Analyse und Interpretation von Trakls Gedicht "Das Grauen"


Hausarbeit, 2007

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


1. Einführung

1.1 Einleitung

Betrachtet man die Lyrik Georg Trakls, so erscheint ein Zugang zunächst schwierig. Dem Leser erwarten eine Vielzahl von Bildern und Motiven, die scheinbar in keinem greifbaren Zusammenhang stehen und das im Titel vorgegebene Thema nur andeuten, es jedoch nicht eindeutig skizzieren. Anhand des Gedichtes „Das Grauen“ wollen wir nun gemeinsam fest-stellen, wie die Metaphorik des Gedichts zu verstehen ist, wie man mit der scheinbaren Zu-sammenhanglosigkeit der einzelnen Verszeilen und Bilder umzugehen hat und wie der Klang des Gedichts auf dessen Gesamtbild zu beurteilen ist.

Zuvor jedoch einige Informationen zum Gedicht. „Das Grauen“ gehört zu Trakls Jugendge-dichten. Zusammengetragen wurden sie von Trakl selbst in der „Sammlung 1909“. Diese Sammlung war von Trakl nie zur Veröffentlichung vorgesehen sondern diente der Sichtung seines bisherigen Werkes. Später ließ er diese Gedichte nicht mehr gelten, weswegen u. a. „Das Grauen“ erst nach seinem Tod publiziert wurde. Die Entstehungsphase dieser Gedichte fällt in den Zeitraum zwischen 1906 und 1909. „Das Grauen“ ist somit kein Werk aus dem „Expressionistischen Jahrzehnt“ (1910-1920), wird aber dennoch zu den frühexpressionisti-schen Werken gezählt. Eine Betrachtung des Gedichts als expressionistisches Werk wird je-doch nicht den Kern dieser Arbeit ausmachen. Es soll als das betrachtet werden, was es ist: als Gedicht. Dies ist nur sinnvoll, denn Trakls reagiert mit seiner Lyrik kaum auf zeitliche Umstände. Vielmehr ist seine Lyrik durch eine tiefe Innerlichkeit geprägt.

Im Interpretationsteil ist jedem der drei im Gedicht auftreten Motive, sowie dem Titel des Ge-dichts, ein eigener Abschnitt gewidmet. Eingangs soll dabei das Bedeutungsspektrum des Ti-tels erfasst werden. Die drei folgenden Abschnitte untersuchen den metaphorischen Gehalt der dargestellten Bilder.

Im Analyseteil dieser Arbeit erwarten den Leser eine Untersuchung auf die Kohäsion des Textes, wobei diese auf syntaktischer, semantischer und poetischer Ebene nachgewiesen wird, sowie eine Untersuchung der Schallform und deren Bedeutung für das Gedicht.

1.2 Grenzen und Möglichkeiten einer Interpretation

Bevor ich mich der Interpretation und Analyse des Gedichts widme, möchte ich gerne meine Position zum Interpretieren von Gedichten darstellen. Zunächst scheint es mir aber sinnvoll, Brecht mit seinem Aufsatz „Über das Zerpflücken von Gedichten“ zu Wort kommen zu lassen.

Der Laie hat für gewöhnlich, sofern er ein Liebhaber von Gedichten ist, einen lebhaften Widerwillen gegen das, was man das Zerpflücken von Gedichten nennt, ein Heranführen kalter Logik, Herausreißen von Wörtern und Bildern aus diesen zarten blütenhaften Gebilden. Demgegenüber muß gesagt werden, daß nicht einmal Blumen verwelken, wenn man in sie hineinsticht. Gedichte sind, wenn sie überhaupt lebensfähig sind, ganz besonders lebensfähig und können die eingreifendsten Operationen überstehen. Ein schlechter Vers zerstört ein Gedicht noch keineswegs ganz und gar, so wie ein guter es noch nicht rettet. Das Herausspüren schlechter Verse ist die Kehrseite einer Fähigkeit, ohne die von wirklicher Genußfähigkeit an Gedichten überhaupt nicht gesprochen werden kann, nämlich der Fähigkeit, gute Verse herauszuspüren. Ein Gedicht verschlingt manchmal sehr wenig Arbeit und verträgt manchmal sehr viel. Der Laie vergißt, wenn er Gedichte für unnahbar hält, daß der Lyriker zwar mit ihm jene leichten Stimmungen, die er haben kann, teilen mag, daß aber ihre Formulierung in einem Gedicht ein Arbeitsvorgang ist und das Gedicht eben etwas zum Verweilen gebrachtes Flüchtiges ist, also etwas verhältnismäßig Massives, Materielles. Wer das Gedicht für unnahbar hält, kommt ihm wirklich nicht nahe. In der Anwendung von Kriterien liegt ein Hauptteil des Genusses. Zerpflücke eine Rose, und je-des Blatt ist schön. (sic)[1]

Brecht erklärt mit diesem Aufsatz sein klares Votum für das Interpretieren von Gedichten. Ich möchte ihm da auch weitgehend zustimmen. Es scheint mir jedoch, dass Brecht die Ge-fahren des Interpretierens zu sehr verkennt. Zerpflücke eine Rose, und jedes Blatt ist schön? Vor allen Dingen ist dann jedes Blatt tot! So antwortete ich ihm einst, etwas polemisch, in ei-nem Schulaufsatz. Dahinter steckt meine Auffassung, dass ein Gedicht ein lebendiges Gan-zes ist. Es lebt aus dem Zusammenspiel der Verszeilen und Wörter, des Klanges und der Rhythmik. Wenn nun einzelne Teile herausgerissen und einzeln betrachtet werden, so ist da-bei stets die Gefahr, dem einzelnen Teil mehr Bedeutung beizumessen, als es zu tragen im-stande ist. Andererseits sehe ich ein, dass man ein Gedicht nur genießen kann, wenn man ihm „nahe kommt“.

Ich gehe daher mit einem gespaltenen Verhältnis an diese Interpretation heran. Mein Ziel ist die Gradwanderung zwischen zurückhaltenden Deutung des Gedichts und einer ungerecht-fertigten Überforderung desselben. Abschließend möchte ich betonen, dass dessen Ergebnis nicht den Anspruch hat, eine absolute und unwiderlegbare Deutung zu sein. Es ist lediglich – ohne den Wert der vorliegenden Arbeit schmälern zu wollen – der Versuch einer Deutung.

2. Interpretation: Versuch einer Deutung

2.1 Der Titel: Ausgelöste Erwartungshaltungen

Der Titel erweckt bei uns die Erwartung, ein Gedicht über ein erschreckendes Ereignis vorlie-gen zu haben, also einen Text, der sich durch eine düstere Stimmung auszeichnet. Gleich-wohl können wir den Begriff „Grauen“ auch als zeitliche Angabe verstehen, im Sinne von „Morgengrauen“. Auch eine Deutung als eine das nachfolgende Gedicht charakterisierende Farbgebung sei vorerst zulässig. Mit diesem polyvalenten Vorverständnis des Titels gehen wir nun über in die Lektüre der ersten Strophe.

[...]


[1] Brecht, Bertolt: Über das Zerpflücken von Gedichten, o. J.

http://www.bildung-mv.de/download/fortbildungsmaterial/abi-muendlich-deutsch-vorbereitung.pdf, S.10

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Analyse und Interpretation von Trakls Gedicht "Das Grauen"
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Literatur des Expressionismus
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V79082
ISBN (eBook)
9783638856515
ISBN (Buch)
9783668206052
Dateigröße
453 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Analyse, Interpretation, Gedicht, Grauen, Literatur, Expressionismus, Trakl
Arbeit zitieren
Patrick Ewald (Autor:in), 2007, Analyse und Interpretation von Trakls Gedicht "Das Grauen", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79082

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