 – noch nicht zufrieden stellend gelöst scheint.[28]

Die „Schwäche oder erst recht gänzliche Abwesenheit“ von intermediären Institutionen kann „den Bestand einer gesunden Demokratie“ gefährden.[29] Oder es kann sich, wie im Falle der Europäischen Union angenommen, erst gar keine „gesunde Demokratie“ entwickeln. So sieht auch Schmidt (1999: 9) das Problem eines freiheitlichen europäisierten Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses u. a. im „Fehlen lebensfähiger europäisierter intermediärer Organisationen“ begründet.

1.2 Leitende Forschungsfragen und Gliederung der Arbeit

Vor dem Hintergrund dieses Problemaufrisses konstruiert sich der Untersuchungsrahmen der Studie, um die Voraussetzungen und Möglichkeiten der Politikvermittlung unter Einbezug der organisierten Zivilgesellschaft im mehrschichtigen politischen System der Europäischen Union zu untersuchen. Die Arbeit gliedert sich in insgesamt 11 Kapitel. Dabei werden auf drei Analyseebenen gesellschaftstheoretische, gesellschaftspolitische sowie empirische Aspekte und Befunde bearbeitet. Die Analyseebenen ergeben sich aus drei zentralen Forschungsfragen:

1. „Organisationssoziologie ist eine Soziologie weitgehend ohne Gesellschaft“, meint Kneer (2001: 48), und beschreibt somit das Defizit an Untersuchungen über das Verhältnis von Organisationen und Gesellschaft. Daher widmet sich die Studie nicht nur der einzelnen Organisation als klassischer Analyseeinheit der Organisationstheorie unter wissens- und organisationssoziologischen Aspekten der Organisationsentwicklung bei veränderten Umweltbedingungen, sondern auch der gesellschaftstheoretischen Dimension einer Beteiligung von Organisationen an strukturellen Kopplungen in der intersystemischen Vermittlung funktionaler Subsysteme. Neben den Fragen nach der Beteiligung der Organisationen an strukturellen Kopplungen (vgl. Luhmann, 2000: 397) gewinnt dabei in differenzierungstheoretischer Perspektive der Typ der „intersystemischen Organisation“ (Bode / Brose, 2001) sein Gewicht, dem bislang in der „einschlägigen Organisationsliteratur“ nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden sei.[30] Die hybride Funktion und der intermediäre Charakter von NGOs zwischen europäischer Politik, nationalstaatlicher Mitgliederbasis und als Teil interorganisationaler Netzwerke, lassen sie als Gegenstand der Untersuchung interessant werden, um das nur defizitär erforschte Verhältnis zwischen Organisationen und Funktionssystemen unter die Lupe zu nehmen.[31]
2. Für die Soziologie sei die „europäische Integration bislang ein Randthema“, so Bach (2001: 147), und auch die „Forschungsliteratur zum Themenfeld »organisierte Interessen und europäische Integration« sei keineswegs dicht gesät“, konstatiert Platzer (2002: 410). Zimmer / Sittermann (2005: 18) stellen ein Forschungsdefizit fest hinsichtlich der Fragen, „ob, wie und in welchem Ausmaß” die Organisationen der Zivilgesellschaft auf Demokratiebildung und Integration in der Europäischen Union einwirken können. Ziel dieser Studie ist es, im Rahmen einer empirisch gestützten Auswertung des parallel zu den Verhandlungen zur europäischen Verfassung für die organisierte Zivilgesellschaft eingerichteten Konventsforums Erkenntnisse zu gewinnen zum einen über Struktur und Organisationsgrad organisierter europäischer Zivilgesellschaft und zum anderen, um die Kenntnisse von Praktiken in politischen Vermittlungsprozessen eines komplexen und sich entstaatlichenden Gemeinwesens vor dem Hintergrund aktueller globaler und europäischer Strömungen zu vertiefen.
3. Die dritte leitende Forschungsfrage zielt auf die Veränderungen organisationaler und politisch-administrativer Strukturen aufgrund der Notwendigkeit der Bearbeitung von komplexen Problemlagen. Dafür wird als Untersuchungsgegenstand das Politikfeld der nachhaltigen Entwicklung ausgewählt, um den Wandel der Organisationen der Umweltbewegung hin zu profilierten Akteuren im europäischen Nachhaltigkeitsdiskurs sowie die Reaktionen des institutionellen Systems der Europäischen Union auf veränderte gesellschaftliche und organisationale Rahmenbedingungen zu analysieren. Dabei stellen sich vor dem Hintergrund der Europäisierung intermediärer Organisationen vor allem Fragen nach Strategien der Vernetzung, zu ihrer Rolle im europäischen Lobbyismussystem sowie nach dem Einfluss von „alternativem“ Wissen als Steuerungsimpuls.

Theoretische Prämissen und Paradigmen einer veränderten Struktur der Willensbildung werden in den Kapiteln 2 bis 4 diskutiert. Gleichzeitig wird in diesem Abschnitt die gesellschaftstheoretische Grundlegung der Arbeit entworfen. Dazu erfolgt zunächst die systematische Aufarbeitung der Theorie der Zwischengewalten Montesquieus bis hin zur Bedeutung intermediärer Kräfte für die soziologische Forschung der Gegenwart. Nach der so ermöglichten gesellschaftlichen und staatstheoretischen Verortung von NGOs wird daran anschließend für die Analyse der Integration von Politikfeldern vor dem Hintergrund der Fragen politischer Steuerung eine differenzierungstheoretische Perspektive fruchtbar gemacht. Hierbei setzt die Theorie der „Ökologischen Kommunikation“ von Niklas Luhmann den Bezugsrahmen, um die Probleme der Integration von Politikfeldern sowie die strukturellen Blockaden und Chancen ihrer Kommunikation am Beispiel einer nachhaltigen Gesellschaftspolitik in und für die europäische Politik zu diskutieren.

In Kapitel 2 werden die Untersuchungsfelder der Studie abgesteckt und die zentrale Fragestellung nach Gründen für die Veränderungen europäischer Willensbildungsprozesse und der diesbezüglichen Rolle von NGOs als intermediäre Organisationen in Form von Arbeitshypothesen zugespitzt. Im Vordergrund stehen hier die Fragen nach den Rahmenbedingungen für Prozesse, in welchen sich die Einflussnahme wissensbasierter und zivilgesellschaftlich organisierter Gestaltungsmacht im Feld der Umsetzung und Institutionalisierung von Nachhaltigkeitszielen ausdrückt. Kapitel 2 gibt abschließend einen Überblick über die methodischen Überlegungen und das Design des empirisch gestützten Teils der Untersuchung.

Kapitel 3 widmet sich der gesellschaftstheoretischen Relevanz intermediärer Kräfte. Hier wird zunächst die Genese und Entwicklung des Konzeptes der intermediären Gewalten in historisch-theoretischer Perspektive erarbeitet und seine Bedeutung für die heutigen Sozialwissenschaften beleuchtet. Beginnend mit einem Exkurs zur Entstehung der Kommunebewegung im Hochmittelalter steht dann die Beschäftigung mit Montesquieus Theorie der Zwischengewalten im Zentrum der Analyse. Nachgezeichnet wird die Entwicklung der Zwischengewalten zunächst als Sicherungsstrukturen gegen Despotie (Montesquieu), dann als Gegenmacht einer zu Verwaltungsdespotie neigenden Demokratie (Tocqueville) und als Basis moralischer Kommunikation und Solidarität gegen Anomie und kapitalistische Despotie in der funktional-differenzierten Gesellschaft (Durkheim). Im Rahmen der Aufarbeitung des sozialwissenschaftlichen Diskussionsstandes werden dann die strukturellen und funktionalen Merkmale intermediärer Instanzen herausgearbeitet und unter demokratie- und gesellschaftstheoretischen Aspekten diskutiert. Im Anschluss wird die Theorie der ökologischen Kommunikation von Niklas Luhmann eingeführt, um im Hinblick auf die Konsequenzen der funktionalen Differenzierung die Probleme gesellschaftlich vermittelnder Kommunikation vor dem Hintergrund des Nachhaltigkeitsdiskurses zu problematisieren. In diesem Rahmen wird die Kritik an der Luhmannschen Systemtheorie exemplarisch referiert und die Strukturationstheorie Giddens als theoretische Alternative diskutiert. In den Problemfeldern gesellschaftlicher Integration spielen Organisationen eine herausragende Rolle. Am Beispiel der intersystemischen Organisation werden organisationale Potenziale für Prozesse intersystemischer Vermittlung in differenzierungstheoretischer Perspektive erarbeitet. In diesem Zusammenhang wird der Luhmannsche Strukturbegriff der Kopplung als zentrales Theoriestück hinsichtlich der Möglichkeiten gesellschaftlicher Kommunikationen durch Organisationen auf der Basis des Autopoiesis-Konzeptes diskutiert.

Kapitel 4 analysiert die Rolle von Institutionen und Organisationen in der Wissensgesellschaft und legt das organisations- und wissenssoziologische Fundament der Studie. Den Organisationen der Gesellschaft kommt in einer funktional-differenzierten Gesellschaft eine besondere Bedeutung zu, da sie gleichzeitig Bedingung und Ursache enormer teilsystemischer Effizienz sind; ebenfalls aber – zwar i. d. R. einem Teilsystem zurechenbar – durch ihre kommunikativen Profile immer auch systemfremde Beziehungen haben und haben müssen. So können Organisationen als zentrale Schnittstellen zwischen Mikro- und Makroebene der Gesellschaft den gesellschaftlichen Wandel nachvollziehen und auch initiieren. Vor dem Hintergrund der Bedingungen für eine nachhaltige Wissensgesellschaft wird die Rolle von Organisationen als den Orten der gesellschaftlichen Wissensproduktion diskutiert. Mit der Theorie der Wissensgemeinschaften wird exemplarisch ein modernes Organisationskonzept aus der betriebswirtschaftlichen Literatur eingeführt. Wissensgemeinschaften als Motor und Ergebnis zugleich charakterisieren organisationalen Wandel unter veränderten Umweltbedingungen als Modell einer lernenden Organisation. Anschließend wird die Wirkung von als Ereignis kommuniziertem Wissen für die Wechselbeziehungen zwischen gesellschaftlichen Teilsystemen betrachtet und die Bedeutung von Organisationen für die Gestaltung und Umsetzung nachhaltiger Entwicklung erarbeitet.

Die Kapitel 5 bis 8 beschäftigen sich mit Programmen und Prozessen europäischer Willensbildungsprozesse und dem Kern veränderter gesellschaftlicher und institutioneller Rahmenbedingungen für die Partizipation der organisierten Zivilgesellschaft. In diesem Abschnitt wird die gesellschaftspolitische Grundlegung der Studie erarbeitet. Dazu dient eine durch Interviews gestützte Analyse der NGO-Arbeit vor dem Hintergrund der Darstellung der Reformbemühungen „Europäischen Regierens“. In diesem Zusammenhang sind dann die Entwicklungen für eine nachhaltige Gesellschaftspolitik in Europa zu sehen, die im Wesentlichen ab der Revision des Maastrichter Vertrages nachgezeichnet werden.

Kapitel 5 übernimmt dabei eine Scharnierfunktion, um die gesellschaftstheoretischen Perspektiven mit den gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen zu verbinden. Hier widmet sich die Untersuchung zunächst den Kriterien zur Definition von NGOs im Rahmen der Zivilgesellschaftsdebatte. Die Gründe des zunehmenden Einflusses von NGOs als professionalisierte Organisationen in der Tradition der „neuen sozialen Bewegungen“ in Politikvermittlungsprozessen werden vor dem Hintergrund des Globalisierungsprozesses analysiert. Anschließend wird der Formwandel politischer Willensbildungsprozesse mit Blick auf die von der Systemtheorie befruchtete Steuerungsdebatte diskutiert. Relevante steuerungstheoretische Impulse ermöglichen so die Analyse entstehender Probleme und Chancen einer veränderten zivilgesellschaftlichen Einflusssphäre sowie der Wechselwirkungen zwischen der Organisation des intermediären Bereichs und den Strukturveränderungen im politischen System. Hierbei gewinnen die Aspekte interorganisationaler Kommunikation und ihre Potentiale in Steuerungsprozessen an Gewicht, die durch die Erarbeitung netzwerktheoretischer Grundlagen vertieft werden. Insbesondere im Hinblick auf das Konzept einer nachhaltigen Entwicklung wird hier die Funktion von Leitbildern als Symbolsysteme der Steuerung diskutiert. NGOs als Governance-Partner werden dann identifiziert als wissensbasierte Netzwerke, die bei gleichzeitig veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine wichtige Schnittstelle in Prozessen der Politikvermittlung „in beide Richtungen“[32] darstellen und neue Kommunikations-, Identifikations- und Integrationspotentiale ermöglichen.

In Kapitel 6 steht der entgrenzte europäische Willensbildungsprozess im Vordergrund und der Fokus richtet sich auf die Praktiken und die Praxis der NGOs als intermediäre Akteure in europäischen Politikvermittlungsprozessen. Nach einer Einführung hinsichtlich der Bedeutung von NGOs unter Aspekten des fortschreitenden europäischen Integrationsprozesses werden Rolle und Funktion von NGOs im Geflecht des ausgeprägten europäischen Lobbyismussystems untersucht und die sich durch NGOs eröffnenden Chancen für europäische Demokratiebildung herausgearbeitet. Dabei werden die verschiedenen Machtmittel, Strategien und Techniken der Lobbyarbeit analysiert und die Abhängigkeiten problematisiert. Mit der Erarbeitung von Kapitel 6 beginnt gleichzeitig die Auswertung der im Rahmen dieser Studie durchgeführten leitfadengestützten Interviews mit Fachleuten aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik, die insbesondere im Hinblick auf ihre Expertise für den europäischen Nachhaltigkeitsdiskurs ausgewählt und befragt wurden.

Kapitel 7 widmet sich dem Reformprozess „Europäisches Regieren“ und den in diesem Rahmen insbesondere durch die Prodi-Kommission angestoßenen Reformbemühungen zur Integration der organisierten Zivilgesellschaft in europäische politische Prozesse. Die Analyse dieser Reformbemühungen ist ein zentraler Bestandteil der Studie, weil hier die Reaktion des institutionellen Apparates der Europäischen Union auf veränderte gesellschaftliche und organisationale Rahmenbedingungen beschreibbar wird. Zunächst werden die Gründe der Reformen beleuchtet und die Maßnahmen ihrer Umsetzung erarbeitet. Bei den Formen und Foren der Partizipation im Rahmen der Reformen handelt es sich fast ausschließlich um elektronisch basierte Plattformen und Kanäle, die den Forderungen nach mehr Transparenz und dem Abbau des Demokratiedefizites in der Union Rechnung tragen sollen. Vor diesem Hintergrund werden Probleme im Zusammenhang mit der Formalisierung von Schnittstellen diskutiert und in Bezug auf die Zielsetzung der Reformen die Rolle der EU-Organe Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) und Ausschuss der Regionen (AdR) hinterfragt. Anschließend werden die Chancen und Restriktionen zur Entstehung einer politischen Öffentlichkeit in Europa durch den Einsatz neuer Medien und Partizipationsschienen problematisiert.

Im Zentrum von Kapitel 8, das mit einer Darstellung des historischen Kontextes zur Entstehung des Nachhaltigkeitskonzeptes beginnt, steht die Beschäftigung mit nachhaltiger Gesellschaftspolitik für Europa. Im Anschluss an den historischen Kontext werden etymologische Bedeutungsbestände des Begriffes und Probleme der Konzeptionalisierung diskutiert und im Hinblick auf die interessengeleitete Verwendung des Begriffes durch verschiedene gesellschaftliche Gruppen damit entstehende Definitionsprobleme verdeutlicht. Bevor die Erfolgsgeschichte der Verankerung des Nachhaltigkeitsprinzips im Vertrag von Amsterdam und diesbezüglich auch die „Greening the Treaty Kampagne“ europäischer Umweltverbände thematisiert werden, erlaubt vor dem Hintergrund der bis dahin erarbeiteten Ergebnisse die Reflexion auf die Theorie der ökologischen Kommunikation eine Einschätzung der Chancen für kommunikative Vermittlung durch NGOs unter veränderten organisationalen und gesellschaftlichen Bedingungen. Nachdem am Beispiel der „Generation Attac“ und der „Krise der Umweltbewegung“ die Bedingungen sektorübergreifender Ansätze zur Bearbeitung komplexer Problemlagen bei gleichzeitiger Absicherung des Organisationserfolges analysiert werden, erfolgt eine Bestandsaufnahme der Möglichkeiten interorganisationaler Vernetzung und intersystemischer Kooperation durch Akteure einer nachhaltigen Gesellschaftspolitik anhand des G 10-Netzwerkes und der beiden im Rahmen dieser Studie auch durch die Experteninterviews näher untersuchten Think Tanks. Im Anschluss werden die in der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie anvisierten Ziele einer institutionellen Reform überprüft und die Leistungsfähigkeit der Leitbildfunktion von Nachhaltigkeit analysiert. Die Ergebnisse münden in Thesen gerichtet sowohl an die EU-Organe als auch an die Organisationen der Zivilgesellschaft mit dem Ziel, die bestehenden Blockaden konstruktiv als Chancen für die Gestaltung und Umsetzung der Querschnittsaufgabe zu operationalisieren.

Empirische Analysen der Akteure und Kontexte bilden in den Kapiteln 9 und 10 den Kern der empirischen Grundlegung der Studie. Am Beispiel des Konventsforums, das zur Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft als Partizipationskanal an den Verhandlungen des Europäischen Konvents zur Ausarbeitung einer Europäischen Verfassung eingerichtet wurde, werden die ambitionierten Reformen „Europäischen Regierens“ abgeglichen mit den Möglichkeiten der organisierten Zivilgesellschaft, an diesem Prozess teilzuhaben. Der Fokus liegt hier auf der Analyse beteiligter Akteure und Netzwerke und der Gewichtung von Beiträgen für eine nachhaltige Gesellschaftspolitik. Gleichzeitig erlaubt die Analyse, die Möglichkeiten und Defizite einer Partizipation durch elektronisch basierte Plattformen für die Gestaltung der europäischen Politik, bzw. des Referenzrahmens Verfassung, herauszuarbeiten.

Kapitel 9 widmet sich generell der Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft am Konventsforum, das der organisierten Zivilgesellschaft von Ende Februar 2002 bis Ende Juli 2003 offen stand. Nach einleitenden Worten zum europäischen Verfassungskonvent werden die Gründe für die Einrichtung des Forums sowie die Modalitäten der Teilnahme aufgearbeitet, um dann die Organisation und die Strukturen der Teilnahme näher zu untersuchen. Angelegt als Akteursanalyse wird das Forum hinsichtlich seiner Teilnehmer nach deren Herkunft und der Art ihrer Betätigungsfelder analysiert. Der Schwerpunkt der Auswertung ist dabei gesetzt durch die gezielte Analyse der Rubrik 1 des Konventsforums mit den dort vorgefundenen Akteuren aus dem Bereich „Sonstige, Zivilgesellschaft, NRO und Bewegungen“. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung möglicher Indikatoren, die eine Vernetzung der Teilnehmer erkennen lassen. Die Explikation der Akteursanalyse und die Prämissen der Operationalisierung finden sich in den einleitenden Bemerkungen zur Auswertung. Am Ende des Kapitels werden die Ergebnisse des ersten Teils als Analyse der Beteiligung und Defizite zusammengefasst.

Kapitel 10 widmet sich ausschließlich den Forumsakteuren der Rubrik 1 des Konventsforums und ihren Beiträgen mit Bezügen zu einer nachhaltigen Gesellschaftspolitik für Europa. Nach den Bemerkungen zu Auswertung und Operationalisierung werden die in Kapitel 9 gewonnenen Erkenntnisse vertieft. Zunächst werden Herkunft und Betätigungsfelder der für die weitere Auswertung relevanten Akteure ermittelt, um dann durch eine Inhaltsanalyse der Forumsbeiträge Nachhaltigkeitsbezüge zu identifizieren. Gleichzeitig verschafft die Analyse, im Rahmen des Fallbeispiels der Rubrik 1 des Konventsforums, einen Überblick von am europäischen Nachhaltigkeitsdiskurs interessierten gesellschaftliche Gruppen sowie ihrer Vernetzung, die u. a. anhand ihrer Einordnung zur EU-Ländergruppe verdeutlicht werden kann. Anschließend werden aus den Nachhaltigkeitsbezügen „Themencluster“ gebildet, deren Reihenfolge sich aus der vorgefundenen Häufigkeit der nachhaltigkeitsbezogenen Inhalte ergibt. Vor dem Hintergrund der Bemühungen, das Nachhaltigkeitsziel im europäischen Verfassungsentwurf zu verankern, werden der Konventsprozess und die Möglichkeiten der Beteiligung, die das Forum geboten hat, überprüft. Bevor die Kooperationsimpulse, die vom Konventsprozess ausgingen, auf verschiedenen Ebenen analysiert werden, erfolgt eine vertiefte Beschäftigung mit den Details der Nachhaltigkeit als Ziel der Union. Dabei wird der Frage nachgegangen, warum Nachhaltigkeit letztlich doch in der Verfassung verankert werden konnte und welche Wirkungen davon ausgehen. In einer Zusammenfassung werden die Befunde der Untersuchung des Konventsforums bilanziert.

In der Schlussbetrachtung werden die Ergebnisse der Untersuchung vor dem Hintergrund der der Studie zugrunde liegenden Leitfragen zusammengefasst. Dabei geht es darum, aus den gewonnenen Erkenntnissen sowohl einen theoretischen Ertrag als auch einen praktischen Nutzen gewinnen zu können. Dazu werden sowohl die Arbeitshypothesen mit den Untersuchungsergebnissen abgeglichen als auch die für die Untersuchung des Konventsprozesses gesetzten Themenschwerpunkte überprüft, die in Kapitel 2.3 formuliert werden. Sofern die Überprüfung der Arbeitshypothesen bereits Bestandteil vorangegangener Kapitel war, werden die Ergebnisse im Kontext der Leitfragen noch einmal kurz dargestellt. Um dem Anspruch gerecht zu werden, durch die Analyse gleichzeitig die Konzeption neuer Ideen für einen gestaltenden Umgang mit dem durch die globale und europäische Transformation entstehenden Problemdruck voranzutreiben, werden zentrale Untersuchungsergebnisse aufgegriffen und daraus resultierende Probleme und Chancen formuliert.

2 Untersuchungsfelder: Koordination und Kommunikation europäischer Nachhaltigkeitspolitik

Die der Studie zugrunde liegende zentrale Fragestellung nach Einflussmöglichkeiten von NGOs auf europäische politische Prozesse leitet sich ab aus der Zeitdiagnose vermehrt prozessabhängiger und kommunikativ beschleunigter politischer Dynamiken heutiger Steuerungs- und Legitimationsversuche zur Herstellung von Verbindlichkeit. Als politische Dynamik wird dabei der Zusammenhang zwischen den sich verselbstständigenden Auswirkungen bestimmter Entscheidungen, Ereignisse und Entwicklungen auf die Gestalt eines politischen Referenzrahmens – auf Umwelten und Strukturen oder auf Programme wie etwa der Gesetzgebung, verstanden.

Als Beitrag zur sozialwissenschaftlichen Europaforschung bearbeitet die Studie das bislang erst unzureichend erforschte Feld der Auswirkungen zivilgesellschaftlich organisierten Engagements für Demokratiebildung und Integrationsprozesse auf europäischer Ebene.[33] Dabei ist der Fokus entsprechend der differenzierungstheoretischen Grundlegung gerichtet auf interorganisationale, bzw. intersystemische Beziehungen in Bezug auf die Resonanzfähigkeit des europäischen politisch-administrativen Systems. Die Entwicklung der Umwelt-NGOs als Kristallisationspunkte der Umweltbewegung hin zu aktiven Gestalterinnen einer nachhaltigen Gesellschaftspolitik wird in diesem Zusammenhang anhand ihrer Rolle in neuen Koordinationsmodellen des Regierens untersucht.

Die Relevanz der Untersuchung ergibt sich aus einer zunehmenden Entgrenzung der gesellschafts- wie umweltpolitischen Problemlagen und der darauf antwortenden Vernetzung gesellschaftlicher Akteure. Bei dieser Vernetzung werden territoriale wie auch thematische Systemgrenzen überschritten und es entstehen neue Bindungen und Akteurscluster jenseits der klassisch-funktionalen Differenzierung von Politikfeldern. Als Wesentlich im Hinblick auf das Arbeitsergebnis der Studie wird jedoch nicht nur die theoretisch fundierte Analyse bestehender Verhältnisse erachtet. Darauf aufbauend ist es mindestens ebenso wichtig, die Konzeption neuer Ideen für einen gestaltenden Umgang mit dem durch die globale und europäische Transformation entstehenden Problemdruck voranzutreiben.

Praktisch stellt sich die zentrale Frage, was NGOs als interorganisationale Wissensnetzwerke auf der Ebene nationaler und europäischer Nachhaltigkeitspolitik bei der Herstellung kollektiver Verbindlichkeit in den intermediären Feldern zwischen offiziell etablierter Politik und einer sich partizipativ als Protest, Diskurs und Expertise einbringenden Nicht-Regierungs-Politik bewirken können und bewirken sollen. Aktuelles Interesse gewinnen in diesen Netzwerken und Lernprozessen die modernen Kommunikationsmedien – vor allem die elektronischen Plattformen als Partizipationskanäle für die Kommunikation zwischen den Organisationen der Zivilgesellschaft und den europäischen Institutionen. Diesbezüglich werden die Reaktionen des politisch-administrativen Systems der EU auf veränderte gesellschaftliche, organisationale und technische Bedingungen zur Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft an europäischen politischen Prozessen analysiert.

Als Bezugsfeld der empirischen Untersuchung dient vor dem Hintergrund des Reformprozesses „Europäisches Regieren“ das anlässlich der Erarbeitung einer europäischen Verfassung für die Teilhabe der Zivilgesellschaft eingerichtete Konventsforum als neue Form einer Arena gesellschaftlicher Auseinandersetzung. Die Möglichkeiten der Teilhabe an europäischen politischen Prozessen lassen sich so demonstrieren durch eine Akteursanalyse zu ihrer Zusammensetzung und Vernetzungsstruktur sowie durch eine themenpolitische Analyse nachhaltigkeitsrelevanter Beiträge.

Ziel der Arbeit ist die soziologische Beobachtung und Beurteilung der Bedingungs- und Wirkungszusammenhänge „ökologischer Kommunikationen“ in den Relationen zwischen der Selbst-Organisation sozialer Bewegung und der institutionellen Systembildung von Politik und Verwaltung. Dies wird am Beispiel der Kommunikation von Wissen und Werten und der normativ basierten Integrationskraft von nachhaltiger Entwicklung als Leitbild und Symbolsystem der Steuerung in und für Europa untersucht. Dabei geht es um die Auswirkungen von neuen Verfahren des Dialoges und der Konsultation im Hinblick auf themenpolitische Forderungen der Zivilgesellschaft sowie der Organisation und Kommunikation von „alternativem“ Wissen.

2.1 Europäische Willensbildungsprozesse und NGOs

Die beiden langfristigen Entwicklungstrends „Internationalisierung und funktionale Differenzierung“ können heute für die fundamentalen Veränderungen

„der Möglichkeiten und Formen von Regieren verantwortlich gemacht werden. [...] Diese Entwicklungstendenzen betreffen sowohl den Nationalstaat als auch das internationale System und üben einen Veränderungsdruck auf die überkommenen Formen politischer Institutionen aus. Sie stellen eine grundlegende Herausforderung für die Effizienz und Problemlösungsfähigkeit politischer Institutionen einerseits und für ihre Verantwortlichkeit und Responsivität andererseits dar.“ Jachtenfuchs (2002: 15)

Gleichzeitig organisiert sich die Zivilgesellschaft mit steigender Tendenz in NGOs. Globale Konzepte wie die Idee des ‚Global Governance’ unterstützen diese Prozesse ausdrücklich.[34] Sich im Wesentlichen aus der sozialen Bewegung der frühen 1960er und 70er Jahre entwickelnd haben sich Funktion und Rolle der NGOs seit den 1990er Jahren verändert. Vor allem die Umwelt-NGOs sorgten seit der Rio Konferenz 1992 für einen NGO-Boom und waren zugleich Motor und Ergebnis einer veränderten Realität der Politikverflechtung. Insbesondere moderne NGOs in der Tradition der ‚neuen sozialen Bewegungen’ weisen kommunikative und kooperative Profile auf, die sie in Prozessen des ‚politischen Managements’ zu gewichtigen Verhandlungspartnern machen. Ihr Einfluss gründet sich u. a. auf der Ressource Wissen und auf den Fähigkeiten zu interorganisationaler und internationaler Vernetzung. NGOs vermitteln als intermediäre Kräfte zwischen Markt und Staat und ergänzen die klassischen Steuerungsinstrumente durch Medien sozialer Steuerung und mit durch Wissen ausgelösten Steuerungsimpulsen. Der Einfluss der NGOs auf die Politikgestaltung ist losgelöst von traditionellen, nationalstaatlichen Willensbildungsprozessen; wirft aber gleichzeitig auch Fragen nach ihrer demokratischen Legitimation und nach Abhängigkeiten der Akteure auf.

Der u. a. durch die Globalisierung von Problemlagen verstärkte NGO-Boom lässt die These plausibel werden, dies hänge mit den offensichtlich nicht mehr ausreichenden Problemlösungskompetenzen der Nationalstaaten zusammen.[35] In diesem Falle müsste nicht mehr nur die demokratische Legitimation der NGOs kritisch hinterfragt werden. Vielmehr offenbart sich dann auch eine Legitimationskrise der Nationalstaaten, die u.a. dadurch verdeutlicht wird, dass von den NGOs der praktische Beitrag zur Lösung der Probleme teilweise eher erwartet wird als von nationalen Regierungen.[36]

Der EU-Einigungsprozess wird in diesem Zusammenhang zu einem kontinentalen Spiegelbild der gegenwärtigen globalen Integrationsbemühungen. Die zu beobachtenden Entwicklungen bezeichnen eine Übergangsphase aus alten Ordnungsstrukturen in neue Formen der transnationalen Kooperation. Charakteristisch für diese Übergangsphase sind die Legitimationskrise der Nationalstaaten und die Existenz eines noch nicht gelösten Demokratiedefizits auch aufgrund dieser evolutionären Entwicklungen hin zu einer neuen Ordnungspolitik. So konstatieren Messner / Nuscheler (1996: 26), die EU könne als „fortgeschrittenes Laboratorium für die Fähigkeit zu Global Governance verstanden werden.“ Dabei sieht sich die EU-Kommission selbst als Impulsgeberin im Global Governance Prozess:

„Der erste Schritt, den die Union unternehmen muss, ist die erfolgreiche Reform der Governance im eigenen Hause, damit sie um so überzeugender für einen Wandel auf internationaler Ebene eintreten kann.“

Europäische Union: Die Kommission (2001b: 34)

Europäische Sichtweisen lösen nationalstaatliches Denken ab und befördern das Gemeinschaftsbewusstsein. Die Abtretung von Teilsouveränitäten erfolgt zugunsten einer erhöhten Problemlösungsfähigkeit durch gemeinsames Handeln[37] mit der Folge, dass im ‚Laboratorium Europa’ auch die NGOs mit dieser neuen Architektur experimentieren. Durch die Ausweitung der Politikbereiche hat die Europäische Kommission zusätzliche Aufgaben übernommen was auch zur Folge hatte, „daß die Zahl der innerhalb und außerhalb Europas tätigen NRO stetig anstieg und sich diese NRO weiteren Arbeitsfeldern zuwandten. Typisch für diesen Trend“ seien einzelstaatliche NGOs, „die europäische Verbände und Netze ins Leben rufen“ oder sich bereits den in Brüssel ansässigen europäischen Netzwerken anschließen.[38] Die Kommission nimmt diesen Prozess zur Kenntnis und ist dazu bereit, die ‚partnerschaftliche Zusammenarbeit’ mit den NGOs fortzusetzen und auszubauen. Denn: „NRO gelten zunehmend als wichtiger Bestandteil der Zivilgesellschaft und als wertvolle Stützen eines demokratischen Regierungssystems.“[39] Gleichzeitig stellt die Kommission aber fest, dass die dafür erforderlichen „Strukturen und Verfahren“ nicht genügend weiterentwickelt wurden.[40] Die Notwendigkeit für Veränderungen ergibt sich auch daraus, den Prozessen der Globalisierung Rechnung zu tragen, „Akteure zu identifizieren und den Aktionsrahmen für konkrete Vorschläge in einem institutionellen Umfeld abzustecken“, um strukturelle Reformen in Gang zu setzen.[41]

Ein zentrales Element diesbezüglicher Reformbemühungen ist das Weißbuch der Kommission aus dem Jahre 2001 über „Europäisches Regieren“, in welchem die Zeitdiagnose und die Reformvorschläge in Leitlinien für die Governance-Reform gegossen sind.[42] Im Weißbuch wird die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Organisationen als wichtiger Elemente für die Stärkung der partizipativen Demokratie in Europa unterstrichen. Die durch die Prodi-Kommission eingeleiteten Maßnahmen einer verstärkten Institutionalisierung zivilgesellschaftlicher Partizipation finden ihren Ausdruck im Wesentlichen durch die Öffnung neuer Partizipationsschienen in der Form von elektronisch gestützten Plattformen und Foren.

Die Notwendigkeit zu institutioneller Innovation lässt sich vor dem Hintergrund eines sich verändernden Verhältnisses zwischen dem politisch-administrativen System der EU und den NGOs in folgenden Thesen zuspitzen:

- NGOs als interorganisational angelegte Kooperationen in Form von Netzwerken gleichen die Komplexitätslücke staatlicher Aufgabenerfüllung angesichts globaler und entstaatlichter Problemlagen aus. Ihre Relevanz verdankt sich zum einen der Unterkomplexität institutioneller Problemlösungsfähigkeit klassischer Nationalstaaten und zum anderen den veränderten technologischen Rahmenbedingungen und den damit verbundenen Möglichkeiten zur Vernetzung von Wissensressourcen.
- Insbesondere durch den Einfluss der Organisationen der Zivilgesellschaft entsteht eine politische Dynamik, die gesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten neu definiert. Aufgrund der am Gemeinwohl orientierten Gestaltungsmacht von NGOs in diesen Prozessen reicht der Begriff des Lobbyismus nicht mehr aus, um die Entwicklung hinreichend zu beschreiben.
- Elektronisch basierte Partizipationskanäle sind in diesem Zusammenhang das Resultat einer gesteigerten Prozessabhängigkeit heutiger Steuerungs- und Legitimationsversuche in politischen Prozessen. Sie sind ein Mittel zur Verarbeitung erhöhter Komplexität und dienen der Sichtbarkeit von Problemlösungen und Akteuren und nicht der Institutionalisierung von Protest. Elektronische Foren sind zugleich eine neue Plattform europäischer Öffentlichkeit.

Die Umsetzung der Reformen in die Praxis wirft gleichzeitig Fragen nach ihrer Gestaltung auf. Daher ist es ein zentrales Anliegen dieser Studie, anhand der o. g. Thesen und am Beispiel des Konsultationsprozesses im Rahmen der Verhandlungen zur europäischen Verfassung, die Verbindlichkeit a) der Reformen für die Gestaltung partizipativer Demokratie und b) die Möglichkeiten der Einflussnahme und die damit verbundene verbindlichkeitserzeugende Wirkung zivilgesellschaftlichen Gestaltungspotenzials, zu überprüfen.

Als Untersuchungsfeld der Beziehungen zwischen neuen Formen europäischen Regierens und der Integration von Politikfeldern widmet sich der nächste Abschnitt dem Beispiel der Gestaltung und Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung in Europa.

„Die Entwicklung neuer partizipativer Formen von Dialog und Kommunikation sowie Diskussions-, Kommunikations- sowie Problemlösungsverfahren wird dezidiert als die Voraussetzung für die Ausgestaltung des Nachhaltigkeitsdiskurses bezeichnet.“

Krüger (2002: 274)

2.2 Nachhaltige Gesellschaftspolitik für Europa

Im Juni 2001 verabschiedete der Europäische Rat auf seinem Treffen in Göteborg die Strategie für eine nachhaltige Entwicklung. Vorausgegangen waren entscheidende und von den Organisationen der Zivilgesellschaft mitgestaltete Änderungen auf der Ebene der europäischen Vertragswerke in den 1990er Jahren, die einen hohen Verbindlichkeitscharakter haben. ‚Nachhaltige Entwicklung’ wurde im Art. 2 (EUV) des Amsterdamer Vertrages bereits 1997 als Ziel der Europäischen Union verankert. Ihre herausragende Bedeutung für die Union wurde durch den Europäischen Konvent im Entwurf des Vertrages über eine Verfassung von Europa in Art. 3, Absatz 3, als Ziel der Union bestätigt. Erstmals im Vertrag von Maastricht benannt, gewann der Prozess der Integration von Nachhaltigkeitszielen insbesondere mit den Verträgen von Amsterdam an Fahrt. Genannt seien hier beispielhaft der ‚Cardiff-Prozess’ zur Integration der Umweltdimension in die Unionspolitiken und die Verabschiedung der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie in Göteborg 2001. Am Entstehungsprozess der im Juni 2001 in Göteborg vom Europäischen Rat verabschiedeten Strategie für eine nachhaltige Entwicklung waren die Organisationen der Zivilgesellschaft in erheblichem Maße beteiligt. Ihr Erfolg drückt sich aus in der Legitimation einer nachhaltigen Entwicklung als strategischem Ziel der Union und generell als ein Beispiel der Integration gesellschaftspolitischer Policy-Felder in das europäische politische System.

Die gängige Verortung des Nachhaltigkeitsprinzips geschieht durch das Drei-Säulen-Modell der ökologischen, sozialen und ökonomischen Integration mit dem Ziel, die strukturell erzeugten Ungleichgewichte als dem Resultat funktional-differenzierter Systemtrennung auszugleichen. Nachhaltige Entwicklung als normativ-moralisches Konzept äußert sich auf der Werteebene und fordert eine grundlegende Überprüfung bisher geltender Normen, Werte und Praktiken in allen Policy-Feldern aktiver Gesellschaftspolitik. Nachhaltige Entwicklung ist daher auch eine zentrale kulturelle Herausforderung, deren Erfolg von einer politischen Kultur abhängt, die Gestaltungskompetenzen der organisierten Zivilgesellschaft insbesondere vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips und des damit kompatiblen Mottos der Agenda 21 „global denken, lokal handeln“, mit einzubeziehen vermag.

Noch immer ist aber im Drei-Säulen Modell der Nachhaltigkeit die Diskussion der ökonomischen Dimension dominant gegenüber der ökologischen und sozialen Dimension (vgl. Hinterberger / Zacherl, 2003: 7ff.).[43] Dies gilt auch für den wissenschaftlichen Diskurs, der insbesondere das Spannungsfeld Ökonomie↔Ökologie aufgreift, während soziologische Analysen zur Prozessqualität institutionalisierter Entscheidungs-, Vermittlungs- und Beteiligungsprozesse noch kaum vorliegen. In der neueren Diskussion wird dem bekannten Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit einer ökonomischen, ökologischen und sozialen Integration als vierte eine institutionelle Dimension hinzugefügt.[44] Vor dem Hintergrund offener Forschungsfragen nach der Gestaltung und dem Wandel der institutionellen Ordnung zur Akzeptanz und Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung gewinnen Aspekte der Partizipation gesellschaftlicher Gruppen und damit Machtfragen an Gewicht (vgl. Spangenberg, 2003).

Auf der Grundlage der Leitfragen der Studie und den zu stellenden steuerungstheoretischen Fragen dienen die folgenden drei Thesen als Rahmen zur Anwendung der Leitfragen auf das Politikfeld Nachhaltigkeit:

- Die Schwierigkeiten der politischen Integration von Nachhaltigkeitszielen entstehen im Hinblick auf die Komplexität und den Anspruch durch die Mehrdimensionalität des Konzeptes, das Veränderungen in vielen, wenn nicht allen gesellschaftlichen Regelungsfeldern impliziert. Das Prinzip Nachhaltigkeit erfordert einen grundlegenden Wertewandel, um in funktionaler und struktureller Dimension institutionalisierbar zu sein. Nur intersystemische Beziehungen können die Kommunikation und Koordination von entsprechenden Kontexten gewährleisten, damit Nachhaltigkeit institutionalisierbar und damit zur Grundlage verbindlicher Modelle des Handelns wird. Nur so wird verhindert, dass sich systemimmanente und vom Gesamtsystem abgekoppelte Interessen und Funktionslogiken durchsetzen.
- Das Steuerungsdilemma nachhaltiger Entwicklung in systemischer Perspektive besteht darin, dass es einer Kontrollinstanz bedarf, die intendierte und nicht intendierte Auswirkungen gesellschaftlicher Entwicklungen zu berücksichtigen weiß, allerdings so aufgrund der Kontingenz möglicher Zukünfte nicht beherrschbar wäre. Die Kopplung von Steuerungsmedien und ihre intersystemische Kommunikation durch interorganisational vernetzte Strukturen entschärft jedoch die Notwendigkeit zentraler Steuerung – die insbesondere nach Luhmann ohnehin unmöglich ist – und ersetzt diese durch legitimierte Verhandlungssysteme der Selbststeuerung.[45]
- Nachhaltigkeit dient als Kooperationsimpuls der Vernetzung intermediärer Organisationen und ist eine themenpolitische Bühne des politischen Ringens um gesellschaftliche Konzepte und Zielvorstellungen (vgl. Krüger, 2002). Somit bietet Nachhaltigkeit als Leitbild Identifikationsanlässe und erzeugt im europäischen Einigungsprozess integrative Wirkungen. Damit wird das Leitbild Nachhaltigkeit zum Symbolsystem der Steuerung und ist ein Element europäischer Governance-Strukturen (vgl. Schneidewind, 2003).

Die bislang in Kapitel 2 angesprochenen Untersuchungsfelder konkretisieren die Eckpunkte der europäischen und themenpolitischen Dimension der dieser Studie zugrunde liegenden Fragestellung. Sie bilden gleichzeitig den Ausgangspunkt für das Untersuchungsdesign der Studie, dessen methodische Grundlagen im nächsten Abschnitt skizziert werden.

2.3 Untersuchungsdesign: Theoriebausteine und empirische Felder

Die sozialwissenschaftliche Analyse von Organisationen und ihrer gesellschaftlichen Kommunikationsmöglichkeiten in den praktischen Feldern europäischer Politik erfordert den praxisbezogenen Einsatz soziologischen Wissens und impliziert damit Theoriebedarf. Zwar wird die Bezugnahme auf konkrete Gegenstände durch die „extreme Distanz“ soziologischer Beschreibungen erschwert; dennoch erlaubt gerade die Distanz einen „ungewohnten Blick“ auf die Welt.[46] Die Soziologie verschafft einen Einblick „in die Eigenlogik von gesellschaftlichen Teilbereichen“, und profitiert dabei „mit ihren Beschreibungen an den Folgeproblemen“ gesellschaftlicher Ausdifferenzierung.[47] In den Konfliktfeldern gesellschaftlicher Teilbereiche könne „sich die Soziologie moderierend und aufklärend profilieren“, meint Kühl (2004: 8). Dabei wird der Soziologie im Gegensatz zu anderen und konkret gegenstandsbezogenen Disziplinen die Fähigkeit zur Fremdbeschreibung konstatiert. Im Gegensatz zur Selbstbeschreibung, bei der die „Operation der Beschreibung mit dem beschriebenen System zusammen“ fällt, ist die Soziologie damit in die Lage, „Konflikte zwischen Funktionssystemen zu beschreiben“, ohne sich selbst dabei einem Funktionssystem zuordnen zu lassen.[48] Das macht die Soziologie zur gesamtgesellschaftlichen „Reflexionstheorie“ und begründet ihre Bezeichnung als eine „Partei der Aufklärung“, wie Adorno sie nannte.[49]

Die Werkzeuge dieser Beschreibungen, die der Soziologie gleichzeitig die Distanz ermöglichen, sind die Theorien. Die Soziologie als „Perspektivenwissenschaft [...] stellt ein Repertoire von erprobten Sichtweisen und Theorien zur Verfügung.“[50] Dabei muss sich die Theorie „von der Praxis entfernen, um die Probleme behandeln zu können, die sich in der Praxis selbst nicht behandeln lassen.“[51] Theorie als durch Denken gewonnenes Wissen drückt sich aus als ein „System von Begriffen, Definitionen und Aussagen“, um „Erkenntnisse über einen Bereich von Sachverhalten zu ordnen, Tatbestände zu erklären und vorherzusagen.“[52] Damit dient die Theorie als „ein logischer Zugang zur Welt“ dazu, die Wirklichkeit als soziale Konstruktion zu beobachten und ermöglicht so erst das Erkennen von Problemen durch Reflexion auf ein systematisiertes Modell.[53] Zwar kann die Theorie die Probleme nicht lösen; sie kann aber je nach Blickwinkel den Fokus auf die Bruchstellen und die neuralgischen Punkte gesellschaftlicher Problemfelder richten und entsprechende Handlungsempfehlungen formulieren und Lösungswege vorschlagen, um das Bewusstsein über die Probleme zu schärfen.

So ist auch die differenzierungstheoretische Perspektive, die in dieser Studie fruchtbar gemacht werden soll, um die Rolle von Organisationen im Zusammenhang mit den Problemen der Integration von Politikfeldern in und für die europäische Politik zu diskutieren, nach Schimank (2000: 17), „ein Werkzeug soziologischer Gesellschaftsforschung.“ Zur Beschreibung der Rolle von Organisationen für gesellschaftliche Kommunikationsprozesse wird sie hier insbesondere durch den Luhmannschen Strukturbegriff der „Kopplung“ sowie den Organisationstyp der „intersystemischen Organisation“ vertieft. Für die themenpolitische Analyse liegt der differenzierungstheoretische Schwerpunkt auf der Theorie der ökologischen Kommunikation von Niklas Luhmann als Anwendung seiner Theorie der sozialen Systeme auf ökologische Fragestellungen.

Dabei lenkt die differenzierungstheoretische Perspektive das Interesse auf die Möglichkeiten gesellschaftlicher Kommunikationen, deren Qualität sich mit Blick auf das Ganze nicht in, sondern zwischen den Teilsystemen entscheidet. Angewandt auf die Problemfelder der Studie bedeutet dies, dass im gesellschaftlichen Machtgefüge die Peripherie und nicht das Zentrum eine „herausragende Rolle“ spielt.[54] Die von Klaus Lang 2002 als politischem Planungschef der IG-Metall zur Beschreibung des Verhältnisses zwischen Gewerkschaften und der SPD formulierte These, dass die „Politik der Mitte“ nicht rot, sondern „blutleer“ sei, gewinnt so, differenzierungstheoretisch interpretiert, eine neue Bedeutung.[55] Die blutleere Mitte wird zur Metapher einer funktional-differenzierten Gesellschaft „ohne Spitze und ohne Zentrum“, wie sie Luhmann (1981: 22) beschreibt, in deren Konsequenz seine umstrittenen Thesen zur Funktion des politischen Systems und der damit verbundenen Unmöglichkeit staatlicher Steuerungs- und Gestaltungsoptionen in der modernen Gesellschaft zu verstehen sind.

Im Rahmen der Studie kommt die Theorie aber nicht nur zur Anwendung, um Beschreibungen kommunikativ bedingter gesellschaftlicher Problemfelder zu ermöglichen und aus dieser Erkenntnis heraus möglicherweise Handlungsempfehlungen zu formulieren. Zentrale Begrifflichkeiten wie Zivilgesellschaft, Nicht-Regierungs-Organisationen und Nachhaltigkeit sind keineswegs eindeutig definiert und auch hinsichtlich der differenzierungstheoretischen Perspektiven besteht mitnichten immer Einigkeit über die Konsistenz der Erklärungsmodelle. Daher können die Arbeitsergebnisse der Studie auch selbst zur Theoriebildung beitragen. Insbesondere die systematische Aufarbeitung der Theorie der Zwischengewalten in ihrer historischen Dimension und die Erarbeitung des Forschungsstandes der in dieser Tradition stehenden Konzepte der intermediären Instanzen und ihrer Verwendung in der Soziologie der Gegenwart bieten für die Reflexion der Funktion und Legitimation von Nicht-Regierungs-Organisationen fruchtbare Perspektiven. Auch die Analyse der durch zivilgesellschaftliche Organisationen auf europäischer Ebene entstehenden Kommunikationssysteme können hinsichtlich der gesellschaftlichen Rolle von Organisationen insbesondere die system- und steuerungstheoretische Debatte nach der „autopoietischen Wende“ Luhmanns (vgl.: Brodocz, 2003: 81) befruchten.

Neben der zentralen differenzierungstheoretischen Perspektive werden im Hinblick auf thematische Schwerpunkte in den einzelnen Kapiteln einschlägige Theoriestücke verwandt, um die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zu spiegeln. Damit die Theorie ihren Nutzen erbringen kann und die Wirklichkeit als soziale Konstruktion zu beobachten ist, aber auch um die gesellschaftlichen Problemfelder zu identifizieren und bestenfalls Impulse zu deren Lösung zu ermöglichen, sowie um der Soziologie zu ihrer moderierenden und aufklärenden Funktion zu verhelfen, muss das Wissen über die Welt selbst verlässlich sein und erfordert daher seine methodisch kontrollierte Gewinnung. Im Rahmen dieser Untersuchung sind dafür verschiedene Methoden der empirischen Sozialforschung miteinander kombiniert worden.

Der Zugang zum Forschungsfeld erfolgte durch die Sichtung und Auswertung von offiziellen Dokumenten der EU-Organe Kommission, Rat, Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) und Ausschuss der Regionen (AdR). Relevanzkriterium war zunächst der Bezug zum Reformprozess „Europäisches Regieren“, den die Kommission im Jahr 2001 mit ihrem gleichnamigen Weißbuch eingeleitet hat. Zentrale Bezugspunkte waren die Forderungen der Kommission nach mehr Demokratie, Transparenz und Effizienz. Um den Prozess der Reform und die eingeleiteten Reformmaßnahmen zu untersuchen, wurden im Verlauf weitere Papiere der EU-Organe interessant. Hier waren die beiden Kriterien der Auswahl zunächst begründet durch die Notwendigkeit, den historischen Kontext der Reformen aufzuarbeiten und sich dann den konkreten Maßnahmen insbesondere zur Integration der Zivilgesellschaft durch elektronisch gestützte Plattformen zu widmen. Zeitgeschichtlich ist das Quellenstudium im Wesentlichen begrenzt auf die Jahre der Amtszeit der „Prodi-Kommission“ von 1999 – 2004. Zur Darstellung des historischen Kontextes wird aber auch auf wichtige und weiter zurückliegende Schriften zurückgegriffen. Dies betrifft in der Regel Dokumente, Vertragswerke und Entscheidungen zu institutionellen Arrangements. Im Rahmen des Quellenstudiums wurden insbesondere die Ursachen, Maßnahmen und Ziele der Reformen exemplarisch herausgearbeitet. So konnten die inhaltlichen Forderungen der ausgewählten europäischen Institutionen und ihre Vorschläge für die Umsetzung der Reformen in Bezug gesetzt werden zu den veränderten Partizipationsmöglichkeiten, die sich in Form von Ansprüchen oder institutionellen Innovationen in der Folge der Reformen niedergeschlagen haben. Dasselbe Verfahren wurde angewendet, um den Stellenwert und die historische Dimension des themenpolitischen Schwerpunktes nachhaltige Entwicklung im europäischen Kontext aufzuarbeiten. Weiterhin wurden Dokumente insbesondere des Konventssekretariats im Rahmen des Verfassungsprozesses gesichtet und in den Kontext der Untersuchung eingearbeitet.

Eine konzentrierte Beschäftigung mit Fragen nach zivilgesellschaftlichem Engagement auf europäischer Ebene erfolgt dann als Fallbeispiel durch eine Untersuchung des Forums für die organisierte Zivilgesellschaft als zentralem Gegenstand der empirischen Untersuchung mittels einer Akteursanalyse. Das Forum wurde im Rahmen der Verhandlungen zur europäischen Verfassung eingerichtet und stand von Februar 2002 bis Juli 2003 allen zivilgesellschaftlichen Organisationen offen. Das Forum als Anwendungsfeld der Akteursanalyse wird vor dem Hintergrund der Reformbemühungen „Europäisches Regieren“ analysiert, wo ausdrücklich eine verbesserte Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft an politischen Prozessen gefordert und angestrebt wird. Die Förderung der Teilhabe, hier: der organisierten Zivilgesellschaft, sollte die Akzeptanz und Legitimität des europäischen politischen Systems fördern und angewendet auf die Gestaltung und Ausarbeitung einer europäischen Verfassung einen partizipativen Prozess gewährleisten. Dabei ist vor dem Hintergrund zivilgesellschaftlichen Engagements in Europa zunächst von Interesse, wer sich beteiligt hat, welchen gesellschaftspolitischen Betätigungsfeldern diese Gruppen zuzuordnen sind und welcher Ländergruppe sie angehören. Hier ist auch von Bedeutung, welche Politikbereiche der Konvent selbst als wichtige Felder zivilgesellschaftlicher Beteiligung angesehen hat, was u. a. anhand der eingerichteten „Kontaktgruppen“ beurteilt werden kann. Die durchgeführte Akteursanalyse dient zunächst der Identifikation von zivilgesellschaftlich organisierten Akteuren durch ihre Charakterisierung hinsichtlich einer Zuordnung zu Betätigungsfeldern und der Zugehörigkeit zu Ländergruppen. Anschließend werden entsprechend der Operationalisierungskriterien und der vorgefundenen Ergebnisse die Vernetzungsstrukturen der Akteure betrachtet.

Untersuchungsgegenstand der Inhaltsanalyse sind die Beiträge in der mit Abstand umfangreichsten Rubrik 1 des Konventsforum „Sonstige, NRO, Zivilgesellschaft und Bewegungen“, um die Themen der Bezüge zum Nachhaltigkeitsthema zu identifizieren. Im Hinblick auf den themenpolitischen Schwerpunkt nachhaltige Entwicklung werden dann erneut die Fragen nach Akteurskonstellationen, Vernetzungsstrukturen und Ländergruppenzugehörigkeiten beantwortet. Anschließend werden die Nachhaltigkeitsbezüge entsprechend der vorgefundenen Häufigkeit zu „Themenclustern“ zusammengefasst und geordnet.

Als viertem Baustein der empirischen Fundierung der Studie wurden mit Vertretern aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik leitfadengestützte und problemzentrierte Interviews durchgeführt. Die Auswahl der InterviewpartnerInnen erfolgte aufgrund ihres Expertenwissens in Bezug auf den europäischen Nachhaltigkeitsdiskurs sowie hinsichtlich ihrer Kenntnisse des Verfassungsprozesses. Die Befragung orientierte sich vor dem Hintergrund der Leitfragen der Studie an den Positionen, Zielen und Handlungsstrategien der befragten Personen und ihrer Organisationen und diente sowohl der Rekonstruktion des Verfassungsprozesses als auch der Bestimmung von Rolle und Funktion der jeweiligen Organisation und ihrer Beziehungen zum politisch-administrativen System der EU.

Die leitfadenorientierten Interviews vertiefen vor allem Fragen der Diskursqualität und Verbindlichkeitswirkung zivilgesellschaftlichen Engagements vor dem Hintergrund der Relevanz des nationalen wie europäischen Kontextes. Die Interviews dienen zum einen der Überprüfung der Arbeitshypothesen und zum anderen der Stabilisierung der durch die Auswertung des Konventsforums gewonnenen Erkenntnisse und fließen in die Kapitel 6 bis 10 dieser Arbeit ein.

Zusammenfassend ergibt sich die empirische Basis dieser Studie damit aus vier Bausteinen:

1. Kriteriengeleitetes Quellenstudium offizieller EU-Papiere als Grundlage für die weitere Untersuchung;
2. Akteursanalyse des Konventsforums;
3. Inhaltsanalyse der Beiträge aus Rubrik 1 des Forums entsprechend dem Selektionskriterium „nachhaltige Entwicklung“;
4. Leitfadengestützte und problemzentrierte Interviews mit Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik hinsichtlich ihrer Expertise für den europäischen Nachhaltigkeitsdiskurs.

Stellvertretend für die der Studie zugrunde liegenden Leitfragen und eingebettet im Kontext von Theorie und empirischen Bausteinen kann der Konventsprozess somit auf folgende Themenschwerpunkte hin überprüft werden:

- Gründe, Initiativen und Maßnahmen institutioneller Veränderungen im politisch-administrativen System der EU;
- Beteiligung, Rolle und Einflusspotenziale zivilgesellschaftlicher Organisationen;
- Grad und Charakter der Vernetzung;
- Bedeutung von Wissen und Organisationsstrukturen;
- Bedeutung neuer Medien;
- Verschiebung von Machtverhältnissen;
- Funktion von Leitbildern als Symbolsysteme der Steuerung;
- Akteure und Themen nachhaltiger Gesellschaftspolitik.

Auf die Schilderung der Einzelheiten der Operationalisierung wird in diesem Abschnitt aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet. Die Details der Operationalisierung insbesondere für die Auswertung des Konventsforums mittels Akteurs- und Inhaltsanalyse finden sich jeweils zu Beginn der Kapitel 9 und 10 und stellen damit im jeweiligen Kontext den konkreten Problembezug zum Untersuchungsfeld her.

Dort finden sich dann auch die für die Untersuchung nötigen Arbeitsdefinitionen der Begriffe Akteure/ Akteursgruppen, Betätigungsfelder, Ländergruppen und die Informationen betreffend der Zuordnung der Akteure/ Akteursgruppen zu Ländergruppen sowie die Operationalisierungskriterien des Nachhaltigkeitsbegriffes für die Inhaltsanalyse.

Auch auf explizite Informationen zu den Interviews, zum Leitfaden und zu seiner Anwendung wurde im Rahmen dieser Einführung verzichtet. Ausführliche Informationen zu den Interviews sowie der Leitfaden finden sich in Anlage A.5.

3 Theoriebausteine: Pouvoirs Intermédiaires – Vermittler intersystemischer Kommunikation

„Damit man die Macht nicht missbrauchen kann, müssen die Dinge so geordnet werden, daß die Macht die Macht aufhält“[56]

Montesquieu (1748)

Die modernen Begriffe der „intermediären Organisation“ und im Kontext dieser Studie die gesellschaftspolitisch wirkenden „intermediären Kräfte“ stehen im Wesentlichen in der Tradition der auf Montesquieu (1689–1755) zurückgehenden „Theorie der Zwischengewalten“ als einem wesentlichen „Element seiner politischen Philosophie.“[57] So greift etwa Kaufmann (1987: 9) für die Beschreibung von sozialpolitisch tätigen Akteuren im „Spannungsfeld von Staat und Gesellschaft“ den Ausdruck der „corps intermédiaires“ auf, einem „älteren Begriff“, auf den die Bezeichnung von Akteuren als „intermediäre Instanzen“ zurückgehe.[58] Berger (1996: 460) hebt die Bedeutung intermediärer Instanzen für die Demokratie hervor und verweist diesbezüglich auf die Theorietradition frühmoderner Gesellschaften, die begründet u. a. auf John Locke (1632–1704) und Edmund Burke (1729–1797) als Theoretiker des englischen Liberalismus sowie auf den frühen französischen Amerika-Analytiker Alexis de Tocqueville (1805–1859) zurück gehen.[59]

Um dem soziologischen Interesse der Gegenwart und insbesondere im Rahmen dieser Studie Rechnung zu tragen, erfolgt zunächst eine Aufarbeitung der historisch-theoretischen Genese der Begriffe. Damit verknüpft ist das Verständnis von „intermediären Gewalten“ als einem wichtigen Bestandteil der gesellschaftstheoretischen Fundierung der Arbeit, da hier die Fragen staatlicher Gewaltenkontrolle und gesellschaftlicher Machtbalance einen ihrer Ursprünge für das moderne Demokratieverständnis finden. Die Geschichte „intermediärer Gewalten“ und ihre heutige Bedeutung für die Soziologie kann dabei bis zur Zeit der okzidentalen Städteblüte im Hochmittelalter zurückverfolgt werden. Für das historische Verständnis gewinnen vor allem die Theorien der klassischen Staatsrechtslehre sowie der Soziologie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und ihre Reflexion in der Literatur der Gegenwart an Bedeutung.

Um die Konsequenzen der von den Klassikern eingeführten theoretischen Analysen für heutige Gesellschaften unter dem Primat der funktionalen Differenzierung als zentralem Kriterium ihrer Modernität zu hinterfragen, wird dann die Operationsform gesellschaftlicher Teilsysteme problematisiert. Im Gegensatz etwa zu einem Klassiker wie Durkheim, der funktionale Differenzierung noch auf Fragen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung beschränkte,[60] werden mit der modernen Systemtheorie vielmehr die Fragen nach „der Ausbildung eigenständiger und eigensinniger Kommunikationsmedien“ interessant, die nicht nur „als Spezialsprachen und als Kommunikationsverstärker die Ausbildung einer multilingualen Kommunikationsgesellschaft“ vorantreiben, sondern es erleichtern,

„bereichsspezifische Kommunikationen immer stärker auf leicht anschließbare bereichsspezifische Kommunikationen auszurichten, bis schließlich am Ende einer langen Entwicklung zunehmender Autonomie selbstreferentielle Kommunikationen zum Normalfall werden und genau darin die operative Schließung gesellschaftlicher Funktionssysteme sich durchsetzt.“ Willke (1999: 145)

Den Bezugsrahmen zu Fragen nach Operationsformen moderner Gesellschaften setzt dabei die Systemtheorie Niklas Luhmanns, um Kommunikations- und Integrationsprobleme bei funktionaler Differenzierung zu diskutieren. Hier ist insbesondere die Debatte über das Verhältnis von Organisationen und Gesellschaft bzw. von Organisationen und den gesellschaftlichen Teilsystemen von Bedeutung. Fragen nach zivilgesellschaftlichem Einflusspotenzial können so verknüpft werden mit den Theorieperspektiven intersystemischer Kommunikationen durch interorganisationale Netzwerke. Dabei gilt das Interesse nicht nur den Möglichkeiten der Beeinflussung gesellschaftlicher Abläufe durch die Politik, sondern vielmehr den Fragen nach der Beeinflussung politischer Abläufe durch die Organisationen der Zivilgesellschaft. Diesbezügliche Chancen und Potenziale bilden die Grundlage für Konzepte zur Analyse von Prozessen gesellschaftlicher Selbststeuerung und weisen auf Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Organisationen des intermediären Bereichs unter veränderten Umweltbedingungen.

3.1 Exkurs: Kommunebewegung und „nichtlegitime Herrschaft“ – Max Weber

Lepsius (1990) führt uns mit Max Weber auf die Spuren der Differenzierung institutioneller Ordnung zurück bis ins Hochmittelalter. Grundlegend neu war zu dieser Zeit die „Ausformung der okzidentalen Stadt“ zu einem „eigenständigem Herrschafts- und Sozialgebilde innerhalb der patrimonialen und feudalen Gesellschaftsordnung.“

„Die entscheidenden Elemente der damit einsetzenden institutionellen Differenzierung sind die Schaffung eines Herrschaftsverbandes kraft Satzung durch die Verbandsgenossen (Autonomie) nicht kraft Eigenrecht des Herrschers, die formale Gleichheit der Verbandsgenossen (Verbrüderung zwischen Familiengruppen) und ihre Teilhabe an der Verwaltung der Herrschaftsbeziehungen (Autokephalie).“

Lepsius (1990: 54)

Damit trat „eine strukturelle Heterogenität der politischen und sozialen Ordnung ein, die auf gegensätzlichen Ordnungsprinzipien mit prinzipieller Ranggleichheit beruht.“ So etablierte sich neben dem patrimonialen und feudalen „Ordnungsmodell [...] das republikanische und demokratische Ordnungsmodell.“ Daher sei die okzidentale Stadt „zunächst „nichtlegitime Herrschaft“, insofern sie den Legitimationsprinzipien der sie umgebenden Herrschaftsprinzipien widerspricht.“[61]

Das Wachstum und die Entstehung der Städte im Hochmittelalter waren maßgeblich gekennzeichnet durch zentrale Neuerungen der städtischen Selbstorganisation und durch neue, vor allem ökonomisch bedingte Elemente der Stadtfunktion. Insbesondere die Entstehung der Kommunebewegung als Ausdruck des städtischen Freiheitswillens markiert einen Paradigmenwechsel in der „stark herrschaftlich geprägten Gesellschaft“ des Mittelalters hin zu „einem neuen Verständnis von persönlicher Freiheit und politischer Mit- bzw. Selbstbestimmung“.[62] In Italien mit der Mailänder „Pataria“ in der Mitte des 11. Jahrhunderts beginnend, ist die räumliche Verbreitung der „abendländischen Kommune“ zunächst in Westeuropa zu beobachten. Von der lombardischen über die nordfranzösische Städtegruppe erreichte sie die rheinischen Bischofsstädte und schließlich die Städteregion in Flandern und die Städte in England „mit London an der Spitze.“[63] Die berühmte Magna Charta Libertatum (1215) markiert einen Höhepunkt der okzidentalen Kommunebewegung im Hochmittelalter. Hier sind u. a. die politischen Freiheiten des Adels gegenüber dem englischen König verbrieft, welche damit verbindlichen Charakter gewannen. Die Kommunebildung unterstützte Prozesse, die den Gedanken der Repräsentation durch Wahl in die feudale Welt einführten. Sie war Ausdruck der Beteiligung der Stände am Stadtregiment, führte zur Ausbildung des Prinzips der Gleichheit und schaffte die Grundlage für Rechtssicherheit qua Konstitution. Mit der hochmittelalterlichen Kommunebewegung wird der Übergang von der legitimen Herrschaft traditionalen Charakters (gebunden an Tradition und Person) auf die legitime Herrschaft rationalen Charakters (gebunden an Satzung und unpersönliche Ordnung) eingeleitet, die „auf dem Glauben an die Legalität gesatzter Ordnungen und des Anweisungsrechts der durch sie zur Ausübung der Herrschaft Berufenen ruhen.“[64]

Max Weber analysiert in seiner „Typologie der Städte“ „die nichtlegitime Herschafft“ durch die Entstehung des mittelalterlichen Stadtverbandes als Übergangsphase:

„Bei originärer Entstehung war der Bürgerverband das Ergebnis einer politischen Vergesellschaftung der Bürger trotz und gegen die „legitimen“ Gewalten, richtiger: das Ergebnis einer ganzen Serie von solchen Vorgängen. Die formalrechtlich entscheidende Bestätigung dieses Zustandes durch die legitimen Gewalten trat dann später – übrigens nicht einmal immer – hinzu.“ Weber (1921 / 1980: 749)

Zwar kennt „das Mittelalter [...] die Gewaltenteilung nur als Konkurrenz subjektiver Rechte (Privilegien oder feudaler Ansprüche) und daher keine gesonderte Behandlung eines Staatsrechts.“[65] Dennoch wurden hier die Grundlagen geschaffen für den Übergang von feudaler zu konstitutiver Gewaltenteilung. Zwar „nicht in der Form eines Paktierens zwischen dem Herrn und den Beherrschten [...],“ aber „in der ganz wesentlich anderen eines Vertrages zwischen dem Herrn und den Trägern der von ihm abgeleiteten Gewalt.“[66]

„Der Feudalismus bedeutet eine „Gewaltenteilung“. Nur nicht, wie diejenige Montesquieus, eine arbeitsteilig-qualitative, sondern eine einfach quantitative Teilung der Herrenmacht. Der zum Konstitutionalismus leitende Gedanke des „Staatsvertrages“ als der Grundlage der politischen Machtverteilung ist in gewissem Sinn primitiv vorgebildet.“ Weber (1921 / 1980: 634)

Die moderne, spezifizierte Gewaltenteilung, begründet sich nicht auf bloße Kompetenzverteilung. Sie zeichnet sich vielmehr aus als „rationale, durch Satzung (Konstitution) gegründete Form der Gewaltenteilung“, die den Kompromiss der legalen Autoritäten als Mittel erfordert, damit zwischen den verschiedenen Inhabern, auf welche die „Herrengewalten“ verteilt sind, „Anordnungen legitim zustande kommen.“[67]

„Geschichtlich ist der Zustand in Europa aus der ständischen Gewaltenteilung entwickelt, theoretisch in England durch Montesquieu, dann Burke, begründet. Weiter rückwärts ist die Gewaltenteilung aus der Appropriation der Herrengewalten und Verwaltungsmittel an Privilegierte und aus den steigenden regulären ökonomisch-sozial bedingten (Verwaltungs-) und irregulären (vor allem durch Krieg bedingten) Finanzbedürfnissen erwachsen, denen der Herr ohne Zustimmung der Privilegierten nicht abhelfen konnte.“ Weber (1921 / 1980: 166)

3.2 Die Theorie der Zwischengewalten – Charles de Montesquieu

Das freiheitliche Staatsmodell von Montesquieu, der bis heute als einflussreichster Vordenker der politischen Ordnungskonzeption der Gewaltenteilung gilt[68], weist in seinem Kern weniger auf die strikte Teilung der Gewalten im Sinne einer Trennung, sondern ist vielmehr als ein System der Balance zur gegenseitigen „Kontrolle, Hemmung und Bindung“ zu verstehen; d. h. als „eine im Wege der Ausgleichung erzielte Einheit.“[69] „Freiheit und Gleichgewicht stehen bei Montesquieu und Burke in einem engen Zusammenhang. Ohne „Balance“ kann es keine Freiheit geben.“[70] Dabei ist die Machtteilung

„kein ausschliessliches Merkmal des freiheitlichen Staatsmodells. Alle gemässigten Staatsformen sind machtteilig. Freiheitlich ist ein gemässigter Staat erst dann, wenn die Staatsmacht in bezug auf alle drei Gewalten geteilt ist und wenn alle gesellschaftlichen Kräfte an ihr beteiligt sind.“ Riklin (1988: 38)[71]

Um die Freiheit des Einzelnen zu sichern, wurden der öffentlichen Gewalt durch die Bindung an allgemeine und nachprüfbare Gesetze in Form einer Konstitution Schranken gesetzt. In dieser Tradition stehen die heutige Garantie der Grundrechte durch die Verfassung, die unabhängige richterliche Gewalt und der Rechtswegeanspruch der Bürger.[72] So bedeutet politische Freiheit zunächst einmal Rechtssicherheit für die Bürger. „Was Freiheit ist“ formulierte Montesquieu wie folgt:

„Freiheit ist das Recht, alles zu tun, was die Gesetze erlauben. Wenn ein Bürger tun könnte, was die Gesetze verbieten, so hätte er keine Freiheit mehr, weil die anderen ebenfalls diese Macht hätten.“

Montesquieu (1748 / 1951: GdG 1, XI, 3, S. 212 f.)[73]

Montesquieus freiheitliches Staatsmodell mit dem Konzept der Gewaltenteilung und Gewaltenverschränkung „erfüllt alle Wesensmerkmale einer Mischverfassung.“[74] Das bedeutet eine institutionelle Mischung aus monarchischen, aristokratischen und demokratischen Elementen, wobei „das monokratische Element“ den König, „das oligokratische Element“ das Parlament und „das demokratische Element“ das Wahlvolk bezeichnet.[75] „Und das Ganze ist durchdrungen von den vorgegebenen sozialen Kräften.“[76] Vor dem Hintergrund der despotischen Erscheinungen des Absolutismus im Frankreich des 18 Jahrhunderts war Montesquieu davon überzeugt, dass es ohne „pouvoirs intermédiaires“ kein politisches Gleichgewicht geben könne. Diese Zwischengewalten als Adel, Klerus und Parlament sollten die „Wächter und Interpreten der Gesetze“ sein.[77] Die „pouvoirs intermédiaires“, die Zwischengewalten, sind nach Montesquieu ein notwendiges Merkmal der monarchischen Regierungsform,

„in welcher ein einzelner nach Grundgesetzen regiert. [...] Diese Grundgesetze erfordern mit Notwendigkeit verbindende Kanäle, durch welche die Macht fließen kann; denn wenn in einem Staat nur der von Augenblickslaunen diktierte Wille eines einzelnen gilt, so kann es keine feste Regel und daher auch kein Grundgesetz geben.“

Montesquieu 1748 / 1951 (GdG 1, II, 4, S. 28)

Als natürlichste Zwischengewalt gilt für Montesquieu der Adel, der „gewissermaßen zum Wesen der Monarchie“ gehöre, „deren Hauptgrundsatz“ laute: „Ohne Monarch kein Adel, ohne Adel kein Monarch. Sonst hätte man einen Despoten.“[78] Im Verlauf von Kapitel 4 in Buch II („Von den die Natur der monarchischen Regierung betreffenden Gesetzen“) seines Werkes „De l’Esprit des Lois“ (Vom Geist der Gesetze) werden im Zusammenhang mit der Aufhebung von „Herrenrechten“ „in einigen Staaten Europas“ und insbesondere in England weitere Zwischengewalten identifiziert. Dazu zählen die „Geistlichkeit“, die „Städte“[79], die „Patrimonialgerichtsbarkeit“, „politische Körperschaften“ und „die Stände als Mittler“.[80]

„Es genügt nicht, daß in einer Monarchie Stände als Mittelglieder vorhanden sind, sondern es muß auch ein sicherer Hort für die Gesetze da sein. Dieser Hort kann nur in den politischen Körperschaften liegen, welche die erlassenen Gesetze verkünden und in Vergessen geratene wieder in Erinnerung rufen. Die dem Adel eigene Unwissenheit, seine Gleichgültigkeit und seine Mißachtung gegenüber der bürgerlichen Verwaltung erfordern eine Körperschaft, die unaufhörlich die Gesetze aus dem Staube, darin sie vergraben werden, wieder hervorholt. Der Rat des Fürsten ist kein geeigneter Hüter der Gesetze denn er ist seinem Wesen nach das Werkzeug des augenblicklichen Willens des Fürsten, der die vollziehende Gewalt ausübt, und nicht der Hüter der Grundgesetze. Außerdem wechselt der Rat des Monarchen beständig, er hat keine Dauer und kann nicht zahlreich sein; er besitzt auch nicht in genügendem Maß das Vertrauen des Volkes. Daher ist er nicht imstande, in schweren Zeiten das Volk aufzuklären oder zum Gehorsam zurückzuführen.“

Montesquieu 1748 / 1951 (GdG 1, II, 4, S. 30 f.)

Die Theorie der Zwischengewalten kommt in Montesquieus „De l’Esprit des Lois“ viermal vor. Erstens „in der berühmten Typologie der Regierungsformen bei der Definition der Monarchie“ und in diesem Rahmen, zum Zweiten, „im Zusammenhang mit dem Freiheitsbegriff.“[81] Zum Dritten im Zusammenhang mit der Gesetzgebung und diesbezüglich „der Vortrefflichkeit der monarchischen Regierung“[82] sowie viertens bei einem Vergleich monarchischer und despotischer Gerichtsbarkeit:

„In den despotischen Staaten kann der Fürst selbst richten, in den Monarchien dagegen nicht, denn sonst wäre die Verfassung zerstört und die vermittelnden Gewalten ausgeschaltet; man würde das Aufhören aller Förmlichkeiten der Rechtsprechung erleben und Furcht würde sich der Herzen aller bemächtigen; man würde bleichen Schrecken auf allen Gesichtern lesen, und es würde kein Vertrauen, keine Ehre, keine Liebe, keine Sicherheit und keine Monarchie mehr geben.“

Montesquieu (1748 / 1951: GdG I, VI, 5, S. 112 f.)

Auch der aufgrund seiner Nähe zu den Nationalsozialisten umstrittene Staatsrechtler Carl Schmitt hat sich in seiner Schrift „Die Diktatur“ den „intermediären Gewalten“ gewidmet. Im Hinblick auf die ständische Tradition und die frühe theoretische „Formulierung des Widerstandes“ durch intermediäre Gewalten „gegen Zentralismus und Absolutismus“[83] geht Schmitt (1921 / 1928: 19 f.) zunächst zurück bis ins 16. Jahrhundert und benennt die Monarchomachen[84] „als die Verteidiger der bestehenden ständischen Rechte“, die „der absolutistischen Staatsraison mit rechtsstaatlichen Argumenten entgegen“ traten.[85] „Sie wollen, wie sie sagen, den machiavellistischen Geist bekämpfen.“[86] Neben Stephanus Junius Brutus, „der wohl der bedeutendste der Monarchomachen“ war,[87] und seiner 1579 in Edinburgh erschienenen Schrift „Vindiciae contra tyrannos“,[88] hebt Schmitt auch Charles de Montesquieu hervor.[89]

Hamacher (2001: 160), der das Verhältnis von Diktatur und intermediären Gewalten in der Lehre Schmitts problematisiert, billigt ihm zu, er zeige in seiner Schrift „Die Diktatur“ „durchaus unterschwellig Sympathie für das politisch-staatsrechtliche Konzept der intermediären Gewalten“ und bemerkt seine „Antipathie gegen das Konzept einer Eliminierung der intermediären Gewalten bei Voltaire und den Physiokraten“.[90] Schmitt (1928 / 1978: 104) ist der Ansicht, dass Montesquieu in seinem „Kampf gegen die Übermacht des königlichen Absolutismus [...] noch in der ständischen Tradition“ stehe. Er habe „der über alle staatlichen Mittel verfügenden Macht des Königs, der mit einem Griff die ganze Maschine des Staates bedienen kann [...] die intermediären Gewalten entgegen“ gesetzt.

„Despotismus bedeutet bei Montesquieu und in der ganzen von ihm beeinflussten Literatur die Aufhebung der richtigen »balance«. In gewisser Hinsicht wäre es aber noch besser, statt von einer Balancierung der Gewalten von einer »Mediierung« der plenitudo potestatis zu sprechen. Die staatliche Allgewalt soll niemals in ihrer ganzen effektiven Machtfülle an einem beliebigen Punkte eingreifen können, sondern immer nur vermittelt, intermediiert, durch ein zuständiges Organ mit festen Kompetenzen, ein pouvoir borné, das neben anderen ebenfalls vermittelnden Gewalten eine nicht beliebig aufzuhebende Kompetenz hat. Auch die höchsten Gewalten, Legislative und Exekutive, sollen sich in ihrer Macht gegenseitig beschränken. Der Erfolg ist, daß die bürgerliche Freiheit vor der in einem Netz begrenzter Kompetenzen festgehaltenen Allmacht des Staates geschützt ist.“ Schmitt (1928 / 1978: 105)

Ist dies nicht der Fall, so komme es zu der „Vernichtung der bürgerlichen Freiheit.“[91]

3.3 Zwischengewalten und despotische Demokratie – Alexis de Tocqueville

Der französische Aristokrat und frühe Amerika-Analytiker Alexis de Tocqueville (1805-1859) hat knapp 100 Jahre nach Montesquieu – nun nicht am Beispiel Englands, sondern am Beispiel der USA – die sich auf vielfältige intermediäre Kräfte stützende bürgerschaftliche Mitverantwortung in den Vereinigten Staaten des frühen 19. Jahrhunderts analysiert. In seinem Werk „Über die Demokratie in Amerika“ („De la démocratie en Amérique“; Band 1: 1835; Band 2: 1840) überträgt er die Theorie der Zwischengewalten von Montesquieu auf das demokratische System der USA. Er beschreibt die Notwendigkeit von „pouvoirs intermédiaires“ als Sicherungsstrukturen gegenüber einem „demokratischen Despotismus“ und erweitert damit Montesquieus monarchiezentrierte Theorie.[92] Tocqueville, den John Stuart Mill „als ersten Theoretiker der modernen Repräsentativverfassung“ rühmte und der von Pierre Paul Royer-Collard als „Montesquieu des 19. Jahrhunderts“ geadelte wurde,[93] war ein einflussreicher Vordenker hinsichtlich des Prinzips zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation und ihrer Bedeutung als kollektive Kontrollinstanz gegenüber staatlicher Macht.

Tocquevilles Erfahrungen mit der Volksherrschaft waren geprägt von den Entwicklungen der französischen Revolution in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts, der Schreckensherrschaft unter Robespierre, der Konzentration der Macht auf den vom französischen Nationalkonvent eingerichteten Wohlfahrtsausschuss und die damit einhergehende Entstehung eines dirigistisch-radikaldemokratischen Staatswesens. Das Ausschalten der Zwischengewalten und die Entmachtung des Adels im Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts schien Montesquieus Auffassung hinsichtlich der Notwendigkeit intermediärer Gewalten zur Gewährung politischer Freiheit und damit auch die Regierungsform der Monarchie zu bestätigen.

„Ich sagte, daß in den demokratischen Völkern die Regierung dem menschlichen Geist naturgemäß nur in der Gestalt einer einzigen und zentralen Gewalt entgegentritt und daß die Zwischengewalten ihm nicht vertraut sind. Das trifft namentlich für die demokratischen Nationen zu, die gesehen haben, wie der Grundsatz der Gleichheit mit Hilfe einer gewaltsamen Revolution siegte.“

Tocqueville (1840 / 1962: DA II, 4, IV, S. 322)[94]

In den Vereinigten Staaten von Amerika jedoch erlebte Tocqueville ein aufgrund seiner Genese völlig anders konstituiertes demokratisches Gemeinwesen, dessen nachdrückliche Wirkung auf ihn gleich im ersten Satz der Einleitung seiner Schrift „Über die Demokratie in Amerika“ dokumentiert ist:

„Unter den neuen Erscheinungen, die während meines Aufenthalts in den Vereinigten Staaten meine Aufmerksamkeit erregten, hat keine meinen Blick stärker gefesselt als die Gleichheit der gesellschaftlichen Bedingungen.“

Tocqueville (1835 / 1959: DA I, Einleitung, S. 5)

Diese Beschreibung der Gleichheit gesellschaftlicher Bedingungen gründet in seiner politischen Dimension auf dem Anspruch der Bürger auf gleiches Recht. Tocqueville verbindet die Gleichheit, die über die Qualität der Bedingungen allerdings alleine nichts auszusagen vermag und auch als Unterwerfung aller als Merkmal in einer Despotie zu beobachten wäre, mit dem politischen Wert der Freiheit. „Das heißt, daß die politische Gleichheit nur dann sinnvoll ist, wenn sie gleiche Freiheit im Staat für alle bedeutet.“[95] Feldhoff (1968: 72) sieht im Spannungsverhältnis zwischen Gleichheit und Freiheit in der Demokratie und der konkreten „Frage nach Gefährdungen und Spielräumen freiheitlichen politischen Verhaltens“ den „Schlüssel der Tocquevilleschen Untersuchung.“

Der von Tocqueville „sowohl in der historischen wie in der systematischen Untersuchung“ nachgewiesene Zusammenhang, dass die Zentralisierung politischer Gewalt eine „unmittelbare Begleiterscheinung des demokratischen Prozesses“ ist, mündet in der Kritik gegenüber einer zentralen Verwaltungsorganisation als Herrschaftsmittel des Staates, die geneigt ist, alle Einzelheiten des sozialen Lebens zu regeln.[96] Tocqueville warnt vor dem „demokratischen Despotismus“ und vor einer „Verwaltungsdespotie“ als einer gewaltigen, bevormundenden Macht, die die Oberfläche der Gesellschaft „mit einem Netz verwickelter, äußerst genauer und einheitlicher kleiner Vorschriften“ bedeckt, „die die ursprünglichsten Geister und kräftigsten Seelen nicht zu durchbrechen vermögen“.[97] Um dennoch eine relative „Autonomie der Glieder eines politischen Systems gegenüber der zentralen Machtinstanz“ zu gewährleisten, betont er „das strukturelle Element“ der „mittelbaren Gewalten.“[98] Dabei überwindet er die Vorstellung von der Rolle der Aristokratie in der Monarchie und begreift „wohl, daß man heutzutage nicht zum gleichen Mittel greifen kann“.[99]

„In der Erkenntnis dessen, was ihm wirklich frommt, verstünde das Volk, daß man sich, um die Vorteile der Gesellschaft zu genießen, ihren Verpflichtungen unterziehen muß. Der freie Zusammenschluß der Bürger könnte dann die persönliche Macht des Adligen ersetzen, der Staat wäre vor Tyrannei und Willkür geschützt.“

Tocqueville (1835 / 1959: DA I, Einleitung, S. 11 f.)

Tocqueville nennt als demokratisches Verfahren zur Dezentralisierung von Verwaltungsbefugnissen deren Übertragung an mittelbare, „aus Bürgern vorübergehend gebildeten Körperschaften“.[100] Als solche Körperschaft gilt für Tocqueville zunächst die Gemeinde (la commune), die er nicht zufällig zuerst untersucht hat, wie er schreibt.[101] Die Gemeindeeinrichtungen als die Grundlage der öffentlichen Verwaltung

„sind für die Freiheit, was die Volksschulen für die Wissenschaften sind; sie machen sie dem Volke zugänglich; sie wecken in ihm den Geschmack an ihrem freiheitlichen Gebrauch und gewöhnen es daran. Ohne Gemeindeeinrichtungen kann sich ein Volk eine freie Regierung geben, aber den Geist der Freiheit besitzt es nicht.“

Tocqueville (1835 / 1959: DA I, 1, V, S. 68)

Die Gemeinde als intermediäre Instanz übernimmt die Funktion der zwischen den einfachen Bürgern und der Regierung vermittelnden Macht. Je mehr aber die Voraussetzungen für eine bürgerschaftliche Selbstorganisation abnehmen, desto wahrscheinlicher wird die Übertragung vermittelnder Macht durch größere Verwaltungseinheiten:

„Wie wir sahen, ist in Massachusetts die Gemeinde die Grundlage der öffentlichen Verwaltung. Die Gemeinde ist der Herd, der die Interessen und Neigungen der Menschen um sich versammelt. Das hört aber auf, je mehr man in die Staaten kommt, wo die Bildung nicht so allgemein verbreitet ist, und wo infolgedessen die Gemeinden weniger Gewähr für weise Entscheide und schlechtere Voraussetzungen für die Verwaltung bieten. In dem Grade, wie man sich von Neuengland entfernt, geht gewissermaßen das Gemeindeleben an die Grafschaft über. Die Grafschaft wird der große Verwaltungsmittelpunkt und bildet die zwischen der Regierung und den einfachen Bürgern vermittelnde Macht.“ Tocqueville (1835 / 1959: DA I, 1, V, S. 91)

Tocqueville bezeichnet die Gemeinde als eine Vereinigung (association), auf der die Gesellschaft aufbaue.[102] Neben den Gemeinden, Städten und Grafschaften gebe es noch eine Menge anderer Zusammenschlüsse, „die ihre Entstehung und Entwicklung nur dem Willen einzelner verdanken.“[103] Im Zusammenhang mit der Theorie der intermediären Gewalten ist bei Tocqueville sicher das Kapitel „Über den Politischen Verein in den Vereinigten Staaten“[104] von herausragender Bedeutung. Denn mit dem „Phänomen der britisch-amerikanischen Vereinsfreiheit berührt Tocqueville einen der entscheidensten Punkte seiner Analyse der amerikanischen Demokratie.“[105] Dabei ist die „freie Assoziation, wie sie sich etwa seit dem Ende des 17. Jahrhunderts“ in England „voll zu entfalten begann, nicht eine bloße Fortführung mittelalterlicher Genossenschaftsbildung.“ Entscheidende Merkmale sind die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft und der Zusammenschluss für einen selbst bestimmten und begrenzten Zweck. Zusammen mit „dem Recht der Gründung und Auflösung war“ die Assoziation „bereits Ausdruck der individualistischen Komponente moderner Gesellschaftsstruktur“[106] und markierte den Übergang von der „ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft“.[107]

„Die politischen Vereine[108] können [...] als große unentgeltliche Schulen angesehen werden, in denen sämtliche Bürger die allgemeine Lehre von der Vereinigung erlernen.“ Tocqueville (1840 / 1962: DA II, 2, VII, S. 134)

Freie Assoziationen auf der Gemeindeebene und die politischen Vereine sind somit die Grundlagen bürgerlicher Gesellschaft[109] und dienen als Schulen der Demokratie.[110] Sie sind der „Kern der Zivilgesellschaft mit demokratisierendem Potenzial“.[111] Sie haben als Vertreter von Partikularinteressen eine „überragende Bedeutung“ für das demokratische System insbesondere bei „drohender Totalitarismusgefahr“. Als autonome Organisationen im gesellschaftlichen Raum stehen sie „zwischen dem Staat und dem Individuum“ und bilden eine Gegenmacht zur drohenden „Verwaltungsdespotie“. Sie stärken den Föderalismus und dezentralisieren öffentliche Gewalt durch lokale Selbstverwaltung.[112]

„Wenn zu allen Zeiten die Bildung den Menschen eine Hilfe ist, um ihre Unabhängigkeit zu verteidigen, so trifft dies für die demokratischen Zeiten vor allem zu. Wenn alle Menschen sich ähnlich sind, ist es leicht, eine einzige und allmächtige Regierung zu errichten; die natürlichen Antriebe genügen. Die Menschen brauchen aber viel Verstand, Wissen und Können, um unter den gleichen Umständen mittelbare Gewalten zu schaffen und zu erhalten und angesichts der Unabhängigkeit und Schwäche der einzelnen Bürger freie Vereinigungen zu bilden, die imstande sind, ohne Zerstörung der Ordnung gegen die Tyrannei zu kämpfen.“

Tocqueville (1840 / 1962: DA II, 4, IV, S. 323)

Damit hebt Tocqueville die Bedeutung von Wissen als Machtmittel intermediärer gesellschaftlicher Kräfte hervor. Die Verbindung von Wissen und Macht wird im weiteren Verlauf der Studie auch mit dem Ziel der Analyse von politischen Vermittlungsleistungen durch NGOs unter verschiedenen theoretischen und politischen Aspekten diskutiert.

3.4 Zwischengewalten als moralische Instanz – Emile Durkheim

Auch der Soziologe Emile Durkheim steht in der Tradition älterer sozialphilosophischer Überlegungen „über den Schutz, den intermediäre gesellschaftliche Strukturen gegen Despotie gewähren.“[113] Seither sei „die Hoffnung der sozialwissenschaftlichen Theorie“, dass diese Strukturen einer „zunehmenden Desintegration und (moralischen) Desorientierung (Anomie) moderner Gesellschaften entgegenwirken“ würden.[114]

Nipperdey (1972: 23 ff.) beobachtet das Phänomen gleichzeitiger „Spezialisierung und Entpartikularisierung“ am Beispiel der deutschen Vereinsgeschichte im 19. Jahrhundert. Ebenso wie die Differenzierungsprozesse „ökonomisch-sozialer Interessen“ hat auch die „für die Entfaltung der bürgerlichen Welt“ charakteristische „Spezialisierung des Vereinswesens“ zugenommen und „seine Ausbreitung [...] begünstigt.“ Gleichzeitig weisen die Vereine Elemente auf, die „auf das Allgemeine des Lebens gerichtet“ einem wechselseitigen Austausch und der Orientierung seiner Mitglieder dienten. „Gesang, Bildung und Geselligkeit“ sind dabei die Merkmale der i. d. R. wenig spezialisierten und allgemein gerichteten frühen Vereine des späten 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts. Diese Elemente und „ein gewisses Maß an Universalität“ blieben den Vereinen „im Prozess der Spezialisierung“ erhalten. Sie drückten sich aus in der Form des Vereinslebens, das „die Verbindung von Engagement für einen Sachzweck mit allgemeiner Geselligkeit und politischen Zielsetzungen“ verband. Die Prozesse der Arbeitsteilung haben so gleichzeitig die Möglichkeiten des Einzelnen in der bürgerlichen Gesellschaft differenziert und erweitert.

„Wir können von der Spezialisierung und der Entpartikularisierung als zwei gegenläufigen Prozessen innerhalb der bürgerlichen und allgemein der modernen Gesellschaft sprechen. [...] Beide Prozesse spiegeln sich in der Entwicklung des Vereinswesens, beide Prozesse sind aber auch durch die Entwicklung des Vereinswesens mitbedingt, ja beschleunigt worden.“ Nipperdey (1972: 29)

Bei den Fragen gesellschaftlicher Differenzierung und Systembildung gewinnt die Arbeit von Emile Durkheim (1858–1917) „Über soziale Arbeitsteilung“ („De la division du travail social“, 1893) ihre Bedeutung. Durkheim, der seine erste Dissertation (1892) über Montesquieu geschrieben hat, analysiert anhand der Arbeitsteilung Fragen der System- und Sozialintegration. Dabei stellt er zwei zentrale Fragen an den Anfang seiner Analyse:

1. „Wie geht es zu, daß das Individuum, obgleich es immer autonomer wird, immer mehr von der Gesellschaft abhängt?“
2. „Wie kann es zu gleicher Zeit persönlicher und solidarischer sein?“.[115]

Durkheim beantwortete beide Fragen mit der Arbeitsteilung und einer damit verbundenen veränderten sozialen Solidarität. Dabei unterscheidet er in „mechanische“ und „organische Solidarität.“ In Gesellschaften mit einem starken Kollektivbewusstsein wird eine Solidarität erzeugt, die aus Ähnlichkeiten entsteht und „den Einzelnen direkt in die Gemeinschaft integriert.“[116] Im Gegensatz zu dieser mechanischen Solidarität entsteht in der modernen Gesellschaft die „organische Solidarität“ aus den funktionalen Unterschieden und „bindet den einzelnen indirekt an die Gesellschaft, indem sie ihn in seinen beruflichen Tätigkeitsbereich integriert.“[117] In der Folge der mit der Differenzierung einhergehenden Individualisierung der Gesellschaftsmitglieder steigt jedoch die Unwahrscheinlichkeit ihrer Integration „durch ein einheitliches Kollektivbewusstsein“. Gleichzeitig differenziert sich dasselbe aber in funktionsspezifische Wert- und Normkodizes aus, „die gleichwohl ihren moralischen Charakter behalten. [..] Der Funktionsdifferenzierung folgt also die Moraldifferenzierung auf dem Fuße.“[118] Durkheim sieht in der Arbeitsteilung „nicht nur den Wesenszug, mit dessen Hilfe wir Moralität definieren“, sondern er sieht sie auch als wesentliche „Bedingung der sozialen Solidarität“. Eine arbeitsteilige Gesellschaft lasse den Menschen

„jenen heilsamen Druck [...] spüren, der seinen Egoismus mäßigt und aus ihm ein moralisches Wesen macht. Eben hier besteht der moralische Wert der Arbeitsteilung. Durch sie wird sich der Mensch seiner Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft bewußt; ihr entstammen die Kräfte, die ihn zurückweisen und in Schranken halten. Mit einem Wort: Dadurch, daß die Arbeitsteilung zur Hauptquelle der sozialen Solidarität wird, wird sie gleichzeitig zur Basis der moralischen Ordnung.“

Durkheim (1930 / 1992: 471)

Gleichzeitig diagnostiziert Durkheim aber auch eine schwere moralische Krise in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, die er auf die tief greifenden strukturellen Veränderungen „innerhalb sehr kurzer Zeit“ zurückführt. Dabei haben sich in der Übergangsphase zur modernen Gesellschaft die strukturellen Bedingungen für eine neue moralische Ordnung noch nicht entsprechend ausgeprägt[119]

„um den Raum zu füllen, den die andere in unserem Bewußtsein hinterlassen hat. Unser Glaube ist erschüttert; die Tradition hat ihre Herrschaft eingebüßt; das individuelle Urteil hat sich vom Kollektivurteil gelöst. Andrerseits aber haben die Funktionen, die sich im Verlauf des Umschwungs voneinander getrennt haben, noch keine Zeit gehabt, sich einander anzupassen; das neue Leben, das sich plötzlich entfaltet hat, hat sich noch nicht vollständig organisieren können.“

Durkheim (1930 / 1992: 479)

Mit dem Begriff der Anomie[120] bezeichnet Durkheim jene Defekte einer nicht gelingenden Arbeitsteilung die entstehen, „wenn neue Organe und Funktionen sich rasch entwickelt haben, ohne daß sich Regeln der Kooperation und sozialen Bande etabliert haben.“[121] Es kommt dann zu einer „moralischen Anomie“, wenn

„die ökonomischen Funktionen [...] den größten Teil der Bürger absorbieren, [...] deren Leben fast ganz in einem industriellen und kommerziellen Milieu verläuft. Daraus folgt, daß, weil ihr Milieu nur schwach von Moralität geprägt ist, der größte Teil ihrer Existenz außerhalb jedes moralischen Handelns verläuft.“

Durkheim (1930 / 1992: 44)

Durkheim relativiert seine zunächst positive Einschätzung zur Überwindung der anomischen Arbeitsteilung bereits im Vorwort zur zweiten Auflage von „De la division du travail social.“ Und auch in seinem Werk „Der Selbstmord“ („Le suicide“, 1897) werde Durkheims frühere und zuversichtliche Position „von einer resignierenden Problemschau [...] verdrängt“, so May (1985: 82).[122] Hier zeichnet Durkheim anhand der Untersuchung von Selbstmorden als Form „kollektiver Krankheit“ ein düsteres Bild moralischer und ökonomischer Anomie in der funktional-differenzierten Gesellschaft.[123] Die „Krise und Anomie“ sei „zum Dauerzustand und sozusagen normal geworden.“[124] Die Industrie ist „das erhabenste Ziel des einzelnen und der Gesellschaft geworden“ und werde nicht „weiter lediglich als Mittel zu einem höheren Zweck betrachtet“.[125] Die „Vergötzung des Wohlstandes“ entfesselte die Begierden und „jede Autorität entfiel“, um sie im Zaume zu halten.[126] Dabei hat nicht nur „die Religion den größten Teil ihres Machtbereichs eingebüßt“, auch „die Regierung ist von einer Regelinstanz des wirtschaftlichen Lebens zu dessen Instrument und Diener geworden.“[127] „Damit die Anomie ein Ende findet“, so Durkheim (1930 / 1992: 45), müsse

„also eine Gruppe existieren oder sich bilden, in der sich das Regelsystem herausbilden kann, das augenblicklich fehlt. Weder die politische Gesellschaft in ihrer Gesamtheit noch der Staat können diese Funktion erfüllen.“

Hier verweist Durkheim auf die Vermittlungsleistung von Berufskorporationen als intermediäre Organe[128] zur Vermittlung moralischer Orientierung und zur Stärkung organischer Solidarität. Er spricht von einer Korporation als einheitlichem Aggregat in Form einer abgegrenzten und organisierten Gruppe. „Mit einem Wort, eine öffentliche Einrichtung.“[129] Dabei misst Durkheim der korporativen Organisation eine gesellschaftliche Rolle bei, die nicht alleine begründet ist

„wegen der ökonomischen Dienste, die sie leistet, sondern wegen des moralischen Einflusses, den sie haben könnte. Wir sehen in der Berufsgruppe vor allem die moralische Kraft, die die individuellen Egoismen zügeln, im Herzen der Arbeiter ein lebhafteres Gefühl ihrer Solidarität erhalten und das Gesetz des Stärkeren daran hindern kann, sich derart brutal auf die gewerblichen und kommerziellen Beziehungen auszuwirken.“ Durkheim (1930 / 1992: 51)

Durkheim warnt in Anlehnung an überkommene Vorstellungen von einer Korporation davor, sie nur als Organisationen zu betrachten, die „ihre Entstehung kurzlebigen Interessen“ verdankt und lediglich zur Erfüllung eines speziellen Nutzens dient. Dabei betont er ihre gesamtgesellschaftliche und soziale Funktion:[130]

„Wenn sich also Individuen in Kenntnisnahme gemeinsamer Interessen vereinigen, so geschieht das nicht nur, um diese Interessen zu verteidigen, sondern um sich zu assoziieren, um sich nicht länger inmitten von Gegnern verloren zu fühlen, um das Vergnügen zu haben, zu kommunizieren, um eins zu sein mit anderen, d. h. definitiv nichts anderes, als um gemeinsam ein und dasselbe moralische Leben zu führen.“

Durkheim (1930 / 1992: 56 f.)

Gegen Ende der Einleitung zur zweiten Auflage gleicht Durkheims Schilderung der korporativen Organisationen schon einem flammenden Appell für die Notwendigkeit intermediärer Kräfte in der modernen Gesellschaft. Jenseits der politischen Funktion von Korporationen äußere sich ihre kollektive Tätigkeit nicht nur als

„moralische Autorität, die das Leben ihrer Mitglieder lenkt, sie ist auch eine Lebensquelle sui generis. Aus ihr strömt eine Wärme, die Herzen anregt und belebt, die sie für die Sympathie öffnet und die Egoismen zergehen läßt.“

Durkheim (1930 / 1992: 69)

Mit dem Konzept der Berufsgruppen als dezentraler Regelungsinstanz, die zwischen dem Staat und der Masse der Individuen als intermediäre Organe vermitteln, knüpft Durkheim an Montesquieu und Tocqueville an[131] und legt damit die Spuren für die Anwendung der Theorie „intermediären Gewalten“ Montesquieus in der funktional-differenzierten Gesellschaft. Dabei geht es dann nicht mehr um die Abwehr despotischer Regierungs- und Verwaltungssysteme, sondern um die Ordnungsfunktionen intermediärer Kräfte als Gegengewicht zu den zerstörerischen Kräfte eines drohenden kapitalistischen Despotismus, mit dem Entwicklungen der Anomie und der „Hyperindividualisierung“ verbunden sind.[132] Systemtheoretisch interessant wird die Theorie Durkheims auch im Hinblick auf eine „kommende organische Solidarität, auf eine neue Moral und auf ein Wiedererstarken professionell-korporativer Bindungen.“ Die Arbeitsteilung impliziert, dass sie ein Netz von Interdependenzen schafft und ihre Prämisse ist, „daß Kontakte Moral generieren.“[133] Wenn man akzeptiere, so Luhmann (1992: 34) in seiner Einleitung zu Durkheims „Über soziale Arbeitsteilung“, dass die

„Arbeitsteilung zu einer Vervielfältigung lebensnotwendiger Kontakte führt, erscheint in der Tat die Erwartung einer Art interaktioneller Wiedergesundung der Gesellschaft als begründbare Zukunftsperspektive.“

3.5 Intermediäre Instanzen in der Soziologie der Gegenwart: Typen, Funktionen, Strukturen

Kaufmann (1987: 40) bemängelt, dass nur in „wenigen Projekten“ den Handlungszusammenhängen zwischen Staat und intermediären Instanzen „analytische Aufmerksamkeit zuteil“ würde. Pirker (1991: 248) wundert sich in seinem 1989 erschienen Aufsatz „Autonomie und Kontrolle“ darüber, dass „intermediäre Institutionen, die ’autonome’ gesellschaftliche Teilbereiche“ kontrollierten bzw. regulierten, „in der Geschichte der sozialwissenschaftlichen Forschung – mit wenigen Ausnahmen wie z.B. die Gewerkschaften – einen erstaunlich geringen Raum“ einnähmen. Und Fingerle (2000: 28) konstatiert, „dass der Begriff nicht im Zentrum“ soziologischer Theoriebildung stehe. Insbesondere ab der zweiten Hälfte der 1980er Jahre ist dennoch eine Differenzierung sozialwissenschaftlicher Auseinandersetzung mit intermediären Instanzen zu beobachten, die über die Theorieexegese mit unterschiedlicher Akzentuierung im Rahmen der Klassiker-Rezeption hinausgeht.[134]

Sicherlich steht die Beschäftigung mit intermediären Institutionen nicht im Mittelpunkt soziologischen Forschungsinteresses. Dennoch gibt es eine Fülle von Arbeiten, die sich auf das Konzept beziehen und sicherlich noch viele mehr, die das Konzept quasi als gegeben voraussetzen und sich bei der Verschriftlichung nicht explizit darauf beziehen. Dazu zählt auch die noch junge NGO-Forschung. Verwunderlich scheint daher der lexikalische Befund, denn in den einschlägigen Lexika und Wörterbüchern zur Soziologie finden sich nur zwei Einträge zu dem Begriffsfeld und das im gleichen Lexikon:

„Institution, intermediäre, auch: intermediäre Organisation, bezeichnet halbstaatliche und politische Einrichtungen und Gruppen, die zwischen den verfassungsmäßigen Organen der Willensbildung und verschiedenen Teilgruppen der Bevölkerung Informationen, Entscheidungsalternativen und Orientierung vermitteln.“[135]

„intermediär, auf mittlerem Niveau angesiedelt, beispielsweise zwischen dem Individuum und einer zentralistisch-bürokratischen Politikstruktur.“[136]

In der einschlägigen Literatur werden die Intermediäre oft synonym als Instanz, Institution oder Organisation bezeichnet. Dabei wird der Begriff der „intermediären Instanzen [...] meist als ein deskriptiver Strukturbegriff verwendet.“[137] Als intermediäre Institutionen werden Organisationen mit Dauerfunktion bezeichnet, also anerkannte Problemlösungsstrukturen als verbindliche Modelle des Handelns.[138]

Intermediäre Instanzen dienen zunächst generell, dass hat die historische Analyse gezeigt, als Gegenmacht und Sicherungsstruktur zur Eindämmung staatlicher Willkür sowohl in der Monarchie als auch in der Demokratie. In beiden Systemen erfüllen sie die Aufgaben der Sicherstellung individueller Rechtsansprüche, damit der politischen Freiheit und der Willensbildung durch Kompromiss. Als Orte gesellschaftlicher Auseinandersetzung sind sie die Schulen der Demokratie und die Plattformen der politischen Öffentlichkeit. Teilt man die Interpretation der Thesen von Durkheim kann weiterhin angenommen werden, dass intermediäre Instanzen einem zum Despotismus neigenden kapitalistischen Wirtschaftssystem entgegen wirken, gegen Tendenzen einer Hyperindividualisierung für soziale Solidarität sorgen und als moralische Instanzen Orientierungsleistungen erbringen.

Diese zentralen Aspekte intermediärer Instanzen spiegeln sich auch in der jüngeren Forschungslandschaft wider. Je nach Forschungs- und Theorieschwerpunkt sowie entsprechend der jeweiligen Gewichtung funktionaler und struktureller Gesichtspunkte werden dabei verschiedene Institutionen und Organisationen als Intermediäre analysiert. Zunächst beschäftigen sich eine Reihe von Arbeiten mit intermediären Instanzen und ihrer Rolle und Funktion in modernen Gesellschaften unter sich verändernden Umweltbedingungen.[139] Dabei stehen die Fragen der „Sozialintegration nach innen“ sowie der „Systemintegration nach außen“ im Vordergrund.[140] Hier geht es zum einen – auch in Anlehnung an Durkheim – um funktionale und wissenssoziologische Aspekte intermediärer Institutionen als Vermittler von Sinn durch „moralische Kommunikation“. Damit dient die Kommunikation von Werten und Wissen als gesellschaftliche Bedeutungsbestände zunächst der Orientierung des Individuums in der pluralistischen Gesellschaft.[141] Nach Luckmann (1998: 36) ist eine Institution nur dann „intermediär“, wenn „die Sinnvermittlung in beide Richtungen“, d. h. zwischen Gesellschaft und Individuum und umgekehrt, gewährleistet ist.

Zum zweiten werden intermediäre Institutionen unter demokratietheoretischen Aspekten behandelt, die ihren strukturellen Charakter betonen und sie als Bestandteile einer „civil society“ akzeptieren, die für eine funktionierende Demokratie notwendig seien.[142] Die strukturellen Implikationen können dabei vor dem Hintergrund des staatlichen Formwandels als Dezentralisierung, Entbürokratisierung und Privatisierung staatlicher Aufgaben generalisiert werden.[143] Die verfassungs- und staatsrechtlich-politikwissenschaftlich orientierte Perspektive betont dabei die intermediären Organisationen als Bedingung für die Demokratie und identifiziert u. a. „Parteien, Verbände, Assoziationen, Bürgerbewegungen und Kommunikationsmedien“ als intermediäre Strukturen, wobei deren Leistung für Prozesse der politischen Integration hervorgehoben wird.[144] Die Verbände- und Korporatismusforschung beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit der Funktion und Struktur organisierter Interessenvermittlung wie z. B. der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, der Ärzteverbände und Krankenkassenvereinigungen und der Wohlfahrtsverbände auch unter steuerungstheoretischen Fragen im Rahmen von politischen Ordnungsmodellen.[145]

Die sozialwissenschaftlich orientierte Forschung ergänzt die ordnungspolitischen und steuerungstheoretischen Aspekte der Systemintegration mit Blick auf die Vermittlungsleistungen sozialer Integration. Dabei verbindet die Dritt-Sektor-Forschung die Strukturkomponente von Organisationen „zwischen Markt und Staat“ mit den Potentialen für bürgerschaftliches Engagement durch Selbstorganisation. Einen Forschungsschwerpunkt bildet diesbezüglich die Beschäftigung mit der Zukunft des Wohlfahrtsstaates.[146] Dazu gehört der Bereich der Sozialpolitikforschung als ein charakteristischer Politikbereich, dessen Struktur sich durch „das Vorherrschen von Akteuren“ auszeichnet, „die weder dem Staat im engeren Sinne noch dem Bereich privater Organisationen [...] zuzurechnen sind.“[147] Neben Wohlfahrtsverbänden sind längst auch Initiativen wie Bürgerstiftungen, Bildungseinrichtungen und lokale Initiativen oder Gruppen als intermediäre Organisationen in das Blickfeld der Dritt-Sektor-Forschung gerückt.

Das Interesse am gestalterischen Moment intermediärer Institutionen führte insbesondere im Rahmen des deutschen Einigungsprozesses zu einer Reihe von Arbeiten, die die Voraussetzungen und Entwicklungen bei der Gestaltung des intermediären Bereichs in der ehemaligen DDR analysierten. Interessant war Ostdeutschland deswegen, da „es in der DDR auf offizieller staatlicher Ebene keine intermediären Institutionen gegeben hat“ und die vorhandenen „Verbände und Großorganisationen [...] allesamt den Charakter von Transformationsriemen“ hatten und vom System instrumentalisiert wurden.[148] Lediglich die Kirchen übten in der DDR intermediäre Funktionen aus.[149] In diesem Kontext und mit Hinblick „auf die soziale Verankerung von Wohlfahrtsverbänden“ analysieren Backhaus-Maul / Olk (1992) intermediäre Organisationen im Prozess der deutschen Einigung.[150] Auch der europäische Einigungsprozess wurde zum Thema der Beschäftigung mit intermediären Nonprofit-Organisationen.[151] In diesem Rahmen beschäftigt sich Herrmann (1993), der die europäische Dimension auch als solche und nicht primär im nationalstaatlichen Kontext reflektiert, mit den Handlungsoptionen von Wohlfahrtsverbänden und formuliert vor dem Hintergrund des mit dem Vertrag von Maastricht eingeführten Subsidiaritätsprinzips die These einer „Freisetzung von Dezentralität durch Zentralisierung“ und damit verbunden auch eine Freisetzung von Räumen für Engagement im europäischen sozialpolitischen Integrationsprozess.[152]

Ebenfalls mit „Intermediären Strukturen in Ostdeutschland“, aber nicht mehr eindeutig der Non-Profit-Forschung zuzurechnen, beschäftigt sich die gleichnamige Studie der „Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern e.V. (KSPW)“. Hier tritt neben das Interesse an Organisationen des dritten Sektors die Untersuchung funktionaler und struktureller Aspekte des intermediären Systems im ostdeutschen Transformationsprozess nach der Vereinigung. Neben Verbänden werden auch Parteien und Bürgerbewegungen sowie Medien und Kirchen hinsichtlich ihrer Vermittlungsleistungen bei der „Formulierung, Implementation und Kontrolle politischer Entscheidungen“ als „zentrale Aufgaben des intermediären Systems“ zwischen gesellschaftlicher Mikro- und Makroebene analysiert.[153]

„Jenseits von Markt und Staat“[154] hat die Forschung über „neue soziale Bewegungen“ zu einer weiteren Ausdifferenzierung der Beschäftigung mit intermediären Organisationen beigetragen. Obwohl es „zahlreiche Parallelen“ und auch eine „gemeinsame zeitliche Konjunktur“ von Bewegungs- und Dritt-Sektor-Forschung gebe, so Roth (1992: 12), kann doch grundsätzlich zumindest der Untersuchungsgegenstand unterschieden werden. „Protest und soziale Bewegungen einerseits, freiwillige und gemeinnützige Vereine, Genossenschaften und Wohlfahrtsverbände andererseits“, markieren hier die Trennlinie der beiden Forschungskonzepte.[155] Mit der Bewegungsforschung werden damit u. a. auch Initiativen der Frauen-, Friedens-, Menschenrechts- und Umweltbewegung als intermediäre Organisationen für den wissenschaftlichen Diskurs relevant.[156]

Rucht (1997: 382) kommt zu der Einschätzung, dass soziale Bewegungen neben Parteien und Verbänden „eine wichtige und weithin vernachlässigte Rolle im Vermittlungsprozeß zwischen Bürgerschaft und dem politischen Entscheidungssystem“ einnehmen. Dabei betont er den Aspekt der politischen Partizipation sozialer Bewegungen und nennt dieselben eine „demokratische Produktivkraft“.[157] Systemtheoretisch befruchtet wird die Bewegungsforschung durch die Wahrnehmung sozialer Bewegungen als Vermittler moralisch basierter „Protestkommunikation“[158] und am Beispiel von Verbänden wird deren intersystemische Funktion in Prozessen der strukturellen Kopplung gesellschaftlicher Teilsysteme vor dem Hintergrund der neueren „Diskussion zum Verhältnis von Organisationen und Gesellschaft“ analysiert.[159]

Die „politische Soziologie vermag heute weniger denn je trennscharf die Grenzen zwischen Bewegungen, Verbänden und Parteien zu ziehen.“[160] Dies äußert sich insbesondere in der kaum noch überschaubaren Fülle der Literatur über das Konzept der Zivilgesellschaft. Hier werden die Fragen der Selbstorganisation bürgerschaftlichen Engagements und ihre Implikationen bezüglich der politischen Teilhabe und Interessenvermittlung unter den verschiedenen historischen, theoretischen, funktionalen und strukturellen Aspekten diskutiert. Die Grenzen zwischen politischer Soziologie und Politikwissenschaft sind dabei teilweise fließend. In diesem Rahmen orientiert sich die Debatte zunehmend an der internationalen Dimension des Zivilgesellschaftskonzeptes vor dem Hintergrund globaler Steuerungsprobleme und der Entstehung neuer Verhandlungsregimes.[161]

Abschließend seien noch Forschungsfelder genannt, die sich auch in benachbarten Disziplinen mit intermediären Organisationen beschäftigen. Hier finden sich Ansätze etwa in der Finanzwissenschaft oder Finanzsoziologie,[162] „die sich nie zu einem integralen Bestandteil der soziologischen Forschung und Theorie entwickelt“ habe, „sondern im Prinzip eine Soziologie der Finanzwissenschaft, oder besser: der Finanzwissenschaftler geblieben ist.“[163] Dabei handelt es sich bei den so genannten Parafiski als intermediäre Finanzgewalten wie Wohlfahrtsverbänden, gesetzlichen Sozialversicherungen oder Religionsgruppen um Organisationen, die der öffentlichen Finanzkontrolle unterliegen. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive dienen sie der Güterversorgung der Menschen zwischen privatem und öffentlichem Bereich und eine „soziologische Durchdringung der Finanzprobleme“[164] führte sicher zu aufschlussreichen Ergebnissen hinsichtlich der Relationen zwischen politischem Willen und öffentlichem Interesse. Auch in theologischen Forschungsfeldern findet sich die Auseinandersetzung mit intermediären Instanzen wieder. So beschäftigt sich Fingerle (2000) in seiner Dissertation mit dem Begriffsfeld im Rahmen einer theologischen Analyse zur Sozialgestalt der Kirche. Auch die städtische Milieuforschung widmet sich dem Organisationstypus, untersucht urbane Quartiere und fragt hinsichtlich der Entstehung neuer Wohnprojekte, sozio-kultureller Initiativen und Projekte zur ökologischen Stadterneuerung nach den Gründen, die zur Entstehung intermediärer Organisationen führen.[165] Und im Bereich der Landespflege findet sich eine Analyse, die sich der Rolle und Funktion intermediärer Organisation für eine nachhaltige Regionalentwicklung widmet.[166]

Neben den bereits in der Einleitung skizzierten, europazentrierten und eher verfassungsrechtlichen sowie staatsrechtlich-politikwissenschaftlichen orientierten Themenkomplexen eröffnet sich somit ein breites Spektrum wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem intermediären Bereich. Fasst man die bislang erarbeiteten Befunde über den Diskussionsstand zu intermediären Institutionen zusammen, so können funktionale und strukturelle Merkmale unterschieden werden. Funktional wirken sie zunächst als gesellschaftliche Kohäsionskräfte, die soziale Ordnung und Stabilität begünstigen, die moralisch kommunizierend der Vermittlung von Sinn in beide Richtungen dienen und dem Individuum Orientierung ermöglichen. Damit erbringen intermediäre Institutionen politische und soziale Vermittlungsleistungen zwischen den Individuen und der Gesellschaft; präziser gesagt: zum einen zwischen den Individuen und dem Staat und zum anderen zwischen Individuen und dem Markt.[167] Die Vermittlungsleistung beschränkt sich dabei nicht nur auf die Interessenvertretung und –aggregation „von unten nach oben“, sondern erfolgt „auch als Umsetzung von gesetzlichen Regelungen und politischen Vereinbarungen von „oben nach unten.“[168] Intermediäre Institutionen eröffnen Integrationspotenziale durch Teilhabe, sozial wie auch politisch, und gewährleisten durch ihre Vermittlerrolle Chancen für Partizipation.

Strukturell sind sie als nicht-staatliche und nicht-privatwirtschaftliche Organisationen angesiedelt auf der Mesoebene der Gesellschaft und in all ihrer Pluralität stellen sie auch ein Abbild der Zivilgesellschaft dar. Intermediäre Organisationen zeichnen sich aus durch eine „relative Autonomie im Verhältnis“ a) zueinander, b) zum Staat und c) zu (ggf. anderen) Marktteilnehmern.[169] Ein weiteres strukturelles Merkmal intermediärer Organisationen ist ein ihnen zur Verfügung stehender „Dispositions- und Handlungsrahmen“, der zwar durch rechtliche Vorschriften begrenzt ist, ihnen „aber unreglementierte Handlungsoptionen offen läßt.“[170] Eine wichtige Voraussetzung ihrer autonomen Disposition ist die Verfügbarkeit und Akquisition ökonomischer Ressourcen, die sich je nach Organisation sehr unterschiedlich zusammensetzen können. Die mit der Finanzierung verbundene Problematik der Unabhängigkeit wird am Beispiel der NGOs in Kapitel 6.6 vertieft.

Den theoretischen Fragen der gesellschaftlichen Kommunikationsmöglichkeiten intermediärer Organisationen widmen sich die nächsten Abschnitte des Kapitels. Im Besonderen vor dem Hintergrund der Systemtheorie Niklas Luhmanns und den damit verbundenen Prämissen für die Operationsweise moderner Gesellschaften werden kommunikative Chancen und Restriktionen problematisiert.

3.6 Die Theorie der ökologischen Kommunikation – Niklas Luhmann

Vor dem Hintergrund der Kommunikation des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung – und der Kommunikation als einem grundlegenden Element ihrer Umsetzung – ist es von Bedeutung, die Bedingungen der Funktionsweise und die Kommunikationsprobleme gesellschaftlicher System- und Strukturbildung theoretisch abzubilden, um mögliche Blockaden zu erkennen und Reformen zu ermöglichen. In der Theorie Luhmanns stellen dabei die Fragen gesellschaftlicher Kommunikationsmöglichkeiten das Kernproblem intersystemischer Vermittlung dar.

„Wenngleich die Systemtheorie Niklas Luhmanns den Glauben an eine gesellschaftliche Steuerung stark erschüttert hat, scheint gerade sie für die Nachhaltigkeitsdebatte von größter Wichtigkeit. Denn ohne die Beantwortung der von der Systemtheorie aufgeworfenen Fragen ist nicht einsehbar, wie eine realistische Gestaltung von Institutionen erfolgen könnte, die einerseits erfolgreich den Weg in eine nachhaltige Entwicklung eröffnet, ohne andererseits zentralistische (und letztendlich der Gefahr totalitärer Mechanismen ausgesetzten) Strukturen zu schaffen.“

Kopfmüller et al (2001: 308; Fußnote)

In diesem Zusammenhang gewinnen zivilgesellschaftliche Organisationen als intermediäre Kräfte und vermittelnde Instanzen ihre zentrale Bedeutung als Impulsgeber von auf Werten und Wissen basierender intersystemischer Kommunikation. Damit auf elementare Weise verbunden sind die Fragen nach der Gestaltung und Aktivierung von Ebenen und Akteuren für verbindlichkeitserzeugende Prozesse gesellschaftlicher Selbststeuerung.

Die Theorie der ökologischen Kommunikation von Niklas Luhmann problematisiert die Kommunikation speziell ökologisch relevanter Fragen in den Beziehungen gesellschaftlicher Systembildung. „Ökologische Kommunikation“ wird hier mit Luhmann (1990: 62) zunächst als gesellschaftliche Kommunikation über die Umwelt und als Möglichkeit der Kommunikation über „ökologische Gefährdungen“ bezeichnet. Auch wenn nach der Meinung von Diekmann / Jaeger (1996: 21) Luhmanns „Ökologische Kommunikation“ als Anwendung seiner Theorie sozialer Systeme auf ökologische Fragestellungen „eine recht eigenwillige Variante systemtheoretischen Denkens“ sei und es „reichlich unklar“ bleibe, „wie die Theorie ‚ökologischer Kommunikation’ mit dem in empirischen Untersuchungen angestrebten Erfahrungswissen verknüpft werden kann“, befruchtet seine provozierende Position (vgl.: Benz, 1997: 89) und sein radikales Denken (vgl.: Scharpf, 1989: 10) auch heute noch die Debatte um Fragen gesellschaftspolitischer Steuerung in der politischen Soziologie.[171]

Grundlage der Systemtheorie Luhmanns ist die Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft in funktionale Teilsysteme. Die funktionelle Differenzierung in struktureller Hinsicht sei „das allgemein akzeptierte Merkmal „moderner“ Gesellschaften“ und ist gekennzeichnet „durch die Entwicklung funktioneller Subsysteme [...] auf der gesellschaftlichen Makro-Ebene.“[172] Die Teilsysteme der Gesellschaft mit ihren je eigenen spezifischen Kommunikationscodes bilden „somit jene operationell geschlossenen, selbstreferentiellen Systeme“, die eine gesamtsystemische Kommunikation verhindern.[173]

„Als Differenzierung im allgemeinen lässt sich jede Steigerung der Komplexität eines Systems durch Untersystembildung bezeichnen. Eine funktionale Differenzierung liegt vor, wenn die Untersysteme nicht als gleiche Einheiten nebeneinandergesetzt, sondern auf spezifische Funktionen bezogen und dann miteinander verbunden werden.“ Luhmann (1997b: 242)

Es sind so genannte autopoietisch operierende Systeme, die ihre Elemente und damit sich selbst durch ein Netzwerk eben dieser Elemente selbst reproduzieren. Elemente sind z. B. Kommunikationen, Handlungen oder Zahlungen. Für autopoietische Systeme sind diese Elemente aber zugleich immer Ereignisse.[174] Diese Systeme schließen ihre Selbstreproduktion durch intern zirkuläre Strukturen gegen die Umwelt ab.[175] Damit sind autopoietische Systeme geschlossene Systeme, die sich selbst reproduzieren und steuern. Diesen selbstreferentiellen Systemen werden zunächst „weder von außen Informationen [...] zugeführt noch senden sie Informationen [...] an ihre Umwelt.“[176]

„Man muß mindestens auch mit der Möglichkeit rechnen, daß ein System so auf seine Umwelt einwirkt, daß es später in dieser Umwelt nicht mehr existieren kann. Die primäre Zielsetzung autopoietischer Systeme ist immer die Fortsetzung der Autopoiesis ohne Rücksicht auf Umwelt, und dabei wird der nächste Schritt typisch wichtiger sein als die Rücksicht auf Zukunft, die ja gar nicht erreichbar ist, wenn die Autopoiesis nicht fortgesetzt wird.“ Luhmann (1990: 38)

Im Falle sozialer Systeme stellt die Kommunikation als eigenständige autopoietische Operation das Medium der Abgrenzung dar.[177] Dabei ist die Operation der bloße „Vollzug einer augenblicklichen und als solcher nicht wiederholbaren Unterscheidungshandlung.“ Gleichzeitig ist die Operation ein Ereignis.[178]

„Die wichtigsten Funktionssysteme strukturieren ihre Kommunikation durch einen binären, zweiwertigen Code, der unter dem Gesichtspunkt der jeweils spezifischen Funktion universelle Gestaltung beansprucht und dritte Möglichkeiten ausschließt.“

Luhmann (1990: 75 f.)

Teilsysteme mit spezifischen Codes kommunizieren dann auf ihre spezifische Weise und selektieren so ihre Umweltwahrnehmung. Damit scheidet zwar „eine Gemeinsamkeit von Elementen zwischen Systemen“ aus; „nicht aber eine Gemeinsamkeit von Ereignissen, die je systemrelativ anders codiert [...] werden.“[179] Der binäre Code des Systems Wirtschaft z. B. ist Haben bzw. Nichthaben; Geld ist das Medium und „vermittelt ausschließlich die systemeigenen Operationen.“[180] Im Teilsystem Politik heißt das Medium Macht und der binäre Code drückt sich aus durch das „Innehaben bzw. Nichtinnehaben von Positionen, in denen öffentliche Gewalt ausgeübt werden kann [...].“[181] Die Medien werden dabei als „symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien“ bezeichnet und haben die Funktion, „die Teilnahme von Systemen – in der Form von Personen oder Organisationen – in der Umwelt des in einem bestimmten Medium operierenden Systems zu ermöglichen.“[182] U. a. Willke (1998b) setzt die generalisierten Kommunikationsmedien mit Steuerungsmedien gleich,[183] zu denen neben Geld und Macht auch die Solidarität „als dritte wichtige Steuerungsform“ gezählt wird.[184] Somit ermöglichen die Medien nicht nur eine Teilnahme an Systemen sondern sind auch steuerungstheoretisch relevant. Für das soziale System „Protestbewegung“ etwa bezeichnet Krause (2001: 43) die Steuerungsmedien als „Besorgnis, Betroffenheit, Angst“, die durch „besorgt sein/ nicht besorgt sein“ codiert werden.

„Jedes System muß Umweltkomplexität reduzieren – vor allem dadurch, daß es die Umwelt selbst nur beschränkt und kategorial vorformiert wahrnimmt.“[185] Dabei gewinnt die Komplexität an Bedeutung als Differenz zwischen System und Umwelt. Luhmann unterscheidet in zwei Arten von Umweltbeziehungen. Zum einen die „gesellschafts-interne Umwelt“ eines Teilsystems innerhalb des Gesellschaftssystems, die aus den anderen Teilsystemen besteht. Zum anderen besteht für die Teilsysteme und für das System als Ganzes die natürliche Umwelt in Form von Mensch und Natur.[186] So erlangt jedes System eine eigene Rationalität und der Begriff Natur z. B. hat in den Systemen eine Bedeutung mit jeweils unterschiedlicher Relevanz. Für das Wirtschaftssystem bedeutet Natur Rohstoffe, für die Politik hat sie eine räumliche Funktion und für eine Religion ist sie etwas Göttliches.[187] Luhmann beschreibt „das Verhältnis von System und Umwelt mit dem Begriff der Resonanz.“[188] Ein System kann aber nur in Ausnahmenfällen durch Faktoren der Umwelt irritiert werden. Es kann dann „aufgeschaukelt“ und in „Schwingung“ versetzt werden. „Eben diesen Fall bezeichnen wir als Resonanz.“[189] Diese Irritationen können ein System zwar in „Schwingung“ versetzen, aber nur unter der Voraussetzung, dass sie überhaupt in das System hineingelangen.

Autopoietische Systeme besitzen in ihren symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien unterschiedlich schwingungsfähige codierte Sensoren, die eigenselektiv auf Umweltanreize ansprechen.[190] Mit dem Begriff der „Kopplung“ bezeichnet Luhmann die Form der selektiven Beziehungen des Systems mit seiner Umwelt. Er spricht von „Kopplung“ um zu verdeutlichen, dass es „nirgends vollständige Punkt-für-Punkt-Übereinstimmungen zwischen Systemen und Umwelt gibt.“ Daher stellt das System zu seiner Umwelt nur sehr selektive Zusammenhänge her, auch weil es „sich durch seine Grenzen immer auch gegen Umwelteinflüsse abschirmt“.[191] „Wäre diese Selektivität der Resonanz oder der Kopplung nicht gegeben, würde das System sich nicht von seiner Umwelt unterscheiden, es würde nicht als System existieren.“[192]

„Systeme sind darum zwar von ihrer Umwelt abgeschlossen, doch können sie deshalb keinesfalls ohne Umwelt existieren, ansonsten wäre schließlich die Beziehung zur Umwelt nicht nötig. Systeme sind also autonom, aber gerade nicht autark. Der Begriff der strukturellen Kopplung antwortet also auf die Frage, wie ein System sich auf seine Umwelt beziehen kann, ohne dabei seine Autonomie zu verlieren.“

Brodocz (2003: 80)

Informationen über ökologische Probleme etwa müssen also vom System selektiert werden. Angewandt auf Fragestellungen „der ökologischen Bedingtheit und den ökologischen Gefährdungen des gesellschaftlichen Lebens“ bedeutet das, dass es „aufs Ganze“ und „systemtheoretisch gesehen eher unwahrscheinlich“ sei, dass „Sachverhalte und Veränderungen der gesellschaftlichen Umwelt in der Gesellschaft Resonanz finden.“[193] Nur „wenn ökologische Problemlagen diese Doppelfilter der Codierung und Programmierung durchlaufen, gewinnen sie systeminterne Relevanz und gegebenenfalls weitreichende Beachtung – so und nur so!“[194] Das bedeutet: Soll die Umwelt auf die Systeme, zurückwirken, so muss sie „kommunikativ angeschlossen werden“, um zu bewirken, „daß sich soziale Systeme zu Problemen der Ökologie in ein rationales Verhältnis setzen.“[195]

„Es mögen Fische sterben oder Menschen, das Baden in Seen oder Flüssen mag Krankheiten erzeugen, es mag kein Öl mehr aus den Pumpen kommen und die Durchschnittstemperaturen mögen sinken oder steigen: solange darüber nicht kommuniziert wird, hat dies keine gesellschaftlichen Auswirkungen. Die Gesellschaft ist ein zwar umweltempfindliches, aber operativ geschlossenes System. Sie beobachtet nur durch Kommunikation. Sie kann nichts anderes als sinnhaft kommunizieren und diese Kommunikation durch Kommunikation selbst regulieren. Sie kann sich also nur selbst gefährden.“ Luhmann (1990: 63)

Luhmanns Theorie ist ohne Frage insbesondere hinsichtlich des Autopoiesis-Konzeptes und der Gleichordnung des politischen Systems mit anderen Systemen der Gesellschaft nicht unumstritten und stößt auch in der Literatur zur Nachhaltigkeitsdebatte häufig auf Kritik. Daher widmet sich der nächste Abschnitt dem Luhmannschen Steuerungspessimismus und der möglichen theoretischen Alternative durch die Strukturationstheorie von Anthony Giddens. Dies begründet sich durch zahlreiche Hinweise in der einschlägigen Literatur, aber auch durch den von Luhmann selbst aufgeworfenen Zweifel:

„Die Theorie funktionaler Systemdifferenzierung ist ein weitreichendes, elegantes, ökonomisches Erklärungsinstrument für positive und negative Aspekte der modernen Gesellschaft. Ob sie auch zutrifft, ist natürlich eine andere Frage.“

Luhmann (1990: 74)

3.7 Steuerungspessimismus! Die Strukturationstheorie als theoretische Alternative?

Im Rahmen der Scharpf / Luhmann Kontroverse zu Fragen politischer Steuerung in der Politischen Vierteljahresschrift konstatiert Scharpf (1989: 10) eine „konsequent fortschreitende Radikalisierung, Zuspitzung und Vereinfachung des Luhmannschen Denkens.“ „Der radikale Steuerungs-Pessimismus“ finde „seine Begründung [...] in der funktionalen Differenzierung moderner Gesellschaften, [...] deren Elemente weder durch Menschen noch durch Handlungen, sondern durch Kommunikation gebildet werden.“[196] Und in der Tat finden sich bei Scharpf die zentralen Elemente der Kritik an der Luhmannschen Theorie, die auch in der Literatur zur Nachhaltigkeitsdebatte immer wieder zu finden sind.[197] Luhmanns Theorie sei vor dem Hintergrund des Autopoiesis-Konzeptes in steuerungstheoretischer Perspektive ein eher provozierender als realitätsgerechter Gegenentwurf zu der Fiktion „eines hierarchisch übergeordneten Staates.“[198]

„Die von ihm begründete Systemtheorie wendet sich entschieden gegen die Vorstellung einer Überordnung des Staates. Sie geht davon aus, daß dieser bzw. das »politische System« ein mit spezifischen Funktionen versehenes Teilsystem der Gesellschaft ist, das den anderen gesellschaftlichen Teilsystemen nicht über-, sondern gleichgeordnet ist und nur begrenzt auf sie einwirken kann [...]. Die kooperativen Verflechtungen zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren mag sie aber nicht zu erfassen.“ Benz (1997: 89)

Jenseits der konkreten Kritik am Luhmannschen Denken spiegeln sich in der Debatte die zentralen Bezugspunkte der „zwei Soziologien“[199] wieder. Zum einen die individualistisch-subjektiven Positionen der akteurszentriert-handlungstheoretischen Ansätze und zum anderen die kollektivistisch-objektiven Modelle des Funktionalismus, Strukturalismus und der Systemtheorie, die Strukturen, Funktionen und Systeme betonen. Systemtheorie und Handlungstheorie, welche „mit dem Gegensatzpaar ‚System’ versus ‚Akteur’ gekennzeichnet werden.“[200]

Jedoch scheinen beide Sichtweisen – für sich genommen – nicht geeignet, in realistischer Weise ein Abbild der gesellschaftlich-kulturellen Sozialisation des Menschen zu vermitteln, „wenn man von dem interaktionistischen Denkansatz der wechselseitigen Beeinflussung von Person und Umwelt im Handeln ausgeht.“[201] Offensichtlich ist vielmehr eine Synthese beider Theoriestränge geeignet, um eine adäquate theoretische Abstraktion zu gewährleisten. Unter anderem habe Anthony Giddens (1984 / 1995) mit der Strukturationstheorie einen einflussreichen Versuch unternommen, diesen Gegensatz zu überwinden, so Diekmann / Jaeger (1996: 22). So findet Giddens Theorie in der Forschung zur Nachhaltigkeitsdebatte große Beachtung.[202] Giddens (1995: 55) geht davon aus, dass „die reflexive Steuerung des Handelns seitens des Akteurs [...] ein integraler Charakterzug des Alltagshandelns“ sei und sich nicht nur auf das eigene Verhalten des Akteurs, „sondern auch auf das anderer Akteure“ richte. Somit steuern die Akteure „kontinuierlich den Fluß ihrer Aktivitäten“ und „kontrollieren routinemäßig ebenso die sozialen und physischen Aspekte des Kontextes, in dem sie sich bewegen.“[203] Mit der „Dualität von Struktur“ bezeichnet Giddens den wechselseitigen Einfluss von Subjekt und Struktur. Strukturen als Regeln und Ressourcen organisieren soziale Systeme und bestimmen das Handeln; das Handeln wiederum kann Einfluss nehmen auf die gesellschaftlichen Strukturen.[204] Damit, so Lamla (2003: 256), zerfalle „die Differenz zwischen der gesellschaftlichen Institutionenordnung“ und dem individuellem Handeln „nicht in einen [...] Dualismus“, sondern beide Seiten blieben sich „nah und in gewisser Weise auch transparent“, weil sie aufeinander angewiesen seien und sich wechselseitig konstituierten.[205] Die sozialen Systeme sind nach Giddens die reproduzierten „Beziehungen zwischen Akteuren oder Kollektiven“ und „als regelmäßige soziale Praktiken“ organisiert. Sie werden durch Interaktionszusammenhänge produziert und reproduziert. Somit können erlernte Regeln – vom System bestimmt – auf die Subjekte zurückwirken. Umgekehrt können die Subjekte Einfluss darauf nehmen, was gelernt wird.[206] Damit greife Giddens „den berühmten Gedanken von Karl Marx auf, wonach sich die menschlichen Akteure ihre Geschichte selbst gestalten, obgleich sie dies »nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen« [...] tun.“[207]

Bei einem Vergleich der Strukturationstheorie von Giddens mit der Systemtheorie Luhmanns fällt auf, dass beide Theorien hinsichtlich ihrer Strukturbegriffe einmal der „Dualität von Struktur“ und zweitens der „strukturellen Kopplung“ scharfe Gegensätze aufweisen.[208] Der heuristische Nutzen beider Theorien „für die konkrete Gesellschaftsanalyse“ solle nicht bestritten werden, meint Lamla (2003: 268). Jedoch seien die „Diagnosen zur Gesellschaftsstruktur“ von Giddens „längst nicht auf das wissenschaftliche Differenzierungsniveau der Systemtheorie gebracht.“ Luhmann dagegen liefere in seinen „Analysen zur Entwicklung des Gesellschaftssystems [...] wertvolle Hypothesen zur institutionellen Dynamik und zur Unverfügbarkeit des gesellschaftlichen Strukturzusammenhangs.“[209]

Im Rahmen der Leitfragen, die der Studie zugrunde liegen, gewinnen so vor allem zwei Aspekte Luhmannscher Systemtheorie ihr heuristisches Gewicht, denen sich der nächste Abschnitt der gesellschaftstheoretischen Grundlegung widmet:

1. Die Unmöglichkeit staatlicher Steuerung;
2. Die Steuerungsmöglichkeiten durch Luhmanns Konzept der strukturellen Kopplung.

3.8 Strukturelle Kopplung und intersystemische Kommunikation durch Organisationen

Die These der Systemtheorie ist, dass die Politik nicht anderen Systemen übergeordnet ist, sondern ein Funktionssystem neben anderen Funktionssystemen. Im Hinblick auf mögliche politische Steuerung bedeute die Ausdifferenzierung der Gesellschaft in Funktionssysteme zugespitzt, dass die Gesellschaft „über keine Zentralorgane verfügt. Sie ist eine Gesellschaft ohne Spitze und ohne Zentrum. [...] Die moderne Gesellschaft ist ein System ohne Sprecher und ohne innere Repräsentanz.“[210] Allerdings, so Luhmann (1998: 778), entstehe eine Schieflage, „wenn man allein die autopoietische Dynamik der Funktionssysteme in Betracht zieht.“ Die Korrektur des Problems, das „in der klassischen soziologischen Diskussion von Durkheim bis Parsons [...] mit dem Schema Differenzierung/Integration behandelt“ wurde, führte dann zur „Suche nach Formen der Integration, die zu funktionaler Differenzierung passen.“[211] Luhmann ersetzt „dieses Schema durch die Unterscheidung von Autopoiesis“ als Differenzierungsleistung „und struktureller Kopplung“ als Integrationsleistung des Systems/ der Systeme.[212] „Die Ausdifferenzierung operativ geschlossener Funktionssysteme erfordert eine entsprechende Einrichtung ihrer gesellschaftsinternen Umweltbeziehungen“.[213] Daher seien faktisch „alle Funktionssysteme durch strukturelle Kopplung miteinander verbunden“.[214]

Der Luhmannsche Strukturbegriff der Kopplung wird im Rahmen der systemtheoretisch befruchteten Steuerungsdebatte interessant, insbesondere wenn es um die Rolle von Organisationen und ihrer Möglichkeiten zur Kommunikation von Steuerungsimpulsen geht.[215] Luhmann, der mit seiner Systemtheorie die kollektivistische Position besonders betont, gesteht „den Individuen keinen eigenen, außerhalb der Funktionsprinzipien der sozialen Systeme liegenden Gestaltungsspielraum“ zu.[216] Eine gesellschaftliche Funktion von Organisationen bezeichnet er allerdings als „Verdichtung von strukturellen Kopplungen zwischen Funktionssystemen“.[217] Strukturelle Kopplung meint hier die kausalen, nicht operativen Interdependenzen zwischen System und Umwelt.[218] Die Auswirkungen kausaler Interdependenzen – bspw. Umweltprobleme – können durch Organisationen verstärkt werden. Diese „mehrsprachigen Organisationssysteme“ können sich „dank eigener Autopoiesis (und nur so!) durch mehrere Funktionssysteme irritieren lassen“.[219] Luhmann bezweifelt insbesondere in seinen früheren Schriften trotzdem, dass durch solche „Sensibilitäten“ Steuerungschancen verbessert werden könnten. Erklärungen zur zukünftigen Politik etwa oder Eingriffe in den Finanzmarkt wirken als Steuerungsereignisse. „Und da die Ereigniseffekte rascher wirken als die intendierte Änderung der Bedingungen künftigen Handelns, macht die Steuerung die Steuerung selbst oft obsolet.“[220] Dennoch: Luhmann (1994: 196) gesteht den Organisationen zu, als „Impulsgeber“ wirken zu können und zwar im Prozess der Reproduktion der Systeme durch anschlussfähige Kommunikation.

„Systeme bestehen aus Operationen, das heißt aus Ereignissen. Im üblichen Steuerungskonzept denkt man nur an die Änderung der Bedingungen künftigen Handelns, also der Strukturen, der Programme, der Parameter. Man müsste zusätzlich mehr auf die Einführung dieser Änderungen achten, das heißt: auf Steuerung als Ereignis.“

Luhmann (1989: 8)

Die „Theorie geschlossener, selbstreferentieller Systeme“ ist „vor allem mit Arbeiten des chilenischen Biologen Humberto Maturana verbunden“. Und auch die Begriffe der Autopoiesis als Bezeichnung der Selbstreproduktion sozialer Systeme und der strukturellen Kopplung als Begriff für die Beziehungen jener autopoietischen Systeme zu ihren Umwelten gehen auf Maturana zurück.[221] Bei Maturana bezeichnet der Begriff Beziehungen („Interaktionen“) „zwischen System und Umwelt.“[222] Durch diese Beziehungen könne zwar nicht „strukturdeterminierend in das System“ eingegriffen werden, was die Kompatibilität mit dem Autopoiesis-Konzept sicherstelle, „aber langfristig gesehen“ werden „die im System selbst produzierten Strukturen“ beeinflusst.[223] Zur Kopplung der Teilsysteme des Gesellschaftssystems konstatiert Luhmann (2000: 397) für das „Regime funktionaler Differenzierung“, dass es „je nach Art der beteiligten Systeme zu sehr verschiedenen strukturellen Kopplungen“ komme, „sodass sich dafür kein einheitlicher Mechanismus mehr angeben“ lasse. Auch die Organisationen sind an diesen strukturellen Kopplungen beteiligt, um zwischen den Teilsystemen zu vermitteln.[224]

„Strukturelle Kopplungen sind Konsequenzen der funktionalen Gesellschaftsdifferenzierung. Sie stellen sich ein, weil mit dieser Differenzierungsform sowohl die Abhängigkeiten als auch die Unabhängigkeiten der Funktionssysteme im Verhältnis zueinander steigen. Sie sind auf der Ebene des Gesellschaftssystems angesiedelt und als solche nicht eine Funktion von Organisationen. Aber sie wären in der notwendigen Komplexität und Differenziertheit kaum möglich, wenn es nicht Organisationen gäbe, die Informationen raffen und Kommunikationen bündeln können und so dafür sorgen können, dass die durch strukturelle Kopplungen erzeugte Dauerirritation der Funktionssysteme in anschlussfähige Kommunikation umgesetzt wird.“

Luhmann (2000: 400)

„Das Konzept der strukturellen Kopplung tritt bei Luhmann an die Stelle, die in anderen Gesellschaftstheorien mit dem Begriff der Integration besetzt ist“, so Bode / Brose (2001: 117). Krause (2001: 56) meint, „Kopplung [...] könnte aber ebensogut durch den Begriff Beziehung ersetzt werden.“ Und Lamla (2003: 255) ist der Ansicht, dass „mit struktureller Kopplung [...] letztlich kaum mehr bezeichnet“ werde, „als daß Systeme in einer Umwelt überleben können, über die sie eigentlich nichts wissen“, und so primär auf die Grenze zwischen System und Umwelt verwiesen werde. „Dennoch gilt, daß die strukturellen Kopplungen Effekte und weittragende Konsequenzen für die jeweiligen systeminternen Strukturbildungen haben.[225] Und die „Organisationen sind am Vollzug dieser Kopplungen beteiligt, ja, sie ermöglichen sie durch ihre Fähigkeit der Raffung und Verdichtung von Kommunikation.“[226]

„Die Übernahme des Begriffs struktureller Kopplung von der Biologie in die Theorie sozialer Systeme kann als theoretische Antwort auf Herausforderungen, welche die Annahme der Geschlossenheit sozialer Systeme mit sich bringt, interpretiert werden. Diese hat hohe theoretische Brisanz und weitreichende Folgen für Fragen des Umweltkontakts sozialer Systeme, der gesellschaftlichen Integration und letztlich auch der Politik.“ Simsa (2002: 149)

In Bezug auf die gesellschaftliche Kommunikationsleistung von Organisationen wird die These von Kneer (2001: 407) plausibel, „Organisationen nicht als Teil von Funktionssystemen, sondern als Teil der Umwelt von Funktionssystemen zu begreifen.“ Dieser Vorschlag einer Modifikation der Luhmannschen Theorie basiert auf den Veränderungen, die Luhmann selbst in seinen späten Schriften vornimmt, und wo er „in eine auffallende Nähe zu steuerungs- und gesellschaftstheoretischen Vorstellungen“ kommt, „die Kritiker lange Zeit gegen die Systemtheorie ins Feld geführt hatten.“[227] So konstatiert Luhmann (2000: 52), dass „die Gesellschaft [...] die Möglichkeit innergesellschaftlicher Kommunikation über Subsystemgrenzen hinweg zur Verfügung“ stellt. Diese Kommunikation wird ermöglicht durch die Doppelbindung von Organisationen, die in gesellschaftstheoretischer Perspektive einerseits durch ihre funktionale Bindung an die Logiken der Teilsysteme und zum anderen durch ihre kommunikative Anschlussfähigkeit zu anderen Systemen durch strukturelle Kopplung besteht.

„Begreift man Gesellschaft als das umfassende System aller sinnhaften Kommunikationen, kann es Organisationen nur innerhalb des Gesellschaftssystems geben. Einzelne Organisationssysteme haben dann eine doppelte Beziehung zur Gesellschaft: Einerseits vollziehen sie mit jeder ihrer Kommunikationen Gesellschaft; andererseits gibt es auch in ihrer Umwelt Kommunikation, also Gesellschaft.“

Luhmann (2000: 383)

Eine Überschreitung der Systemgrenzen der Organisation wird deshalb durch Kommunikation möglich. Somit findet eine Organisation „immer in einem Doppelsinne Gesellschaft vor: in sich und in ihrer Umwelt.“[228] Zwar sei es nach wie vor unmöglich, dass die Funktionssysteme „als ganze“ direkt mit ihren Umwelten kommunizieren können, jedoch bestehe die Möglichkeit interfunktionaler Kommunikation durch Organisationen.[229] Somit ist „eine zumindest partielle gesellschaftliche Integration auf dem Wege der interorganisatorischen Abstimmung zwischen den gesellschaftlichen Teilsystemen“ möglich und vermittelnde „intermediäre Sphären“ mildern „die harte Logik funktionaler Differenzierung.“[230] So orientiere sich etwa auch „das Konzept des kooperativen Staates [...] an einer integrationstheoretischen Perspektive.“[231]

Mit dem Modell der „intersystemischen Organisationen“ beschreiben Bode / Brose (2001) einen Organisationstypus, um die Vermittlung zwischen Organisationen und Gesellschaft zu charakterisieren. Dabei bietet das Luhmannsche Konzept der strukturellen Kopplung „Anknüpfungspunkte für die Analyse von Organisationen, die innerhalb des Gesellschaftssystems systemübergreifend operieren bzw. kommunizieren.“[232] Die Organisationsgesellschaft bestehe aus strukturell unterschiedlichen Organisationen, die „nicht selten an mehreren Funktionssystemen gleichzeitig orientiert sind.“[233] Bode / Brose (2001: 112) vertreten die These der Koexistenz von „mehr oder weniger an spezifischen Systemreferenzen“ ausgerichteten und damit systemtypischen „Organisationen einerseits“ mit systemübergreifenden und multireferentiellen „Organisationen andererseits.“ Intersystemische Organisationen verknüpfen „Referenzen aus unterschiedlichen Funktionssystemen“ und wiesen dadurch „– gerade weil sie das leisten – einen spezifisch multireferentiellen Charakter auf.“[234]

„Intersystemische Organisationen liegen [...] zwischen den (System-)Grenzen und vermitteln unterschiedliche systemspezifische Funktionslogiken. Ihre Entwicklung ist zugleich Ausdruck gesellschaftlicher Dynamik: Denn sie erweisen sich als in besonderer Weise beweglich und nicht auf eine bestimmte Mischung ihrer Referenzen festgelegt.“ Bode / Brose (2001: 113)

Das entscheidende Merkmal intersystemischer Organisationen ist, dass sie „keinem Funktionssystem eindeutig zugerechnet werden können sowie konstitutiv mit pluralen Referenzen operieren.“[235] Dadurch vermitteln sie „zwischen mehreren Teilsystemen“ und „sind gewissermaßen institutionalisierte Katalysatoren der Einbettung.“[236] Intersystemische Organisationen zeichnen sich aus durch „hybride Strukturen, universalistische Zielsetzungen und intermediäre Funktionen.“[237]

Vergleicht man nun die Profile der intersystemischen Organisationen mit denen der intermediären Organisationen fällt auf, dass es insbesondere hinsichtlich der Zurechenbarkeit zu Funktionssystemen Unterschiede zwischen beiden Organisationstypen zu geben scheint. Zählt man neben den in Kapitel 3.5 identifizierten intermediären Organisationen wie Parteien, Ärztevereinigungen oder Krankenkassen auch die kommunalen Spitzenverbände, die Bauern- und andere Berufsverbände sowie die bereits von den „Klassikern“ genannten „intermediären Gewalten“ wie z. B. die Gerichte, Universitäten und Lokalregierungen hinzu wird deutlich, dass eine Reihe dieser Institutionen zwar eine vermittelnde Aufgabe zwischen Individuum und Gesellschaft wahrnehmen, diese aber auch zu einem guten Teil fest in den jeweiligen Funktionssystemen verwurzelt sind und – in der differenzierungstheoretischen Perspektive betrachtet – keineswegs generell an oder sogar zwischen den Grenzen gesellschaftlicher Teilsysteme angesiedelt sind.[238]

Dieser theoretische Befund weist auf die notwendige Unterscheidung von intermediären und intersystemischen Organisationen mit der Konsequenz, dass die Kommunikationsprofile intermediärer Organisationen nicht in jedem Falle auch intersystemischen Charakter aufweisen müssen. Intermediäre Organisationen vermitteln vielmehr primär zwischen Mikro- und Makroebene der Gesellschaft und nicht generell zwischen den Funktionssystemen. Dabei impliziert der Begriff der Intermediarität in seiner historischen Dimension für den Fall der intersystemischen Vermittlung zwischen Funktionssystemen zunächst eine Kopplung mit dem politischen System. „Der besondere Charakter intersystemischer Organisationen“ ist aber gerade nicht zu reduzieren auf diese Kopplung, sondern beschreibt auch die Vermittlungsleistungen zwischen anderen Funktionssystemen.[239] Vorausgesetzt, dass die Kommunikationen intermediärer Organisationen etwa durch interorganisationale Vernetzung auch intersystemischen Charakter erreichen können, ermöglicht dies aber gerade aufgrund der Kopplung an das politische System Innovationen im Kommunikationsprozess gesellschaftlicher Problemlösung. Mit Blick auf die Vermittlungs- und Steuerungsleistungen intermediärer Organisationen wird damit ihre besondere Rolle im gesellschaftlichen Kommunikationsprozess untermauert. Gleichzeitig wird durch diese Diagnose dass Gestaltungspotenzial der intermediären Organisationen deutlich, das aus entsprechend ausgerichteten Kommunikations- und Koordinationsstrategien erwachsen kann, da die Systemgrenzen vor allem dann porös werden, wenn die Vermittlungsleistungen intersystemischen Charakter aufweisen. Diese Vermittlungsleistungen und Kooperationen deuten dann auf eine erhöhte Komplexität, eine emergente Ebene der Problembearbeitung hin, und implizieren Entdifferenzierungstendenzen durch gesellschaftliche Integration.[240]

Dabei bezeichnet der Begriff der Integration allerdings einen widersprüchlichen Prozess. Integration bedeutet zugleich immer das Auflösen alter Grenzen, wodurch neue Grenzen entstehen. Herrmann (1993: 115) charakterisiert diesen Prozess als dialektisches Perpetuum mobile: „Differenzierung produziert Widerspruch; dieser das Bemühen um Entdifferenzierung; diese erneut Widerspruch und damit erneute Differenzierung usw.“ Im Zeitalter der Globalisierung lautet daher die These, dass vor allem interorganisationale Kooperationen die Komplexität der Problemwahrnehmung und -bearbeitung steigern können und dass sie als Netzwerke in der funktional-differenzierten Gesellschaft durch ihre lose Kopplung eine Verstärkung der teilsystemischen Resonanzen bewirken können. Das Luhmannsche Konzept der strukturellen Kopplung bietet dabei „Anknüpfungspunkte für die Analyse von Organisationen, die innerhalb des Gesellschaftssystems systemübergreifend operieren bzw. kommunizieren.“[241] Dabei gewinnen als Ereignis kommunizierte Werte und Wissen im Prozess systemischer Reproduktion auch in ihrer normativen Dimension an Gewicht.

Das folgende Kapitel der Studie widmet sich daher im Rahmen der gesellschaftstheoretischen Grundlegung zunächst der organisations- und wissenssoziologischen Analyse der einzelnen Organisationseinheit und verfolgt Strategien der Anpassung der Organisationsstruktur unter veränderten Umweltbedingungen in der Wissensgesellschaft am Beispiel der nachhaltigen Entwicklung.

4 Organisationen in der Wissensgesellschaft

„Tantum possumus, quantum scimus“

(wir vermögen soviel, wie wir wissen)

Tommaso Campanella (1568–1639)

Organisationen bilden das Rückgrat jeder funktional-differenzierten Gesellschaft; sie sind zugleich deren Voraussetzung und Konsequenz. Organisationen erklären den „gewaltigen Leistungs- und Komplexitätszuwachs der modernen Gesellschaft“ (Luhmann, 1990: 74). Sie sind die Orte gesellschaftlicher Wissensproduktion und gesellschaftlicher Wissensvermittlung. Sie integrieren neues Wissen, um zukunftsfähige institutionelle Strukturen zu gestalten. Gleichsam vermittelnd zwischen Makro- und Mikroebene konstruieren sich Organisationen auf der Mesoebene der Gesellschaft auch als intermediäre Strukturen. Aus soziologischer Sicht erwächst ihnen dadurch eine zentrale Bedeutung als Schnittstellen zwischen System und Individuum. Prozesse der Vermittlung von Politik sind vorstrukturiert als Kommunikationen zwischen jenen Ebenen. Sie basieren auf der Notwendigkeit zur Anpassung bestehender Verhältnisse aufgrund sich verändernder Bedingungen. Politik ist gleichzeitig immer auch ein Wettbewerb der Vermittlung von Anschauungen, Werten und möglichen Zukünften, welche durch Wissen erst möglich werden.

Systemtheoretisch scheidet eine zentrale Steuerung der Gesellschaft aus; bzw. ist unmöglich. Den Organisationen der Gesellschaft kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Gleichsam als Rezeptoren des gesellschaftlichen Wandels stehen sie in einem system-intermediären Dialog- und Einflussbereich, der die Sicherung auch ihrer zukünftigen Existenz gewährleistet. Sie vernetzen den gesellschaftlichen Kommunikationsfluss und aufgrund ihrer Struktur der Doppelbindung sind sie in der Lage, den notwendigen Transfer zu codieren und auszulösen. Organisationen bilden somit gleichzeitig die Grundlage systeminterner Effizienz sowie die strukturellen Voraussetzungen institutioneller Innovationen, die sich als Wertemuster verfestigen und weiterentwickeln. Der Wandel staatlicher Aufgabenerfüllung und die veränderten organisationalen und technischen Entwicklungen stärken seit Anfang der 1990er Jahre auch die Rolle von Nicht-Regierungs-Organisationen in politischen Willensbildungs-, Entscheidungs- und Integrationsprozessen. Ihre zunehmende Bedeutung ist gleichzeitig Ausdruck ihrer Kompetenz in Vermittlungsprozessen intersystemischer Interdependenzen.

4.1 Organisationen und gesellschaftlicher Wandel

Organisationen sind Voraussetzung und Merkmal für funktional-differenzierte Gesellschaften. Sie sind soziale Gebilde, die auf spezifische Ziele ausgerichtet sind. Eine Organisation bezeichnet die „Gesamtheit aller geplanten und ungeplanten sozialen Prozesse, die innerhalb des sozialen Systems bzw. im Rahmen der Außenbeziehungen mit anderen organisatorischen Gebilden ablaufen [...].“[242] Das Ziel einer Organisation bestimmt seine Struktur. Es definiert Normen und Regelungen, bestimmt Kommunikationswege, Verantwortlichkeiten, Kompetenzen und Autoritätsbeziehungen. Die Organisation ist immer auch ein Herrschaftsverband. Organisationen stabilisieren und entlasten soziales Handeln, indem sie die Kontingenz beschränken, Komplexität reduzieren und Strukturen im Alltag bilden. Als Instrumente menschlichen Zweckhandelns sind Organisationen – ausgerichtet auf die Erfüllung bestimmter Funktionen – integrale Bestandteile der jeweiligen Teilsysteme der funktional-differenzierten Gesellschaft. Dabei kommt es zur Ausbildung eigener und sehr spezieller Sinn-Zusammenhänge innerhalb der auf „spezifische und nur für sie vorrangige“ Funktionen eingestellten Teilsysteme.

„Dieses Formprinzip erklärt den gewaltigen Leistungs- und Komplexitätszuwachs der modernen Gesellschaft; und es erklärt zugleich die Probleme der Integration, das heißt der geringen Resonanzfähigkeit sowohl zwischen den Teilsystemen der Gesellschaft als auch im Verhältnis des Gesellschaftssystems zu seiner Umwelt.“ Luhmann (1990: 74)

Der Kompetenz der Subsysteme für ihre eigenen Zwecke und innerhalb ihrer eigenen Codes entspricht die Inkompetenz des Gesamtsystems. Die Eigenlogik der Teilsysteme führt zur Entkoppelung voneinander, sodass die mit einer ungeheuren Effizienz zu ermöglichenden Ziele bezogen auf das Gesamtsystem kontraproduktiv wirken können. Dieser Antagonismus war die Ursache der Nachhaltigkeitsdebatte und der Auslöser einer Suche nach Gleichgewichten, die die erheblichen ökologischen, sozialen und ökonomischen Nebenfolgen des wirtschaftlichen Fortschritts zu relativieren helfen.[243]

In den Teilsystemen „wimmelt“ es nur so von Organisationen und „organisationsfreie Interaktionen“, die sich zudem nur einem Teilsystem der Gesellschaft zuordnen lassen sind schwer zu entdecken.[244] Organisationen existieren innerhalb der Gesellschaft als eine besondere Form, „Gesellschaft durch verdichtete Kommunikation fortzusetzen.“[245] Keine Organisation „ist in der Lage, den Zustand des jeweiligen Funktionssystems zu determinieren [...]“; durch Organisationen können aber wichtige Variablen der Funktionssysteme durch organisierte Kommunikation verändert werden.[246]

„Organisationen sind die einzigen Sozialsysteme, die regulär als ‚kollektive Akteure’ auftreten können; die einzigen Sozialsysteme, die im Kommunikationssystem Gesellschaft ‚im eigenen Namen’ kommunizieren können.“ Luhmann (1994: 191)

Die durch Organisationen entstehenden Entscheidungsspielräume, „die es andernfalls nicht gäbe“, ermöglichen es, die Irritabilität eines Systems zu steigern.[247]

Für die programmatische Integration einer nachhaltigen Entwicklung kommt gerade deshalb den Organisationen eine besondere Rolle zu. Ihr Integrationspotenzial ist bereits durch ihre kommunikativen Profile im Gesellschaftssystem vorstrukturiert. Die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung erfordert dennoch weit reichende institutionelle Reformen und stellt eine große Herausforderung für die Fähigkeiten zur sinnhaften Kommunikation durch Organisationen dar. Denn: „Daß im Namen von Organisationen kommuniziert werden kann, lässt noch offen, was kommuniziert wird.“[248]

Willke (1998a) schildert die Notwendigkeit des Umbaus der „traditionell tayloristischen Organisation“ zur „intelligenten Organisation“.[249] Der gegenwärtig laufende Übergang von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft transformiere Produkte und Dienstleistungen zu „wissensbasierten, intelligenten Gütern.“ Grundlage für den zukünftigen Erfolg von Organisationen sei die „Wissensarbeit“, die in organisierter Form das Wissen zu einer Produktivkraft entfalten könne und „gegenwärtig dabei ist, die herkömmlichen Produktivkräfte (Land, Arbeit, Kapital) in ihrer Bedeutung zu überflügeln.“[250] Doch nicht nur eine zum Großteil wissensbasierte Ökonomie kennzeichnet die Wissensgesellschaft. „Völlig neue Formen der gesellschaftlichen Organisation und Wertschöpfung“ finden ihren Ausdruck in zeitlich und räumlich entkoppelten und virtualisierten Koordinationsprozessen, die mittels neuer Informations- und Kommunikationstechnologien für eine „erheblich Beschleunigung von Handlungen, Geschäfts- und Organisationsprozessen“ führen.[251]

Um die Organisationsziele unter sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen weiterhin erfolgreich erfüllen zu können, müssen Organisationen ihre formale Struktur entsprechend anpassen. Siebenhüner (2001: 417 ff.) unterscheidet hier zwei Möglichkeiten des organisationalen Anpassungsprozesses unter veränderten Umweltbedingungen. Zum einen den „als ‚sozialtechnologisch’ kritisierten“ Ansatz der Organisationsentwicklung und zum anderen den partizipatorisch orientierten Ansatz des organisationalen Lernens. Organisationsentwicklung bezeichnet den Anpassungsprozess an den gesellschaftlichen Wandel und drückt sich u. a. aus durch flache Hierarchien und einer „Verringerung der horizontalen Differenzierung innerhalb der Organisation zugunsten vernetzter Strukturen mit verstärkter horizontaler und vertikaler Kooperation [...].“[252] Die Dynamik der Veränderung generiere sich beim Modell der Organisationsentwicklung aber nicht aus „der Mitte des Unternehmens selbst“.[253] Die Veränderung von Strukturen und Verhalten der Organisation sei dabei nur durch den Einsatz gezielt ausgebildeter Spezialisten möglich und wirke so zunächst von ‚außen’ auf die Organisation ein. Organisationsentwicklung ist dann meist ein vom Management ausgehender ‚top-down’ Prozess, der „die Mitarbeiter stark in eine Ausführungsrolle drängt.“[254] Grundsätzlich stellt ein organisatorischer Wandel „ein besonderes Problem“ dar, da sich evtl. die Organisationsziele ändern und ein veränderter Sinnzusammenhang direkt auch die individuellen Interessen der Organisationsmitglieder betrifft. Ohne die Lösung der daraus entstehenden Konflikte wird die formale Struktur der Organisation im Hinblick auf ihre Ziele dysfunktional.[255] Zur Internalisierung veränderter Ziele scheint daher das Konzept des organisationalen Lernens besser geeignet, welches auf die kreativen Kräfte der Organisationsmitglieder setzt. Der kreative und selbst organisierte Lernprozess orientiert sich dabei weniger an konkret vorgegebenen Zielen, „sondern beinhaltet einen nicht – oder nicht vollständig – geplanten bzw. nicht planbaren Wandel“.[256] Diese ‚bottom-up’ Struktur einer lernenden Organisation zielt auf einen „permanenten Wandel der gesamten Organisation“ und gerät u. U. auch „in Konflikt mit den Zielen des Managements“.[257] Übergeordnetes Ziel organisationaler Lernprozesse ist der „Wissenszuwachs auf der kollektiven Ebene des gesamten Unternehmens“.[258] Siebenhüner (2001: 419) favorisiert im Hinblick auf eine nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensführung den partizipatorischen Ansatz des organisationalen Lernens, wenngleich sich auch Elemente der Organisationsentwicklung für „kurzfristiger angelegte Veränderungsprozesse“ eigneten.

Die Integration der Nachhaltigkeitsziele in den organisatorischen Wandel bedeutet hier die funktionale Anpassung von Struktur und Ziel der Organisation. Dieser Prozess erfordert neben der Steuerung der zu erwartenden Konflikte ein hohes Maß an Innovation auf organisationaler als auch auf institutioneller Ebene. Die Gestaltung dieser Prozesse als Verfahren, die eine erhöhte Komplexität zulassen (müssen), läuft dem Differenzierungsprinzip und damit auch der Minimierung von Unsicherheiten durch die Reduktion von Komplexität zuwider. Dieses Prinzip ist aber die Voraussetzung für die Erfüllung der speziellen Funktionen von Organisationen und ermöglicht ihre Rationalität. Vor dem Hintergrund der Prämisse, dass „Organisationen entstehen und sich reproduzieren, wenn es zur Kommunikation von Entscheidungen kommt“[259], dienen die „Zwecke einerseits und die Beschränkung der verfügbaren Mittel andererseits [...] dem System als sinngebende Richtlinien der Informationsverarbeitung“.[260] Damit wird die Umweltkomplexität „für systeminterne Arbeitsvorgänge so weit“ reduziert, dass diese organisiert werden können.[261] Luhmann ersetzt den Begriff der Zweckorientierung einer Organisation mit dem Begriff der Unsicherheitsabsorption als Entscheidungsprozess.[262] Die Bestimmung des Unbestimmten ist Entscheidung.[263] Zugleich kann

„Nichtwissen nicht durch Wissen reduziert werden, sondern nur durch Entscheidungen, die ihrerseits natürlich auch die Richtung und Methode der Suche nach Wissen betreffen können.“ Luhmann (2000: 186)

Für den Umgang mit erhöhter Umweltkomplexität bedeutet dies neue Herausforderungen im Umgang mit Unsicherheiten und für die Ausrichtung von Entscheidungsprogrammen.[264] Die beste Möglichkeit dafür sei,

„sich an das zu halten, was bereits geschehen ist. Organisationen klären den Sinn ihres Tuns daher weitgehend retrospektiv. Das wiederum verführt sie dazu, dem jeweiligen Zustand der Umwelt wenig Beachtung zu schenken. Diese Ausdifferenzierung auf der operativen Ebene muss aber auf der strukturellen Ebene ausgeglichen werden.“ Luhmann (2000: 48)

Vor allem die Organisationsformen alten Schlags, die „Apparate“, scheinen auf veränderte Umweltbedingungen nur langsam reagieren zu können und ihr Innovationspotenzial wäre dadurch begrenzt. Durch den Erfolg vergangener Jahre, der allerdings unter anderen Bedingungen erzielt wurde, fällt es ihnen besonders schwer, den notwendigen organisationalen Wandel zu gestalten. Die starke Kultur des „großen WIR“ verursacht eine ausgeprägte konsensuale Ordnung und Bindung an tendenziell überkommene organisationale Modi.[265] Die fest geschlossenen Strukturen und Kulturen klassischer Organisationsgesellschaften sind daher „wohl kaum noch einladend (für) freies Engagement und die Offenheit kreativen Lernens.“[266] So blockiert die eigene Organisation den strukturellen Fortschritt. Organisationale Lernprozesse durchbrechen dann nur langsam die festen Strukturen, deren Stabilität den Erfolg von Gestern sicherte, den von Morgen aber nicht mehr garantiert.

4.2 Von der virtuellen Organisation zur gesellschaftlich legitimierten Institution

Ausdruck des organisationalen Wandels in einer zunehmend komplexen Umwelt ist die Entstehung von Netzwerkstrukturen, die geeignet erscheinen, sich „geänderten Umweltbedingungen in schneller und effektiver Art und Weise“ anzupassen.[267] Sie sind zugleich Auslöser und Reaktion „einer gestiegenen Wissensvermehrung, einer erhöhten Wahlfreiheit von Individuen und Gruppen und einer damit größer gewordenen Komplexität von technischen und sozialen Interaktionen“.[268] In zunehmender Zahl kooperieren kompetente Netzwerke, hochflexibel und innovativ auch über Organisationsgrenzen hinweg und lösen als die Testlabore organisationaler Entwicklung die alten Apparate mit ihren starren Strukturen ab. Sie etablieren sich als neue Signalgeber einer innovativen Organisationskultur. Virtuelle Wissensnetze bezeichnen solche neuen Organisationsformen, in welchen die Organisationsmitglieder neue Formen der Zusammenarbeit entwickeln. Eine Zusammenarbeit in Netzwerken ist gekennzeichnet durch das Herauslösen aus Organisationsstrukturen, die i. d. R. aufgrund des hohen Grades der erreichten Arbeitsteilung für sehr spezielle Ziele angelegt sind und die die Reduktion von Komplexität maximieren. Die Komplexität wird durch die Zusammenarbeit in Netzwerken potentiell erhöht; insbesondere dann, wenn über Organisations- und Sachgebietsgrenzen hinweg kommuniziert wird. Eine Form mit charakteristischen Merkmalen dieser neuen Organisationstypen ist die „virtuelle Organisation“.[269]

Ursprünglich bezeichnet das Wort virtuell etwas der Anlage nach als Möglichkeit Vorhandenes (Brockhaus). Abgeleitet vom lateinischen virtus = Tüchtigkeit als die Möglichkeit zu etwas in sich begreifend (Duden). Es existiert somit keine reale Eigenschaft einer Sache, sondern eine Möglichkeit. „Virtualität spezifiziert also ein konkretes Objekt über Eigenschaften, die nicht physisch, trotzdem ihrer Leistungsfähigkeit nach vorhanden sind.“[270] Die heute gängige Bezeichnung von Virtualität ist eng verknüpft mit der Terminologie des Computerzeitalters und hat sich seit Mitte der 1990er Jahre „zu einem intensiv benutzten Schlagwort entwickelt.“[271] Virtualität findet statt im virtuellen Raum – im Cyberspace: einer künstlich inszenierten Wirklichkeit, die als real erfahren wird. Und tatsächlich schafft die Informationstechnologie als Konsequenz der Computerisierung der Arbeitswelt solche computerbasierten Sphären, die scheinbar entgrenzt von Zeit, Raum und Kultur als Kommunikationsplattformen dienen; die zur ‚Heimat’ der virtuellen Gemeinschaften geworden sind. Die virtuelle Organisation ist eine Konsequenz der „Suche nach Gestaltungsformen, die räumliche, zeitliche und funktionale Grenzen flexibilisieren und [...] aufweichen.“[272] In der virtuellen Organisation verschwimmen die organisatorischen Grenzen und die Bildung und Abgrenzung organisatorischer Einheiten verändert sich. Diese Organisationsform ist gleichzeitig Ausdruck einer neuen Qualität organisatorischer Gestaltung und impliziert „eine neue Sichtweise auf Organisationen“.[273] Eine nicht sehr trennscharfe, aber dennoch „wegweisende Grundauffassung von virtuellen Unternehmen“, die noch immer Bestand habe, so Scholz (2000: 324), lieferten Byrne, Brandt und Port (1993: 36 ff.): „Danach ist es charakteristisch für diese Organisationsform, daß sich die involvierten Einheiten bis auf ihre Kernkompetenzen hin reduzieren, um sich dann flexibel zu neuen Einheiten zusammenschließen.“[274]

Im virtuellen Raum konstituierte Organisationen und ihre Mitglieder profitieren von der höheren Geschwindigkeit des Informationsaustausches. Ihr Ziel ist die Vernetzung und die Vergrößerung der Wissensbasis. Virtuelle Organisationen erlangen Wettbewerbsvorteile durch geringere Kosten für die Infrastruktur, die ihrerseits als extensive Kommunikationsinfrastruktur Abstimmungsprozesse der Organisation verbessert und zu einer „effektiveren und effizienteren Ressourcennutzung“ beiträgt.[275] Die relative Ungebundenheit weitgehend losgelöst von physischen Zwängen wie etwa von Gebäuden senkt nicht nur Kosten; sie ist auch Ausdruck einer größeren Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.[276] Virtuelle Organisationen sind strukturell dazu befähigt, Expertenwissen flexibel zusammenzuführen. Ihre Konstitution scheint besonders geeignet in wissensintensiven Bereichen wie der Informationstechnologie und in Forschung und Entwicklung. Virtuelle Organisationen sind nicht länger „als Resultat eines organisationsstrukturellen Urknalls anzusehen, sondern als Ergebnis einer kontinuierlichen Entwicklung in einem mehrdimensionalen Raum.“[277]

Als Plattformen für den Wissensaustausch können sie die Problemlösungskompetenz durch einen reflexiven Umgang mit multidimensionalen Problemlagen steigern sowie flexibel und schnell auf Veränderungen der Umwelt reagieren. Auch und gerade für NGOs ist diese Form der Vernetzung von Wissensträgern eine attraktive organisationale Alternative. „Virtuelle Organisationsformen stehen dabei erst am Anfang der Institutionalisierungsphase“, so Scholz (2000: 331). Ihre zunehmende Institutionalisierung als besonders für wissensintensive Prozesse geeignete Kommunikationsplattform wäre daher als Konsequenz zunehmender Wissensarbeit in einer Wissensgesellschaft anzunehmen.

Die vorindustriellen Institutionenlehren begründeten Institutionen als eine Erscheinung der „übergeordneten Macht, die in dieser Welt für Ordnung, Gestalt und Form sorgt.“[278] Zu den Institutionen zählten der Ackerbau, die Ehe,[279] und natürlich Kirche und Staat, die als „die Schwerter Gottes“ legitimiert waren und eine „außerordentliche Würde“ genossen.[280] Übergeordnet als Zuchtmeister oder als Heilsweg waren Staat und Kirche Institutionen – von oben gegründet – und dem moralischen Wesen Mensch und all seinen Schwächen verordnet.[281] Auch heute prägen Institutionen das Zusammenleben in der Gemeinschaft. Sie sind soziale Einrichtungen, die auf Dauer bestimmen, „‚was getan werden muß’.“[282] Sie sorgen für Strukturen, definieren Regeln und bestimmen Ziele. Der Begriff ist in der Soziologie auch heute noch ein nicht eindeutig geklärtes Konzept.[283] Esser (2000: 2) definiert Institutionen zunächst als „eine Erwartung über die Einhaltung bestimmter Regeln, die verbindliche Geltung beanspruchen.“ Institutionen grenzen sich ab von Organisationen, „in denen soziale Regeln zwar angewandt werden, die aber nicht allein daraus bestehen.“ Organisationen sind für einen bestimmten Zweck menschlichen Handelns eingerichtete soziale Gebilde. Institutionen repräsentieren dagegen die in den Erwartungen der Akteure verankerten und sozial verbindlich geltenden Regeln des Handelns. Institutionelle Regeln „sind der Kern aller gesellschaftlichen Strukturen“.[284] Institutionen sind der Versuch des Menschen, sich vor der Überkomplexität der Welt zu schützen um durch individuelle Orientierung und kollektive Ordnung Alltagsprobleme lösen zu können. In einer funktionalistischen Perspektive sind Institutionen die Problemlösungen, die sich durchgesetzt haben, um die zentralen Aufgaben der Gesellschaft zu erfüllen.

[...]


[1] Von 1990 bis 2002 stieg das Weltseehandelsvolumen um knapp 40 %. Vgl.: Flottenkommando der Deutschen Marine (Hg.) (2003): Fakten und Zahlen zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Jahresbericht 2003. 16. Auflage. Hgg. im Auftrag des Bundesministeriums der Verteidigung. Glücksburg, S. 2 -1.

[2] Zürn bevorzugt daher den Begriff der „gesellschaftlichen Denationalisierung“. Vgl.: Zürn, Michael (1998): Regieren jenseits des Nationalstaates. Globalisierung und Denationalisierung als Chance. Frankfurt am Main, S. 65 ff.

[3] Teusch, Ulrich (2004): Was ist Globalisierung? Ein Überblick. Darmstadt, S. 16. Hervorhebungen im Original.

[4] Fürstenberg, Friedrich; Oesterdiekhoff, Georg W. (Hg.) (2004): Globalisierung ohne Grenzen? Soziologische Beiträge zum Entgrenzungsdiskurs. Vorwort. Hamburg, S. 8.

[5] Vgl.: Messner, Dirk; Nuscheler, Franz (1996): Global Governance. Organisationselemente und Säulen einer Weltordnungspolitik, in: Dies. (Hg.): Weltkonferenzen und Weltberichte. Ein Wegweiser durch die internationale Diskussion. Institut für Entwicklung und Frieden (INEF). Bonn, S.17 ff.

[6] Vgl.: Höffe, Otfried (1999): Demokratie im Zeitalter der Globalisierung. München, S. 26.

[7] Der Begriff der Zivilgesellschaft wird in dieser Arbeit im Rahmen der Beschäftigung mit intermediären Instanzen (insbes. Kapitel 3.5) und im Zusammenhang mit NGOs (insbes. Kapitel 5.1) näher betrachtet.

[8] Nicht-Regierungs-Organisationen werden hier i. d. R. mit der Abkürzung NGO(s) bezeichnet (Non-Governmental-Organisations). Die Diskussion des Begriffes wird vertieft in Kapitel 5 dieser Arbeit.

[9] Vgl.: Walk, Heike; Brunnengräber, Achim; Altvater, Elmar (2000): Einleitung, in: Altvater, Elmar; Brunnengräber, Achim; Haake, Markus; Walk, Heike (Hg.): Vernetzt und verstrickt. Nicht-Regierungs-Organisationen als gesellschaftliche Produktivkraft. 2. Auflage. Münster, S. 10 f.

[10] Vgl.: Beck, Ulrich (2002): Macht und Gegenmacht im globalen Zeitalter. Neue weltpolitische Ökonomie. Frankfurt am Main, S. 186 f.

[11] Weber, Max (1921 / 1980): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. 5., revidierte Auflage, besorgt von Johannes Winckelmann, Studienausgabe. Tübingen, S. 28.

[12] Exemplarisch für entgrenzte gesellschaftliche Kräfte. Vgl.: Alber, Erdmute (2003): Machttheorien, in: Sociologus – Zeitschrift für empirische Ethnosoziologie und Ethnopsychologie. Jg. 53, Heft 2, S. 154.

[13] Vgl.: Luhmann, Niklas (1988): Macht. 2., durchgesehene Auflage. Stuttgart, S. 1.

[14] Altvater, Elmar; Brunnengräber, Achim; Haake, Markus; Walk, Heike (Hg.) (2000): Vernetzt und verstrickt. Nicht-Regierungs-Organisationen als gesellschaftliche Produktivkraft. Vorwort, S. 7.

[15] Walk, Heike; Brunnengräber, Achim; Altvater, Elmar (2000): Einleitung, S. 10.

[16] Vgl.: Schneidewind, Uwe (2002): Nachhaltige Wissensgesellschaft, in: Bleicher, K.; Berthel, J. (Hg.): Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft. Frankfurt am Main (erschienen 2001), S. 193.

[17] Vgl. Kapitel 1.3 der Agenda 21, (Präambel).

[18] Vgl.: Kapitel 27 der Agenda 21.

[19] World Commission on Environment and Development (WCED); nach der Vorsitzenden der Kommission und damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland auch Brundtland-Kommission genannt.

[20] Vgl.: Messner, Dirk; Nuscheler, Franz (1996): Global Governance. Organisationselemente und Säulen einer Weltordnungspolitik, S. 26.

[21] Grimm, Dieter (1995): Braucht Europa eine Verfassung? München (= Themen; Bd. 60), S. 38. Diese Publikation geht zurück auf einen Vortrag in der Carl Friedrich von Siemens Stiftung am 19. Januar 1994 in München.

[22] Marhold, Hartmut (2001): Die neue Europadebatte, in: Ders. (Hg.): Die neue Europadebatte. Leitbilder für das Europa der Zukunft. Hgg. von Hartmut Marhold für die Europäische Bewegung Deutschland. Bonn, S. 9.

[23] Kimmel, Adolf (1995): Vorwort des Herausgebers, in: Ders. (Hg.): Verfassungen als Fundament und Instrument der Politik. Baden-Baden (= Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft (DGfP); Bd. 13), S. 7.

[24] Hartmut Marhold hat diesbezüglich wichtige Stellungnahmen zusammengetragen von Joschka Fischer, Karl Lamers und Wolfgang Schäuble, Jean-Luc Dehaene/ David Simon/ Richard von Weizsäcker, Johannes Rau, Jacques Delors, Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt, Michel Barnier, Tony Blair und José Maria Aznar, François Bayrou und Daniel Cohn-Bendit, Alain Juppé und Jacques Toubon, Jacques Chirac, Willi Görlach/ Jo Leinen/ Rolf Linkohr. Vgl.: Marhold, Hartmut (Hg.) (2001): Die neue Europadebatte.

[25] Zur Verfassungsdebatte im Zusammenhang mit dem Vertrag von Maastricht und darüber hinaus vgl. u.a.: Wildenmann (1991), Zellentin (1993), Wessels (1993), Scharpf (1994), Preuß (1994), Grimm (1995), Weidenfeld (1995), Frey (1997), Schnoor (1998).

[26] Vgl.: Lepsius, M. Rainer (1991): Nationalstaat oder Nationalitätenstaat als Modell für die Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft, in: Wildenmann, Rudolf (Hg.): Staatswerdung Europas? Optionen für eine Europäische Union. Baden-Baden (= Studien zur gesellschaftlichen Entwicklung (SGE); Bd. 9), S. 29.

[27] Scharpf, Fritz W. (1994): Optionen des Föderalismus in Deutschland und Europa. Frankfurt am Main / New York (= »Theorie und Gesellschaft«; Bd. 31), S. 42.

[28] Vgl.: Grimm, Dieter (2005): Der Vertrag. Die „europäische Verfassung“ ist keine echte Verfassung – aus der Europäischen Union wird kein Bundesstaat, in: FAZ Nr. 109, 12. Mai 2005, S. 6.

[29] Vgl.: Luckmann, Thomas (1998): Gesellschaftliche Bedingungen geistiger Orientierung, in: Ders. (Hg.): Moral im Alltag. Sinnvermittlung und moralische Kommunikation in intermediären Institutionen. Gütersloh, S. 36.

[30] Vgl.: Bode, Ingo; Brose, Hanns-Georg (2001): Zwischen den Grenzen. Intersystemische Organisationen im Spannungsfeld funktionaler Differenzierung, in: Tacke, Veronika (Hg.): Organisation und gesellschaftliche Differenzierung. Wiesbaden, S. 113. Vgl. exemplarisch als Beispiel neuerer Forschungsarbeiten zu diesem Thema die empirische Studie von: Guggenheim, Michael (2005): Organisierte Umwelt. Umweltdienstleistungsfirmen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Bielefeld.

[31] Hinsichtlich einer stärkeren Verknüpfung von Gesellschafts- und Organisationstheorie vgl. auch: Tacke (2001), Simsa (2002), Drepper (2003).

[32] Generell: Zwischen System und Individuum und umgekehrt. Vgl. die Ausführungen in Kapitel 3 und 5.3.

[33] Vgl.: Zimmer, Annette; Sittermann, Birgit (2005): Brussels Civil Society. Publikation der Nachwuchsgruppe Europäische Zivilgesellschaft. Institut für Politikwissenschaft. Universität Münster, S. 18 f; vgl. auch: Platzer, Hans-Wolfgang (2002): Interessenverbände und europäischer Lobbyismus, in: Weidenfeld, Werner (Hg.): Europa-Handbuch. 2. aktualisierte und völlig überarbeitete Auflage. Gütersloh, S.410; vgl. auch: Bach, Maurizio (2001): Beiträge der Soziologie zur Analyse der europäischen Integration. Eine Übersicht über theoretische Konzepte, in: Loth, Wilfried; Wessels, Wolfgang (Hg.): Theorien europäischer Integration. Opladen, S. 147.

[34] Vgl. z. B.: Messner, Dirk; Nuscheler, Franz (1996): Global Governance. Organisationselemente und Säulen einer Weltordnungspolitik. Das Konzept wird vertieft diskutiert in Kapitel 5.4.

[35] „Die beliebte These, nationale Regierungen könnten immer weniger die nur im Weltmaßstab lösbaren Probleme bewältigen, ist sogar zirkulär; genuin globale Aufgaben lassen sich nicht regional lösen.“ Höffe, Otfried (1999): Demokratie im Zeitalter der Globalisierung, S. 14.

[36] Vgl.: Altvater, Elmar; Brunnengräber, Achim; Haake, Markus; Walk, Heike (Hg.) (2000): Vernetzt und verstrickt. Nicht-Regierungs-Organisationen als gesellschaftliche Produktivkraft. Vorwort, S. 7.

[37] Vgl.: Messner, Dirk; Nuscheler, Franz (1996): Global Governance. Organisationselemente und Säulen einer Weltordnungspolitik, S. 26.

[38] Europäische Union: Die Kommission (2000a): Ausbau der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Kommission und Nichtregierungsorganisationen. Diskussionspapier der Kommission. Brüssel, KOM(2000) 11, S. 2.

[39] Ebda., S. 5.

[40] Ebda., S. 2.

[41] Europäische Union: Der Wirtschafts- und Sozialausschuss (1999): Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Rolle und der Beitrag der organisierten Zivilgesellschaft zum europäischen Einigungswerk“, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Brüssel, 1999/C 329/10, S.30.

[42] Europäische Union: Die Kommission (2001b): Europäisches Regieren. Ein Weissbuch. Brüssel, KOM(2001) 428.

[43] Hier diskutiert vor dem Hintergrund konkreter Richtlinien zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie in der EU.

[44] Vgl. u. a. Schneidewind et al (1997), Kopfmüller et al (2001), Spangenberg (2003).

[45] Selbststeuerung: Hier nicht verwandt im Luhmannschen Sinne zur Bezeichnung eines vor allem kommunikativ exklusiven Prozesses sich selbst steuernder gesellschaftlicher Teilsysteme, sondern angelehnt an den alltagssprachlichen Gebrauch im Sinne von Selbstregulierung/Selbstorganisation inklusive der positiven Autonomiedisposition, die es gerade zulässt, dass Kommunikationen nicht exklusiv bleiben.

[46] Vgl.: Kühl, Stefan (2004): Warum sich soziologisches Wissen so schwer in der Praxis umsetzen lässt – und weswegen das auch ganz gut sein kann, in: Journal Praxis, Jg. 2, Heft 1, 2004, S. 7.

[47] Vgl.: Ebda., S. 8.

[48] Kühl, Stefan (2003): Das Theorie-Praxis-Problem in der Soziologie, in: Soziologie, Jg. 32, Heft 4, 2003, S. 8 f.

[49] Vgl.: Ebda., S. 9.

[50] Feldmann, Klaus (2000): Soziologie kompakt. Eine Einführung. Wiesbaden (= WV Studium; Bd. 188), S. 11.

[51] Schülein, Johann A.; Reitze, Simon (2002): Wissenschaftstheorie für Einsteiger. Wien, S. 208 f.

[52] Wienold, Hanns (1994): Art. „Theorie“, in: Fuchs-Heinritz, Werner; Lautmann, Rüdiger; Rammstedt, Otthein; Ders. (Hg.): Lexikon zur Soziologie. 3., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Opladen, S. 676.

[53] Schülein, Johann A.; Reitze, Simon (2002): Wissenschaftstheorie für Einsteiger, S. 208 f.

[54] Vgl.: Hofmann, Gunter (2002): Siezen oder duzen? Zu Beginn der Streiksaison: In der radikal veränderten Arbeitswelt steckt die IG Metall in der Defensive. Ein Sittenbild, in: Die Zeit Nr. 15, 4. April 2002, S.6 f.

[55] Lang, Klaus (2002): Die Politik der Mitte ist nicht rot, sondern blutleer. Die Gewerkschaften sind von der Arbeit der rot-grünen Bundesregierung enttäuscht. Klaus Lang legt einen Forderungskatalog für die nächste Wahlperiode vor, in: Frankfurter Rundschau Nr. 54, 5. März 2002, S. 14.

[56] Montesquieu, Charles de Secondat Baron de la Brède et de (1748): De l’esprit des lois, Buch XI, Kapitel 4, in: Montesquieu, Oeuvres complètes. Tomes I et II. Edition établie et annotée par Roger Callois. Paris 1951, S. 395. Hier zitiert nach und ins Deutsche übersetzt von: Campagna, Norbert (2001): Charles de Montesquieu – Eine Einführung. Düsseldorf, S. 142.

[57] Troper, Michel (1989): Die Zwischengewalten in der politischen Philosophie Montesquieus, in: Merten, Detlef (Hg.): Gewaltentrennung im Rechtsstaat. Zum 300. Geburtstag von Charles de Montesquieu. Vorträge und Diskussionsbeiträge der 57. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1989 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Berlin (= Schriftenreihe der Hochschule Speyer; Bd. 106), S. 55 f.

[58] Kaufmann, Franz-Xaver (1987): Zur Einführung: Ein sozialpolitisches Schwerpunktprogramm der DFG – und was daraus wurde, in: Ders. (Hg.): Staat, intermediäre Instanzen und Selbsthilfe. München (= Soziologie und Sozialpolitik; Bd. 7), S. 9 (Hervorhebungen im Original).

In Zusammenhang mit der Theorie der Zwischengewalten sind die beiden Ausdrücke „corps intermédiaires“ und „pouvoirs intermédiaires“ gleichbedeutend. Vgl.: Troper, Michel (1989): Die Zwischengewalten in der politischen Philosophie Montesquieus, S. 56.

[59] Berger, Peter L. (1996): Demokratie und geistige Orientierung. Sinnvermittlung in der Zivilgesellschaft, in: Weidenfeld, Werner (Hg.): Demokratie am Wendepunkt. Die demokratische Frage als Projekt des 21. Jahrhunderts. Berlin, S. 460.

[60] Vgl.: Willke, Helmut (1999): Systemtheorie II: Interventionstheorie. Grundzüge einer Theorie der Intervention in komplexe Systeme. 3., bearb. Auflage. Stuttgart (= UTB für Wissenschaft; 1800), S. 145.

[61] Lepsius, M. Rainer (1990): Interessen, Ideen und Institutionen. Opladen, S. 54.

[62] Ein sehr guter Überblick über das Thema der Kommunebildung im Europa des Hochmittelalters findet sich bei: Schulz, Knut (1995): „Denn sie lieben die Freiheit so sehr ...“ Kommunale Aufstände und Entstehung des europäischen Bürgertums im Hochmittelalter. 2., verbesserte Auflage. Darmstadt. Hier zitiert aus S. 5.

[63] Ebda., S. 6 ff.

[64] Vgl. die drei reinen Typen „legitimer“ Herrschaft, deren „Legitimitätsgeltung“ primär rationalen, traditionalen oder charismatischen Charakters sein kann. Weber, Max (1921 / 1980): Wirtschaft und Gesellschaft, S. 124.

[65] Ebda., S. 394.

[66] Ebda., S. 634.

[67] Ebda., S. 165 f.

[68] Montesquieu gilt zwar nicht als Erfinder der Gewaltenteilung, jedoch habe er das Prinzip als erster systematisch ausgearbeitet. Vgl.: Muhlack, Ulrich (1989): Montesquieu in seiner Zeit, in: Merten, Detlef (Hg.): Gewaltentrennung im Rechtsstaat, S. 37.

[69] Vgl.: Schmitt, Carl (1928 / 1978): Die Diktatur. Von den Anfängen des modernen Souveränitätsgedankens bis zum proletarischen Klassenkampf. Vierte Auflage. Unveränderter Nachdruck der 1928 erschienenen zweiten Auflage. Berlin, S. 103.

[70] Vgl.: Chaimowicz, Thomas (1985): Freiheit und Gleichgewicht im Denken Montesquieus und Burkes. Ein analytischer Beitrag zur Geschichte der Lehre vom Staat im 18. Jahrhundert. Wien / New York (= Forschungen aus Staat und Recht; 68), S.1.

[71] Die drei Gewalten sind die legislative, exekutive und rechtsprechende Gewalt. Die gesellschaftlichen Kräfte sind der König, der Adel und das Bürgertum („das niedere Volk [...] gilt dem Zeitgeist entsprechend nicht als gesellschaftliche Kraft“). Als gemäßigter Staat wird z. B. die Monarchie verstanden, „in denen der König über die legislative und die exekutive Gewalt verfügt, die rechtsprechende Gewalt aber von ihm getrennt ist“. Despotien, unfreie Staaten, werden als nicht gemäßigte Staaten verstanden. Vgl.: Riklin, Alois (1988): Montesquieus freiheitliches Staatsmodell. Institut für Politikwissenschaft der Hochschule St. Gallen. St. Gallen (= Beiträge und Berichte; 120/1988), S. 10 f., 20, 25. Mehr zu den Missverständnissen der Montesquieu-Rezeption und zur Verzahnung der drei Gewalten mit den gesellschaftlichen Kräften und den Staatsorganen als Modell des Staatsverständnisses von Montesquieu in: Ebda.

Die Analogie von nicht gemäßigtem Staat = Despotie und gemäßigtem Staat = Monarchie ließe aus heutiger Sicht den Schluss zu, dass es sich bei einem freiheitlichen Staat dann um eine Demokratie handeln müsse. Jedoch sind „Demokratie und Aristokratie [...] ihrer Natur nach keineswegs freiheitliche Staaten. Politische Freiheit findet sich nur in gemäßigten Regierungsformen. Aber sie ist nicht immer in den gemäßigten Staaten vorhanden. Sie findet sich dort nur dann, wenn man die Macht nicht mißbraucht; aber es ist eine ewige Erfahrung, daß jeder, der Macht hat, ihrem Mißbrauch geneigt ist: er geht soweit, bis er auf Schranken stößt. So unwahrscheinlich es klingt: selbst die Tugend bedarf der Begrenzung. Um den Mißbrauch der Macht zu verhindern, muß vermöge einer Ordnung der Dinge die Macht der Macht Schranken setzen.“ Montesquieu (1748 / 1951): Vom Geist der Gesetze. In neuer Übertragung eingeleitet und herausgegeben von Ernst Forsthoff. Erster Band. Tübingen, Buch XI, Kapitel 4, S. 213. Mehr zum Thema gemäßigter Staat (Gouvernement modéré) bei Montesquieu in: Kuhfuß, Walter (1975): Mäßigung und Politik. Studien zur politischen Sprache und Theorie Montesquieus. München (= Münchener Romanistische Arbeiten; Heft 42), insbes. ab S. 131 ff.

[72] Vgl.: Hugelmann, Frank (1992): Die Anfänge des englischen Liberalismus. John Locke und der first Earl of Shaftesbury. Frankfurt am Main (= Europäische Hochschulschriften, Reihe III, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften; Bd. 514), S. 1.

[73] Hinweis zur Zitierweise: GdG 1, XI, 3 = Vom Geist der Gesetze, Band 1, Buch XI, Kapitel 3.

[74] Vgl.: Riklin, Alois (1988): Montesquieus freiheitliches Staatsmodell, S. 29.

[75] Vgl.: Ebda.

[76] Vgl.: Ebda.

[77] Vgl.: Chaimowicz, Thomas (1985): Freiheit und Gleichgewicht im Denken Montesquieus und Burkes; S.1.

[78] Vgl.: Montesquieu (1748 / 1951): Vom Geist der Gesetze, Band 1, Buch II, Kapitel 4, S. 28 (Hervorhebung im Original).

[79] Als Lokalregierungen.

[80] Vgl.: Montesquieu (1748 / 1951): Vom Geist der Gesetze, Band 1, Buch II, Kapitel 4, S. 28 ff.

[81] Vgl.: Troper, Michel (1989): Die Zwischengewalten in der politischen Philosophie Montesquieus, S. 56. Vgl.: Montesquieu (1748 / 1951): Vom Geist der Gesetze, Band I, Buch II, Kapitel 4, S. 28 f.

[82] Hier verwendet Montesquieu, wie auch schon im Zusammenhang mit dem Freiheitsbegriff (Vgl.: GdG 1, Buch II, Kapitel 4, S. 30), den Begriff der „puissances intermédiaires“, der ebenfalls mit dem Begriff „Zwischengewalten“ übersetzt wird. Vgl.: Montesquieu (1748 / 1951): Vom Geist der Gesetze, Band 1, Buch V, Kapitel 11, S. 84.

Zur Überprüfung der Verwendung von Begriffen durch Montesquieu im französischen Original und zum Vergleich mit ihren deutschen Übersetzungen wurde auf folgende Quelle zurückgegriffen: Montesquieu (1748 / 2002): De l’Esprit des Lois. Partie 1 à 6 (Livres I à XXXI) (Digitalisate), in: Tremblay, Jean-Marie (Hg.): "Les classiques des sciences sociales", Université du Quebec à Chicoutimi, Chicoutimi (Québec, CA). Adresse der zuletzt am 19. August 2005 aufgerufenen Webseite: http://www.uqac.uquebec.ca/zone30/Classiques_des_sciences_sociales/index.html.

[83] Vgl.: Hamacher, Hendrik (2001): Carl Schmitts Theorie der Diktatur und der intermediären Gewalten. Neuried (= Reihe politisches Denken; Bd. 6), S. 160 f.

[84] „Die Monarchomachen (=Monarchenbekämpfer) [...] sind Autoren, die im letzten Drittel des 16.Jahrhunderts die immer weniger an rechtliche Schranken gebundene Fürstenmacht theoretisch bekämpften und sich nicht grundsätzlich gegen die Existenz eines Monarchen, aber doch, zumeist auf ältere Rechtsbegriffe sich berufend, für eine starke Beteiligung der Stände resp. des ständisch repräsentierten Volkes am politischen Geschehen aussprachen.“ Ausführlich in: Ebda.

[85] In diesem Zusammenhang verwende Schmitt allerdings nicht den Begriff der intermediären Gewalten, sondern spreche vielmehr „konkret von “Ständen“, der “ständischen Repräsentation“ und den “ständischen Beauftragten“. Vgl.: Ebda.; Vgl. Schmitt, Carl (1928 / 1978): Die Diktatur, S. 20 f.

[86] Vgl.: Ebda., S. 19.

[87] Vgl.: Hamacher, Hendrik (2001): Carl Schmitts Theorie der Diktatur und der intermediären Gewalten, S.160 f.

[88] Vgl.: Schmitt, Carl (1928 / 1978): Die Diktatur, S. 19.

[89] Vgl.: Hamacher, Hendrik (2001): Carl Schmitts Theorie der Diktatur und der intermediären Gewalten, S.183.

[90] Zur Kritik an Schmitt, der „in den Abgrund des nationalsozialistischen Staates“ stürzte, vgl. Theo Pirker, der die Auffassung Hamachers nicht teilt: Pirker, Theo (1991): Soziologie intermediärer Institutionen, in Weinert, Rainer (Hg.): Theo Pirker – Soziologie als Politik. Schriften von 1949 bis 1990. Berlin, S. 249 f.

[91] Vgl.: Schmitt, Carl (1928 / 1978): Die Diktatur, S. 105.

[92] Den Begriff der Zwischengewalten (pouvoir(s) intermédiaire(s)) verwendet Tocqueville dabei zweimal. Vgl.: DA I, Teil 1, Kapitel V, in: Tocqueville, Alexis de (1835 / 1959): Über die Demokratie in Amerika. Erster Teil. Aus dem Französischen neu übertragen von Hans Zbinden. Stuttgart (= Alexis de Tocqueville, Werke und Briefe; Bd. 1), S. 91 und DA II, Teil 4, Kapitel IV, in: Tocqueville, Alexis de (1840 / 1962): Über die Demokratie in Amerika. Zweiter Teil. Aus dem Französischen neu übertragen von Hans Zbinden. Stuttgart (= Alexis de Tocqueville, Werke und Briefe; Bd. 2), S. 322.

Synonym zum Begriff „pouvoirs intermédiaires“ verwendet Tocqueville den Begriff „pouvoirs secondaires“, der als „Gewalten zweiter Ordnung“, als „mittelbare Gewalten“ und als „mittelbare Befugnisse“ übersetzt wird. Vgl.: DA II, Teil 4, Kapitel II (S. 313), IV (S. 323), V (S. 327 + 328 (2x)) und VI (S. 340), in: Tocqueville, Alexis de (1840 / 1962): Über die Demokratie in Amerika. Bd. 2.

Ebenfalls wird der Begriff der „puissance(s) intermédiaires“ verwandt, der als „Mittelsmächte“, „mächtige Mittler“ und „mittelbare Gewalt“ übersetzt wird. Vgl.: DA II, Teil 1, Kapitel XVII (S. 85 + 88) und DA II, Teil 4, Kapitel II (S. 315), in: Ebda.

Zur Überprüfung der Verwendung von Begriffen durch Tocqueville im französischen Original und zum Vergleich mit ihren deutschen Übersetzungen wurde auf folgende Quellen zurückgegriffen: Tocqueville, Alexis de (1835 / 2002): De la Démocratie en Amérique I. Première et deuxième parties (Digitalisate), in: Tremblay, Jean-Marie (Hg.): "Les classiques des sciences sociales"; Tocqueville, Alexis de (1840 / 2002): De la Démocratie en Amérique II. Partie 1 á 4 (Digitalisate), in: Ebda. Adresse der Webseite: http://www.uqac.uquebec.ca/zone30/Classiques_des_sciences_sociales/index.html; zuletzt aufgerufen am 19. August 2005.

[93] Vgl.: Herb, Karlfriedrich (2001): Alexis de Tocqueville (1805–1859), in: Maier, Hans; Denzer, Horst (Hg.): Klassiker des politischen Denkens. Zweiter Band. Von John Locke bis Max Weber. Völlig neu überarbeitete Ausgabe der 5., gebundenen Auflage. München, S. 146.

[94] Hinweis zur Zitierweise: DA II, 4, IV = Über die Demokratie in Amerika, Band II, Teil 4, Kapitel IV.

[95] Vgl.: Uhde, Ute (1978): Politik und Religion. Zum Verhältnis von Demokratie und Christentum bei Alexis de Tocqueville. Berlin (= Beiträge zur Politischen Wissenschaft; Bd. 29), S. 43.

[96] Bei der Zentralisierung der politischen Gewalt wird die Zentralisierung der Verwaltung von der Zentralisierung der Regierung abgegrenzt. Letztere, die die allgemeinen Aufgaben der Nation betrifft, wie die allgemeine Gesetzgebung oder die Außenpolitik, werde von Tocqueville „als unbedingt notwendig für eine zielbewußte und wirksame nationale Politik“ angesehen. Vgl.: Feldhoff, Jürgen (1968): Die Politik der egalitären Gesellschaft. Zur soziologischen Demokratie-Analyse bei Alexis de Tocqueville. Opladen, S. 72 ff. Siehe auch: Tocqueville, Alexis de (1840 / 1962): Über die Demokratie in Amerika. Bd. 2, Teil 4, Insbes. Kapitel II bis VII, S. 313 – 354.

[97] Vgl.: Tocqueville, Alexis de (1840 / 1962): Über die Demokratie in Amerika. Bd. 2, Teil 4, Kapitel VI, S.342 f.

[98] Feldhoff, Jürgen (1968): Die Politik der egalitären Gesellschaft. Zur soziologischen Demokratie-Analyse bei Alexis de Tocqueville, S. 91.

[99] Vgl.: Tocqueville, Alexis de (1840 / 1962): Über die Demokratie in Amerika. Bd. 2, Teil 4, Kapitel VII, S.347.

[100] Vgl.: Ebda., Bd. 2, Teil 4, Kapitel VI, S.347.

[101] Vgl.: Ebda., Bd. 1, Teil 1, Kapitel V, S.67.

[102] Ebda.

[103] Vgl.: Ebda., Bd. 1, Teil 2, Kapitel IV, S.216.

[104] Tocqueville selbst spricht von „Association“. Vgl.: Anmerkung des Übersetzers in: Tocqueville, Alexis de (1835 / 1959): Über die Demokratie in Amerika, S. 216.

[105] Vgl.: Anmerkung des Herausgebers, in: Ebda.

[106] Birke, Adolf M. (1978): Voluntary Associations. Aspekte gesellschaftlicher Selbstorganisation im frühindustriellen England, in: Böckenförde, Ernst-Wolfgang; Grawert, Rolf; Ossenbühl, Fritz; Quaritsch, Helmut (Hg.): Gesellschaftliche Strukturen als Verfassungsproblem. Intermediäre Gewalten, Assoziationen, Öffentliche Körperschaften im 18. und 19. Jahrhundert. Berlin (= Beihefte zu „Der Staat“ : Zeitschrift für Staatslehre, Öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte; Heft 2), S. 79 f.

[107] Nipperdey, Thomas (1972): Verein als soziale Struktur in Deutschland im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Boockmann, Hartmut; Esch, Arnold; Heimpel, Hermann; Ders.; Schmidt, Heinrich (Hg.): Geschichtswissenschaft und Vereinswesen im 19. Jahrhundert. Beiträge zur Geschichte historischer Forschung in Deutschland. Göttingen (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; Bd.1), S. 42.

[108] Politische Vereine = Les associations politiques.

[109] Hier verwendet Tocqueville den Begriff „société civile“, der im Wesentlichen mit „bürgerliche Gesellschaft“ und „Bürgergesellschaft“ übersetzt wird. Im Zusammenhang mit den Beschreibungen über das Verhältnis von Demokratie und Militär finden sich aber auch die Begriffe „nichtmilitärische Gesellschaft“ und „zivile Gesellschaft“ als Übersetzung von „société civile“. Vgl. letztere in: DA II, 3, XXIII, S. 292 und XXIV, S. 296.

[110] Nipperdey konstatiert für das Deutschland des 19. Jahrhunderts: Das „Hineinwachsen der Vereine ins Öffentliche beförderte zugleich die Emanzipation des Individuums vom Staat; die Vereine wurden zu Schulen bürgerlicher Selbsttätigkeit im öffentlichen Bereich.“ Vgl.: Nipperdey, Thomas (1972): Verein als soziale Struktur in Deutschland im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, S. 31.

[111] Schade, Jeanette (2002): „Zivilgesellschaft“ – eine vielschichtige Debatte. INEF Report, Institut für Entwicklung und Frieden der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, Heft 59 / 2002, S. 13.

[112] Vgl.: Fraenkel, Ernst (1973): Universitas litterarum und pluralistische Demokratie (1967), in: Ders.: Reformismus und Pluralismus. Materialien zu einer ungeschriebenen politischen Autobiographie. Zusammengestellt und herausgegeben von Falk Esche und Frank Grube. Hamburg, S. 367.

[113] Luckmann führt hier Montesquieu und Tocqueville an. Vgl.: Luckmann, Thomas (Hg.) (1998): Moral im Alltag, S. 7.

[114] Ebda.

[115] Durkheim, Emile (1930 / 1992): Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die Organisation höherer Gesellschaften. Mit einer Einleitung von Niklas Luhmann: Arbeitsteilung und Moral. Durkheims Theorie. Mit einem Nachwort von Hans-Peter Müller und Michael Schmid: Arbeitsteilung, Solidarität und Moral. Eine werkgeschichtliche und systematische Einführung in die »Arbeitsteilung« von Emile Durkheim. Frankfurt am Main (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft; 1005), S. 82.

[116] Vgl.: Müller, Hans-Peter (1999): Emile Durkheim (1858–1917), in: Kaesler, Dirk (Hg.): Klassiker der Soziologie. Band 1. Von Auguste Comte bis Norbert Elias. München, S. 157 (Hervorhebung im Original).

[117] Vgl.: Ebda. (Hervorhebung im Original).

[118] Vgl.: Ebda.

Dabei sind bei Durkheim Solidarität und Moral „kongruent gebrauchte Begriffe. Man kann auch sagen: Moral wird in dieser Theorie als Solidarität konzeptualisiert.“ Vgl. die Einleitung von Niklas Luhmann (1992): Arbeitsteilung und Moral. Durkheims Theorie, in: Durkheim, Emile (1930 / 1992): Über soziale Arbeitsteilung, S. 24.

[119] Müller spricht hier von der „Ungleichzeitigkeit im Transformationsrhythmus zwischen Struktur (Arbeitsteilung) und kollektiv verbindlichen Regeln (Moral)“. Vgl.: Müller, Hans-Peter (1983): Wertkrise und Gesellschaftsreform. Emile Durkheims Schriften zur Politik. Stuttgart. S. 132.

[120] Müller verweist im Zusammenhang mit dem Begriff der Anomie als einem temporären Systemdefekt auf Karl Marx: „Anomie heißt Durkheims Diagnose der aktuellen Krise, nicht Zwang und Ausbeutung wie bei Karl Marx.“ Vgl.: Müller, Hans-Peter (1999): Emile Durkheim, S. 159.

[121] Vgl.: Ebda.

[122] 1897 erschien das Buch „Der Selbstmord“ (Le suicide) von Emile Durkheim. Die zweite Auflage der Schrift „De la division du travail social“ erschien nach „Le suicide“. Vgl.: Durkheim, Emile (1930 / 1992): Über soziale Arbeitsteilung, S. 58.

[123] Durkheim, Emile (1897 / 1983): Der Selbstmord. Übersetzt von Sebastian und Hanne Herkommer. Frankfurt am Main (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft; 431), S. 20.

[124] Ebda., S. 292.

[125] Ebda.

[126] Ebda.

[127] Ebda., S. 291.

[128] Durkheim spricht hier von „organes intermédiaires“. Vgl.: Durkheim, Emile (1930 / 1992): Über soziale Arbeitsteilung, S. 275.

Zur Überprüfung der Verwendung von Begriffen durch Durkheim im französischen Original und zum Vergleich mit ihren deutschen Übersetzungen wurde auf folgende Quelle zurückgegriffen: Durkheim, Emile (1893 / 2002): De la Division du Travail Social, Livres I, II et III, (Digitalisate), in: Tremblay, Jean-Marie (Hg.): "Les classiques des sciences sociales". Adresse der Webseite: http://www.uqac.uquebec.ca/zone30/Classiques_des_sciences_sociales/index.html; zuletzt aufgerufen am 19. August 2005.

[129] Vgl.: Durkheim, Emile (1930 / 1992): Über soziale Arbeitsteilung, S. 47.

[130] Vgl.: Ebda., S. 51.

[131] Vgl. das Nachwort von Hans-Peter Müller und Michael Schmid (1992): Arbeitsteilung, Solidarität und Moral. Eine werkgeschichtliche und systematische Einführung in die »Arbeitsteilung« von Emile Durkheim, in: Durkheim, Emile (1930 / 1992): Über soziale Arbeitsteilung, S. 518.

[132] Dabei schreibe Durkheim „das unkontrollierte Ansteigen der menschlichen Bedürfnisse der »menschlichen Natur« und nicht etwa der kapitalistischen Marktwirtschaft zu.“ Vgl.: Loo, Hans van der; Reijen, Willem van (1997): Modernisierung. Projekt und Paradox. 2., aktualisierte Auflage. München, S.99.

[133] Vgl. die Einleitung von Niklas Luhmann (1992): Arbeitsteilung und Moral. Durkheims Theorie, in: Durkheim, Emile (1930 / 1992): Über soziale Arbeitsteilung, S. 34.

[134] Die Aufarbeitung des sozialwissenschaftlichen Diskussionsstandes orientiert sich im Wesentlichen an der Verwendung der Begrifflichkeit intermediärer Organisationen/ Institutionen/ Instanzen in der einschlägigen Literatur und beginnt mit den Publikationen von Kaufmann und Streeck (beide 1987). Dabei beansprucht die Darstellung des Diskussionsstandes keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Intention ist es vielmehr, exemplarisch die Grundzüge und Forschungsfelder sozialwissenschaftlicher Auseinandersetzung mit intermediären Organisationen/ Institutionen/ Instanzen jenseits der Beschäftigung mit den Klassikern nachzuzeichnen.

[135] Fuchs-Heinritz, Werner (1994): Art. „Institution, intermediäre“, in: Ders. et al (Hg).: Lexikon zur Soziologie, S. 302 (Hervorhebung im Original).

[136] Lautmann, Rüdiger (1994): Art. „intermediär“, in: Fuchs-Heinritz, Werner et al (Hg.): Lexikon zur Soziologie, S. 313 (Hervorhebung im Original).

[137] Vgl.: Luckmann, Thomas (1998): Gesellschaftliche Bedingungen geistiger Orientierung, S. 36.

[138] Der Fokus in diesem Abschnitt ist primär gerichtet auf Fragen der Intermediarität und nicht auf die Unterscheidung der Begriffe Institution und Organisation. Die Problematik der Unterscheidung, auf die auch die synonyme Nennung im oben zitierten Lexikonartikel hindeutet, wird in Kapitel 4.2. vertieft. Vgl. zu diesem Thema: Esser, Hartmut (2000): Soziologie. Spezielle Grundlagen, Band 5: Institutionen. Frankfurt am Main / New York, S. 2 ff.; Pirker, Theo (1991): Soziologie intermediärer Institutionen, S. 244.

[139] Vgl. exemplarisch Streeck (1987), Pirker (1991), Berger (1996), Bauer / Grenzdörffer (1997), Luckmann (1998).

[140] Vgl.: Streeck, Wolfgang (1987): Vielfalt und Interdependenz. Überlegungen zur Rolle von intermediären Organisationen in sich ändernden Umwelten, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 39, S. 474.

[141] Luckmann, Thomas (1998): Gesellschaftliche Bedingungen geistiger Orientierung, S. 19 ff.

[142] Vgl.: Ebda., S. 36 (Hervorhebung im Original).

[143] Vgl.: Berger, Peter L. (1996): Demokratie und geistige Orientierung, S. 464 f.

[144] Vgl.: Grimm, Dieter (1995): Braucht Europa eine Verfassung? S. 38 f.

[145] Vgl. exemplarisch: Schmitter, Philippe C. (1994): Interests, Associations and Intermediation in a Reformed Post-Liberal Democracy, in: Streeck, Wolfgang (Hg.): Staat und Verbände. Politische Vierteljahresschrift, 35. Jg., Sonderheft 25/1994, S. 160 – 171; siehe auch: Streeck, Wolfgang (1994): Einleitung des Herausgebers. Staat und Verbände: Neue Fragen. Neue Antworten? In: Ders. (Hg.): Staat und Verbände, S. 7 – 34.

[146] Vgl.: Evers, Adalbert (1990): Im intermediären Bereich – Soziale Träger und Projekte zwischen Haushalt, Staat und Markt, in: Journal für Sozialforschung, 30. Jg., Heft 2/1990, S. 189 – 210. Siehe auch hinsichtlich der Definition und Klassifikation intermediärer Nonprofit-Organisationen: Anheier, Helmut; Salamon, Lester M. (1993): Die internationale Systematik der Nonprofit-Organisationen: Zur Definition und Klassifikation des “Dritten Sektors“ intermediärer Organisationen, in: Bauer, Rudolph (Hg.): Intermediäre Nonprofit-Organisationen in einem Neuen Europa. Rheinfelden / Berlin (= Gesellschaft, Erziehung, Bildung; 34 : Studien zur vergleichenden Sozialpädagogik und internationalen Sozialarbeit; Bd. 7), S. 1 – 16.

[147] Als Ausgangspunkt diesbezüglicher Forschungsarbeiten kann das DFG-Schwerpunktprogramm „Gesellschaftliche Bedingungen sozialpolitischer Intervention: Staat, intermediäre Instanzen und Selbsthilfe“ angesehen werden. Vgl.: Kaufmann, Franz-Xaver (1987): Zur Einführung: Ein sozialpolitisches Schwerpunktprogramm der DFG – und was daraus wurde, in: Ders. (Hg.): Staat, intermediäre Instanzen und Selbsthilfe, S. 9 – 40. Vgl. ebenfalls mit sozialpolitischem Fokus: Brinkmann, Volker (1998): Intermediäre Engagements als Herausforderung an die Sozialpolitik in Deutschland. Münster (= Sozialpädagogik/Sozialarbeit im Sozialstaat; Bd. 9).

[148] Vgl.: Fingerle, Jörg (2000): Die Kirche als intermediäre Institution. Grundlinien einer theologischen Theorie zur Sozialgestalt der Kirche. Dissertation: Humboldt-Universität zu Berlin, S. 31.

[149] Vgl.: Ebda., S. 32.

[150] Backhaus-Maul, Holger; Olk, Thomas (1992): Intermediäre Organisationen als Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschung. Theoretische Überlegungen und erste empirische Befunde am Beispiel des Aufbaus von intermediären Organisationen in den neuen Bundesländern, in: Schmähl, Winfried (Hg.): Sozialpolitik im Prozeß der deutschen Vereinigung. Frankfurt am Main / New York (= Schriften des Zentrums für Sozialpolitik; Bd. 1), S. 91 – 132. Siehe diesbezüglich auch: Angerhausen, Susanne; Backhaus-Maul, Holger; Schiebel, Martina (1993): In “guter Gemeinschaft“? Die sozial-kulturelle Verankerung von intermediären Organisationen im Sozialbereich der neuen Bundesländer. Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen. ZeS-Arbeitspapier Nr. 14/93.

[151] Bauer, Rudolph (Hg.) (1993): Intermediäre Nonprofit-Organisationen in einem Neuen Europa.

[152] Vgl.: Herrmann, Peter (1993): Intermediäre Organisationen im Spannungsfeld von Zentralisierung und Dezentralisierung: Die Rolle der Wohlfahrtsverbände im Prozeß der “EG-isierung“, in: Bauer, Rudolph (Hg.): Intermediäre Nonprofit-Organisationen in einem neuen Europa, S. 99 – 123.

[153] Niedermayer, Oskar (1996): Vorwort, in: Ders. (Hg.): Intermediäre Strukturen in Ostdeutschland. Opladen (= Beiträge zu den Berichten der Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern e.V.; Beiträge zum Bericht 3 : „Politisches System“; Bd. 3.2), S.9– 10. Mit ähnlich breitem Spektrum wurden im Rahmen der Osteuropaforschung u. a. intermediäre Instanzen im demokratischen Transformationsprozess postkommunistischer Staaten untersucht. Siehe bei: Ziemer, Klaus (Hg.) (2000): Die Neuorganisation der politischen Gesellschaft. Staatliche Institutionen und intermediäre Instanzen in postkommunistischen Staaten Europas. Berlin (= Osteuropaforschung; Bd. 40).

[154] Vgl.: Roth, Roland (1992): Jenseits von Markt und Staat. Dritter Sektor und neue soziale Bewegungen, in: FJNSB (Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen), 5. Jg., Heft 4, S. 12.

[155] Ebda.

[156] Zu Unterscheidung und den Gemeinsamkeiten von Dritt-Sektor-Forschung und Bewegungsforschung vgl. z.B.: Ebda., S. 12 – 20.

[157] Vgl.: Rucht, Dieter (1997): Soziale Bewegung als demokratische Produktivkraft, in: Klein, Ansgar; Schmalz-Bruns, Rainer (Hg.): Politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland. Möglichkeiten und Grenzen. Baden-Baden, S. 382 ff.

[158] „Wenngleich zu fragen bleibt, ob es sich bei Moral tatsächlich um den Kommunikationscode der neuen sozialen Bewegungen handelt.“ Vgl.: Hellmann, Kai-Uwe (1996): Systemtheorie und neue soziale Bewegungen. Identitätsprobleme in der Risikogesellschaft. Opladen, S. 87 ff.

[159] Vgl. u. a.: Brodocz, André (1996): Strukturelle Kopplung durch Verbände, in: Soziale Systeme, Jg. 2, Heft 2, S. 361 – 387.

[160] Hellmann, Kai-Uwe; Klein, Ansgar; Rohde, Markus (1998): Editorial: Neue Soziale Bewegungen – Impulse, Bilanzen und Perspektiven, in: FJNSB, Jubiläumsausgabe: 10 Jahre Forschungsjournal NSB, 11. Jg., Heft 1, S. 5.

[161] Der Diskussionsstand zur Zivilgesellschaftsdebatte soll hier nicht vertieft werden. Einen Überblick in den Diskurs geben exemplarisch folgende Publikationen: Michalski, Krzysztof (Hg.) (1991): Europa und die Civil Society. Castelgandolfo-Gespräche 1989. Institut für die Wissenschaften vom Menschen. Stuttgart. Cohen, Jean L.; Arato, Andrew (1995): Civil Society and Political Theory. 3. Auflage. Cambridge (= Studies in Contemporary German Social Thought). Zimmer, Annette; Nährlich, Stefan (Hg.) (2000): Engagierte Bürgerschaft. Traditionen und Perspektiven. Opladen (= Bürgerschaftliches Engagement und Nonprofit-Sektor; Bd. 1). Klein, Ansgar (2001): Der Diskurs der Zivilgesellschaft. Politische Hintergründe und demokratietheoretische Folgerungen. Opladen (= Bürgerschaftliches Engagement und Nonprofit-Sektor; Bd. 4). Zimmer, Annette; Weßels, Bernhard (Hg.) (2001): Verbände und Demokratie in Deutschland. Opladen (= Bürgerschaftliches Engagement und Nonprofit-Sektor; Bd. 5). Schade, Jeanette (2002): „Zivilgesellschaft“ – eine vielschichtige Debatte.

[162] Tiepelmann, Klaus; Beek, Gregor van der (Hg.) (1997): Politik der Parafiski. Intermediäre im Balanceakt zwischen Staats- und Bürgernähe. Hamburg.

[163] Vgl.: Pirker, Theo (1991): Soziologie intermediärer Institutionen, S. 253.

[164] Vgl.: Ebda., S. 254.

[165] Vgl.: Selle, Klaus (1992): Neue Institutionen für die Entwicklung städtischer Quartiere, oder: Warum entstehen intermediäre Organisationen? In: FJNSB, 5. Jg., Heft 2, S. 48 – 61.

[166] Vgl.: Gustedt, Evelyn (2000): Nachhaltige Regionalentwicklung durch intermediäre Organisationen? Erwartungshaltungen, Hemmnisse und Möglichkeiten, dargestellt vor dem Hintergrund intermediärer Organisationen in vier peripheren, touristisch orientierten Regionen. Stuttgart.

[167] Vgl.: Angerhausen, Susanne; Backhaus-Maul, Holger; Schiebel, Martina (1993): In “guter Gemeinschaft“? S.8.

[168] Vgl.: Ebda.

[169] Gormsen, Erdmann; Thimm, Andreas (1992): Vorwort, in: Dies. (Hg.): Zivilgesellschaft und Staat in der Dritten Welt. Mainz (= Interdisziplinärer Arbeitskreis Dritte Welt, Veröffentlichungen; Bd. 6), S. 5.

[170] Ebda.

[171] Vgl. u. a.: Hellmann, Kai-Uwe; Schmalz-Bruns, Rainer (Hg.) (2002): Theorie der Politik. Niklas Luhmanns politische Soziologie. Frankfurt am Main; Hellmann, Kai-Uwe; Fischer, Karsten; Bluhm, Harald (Hg.) (2003): Das System der Politik. Niklas Luhmanns politische Theorie. Opladen.

[172] Mayntz, Renate (1993): Policy-Netzwerke und die Logik von Verhandlungssystemen, in: Héritier, Adrienne (Hg.): Policy-Analyse. Kritik und Neuorientierung (= Politische Vierteljahresschrift; Sonderheft 24/1993), S. 41.

[173] Vgl.: Groß, Matthias (2001): Die Natur der Gesellschaft. Eine Geschichte der Umweltsoziologie. Mit einem Vorwort von Wolfgang Krohn. Weinheim / München, S. 210.

[174] Vgl.: Krause, Detlef (2001): Luhmann-Lexikon. Eine Einführung in das Gesamtwerk von Niklas Luhmann. 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart, S. 122.

[175] Luhmann, Niklas (1990): Ökologische Kommunikation. Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen? 3. Auflage. Opladen, S. 40.

[176] Krause, Detlef (2001): Luhmann-Lexikon, S. 25.

[177] Luhmann, Niklas (1990): Ökologische Kommunikation, S. 266 f.

[178] Vgl.: Krause, Detlef (2001): Luhmann-Lexikon, S. 179.

[179] Vgl.: Ebda., S. 123.

[180] Luhmann, Niklas (1990): Ökologische Kommunikation, S. 103.

[181] Ebda., S. 170.

[182] Krause, Detlef (2001): Luhmann-Lexikon, S. 41 f.

[183] Vgl. z. B. auch: Mayntz, Renate (1997): Soziale Dynamik und politische Steuerung. Theoretische und methodologische Überlegungen. Frankfurt am Main / New York (= Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Köln; Bd. 29), S. 189.

[184] Vgl.: Ebda.

[185] Luhmann, Niklas (1990): Ökologische Kommunikation, S. 33.

[186] Vgl.: Luhmann, Niklas (1981): Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat. München (= Analysen und Perspektiven; Bd. 8/9), S. 57; Luhmann, Niklas (1990): Ökologische Kommunikation, S. 22 f.

[187] Vgl.: Groß, Matthias (2001): Die Natur der Gesellschaft, S. 210.

[188] Luhmann, Niklas (1990): Ökologische Kommunikation, S. 40 (Hervorhebung im Original).

[189] Ebda.

[190] Vgl.: Krause, Detlef (2001): Luhmann-Lexikon, S. 194.

[191] Luhmann, Niklas (1990): Ökologische Kommunikation, S. 41.

[192] Ebda.

[193] Ebda., S. 41 – 42 (Hervorhebungen im Original).

[194] Mit Programmierung meint Luhmann hier, dass Problemlagen Niederschlag finden in den Programmen der Systeme, „zum Beispiel durch Theorien oder durch Rechtsgesetze, durch Investitionen oder durch Festlegung parteipolitischer Ausrichtungen.“ Ebda., S. 220.

[195] Ebda., S. 200.

[196] Scharpf, Fritz W. (1989): Politische Steuerung und Politische Institutionen, in: Politische Vierteljahresschrift, 30 Jg., Heft 1, S. 10.

[197] Generell zur Kritik vgl. z. B.: Scharpf (1989); Braun (1993); Metzner (1993); Diekmann / Jaeger (1996); Benz (1997); Mayntz (1997); Schneidewind (1998); Diekmann / Preisendörfer (2001); Groß (2001).

[198] Benz, Arthur (1997): Kooperativer Staat? Gesellschaftliche Einflussnahme auf staatliche Steuerung, in: Klein, Ansgar; Schmalz-Bruns, Rainer (Hg.): Politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland. Möglichkeiten und Grenzen. Baden-Baden, S. 89.

[199] Vanberg, Victor (1975): Die zwei Soziologien. Tübingen, zitiert nach: Diekmann, Andreas; Jaeger, Carlo C. (1996): Aufgaben und Perspektiven der Umweltsoziologie, in: Dies. (Hg.): Umweltsoziologie. Opladen (= Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie; Sonderheft 36), S. 22.

[200] Diekmann, Andreas; Jaeger, Carlo C. (1996): Aufgaben und Perspektiven der Umweltsoziologie, S. 22.

[201] Vgl.: Siebenhüner, Bernd (2001): Homo sustinens – Auf dem Weg zu einem Menschenbild der Nachhaltigkeit. Marburg, S. 232 f.

[202] Die Strukturationstheorie ist erwähnt u. a. bei Schneidewind (1998; 2001; 2003), Schneidewind / Petersen (1998), Siebenhüner (2001) und Kopfmüller et al (2001).

[203] Giddens, Anthony (1995): Die Konstitution der Gesellschaft. Grundzüge einer Theorie der Strukturierung. 2., durchgesehene Auflage. Frankfurt am Main / New York, S. 55.

[204] Ebda., S. 67 – 81.

[205] Lamla, Jörn (2003): Kopplung versus Dualität. Ein Vergleich der Strukturbegriffe von Niklas Luhmann und Anthony Giddens, in: Hellmann, Kai-Uwe; Fischer, Karsten; Bluhm, Harald (Hg.): Das System der Politik, S. 256.

[206] Zur Kritik an Giddens wiederum siehe u. a.: Diekmann, Andreas; Jaeger, Carlo C. (1996): Aufgaben und Perspektiven der Umweltsoziologie, S. 22.

[207] Lamla, Jörn (2003): Kopplung versus Dualität, S. 256. Lamla zitiert hier Marx aus folgender Schrift: Marx, Karl (1972): Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, in: Marx, Karl; Engels, Friedrich: Ausgewählte Werke in sechs Bänden; Bd. 2. Berlin, S. 299 – 417.

[208] Vgl.: Lamla, Jörn (2003): Kopplung versus Dualität, S. 256.

[209] Ebda., S. 268.

[210] Luhmann, Niklas (1981): Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat, S. 22 (Hervorhebungen im Original).

[211] Vgl.: Luhmann, Niklas (1998): Die Gesellschaft der Gesellschaft, 2 Bände. 1. Auflage. Frankfurt am Main (=suhrkamp taschenbuch wissenschaft; 1360), S. 778.

[212] Vgl.: Ebda.; siehe auch: Bode, Ingo; Brose, Hanns-Georg (2001): Zwischen den Grenzen, S. 113.

[213] Luhmann, Niklas (1998): Die Gesellschaft der Gesellschaft, S. 779.

[214] Ebda.

[215] Die Fragen der Steuerung werden in Kapitel 5.7 und 5.8 vertieft.

[216] Siebenhüner, Bernd (2001): Homo sustinens – Auf dem Weg zu einem Menschenbild der Nachhaltigkeit, S. 232.

[217] Luhmann, Niklas (1994): Die Gesellschaft und ihre Organisationen, in: Derlien, Hans - U.; Gerhardt, Uta; Scharpf, Fritz W. (Hg.): Systemrationalität und Partialinteresse. Festschrift für Renate Mayntz. Baden-Baden, S. 195 (Hervorhebungen im Original).

[218] Mehr zur Unterscheidung struktureller und operativer Kopplung und ihrer Relevanz für die systeminterne Differenzierung bei: Luhmann, Niklas (1998): Die Gesellschaft der Gesellschaft, S. 788; vgl. auch: Drepper, Thomas (2003): Organisationen der Gesellschaft. Organisation und Gesellschaft in der Systemtheorie Niklas Luhmanns. Wiesbaden, S. 190.

[219] Luhmann, Niklas (1994): Die Gesellschaft und ihre Organisationen, S. 196.

[220] Vgl.: Luhmann, Niklas (1989): Politische Steuerung: Ein Diskussionsbeitrag, in: Politische Vierteljahresschrift, 30 Jg., Heft 1, S. 8. Zu den Hoffnungen auf Steuerungschancen etwa durch „das Kommunikationspotenzial einer Zivilgesellschaft“ und vor dem Hintergrund erheblicher ökologischer Schwierigkeiten, „die sich in absehbarer Zukunft zu ernsthaften Krisen auswachsen werden“ vgl.: Luhmann, Niklas (1998): Die Gesellschaft der Gesellschaft, S. 776 f.

[221] Vgl.: Hellmann, Kai-Uwe (1996): Systemtheorie und neue soziale Bewegungen, S. 78 f.; Vgl.: Luhmann, Niklas (2000): Organisation und Entscheidung. Opladen, S. 397; Siehe auch: Simsa, Ruth (2002): Strukturelle Kopplung: Die Antwort der Theorie auf die Geschlossenheit sozialer Systeme und ihre Bedeutung für die Politik, in: Hellmann, Kai-Uwe; Schmalz-Bruns, Rainer (Hg.): Theorie der Politik, S. 149 und Drepper, Thomas (2003): Organisationen der Gesellschaft, S. 238.

[222] Vgl.: Luhmann, Niklas (2000): Organisation und Entscheidung, S. 397 f.

[223] Ebda.

[224] Vgl.: Ebda.

[225] Lamla, Jörn (2003): Kopplung versus Dualität, S. 255.

[226] Bode, Ingo; Brose, Hanns-Georg (2001): Zwischen den Grenzen, S. 117.

[227] Kneer, Georg (2001): Organisation und Gesellschaft. Zum ungeklärten Verhältnis von Organisations- und Funktionssystemen in Luhmanns Theorie sozialer Systeme, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 30, Heft 6, S. 409. Brodocz (2003: 81) spricht von der „autopoietischen Wende“.

[228] Luhmann, Niklas (2000): Organisation und Entscheidung. Opladen, S. 383.

[229] Vgl.: Kneer, Georg (2001): Organisation und Gesellschaft, S. 409.

[230] Ebda., S. 409 f.

[231] Ebda., S. 422 (Hervorhebung im Original). Mehr zum Begriff des kooperativen Staates in Kapitel 5.7.

[232] Bode, Ingo; Brose, Hanns-Georg (2001): Zwischen den Grenzen, S. 117.

[233] Ebda., S. 112.

[234] Ebda., S. 114

[235] Ebda., S. 118 (Hervorhebungen im Original).

[236] Ebda.

[237] Ebda., S. 135.

[238] Als Beispiel seien hier die politischen Parteien genannt, die auf den ersten Blick als Bestandteil des politischen Systems identifiziert werden können. Vgl. hierzu die kritische Analyse von Reese-Schäfer: Reese-Schäfer, Walter (2002): Parteien als politische Organisationen in Luhmanns Theorie des politischen Systems, in: Hellmann, Kai-Uwe; Schmalz-Bruns, Rainer (Hg.): Theorie der Politik, S. 109 – 130. Vgl. auch das Kapitel 7 über „Politische Organisationen“ in Luhmanns „Politik der Gesellschaft“: Luhmann, Niklas (2002): Die Politik der Gesellschaft. Frankfurt am Main (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft; 1582), S. 228 – 273.

[239] Vgl.: Bode, Ingo; Brose, Hanns-Georg (2001): Zwischen den Grenzen, S. 118.

[240] Vgl.: Kneer, Georg (2001): Organisation und Gesellschaft, S. 422. Zum Thema Entdifferenzierung vgl. auch: Bora, Alfons (2001): Öffentliche Verwaltungen zwischen Recht und Politik. Zur Multireferentialität der Programmierung organisatorischer Kommunikationen, in: Tacke, Veronika (Hg.): Organisation und gesellschaftliche Differenzierung, S. 170 – 191.

[241] Bode, Ingo; Brose, Hanns-Georg (2001): Zwischen den Grenzen, S. 117.

[242] Ausführlich in: Zimmermann, Gunter E. (1998): Art. „Organisation“, in: Schäfers, Bernhard (Hg.): Grundbegriffe der Soziologie. 5. Auflage. Opladen (= UTB für Wissenschaft 1416), S.261 – 264.

[243] Vgl.: Schneidewind, Uwe (2002): Nachhaltige Wissensgesellschaft, S. 193.

[244] Vgl.: Luhmann, Niklas (1994): Die Gesellschaft und ihre Organisationen, S. 189.

[245] Vgl.: Ebda., S. 190.

[246] Ebda., S. 195.

[247] Ebda., S. 190.

[248] Vgl.: Ebda., S. 191.

[249] Willke, Helmut (1998a): Systemisches Wissensmanagement. Stuttgart (= UTB für Wissenschaft 2047), S. 1.

[250] Ebda., S. 5.

[251] Angelehnt an die Definition der Wissensgesellschaft von Schneidewind eines „breiteren ökonomischen und gesellschaftlichen Verständnisses“; vgl. Schneidewind, Uwe (2002): Nachhaltige Wissensgesellschaft, S. 199 - 200.

[252] Vgl.: Zimmermann, Gunter E. (1998): Art. „Organisation“, S. 263 (Hervorhebung im Original).

[253] Siebenhüner, Bernd (2001): Homo sustinens – Auf dem Weg zu einem Menschenbild der Nachhaltigkeit, S. 417 f.

[254] Mehr zur Definition von Organisationsentwicklung und lernender Organisation siehe: Ebda.

[255] Eine Dysfunktion beschreibt diejenige Wirkung eines sozialen Elements, welche die Umweltanpassung, Integration, Zielverwirklichung und Strukturerhaltung des Systems beeinträchtigt. Vgl.: Reimann, Bruno W. (1994): Art. „Dysfunktion“, in: Fuchs-Heinritz, Werner et al (Hg.): Lexikon zur Soziologie, S. 154; siehe auch: Zimmermann, Gunter E. (1998): Art. „Organisation“, S. 263.

[256] Siebenhüner, Bernd (2001): Homo sustinens – Auf dem Weg zu einem Menschenbild der Nachhaltigkeit, S. 418.

[257] Ebda.

[258] Ebda.

[259] Luhmann, Niklas (2000): Organisation und Entscheidung, S. 63 (Hervorhebungen im Original).

[260] Ebda., S. 183.

[261] Ebda.

[262] Ebda., S. 186 f.

[263] Vgl.: Ebda., S. 424.

[264] Vgl.: Ebda., S. 48; ausführlich diskutiert ab S. 256.

[265] Vgl.: Pankoke, Eckart; Stellermann, Rolf (2000): Werte und Wissen im Wandel. Zur kommunikativen Kultur organisationalen Lernens. Lehrforschungsprojekt im Studiengang ‚Praktische Sozialwissenschaft’. Universität Essen, S. 122.

[266] Ebda.

[267] Vgl.: Ebda., S. 16.

[268] Vgl.: Ebda.

[269] Ausführlich bei: Scholz, Christian (2000): Strategische Organisation. Multiperspektivität und Virtualität. 2., überarbeitete Auflage. Landsberg/Lech, S. 320 – 391.

[270] Ebda., S. 328.

[271] Ebda., S. 320.

[272] Ebda.

[273] Vgl.: Ebda.

[274] Vgl.: Byrne, John A.; Brandt, Richard; Port, Otis (1993): The Virtual Corporation, in: Business Week v. 8.2.1993, S. 36 – 40; zitiert nach: Scholz, Christian (2000): Strategische Organisation, S. 324.

[275] Vgl.: Scholz, Christian (2000): Strategische Organisation, S. 337.

[276] Vgl.: Ebda., S. 336 f.

[277] Ebda., S. 332.

[278] Jonas, Friedrich (1966): Die Institutionenlehre Arnold Gehlens. Tübingen (= Soziale Forschung und Praxis; Bd. 24), S. 2.

[279] Vgl.: Hegel, Georg W. F. (1821 / 1972): Grundlinien der Philosophie des Rechts. Hrsg. und eingeleitet von Helmut Reichelt. Frankfurt am Main et al, § 350, S. 298; § 203, Anmerkung, S. 181.

[280] Jonas, Friedrich (1966): Die Institutionenlehre Arnold Gehlens, S. 2.

[281] Vgl.: Ebda.

[282] Lipp, Wolfgang (1998): Art. „Institution“, in: Schäfers, Bernhard (Hg.): Grundbegriffe der Soziologie, S.148.

[283] Vgl.: Esser, Hartmut (2000): Soziologie. Spezielle Grundlagen, Band 5: Institutionen, S. 1.

[284] Ebda., S. 6 f.

Ende der Leseprobe aus 351 Seiten

Details

Titel
Intermediäre Kräfte nachhaltiger Gesellschaftspolitik
Untertitel
Zur Politikvermittlung europäischer Nicht-Regierungs-Organisationen
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
Magna cum laude
Autor
Jahr
2006
Seiten
351
Katalognummer
V79700
ISBN (eBook)
9783638785310
ISBN (Buch)
9783638803823
Dateigröße
8287 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Intermediäre, Kräfte, Gesellschaftspolitik
Arbeit zitieren
Dr. phil. Jürgen Schäfer (Autor:in), 2006, Intermediäre Kräfte nachhaltiger Gesellschaftspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79700

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