Die Rolle der Türkei im Irakkrieg


Seminararbeit, 2004

16 Seiten, Note: 5.5 (Schweiz)


Leseprobe


1 Inhaltsverzeichnis

1 Inhaltsverzeichnis

2 Einleitung

3 Theorie

4 Fallbeispiel (empirischer Teil)
4.1 Ausgangslage
4.2 Mögliche Szenarien
4.3 Schlussfolgerung

5 Schluss

6 Literatur

2 Einleitung

In den Jahren 2002 und 2003 dominierte die Irakkrise mit dem anschliessenden Feldzug der USA gegen den Irak die internationale Politik. Die amerikanische Regierung unter George W. Bush bezeichnete den Irak als Sicherheitsrisiko für die USA: Der Diktator Saddam Hussein bedrohe die USA mit Massenvernichtungswaffen und mit der Unterstützung des islamistischen Terrorismus. Mit einer militärischen Aktion wollten die Amerikaner das Baath-Regime von Sad- dam Hussein in Bagdad stürzen und stattdessen eine Demokratie im Irak errichten. Davon er- hoffte sich die amerikanische Regierung auch einen Domino-Effekt für den krisengeschüttelten Nahen Osten - die irakischen Nachbarstaaten sollten so ebenfalls zur Demokratie finden. An ei- ner daraus resultierenden Stabilität hatten die USA Interesse, da sie wirtschaftlich von der Erdöl- förderung dieser Länder abhängig sind. Die amerikanischen Kriegspläne lösten Kontroversen aus: Besonders die europäischen Verbündeten Frankreich und Deutschland sowie Russland stan- den einer möglichen Invasion im Irak sehr kritisch gegenüber. Mit einer UN-Resolution wollten sich die USA Saddam Husseins völkerrechtlich legitimieren. Die Resolution scheiterte aber im Sicherheitsrat. Dennoch starteten die USA am 20. März 2003 die Angriffe gegen den Irak und eröffneten somit den zweiten Golfkrieg1. Mit einem kurzen Feldzug wurde das Baath-Regime gestürzt, die erhoffte Freiheit und Stabilität konnte aber bis heute nicht erreicht werden.

Nach einem allgemeinen Einlesen in die zu bearbeitende Thematik stellte sich heraus, dass der Irakkrieg eine sehr komplexe Angelegenheit darstellt, zu welcher enorm viele Informa- tionen vorhanden sind. Eine Bearbeitung des Themas ist durch zahlreiche Theorien der interna- tionalen Beziehungen möglich, wobei allerdings eine Verknüpfung der Ansätze erforderlich wird, um der Komplexität gerecht zu werden. Da uns das Angehen der Problematik als Ganzes wenig sinnvoll erschien, entschlossen wir uns, einen Teilaspekt genauer zu betrachten und zu analysieren. So stiessen wir auf einen interessanten Sachverhalt: In der Vorbereitung des Irak- Feldzuges hofften die USA, sowohl von Süden als auch von Norden her in den Irak einmarschie- ren zu können. Um eine Nordfront eröffnen zu können, brauchten die Amerikaner aber die Er- laubnis und die Unterstützung der verbündeten Türkei. Dabei war ausschlaggebend, welche Hal- tung die Türkei als unmittelbar Betroffener dieses Krieges dazu hatte. So lautet unsere For- schungsfrage: Wie war die Position der Türkei hinsichtlich eines möglichen Irakkrieges?

Um sich ein Bild von der damaligen politischen Situation in der Türkei machen zu kön- nen, müssen verschiedene Aspekte betrachtet und analysiert werden. Die Regierung der gemäs- sigten Islamisten der Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) war erst seit kurzem an der Macht und wollte ihre Wahlversprechen einlösen. Eine klare Mehrheit der Bevölkerung war ge- gen einen Irakkrieg. Auch hinsichtlich eines angestrebten EU-Beitritts wäre eine Unterstützung der USA im Irakkrieg nicht sinnvoll gewesen. Die türkische Armeeführung hätte allerdings an einer Eskalation im südlichen Nachbarland Interesse gehabt, da sie damit die Separationsbestre- bungen der Kurden im Nordirak unterbinden hätte können. Für eine Unterstützung der USA sprach das Bündnis der Türkei mit den USA sowie die wirtschaftliche Abhängigkeit von den Amerikanern. Die türkische Regierung befand sich also in einer Dilemma-Situation, ebenso die USA, was später erörtert wird. Einen politischen Gewinn konnte die Türkei vor allem in Zusam- menarbeit mit den USA erreichen, deshalb heisst unsere Hypothese: Je besser die Zusammenar- beit zwischen den USA und der Türkei, desto grösser ist der politische Nutzen für beide Länder.

Eine Dilemma-Situation liegt also offensichtlich vor. Diese lässt sich am besten anhand der Spieltheorie erklären. Gegeben sind nämlich zwei Akteure (die Türkei und die USA), welche jeweils ihre eigenen Interessen verfolgen. Beide Akteure haben zwei Handlungsoptionen: Die Türkei kann die USA im Irakkrieg unterstützen oder die Unterstützung verweigern. Die USA hingegen kann die Türkei für die Nachteile des Krieges vollständig entschädigen und mit der Türkei gemeinsam die Entstehung eines Kurdenstaates verhindern oder sie auf den möglichen Kriegsverlusten sitzen lassen, zusätzlich Teile der Wirtschaftshilfe streichen und die Kurden - ebenfalls Verbündete der USA im Kampf gegen Saddam Hussein - beim Aufbau eines eigenen Staates unterstützen . Die innenpolitischen Gegebenheiten in der Türkei nehmen dabei die Rolle eines Störfaktors ein, der das aussenpolitische Verhalten entscheidend beeinflusst. Beide Akteure wägen ab, welche der beiden Optionen das kleinere Übel ist bzw. wo das grössere Payoff heraus- geholt werden kann.

In unserer Arbeit wird als erstes die Spieltheorie erklärt, in einem empirischen Teil wird anhand dieser Theorie unsere Hypothese am Fallbeispiel überprüft. Es wird aufgezeigt, dass die Situation ein Hirschjagd-Dilemma ist. Im Schlussteil fassen wir die Ergebnisse zusammen und beurteilen diese.

3 Theorie

Die Spieltheorie wurde von John von Neumann und Oskar Morgenstern 1944 mit dem Buch „Theory of Games and Economic Behavior“ begründet. Mit diesem Werk gelang es ihnen, ein theoretisches Modell über das interaktive Handeln zu erstellen. Mit der Mathematik lassen sich Rückschlüsse über das menschliche Verhalten (anderes Wort…?) in Spielsituationen (z.B. Schach) auf die Wirtschaft schliessen. Von Neumann und Morgenstern zeigten auf, dass sowohl auf dem Markt als auch im Spiel erfolgversprechende Strategien benötigt werden.

Als „Spiele“ sind je nach Anzahl der Akteure und Handlungsoptionen unzählige Situatio- nen denkbar. Deshalb konzentrierten sich einige Wissenschaftler in der Folge auf sogenannte 2x2-Spiele. Darunter werden Spielsituationen verstanden, an denen zwei Spieler beteiligt sind, welche jeweils zwei Aktionsmöglichkeiten zur Wahl haben. Zahlreiche Erkenntnisse in dieser Richtung verdankt die Wissenschaft dem russisch-amerikanischen Mathematiker Anatol Rapo- port. In seinem Buch „Two-Person Game Theory“ beschrieb Rapoport mathematische Modelle verschiedener Spielsituationen, die im Alltagsleben wie auch in der Wirtschaft und in der Politik eine wichtige Rolle spielen. Anhand unterschiedlicher Payoffs (Nutzen der jeweiligen Entschei- dung in Punkten ausgedrückt) erstellte Rapoport verschiedene Matrizen, welche typische Situa- tionen beschreiben. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Situation des Gefangenendilemma:

Abbildung 1: Matrix „Gefangenendilemma“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Beim Gefangenendilemma geht man von folgender Situation aus: Zwei Personen werden - ohne dass sie sich vorher absprechen konnten - von der Polizei vernommen. Die Polizei bietet demjenigen, der die andere Person verrät und die eigene Schuld dabei eingesteht, eine milde Be- strafung an, z.B. ein Jahr Gefängnis. Wenn der andere Gefangene nun mit dem ersten Gefange- nen kooperiert, also nicht „singt“, wird er dafür hart bestraft, denn die Aussage des anderen Ge- fangenen belastet ihn: Er erhält z.B. 25 Jahre Gefängnis. Würde hingegen auch er „singen“, be- kämen beide Gefangenen die normale Strafe für das gestandene Delikt, also z.B. zehn Jahre. Wenn niemand singt, die Gefangenen also miteinander kooperieren, werden sie nur mit je drei Jahren Freiheitsentzug bestraft, da sie ja keine Straftat gestanden haben. Das Dilemma der Ge- fangenen besteht nun darin, dass das beste Outcome nur dann resultiert, wenn beide Gefangenen kooperieren. Das Kooperieren birgt aber eine grosse Gefahr: Der andere Gefangene könnte dies ausnützen und durch seine Mitarbeit mit den Verhörern einer harten Strafe entgehen, während der erste für sehr lange Zeit hinter Gitter muss. Deshalb neigen beide dazu, nicht zu kooperieren: Egal wie sich der „Gegenspieler“ entscheidet: Mit einer Nicht-Kooperation fährt man besser. Das Risiko, das bei einer Nicht-Kooperation eingegangen wird, ist bedeutend kleiner als bei einer Kooperation. Deshalb ist das Nicht-Kooperieren in diesem Fall die dominante Strategie (in der Matrix mit einem Asterisk bezeichnet). Das für beide n beste Resultat, also die gegenseitige Kooperation, wird in diesem Fall Pareto-Optimum (in der Matrix als ‚p‘ bezeichnet) genannt. Ein Pareto-Optimum ist dann vorhanden, wenn ein Strategiewechsel zur Verbesserung des eigenen Payoffs nur auf Kosten des anderen Akteurs möglich ist.

Anatol Rapoport erklärte in seinem Buch „Two-Person Game Theory“ zahlreiche ähnli- che Situationen mit anderen Payoffs. Dazu gehören das „ Chicken Game “ , der „ Geschlechter- kampf “ oder der „ Big Bully “ , bei dem der eine Akteur derart dominant ist, dass ihm eine Koope- ration in keinem Fall etwas bringt. Weiterentwickelt wurde die Spieltheorie später unter anderem von Nobelpreisträger John Nash. Dieser bewies in seiner Doktorarbeit als 21-jähriger die Exis- tenz des Nash-Gleichgewichts . Das Nash-Gleichgewicht, in der Matrix mit einem ‚n‘ dargestellt, bezeichnet eine Lösung, in der beide Parteien selbst verlieren, wenn sie ihre individuelle Strate- gie ändern.

Unser Fall, in dem die Handlungsmöglichkeiten der Türkei und der USA untersucht wer- den, stützt sich auf ein weiteres Spiel, das im Buch von Anatol Rapoport beschrieben wird: Wie bereits in der Einleitung aufgeführt, handelt es sich dabei um die „ Hirschjagd “ , auch Assurance oder Stag Hunt genannt. Die Ausgangslage, die dem Hirschjagd-Spiel zugrunde liegt, wurde be- reits im 18. Jahrhundert vom Genfer Philosophen Jean-Jacques Rousseau entwickelt: Zwei Jäger können entweder gemeinsam einen Hirsch erlegen, was für beide eine sehr gute Ausbeute ergibt. Für beide Jäger besteht aber auch die Möglichkeit, einen Hasen alleine zu erlegen. Dabei wäre man nicht auf die Kooperation des anderen angewiesen, dafür ist die Ausbeute deutlich geringer. Das Problem dieses Spiels liegt darin, dass zwar für beide das beste Resultat das gemeinsame Er- legen des Hirsches wäre, dies aber auf dem Vertrauen auf die Kooperation des anderen basiert. Kooperiert nämlich Jäger 1, während Jäger 2 den Hasen erlegt, geht Jäger 1 leer aus. Es ist für ihn also sicherer, den Hasen zu erlegen, um zumindest nicht ohne Beute nach Hause zu kommen.

[...]


1 Wir übernehmen die Bezeichnung der Golfkriege dem „NZZ Fokus: Brennpunkt Irak“ (Nr. 15) vom März 2003, wonach der irakisch-iranische Krieg in den achtziger Jahren nicht als „Golfkrieg“ bezeichnet wird.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Türkei im Irakkrieg
Hochschule
Universität Zürich  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
5.5 (Schweiz)
Autoren
Jahr
2004
Seiten
16
Katalognummer
V79116
ISBN (eBook)
9783638856737
ISBN (Buch)
9783638864534
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Türkei, Irakkrieg
Arbeit zitieren
Lucius Taeschler (Autor:in)Daniel Zollinger (Autor:in), 2004, Die Rolle der Türkei im Irakkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79116

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