Eine kritische Analyse des westlichen Selbstbildes im Zusammenhang mit dem >Feindbild Islam<


Hausarbeit, 2007

26 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Gibt es ein >Feindbild Islam<?

2. Die Selbstwahrnehmung des Westens im Visier der rationalen Kritik
2.1 Die Arroganz des Westens
2.2 Kritische Stimmen
2.3 Philosophischer Exkurs: Die Notwendigkeit einer Aufklärung der Aufklärung

3. Die Konsequenzen für die Pädagogik

Ergebnis

Literatur

Erklärung des Verfassers

Einleitung

Durch die Anschläge des 11. September 2001 auf das World Trade Center und die darauf folgenden militärischen Interventionen der USA und seinen Verbündeten gegen Afghanistan und den Irak wird in den letzten Jahren das öffentliche Interesse der westlichen Welt vermehrt auf das Konfliktpotential in den Ländern des Nahen Ostens gerichtet. Hierbei ist auffällig, dass terroristische und militante Organisationen aus diesen Ländern sehr häufig in Verbindung mit der Religion des Islam gebracht werden. Begriffe wie >Heiliger Krieg<, >islamischer Fundamentalismus< und >militante Moslems< kursieren in den Medien und in der Politik und lassen die islamische Zivilisation häufig in einem negativen Licht erscheinen.

Im ersten Kapitel werden daher die eben genannten Begriffe näher untersucht. Es soll geprüft werden, auf welche Art und Weise gesellschaftliche und politische Erscheinungen in den Ländern der islamischen Welt durch die Politik und die Medien der westlichen Welt interpretiert und verarbeitet werden. In diesem Zusammenhang geht es vor allem um das Aufdecken kultureller Stereotype und Vorurteile, die ein Hindernis für einen ehrlichen interkulturellen Dialog darstellen. Am Ende dieses Kapitels wird die Frage geklärt, ob es wirklich ein neues >Feindbild Islam< gibt.

Das zweite Kapitel richtet seine Aufmerksamkeit auf das Selbstbild der so genannten >westlichen Welt<. Hier soll kritisch untersucht werden, wie sich >der Westen< im Zusammenhang mit den Konflikten des internationalen Terrorismus und den politischen Unruhen des Nahen Ostens selbst darstellt. Hierbei werden auch Wahrnehmungen über den Westen von Intellektuellen aus islamischen Ländern vorgestellt. In beiden Kapiteln wird auch eine historische Perspektive nicht außer Acht gelassen, denn die Begegnung zwischen >Okzident< und >Orient< hat eine lange und wechselhafte Geschichte.

Es sei noch angemerkt, dass es in dieser Arbeit primär darum geht stereotype Vorurteile und andere indifferente und irrationale Betrachtungsweisen, die in der öffentlichen Diskussion vorherrschen, aufzudecken. Es sollte beim Leser nicht der Eindruck entstehen der Autor betreibe eine Art Polarisierung (z.B. rationaler Westen/ fanatische Araber oder imperialer Westen/ romantisierter Orient). Offensichtliche Missstände und Widersprüche in Ländern der islamischen Welt sowie im Westen sollen weder negiert noch beschönigt werden. Es wird nur eine kritische Untersuchung vorgenommen, wie diese Erscheinungen in den Medien und der Politik des Westens dargestellt werden, denn eine seriöse Auseinandersetzung mit bestimmten Konflikten und Missständen muss stets im Einklang mit den Gesetzen der Vernunft und der Logik erfolgen. Diese Rechtfertigung des Autors wird im Folgenden nicht wiederholt.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich schließlich mit der Frage, welche Bedeutung die Betrachtungen der ersten beiden Kapitel für den schulischen Unterricht hat. Insbesondere soll hier unterstrichen werden, dass aufgeklärte und kompetente Lehrkräfte sowie ein demokratisch strukturiertes Schulsystem einen wichtigen Beitrag für den Abbau von Vorurteilen und Konflikten leisten können.

1. Gibt es ein >Feindbild Islam<?

Wie bereits in der Einleitung erwähnt wird in der aktuellen politische Diskussion um den internationalen Terrorismus, aber auch in der Debatte um die so genannte >Parallelgesellschaft<, stets die Religion des Islam in einen Zusammenhang mit den eben genannten Themen gebracht.

Die Autoren Jochen Hippler und Andrea Lueg stellen in Ihrem Werk Feindbild Islam hierzu folgende These auf: >Das westliche Bild vom Islam wird von Aggressivität und Brutalität, Fanatismus, Irrationalität, mittelalterlicher Rückständigkeit und Frauenfeindlichkeit beherrscht.< 1

Die Autoren stellen ebenso fest, dass in Bezug auf Ereignisse in den Ländern des Nahen Ostens sowie auf die Problematik eingewanderter Menschen aus diesen Ländern der Islam stets als ein >monolithischer Block<2 präsentiert wird. Es werden also alle verschiedenen Ausformungen der Religion selbst, sowie alle kulturellen, geographischen, gesellschaftlichen und ethnischen Unterschiede zwischen den Ländern der islamischen Welt in der medialen Darstellung nicht berücksichtigt. Hinzu kommt der einseitige und inflationäre Gebrauch wichtiger Begriffe aus der islamischen Theologie. Die Autoren zitieren hierzu den Spiegel: >...gewaltsame Weltmission hatte der Prophet seinen Anhängern gleich an etlichen Stellen des Koran verordnet.< 3 Diese Äußerung bezieht sich auf den so genannten >Djihad< (Heiliger Krieg). Dieser Terminus wird und wurde tatsächlich von vielen Terroristen und Politikern der arabischen Welt benutzt, um das eigene, oft gewaltsame Handeln zu rechtfertigen. Andrea Lueg stellt jedoch heraus, dass dieser Begriff innerhalb der islamischen Theologie sehr unterschiedlich interpretiert wird. Manche Muslime sehen darin tatsächlich eine Aufforderung zum ständigen militärischen Kampf für die Verbreitung des Islam. Andere hingegen vermuten eine bloße Verteidigung des Glaubens oder interpretieren das Wort im metaphorischen Sinne als ein innerer Kampf gegen die eigene Sündhaftigkeit. Es ist jedoch erschreckend festzustellen, dass dieser Begriff von den westlichen Medien ebenfalls auf eine sehr einseitige Weise interpretiert wird. Eine solch unachtsame Verwendung eines wichtigen theologischen Begriffes führt dazu, dass eine Weltreligion wie der Islam als eine Bedrohung erscheint. Dieses Bedrohungsszenario hat in der abendländischen Geschichte eine lange Tradition4. Mit der Gründung des ersten islamischen Kalifats im 8. Jahrhundert folgt eine militärische Expansion, die auch große Teile der damaligen christlichen Welt erschüttert. Provinzen des byzantischen Reiches in Syrien, im heutigen Israel und in Ägypten werden erobert und schließlich gelingt den arabischen Kriegern über Nordafrika die Besetzung Siziliens und Spaniens. In den eroberten Gebieten werden große Teile der Bevölkerung zum Islam bekehrt. Erst in der berühmten Schlacht bei Tours und Poitiers 732 n.Chr. kann die arabische Expansion durch den karolingischen König Karl Martell aufgehalten werden. Muslime Herrscher regieren in Spanien bis zum Jahre 1492. Mit den Kreuzzügen (1096 bis 1270) sind es nun abendländische Christenheere, die kleine Gebiete des damaligen islamischen Reiches an der Mittelmeerküste erobern. Für eine kurze Zeit entstehen Königreiche im heutigen Syrien, Israel und der Türkei. 1291 fällt das letzte christliche Bollwerk in Akkon an der Mittelmeerküste. Ziel dieser Kreuzzüge ist die Befreiung des Heiligen Landes und die Vertreibung der >heidnischen Moslems<.

Die Geschichte der militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem christlichen Abendland und der islamischen Welt ist damit keinesfalls beendet. Mit dem Aufstieg des osmanischen Reiches erobern islamisch-türkische Heere die Überreste des byzantischen Reiches. 1453 wird die Hauptstadt Konstantinopel erobert. Die türkischen Heere dringen weiter nach Westen vor und bedrohen bis in das 17. Jahrhundert hinein die christlichen Länder in Europa. 1683 wird die Belagerung Wiens unter der Führung des polnischen Königs Sobieski erfolgreich abgewehrt. Damit endet die türkische Expansion in den Westen Europas. Vor allem in Südosteuropa (z.B. Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo) kann sich aber der islamische Glaube etablieren.

Die naturwissenschaftliche Überlegenheit der europäischen Völker, die Industrialisierung und die Entwicklung neuer Waffensysteme ab dem 18. Jahrhundert ermöglichen es einigen europäischen Mächten andere Kulturen zu erobern und auszubeuten (auf die schon im 16.Jahrhundert beginnende Eroberung Amerikas sowie diejenige anderer Kulturen kann hier nicht eingegangen werden). Das Zeitalter des Imperialismus beginnt und auch die islamische Zivilisation wird davon nicht verschont. Vor allem die Kolonialmächte Frankreich und England können in Nordafrika und in vielen anderen anderen Gegenden der islamischen Welt Gebiete besetzen, die dortige Bevölkerung zum Teil versklaven und die vorhandenen Rohstoffe ausbeuten, um die aufkommende Industrialisierung in der eigenen Heimat zu fördern. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts können sich die unterdrückten Völker von den Kolonialmächten befreien. So erlangt z.B. Algerien erst im Jahre 1962 seine Unabhängigkeit. Die Folgen der Kolonialisierung wirken bis in die Gegenwart hinein und bestimmen auch die Wahrnehmung der betroffenen Menschen über den Westen. Darauf wird im nächsten Kapitel näher eingegangen.

Dieser kleine Exkurs hat gezeigt, dass die Tendenz den Islam als eine Bedrohung zu sehen, auf historische Erfahrungen zurückgreift, die bis in die Anfänge des europäischen Mittelalters zurückgehen. Bedenkt man jedoch die Tatsache, dass die Länder der westlichen Welt (gemeint sind vor allem die Nato-Staaten) heute eine deutliche militärische und ökonomische Überlegenheit gegenüber den islamisch geprägten Ländern besitzen, so erscheint es absurd, die islamische Kultur als eine Bedrohung zu sehen. Durch die Darstellungen der Medien und der Politik werden viel mehr übertriebene Ängste in der eigenen Bevölkerung erzeugt.

Um die Einseitigkeit dieser Darstellungen zu entlarven, ist wiederum ein Blick in die Geschichte hilfreich. Denn die Begegnungen zwischen Abendland und Morgenland sind nicht nur von Krieg und Unterdrückung gekennzeichnet. So zeigen die ersten Muslime sehr früh eine Begeisterung und Offenheit für das überlieferte Wissen der griechisch-römischen Antike. Viele Aspekte dieses Wissens, das später in der europäischen Renaissance als Grundlage für die moderne Philosophie, Politik und Naturwissenschaft dient, wird von den arabischen Gelehrten aufgenommen, weiterentwickelt und verändert. Einige Gelehrte betrachten auch den Philosophen Platon als einen Denker, der die Lehre des Islam bestätigt. Später nennen einige Muslime ihre eigenen Söhne >Aflatun< (Platon). Die Bewunderung für Aristoteles geht sogar so weit, dass er als >erster Lehrer< (al-muallin al-awwal) bezeichnet wird. Über den mediterranen Handel und die Blüte der arabischen Kultur in Spanien gelangt dieses Wissen auch nach Europa. Viele europäische Studenten studieren im Mittelalter an den muslimischen Universitäten in Spanien.5 Dies zeigt, dass die damals sehr fortschrittliche islamische Kultur einen wichtigen und großen Einfluss auf das christlich geprägte Abendland ausübt. Die europäisch-westliche Kultur der Gegenwart bezieht ihre Identität jedoch ausschließlich auf die griechisch-römische Antike und das Christentum. Die wichtige Rolle der islamischen Zivilisation wird nicht berücksichtigt. Auf der anderen Seite studieren viele muslimische Studenten seit dem 19. Jahrhundert an europäischen Universitäten und können dort die modernen Ideen der Aufklärung hinsichtlich Ethik, Politik und Naturwissenschaft kennen lernen. Dass die westlichen Ideen auch in der islamischen Welt Resonanz finden, zeigt die Trennung von Staat und Religion in der heute laizistischen Türkei. Die Betonung dieses vielseitigen kulturellen Austausches zwischen beiden Zivilisationen in der Vergangenheit sollte die Grundlage für einen konstruktiven Dialog in der Gegenwart sein.

Im Zusammenhang mit diesem Bedrohungsszenario wird die Religion des Islam häufig mit dem Begriff >Fundamentalismus< gleichgesetzt. So wird in der angesehen britischen Wirtschaftszeitschrift The Economist behauptet, dass der Islam >gewissermaßen an sich fundamentalistisch< sei.6 Es ist jedoch wichtig zu erkennen, dass der Begriff >Fundamentalismus< zunächst für christlich-protestantische Gruppierungen im 19. Jahrhundert verwendet wird. Diese Gruppen propagieren eine Art Gegenaufklärung und verpönen moderne Rationalität und Technik und interpretierten die Bibel wortwörtlich.7 Es ist deshalb fragwürdig, ob ein solcher Terminus für die Bezeichnung konservativer Strömungen einer anderen Religion geeignet ist. Die Autorin Andrea Lueg stellt heraus, dass es in der gegenwärtigen islamischen Welt eine Vielzahl unterschiedlicher Strömungen gibt (von konservativ bis modernistisch). Demokratische Gruppierungen würden jedoch nach ihrer Meinung in der westlichen Medienwelt kaum erwähnt. Vielmehr wird durch die einseitige Berichterstattung über fanatische Menschen, die eine Religion für ihre eigenen Zwecke missbrauchen, ein negatives Bild einer Religion erzeugt. Der Spiegel entwickelt z.B. folgendes Szenario: >Unter dem Banner des Propheten bedrängen Fundamentalisten nahöstliche Präsidenten und Monarchen. Sie schüren Haß auf westliche Werte und sehen sich als Vorkämpfer einer religiös begründeten Weltordnung. Schon bald könnte Europa einen fanatischen Gottesstaat vor der Haustür haben.< 8 Dieses Szenario trägt fast schon apokalyptische Züge und warnt unterschwellig vor >dem Untergang der westlichen Welt<. Auch hier findet die tatsächliche Vielfalt an Positionen und Strömungen in der islamischen Welt keine Erwähnung.

[...]


1 Hippler, Jochen; Lueg, Andrea: Feindbild Islam. Hamburg 1993. S.14

2 Ebda.

3 >Wasserstoffbombe des Islam<, in: Der Spiegel Nr. 8, 1991, S. 144. Zitiert nach: Hippler, Jochen; Lueg, Andrea: a.a.O. S.17

4 Vergleiche hierzu Hourani, Albert: Der Islam im europäischen Denken. Essays. Frankfurt a.M., 1994. S.17ff

5 Vergleiche hierzu Institut für Auslandsbeziehungen (ifa): Der Westen und die islamische Welt. Eine muslimische Position. Stuttgart, 2004. S.28

6 >Islam resume its marches<, in: The Economist, 4.4. 1992, S.55. Zitiert nach: Hippler, Jochen; a.a.O. S. 20

7 Hippler, Jochen; Lueg, Andrea: a.a.O. S.20

8 >Unser Marsch hat begonnen<, in Der Spiegel Nr. 5, 1993, S. 108. Zitiert nach: Hippler, Jochen; Lueg, Andrea: a.a.O. S.21

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Eine kritische Analyse des westlichen Selbstbildes im Zusammenhang mit dem >Feindbild Islam<
Hochschule
Pädagogische Hochschule Freiburg im Breisgau  (Institut für Erziehungswissenschaften 1)
Veranstaltung
Islamische Kulturen, Muslime und wir
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
26
Katalognummer
V79087
ISBN (eBook)
9783638856546
ISBN (Buch)
9783638855303
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Muslime, Feindbild Islam, Islam, Islamische Kultur, westliches Selbstbild, Feindbild
Arbeit zitieren
David Spisla (Autor:in), 2007, Eine kritische Analyse des westlichen Selbstbildes im Zusammenhang mit dem >Feindbild Islam<, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79087

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