Psychologische Aspekte der Fragebogengestaltung


Hausarbeit, 2002

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Frageformulierung (Bezugsrahmen des Befragten)
1.1 Gründe
1.2 Einsicht
1.3 Fragen-Anordnung
1.4 Spontane Beantwortung

2. Arten von Fragen und Antwortvorgaben
2.1 Offene Fragen
2.2 Geschlossene Fragen

3. Fragebegründung und Zweck (Bezugsrahmen des Forschers)
3.1 Hypothetische Herleitung
3.2 Einteilung nach dem Zweck
3.2.1 Instrumentelle Fragen
3.2.2 Ergebnisfragen

4. Fragebogenaufbau

Literatur

Psychologische Aspekte der Fragebogengestaltung

Einleitung

Fragen dürften wohl das hauptsächlichste Mittel sein, mit dem wir uns im Alltag zu verständigen und etwas zu ermitteln suchen. Genauer gesagt, geht es dabei ja nicht allein um die Frage, sondern auch um die Antwort, die diese Frage ermöglicht oder die man direkt vorgibt (Friedrichs, 1990, S. 192). Da der Mensch in der Lage ist, Fragen zu beantworten, wird er vom Forscher oft als Informant in eigener Sache herangezogen: als Berichterstatter über das eigene Geschlecht, die Haarfarbe oder die ethnische Zugehörigkeit, über das eigene Einkommen, den Bildungsabschluss und den Familienstand und schließlich über die eigenen Einstellungen, das Wohlbefinden, die Wünsche und Motive (vgl. Duncan, 1984, zitiert in Strack, 1994, S. 7).

Fragen sind eines der in den Sozialwissenschaften am häufigsten verwendeten Vorgehen: (...) sei es ausschließlich in den Formen der Befragung oder als Teil anderer Methoden wie der Soziometrie, der Gruppendiskussion, der Beobachtung oder dem Experiment (Friedrichs, 1990, S. 193). Besonders in der Marktforschung spielen Befragungen eine immer bedeutendere Rolle. Unternehmen stellen sich in Zeiten wachsender Konkurrenz zunehmend Fragen wie: Hat mein Produkt eine Chance, sich nachhaltig auf dem Markt zu etablieren? Was muss ich an meinem Produkt verändern, um den Wünschen und Bedürfnissen der Konsumenten zu entsprechen?

Laut Böhler (1992, S. 89) werden Fragebögen bei schriftlicher, telekommunikativer[1] und mündlicher Befragung benutzt. Bei mündlicher Befragung ist zudem zwischen Fragebögen für standardisierte Interviews und Leitfäden für teilstandardisierte Interviews zu unterscheiden. Die Probleme des Fragebogenaufbaus sind dabei verschieden (Böhler, 1992, S. 89). Wir beschränken uns in der vorliegenden Arbeit auf die standardisierten Befragungsmethoden, bei denen die Frageformulierung festgelegt ist (vgl. Atteslander & Kopp, 1995).

Die richtige Formulierung von Fragen und die Gestaltung des Fragebogens sind – neben der sinnvollen Auswahl von Gesprächspartnern in der Stichprobe – das A und O einer guten Befragungsaktion. Oft entscheidet der Fragebogen mehr als der Interviewer über die Qualität einer Untersuchung (Kastin, 1995, S. 92). Es wurde schon in den 40er Jahren wiederholt experimentell gezeigt, dass die Art der Fragestellung die Antwort beeinflussen kann (vgl. Cantril, 1944; Payne, 1951, zitiert in Strack, 1994, S. 32). Jedoch erst Ende der 70er Jahre ist diese Art der Forschung erneut in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, hier vor allem bei Sudman und Bradburn (1974) sowie bei Schuman und Presser (1981).

In der folgenden Ausführung möchten wir uns mit der Beantwortung folgender Fragen beschäftigen und verstärkt die psychologischen Aspekte herausarbeiten:

1. Wie ist die Frage zu formulieren?
2. Welche Art von Frage (und Antwortvorgabe) ist angemessen?
3. Warum wird die Frage gestellt und welchen Zweck hat sie?
4. Wie muss der Fragebogen aufgebaut und gestaltet sein?

1. Frageformulierung (Bezugsrahmen des Befragten)

1.1 Gründe

Um dem Bezugsrahmen des Befragten gerechter zu werden, ist es sinnvoll, nach den Gründen einer Antwort zu fragen (Friedrichs, 1990, S. 194). Anschaulich wird dieser Aspekt mit folgender Beispielfrage: „Befürworten Sie die Politik der FDP oder lehnen Sie diese Politik ab?“ Wenn die Person diese Politik ablehnt, kann der Interviewer aus dieser gegebenen Antwort noch keine expliziten Schlüsse ziehen. Er weiß nicht, ob die Person die Politik für zu progressiv oder für zu konservativ hält, oder ob sie die Politik auf Landesebene oder Bundesebene meint. Daher sind zusätzliche Fragen notwendig, um Zustimmung oder Ablehnung weiter zu differenzieren (Friedrichs, 1990, S. 195). Diese können folgendermaßen lauten: „Warum sind Sie dieser Ansicht?“, „Warum haben Sie diese Partei bei der letzten Bundestagswahl gewählt?“

1.2 Einsicht

Es kann durchaus nicht immer Einsicht in die Thematik und die daraus resultierenden Fragen unterstellt werden. Je nach Intelligenz, Temperament und Informationsstand fühlen sich die Auskunftspersonen dann überfordert oder abgestoßen, was der Antwortqualität natürlich nicht förderlich ist (Berekoven, Eckert & Ellenrieder, 2001, S. 100). Es gibt Fragen, die zuviel voraussetzen und deren Ergebnisse daher unbrauchbar werden. Ein gutes Beispiel hierfür liefern die unterschiedlichen Interpretationen des Begriffs „Profit“ (Payne, 1951, S. 19, zitiert in Friedrichs, 1990, S. 195):

„Wenn Sie von Profit sprechen, denken Sie dann an den Profit am Umsatz, an das in einer Firma investierte Geld, an den Jahresgewinn oder an was sonst?“

Profit am Umsatz: 22 %,

Profit an Investitionen: 18 %,

Profit am Jahresende: 14 %,

anderes: 10 %,

weiß nicht: 37 %.

- Solche abstrakte Begriffe müssen in allgemeinverständliche umgeformt bzw. operationalisiert werden. Diese Probleme bei der Erstellung eines Fragebogens müssen vorausgesehen werden oder durch den Einsatz eines Pretests (siehe 1.5) identifiziert und beseitigt werden.

1.3 Fragen-Anordnung

Bei der Fragebogenkonstruktion sollte beachtet werden, dass den ersten Fragen („Einleitungsfragen“) eine besondere Bedeutung zukommt. An ihnen entscheidet sich das Engagement des Befragten zur Beantwortung des gesamten Fragebogens. Dementsprechend interessant sollte sie in die gesamte Thematik einführen und leicht zu beantworten sein, um bestehende Ängste des Befragten über die Schwierigkeiten einer Befragung zu mildern. Sie spielen für den eigentlichen Untersuchungszweck eine untergeordnete Rolle.

Da eine wissenschaftliche Befragung in der Regel mehr als nur eine Frage enthält, müssen die Fragen in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet werden. Wichtig dabei ist, dass :

- zu einem Themenbereich immer mehrere Fragen gestellt werden (Konzept der multiplen Indikatoren),
- Fragen, die denselben Aspekt des Themas behandeln (Fragenkopmplexe) nacheinander abgefragt werden[2],
- neue Fragenkomplexe mit „Überleitungsfragen“ eingeleitet werden (vgl. Schnell, Hill & Esser, 1999, S. 320 f).

So ergibt sich für jede einzelne Frage eine relative Position in Bezug auf die anderen Fragen. Unter dem Stichwort „Reihenfolgeeffekte“ wurde die relative Position einer Frage als Einflussvariable untersucht. Sie wird von Umfrageforschern als die wichtigste Störquelle bei der Fragebogenkonstruktion angesehen (vgl. Bradburn, 1983, zitiert in Strack, 1994).

Genauer betrachtet, wird das Antwortverhalten jedoch nicht durch die Position des Items in der Anordnung insgesamt beeinflusst, sondern durch die jeweils vorangehende Frage (vgl. Strack, 1992, zitiert in eben diesem, 1994, S. 24). Ein solches Beispiel ist die Frage nach der Zulässigkeit von Abtreibungen. Schumann und Presser (1981, zitiert in Strack, 1994, S. 26) fanden heraus, dass die generelle Frage nach der Zulässigkeit von Abtreibungen weniger zustimmend beantwortet wird, wenn zuvor gefragt wurde, ob eine Abtreibung für den speziellen Fall einer Behinderung des Kindes erlaubt sein sollte. Während die Zustimmungsrate im speziellen Fall unabhängig von der relativen Position der Frage bei über 80 % lag, reduzierte sich der Anteil der Zustimmung zur allgemeinen Frage von 60,7 % auf 48,1 %, wenn die spezielle Frage zuerst gestellt wurde.

Friedrichs (1990, S. 197) spricht dabei von einem „Halo-Effekt“ und bezeichnet damit den Prozess, dass die Frage nicht aufgrund ihres manifesten Inhalts, sondern aufgrund ihrer Beziehung zum Inhalt der vorangegangenen Frage beantwortet wird. Dabei kann es sich um eine nur vorbewusste Assoziation des Befragten handeln. So dürfte es sich auch nicht empfehlen, zunächst eine Frage nach der Todesstrafe zu stellen und anschließend zu fragen, ob und wie man Sexualdelikte bestrafen sollte.

[...]


[1] Damit sind wohl vor allem die inzwischen verstärkt angewandten Online-Befragungen gemeint.

[2] Eine Ausnahme bilden die sogenannten Kontrollfragen (siehe 2.2).

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Psychologische Aspekte der Fragebogengestaltung
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg  (Psychologie)
Veranstaltung
Methoden der Markt- und Meinungsforschung
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V7960
ISBN (eBook)
9783638150521
Dateigröße
501 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fragebogen, Meinung, Konsumenten, Umfrage
Arbeit zitieren
Heiko Sieben (Autor:in), 2002, Psychologische Aspekte der Fragebogengestaltung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7960

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