Die Mittelalterrezeption bei Novalis - Die Geschichtsauffassung Novalis` in "Ueber die Ordalien oder Gottesurtheile" und in "Die Christenheit oder Europa"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

21 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Der Romantiker Novalis alias Friedrich von Hardenberg

2. Die Geschichtsauffassung Novalis`
2.1. Die gesellschaftlich – politische Krise um
2.2. Die Geschichtsauffassung in „Ueber die Ordalien oder Gottesurtheile“

3. Die Mittelalterrezeption in „Die Christenheit oder Europa“
3.1. Inhaltsanalyse des Mittelalterbildes
3.2. Die Geschichtsauffassung
3.3. Absicht der Rede

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die geistige Strömung der Romantik betonte besonders das Gefühlvolle und Ahnungsreiche. Sie war gekennzeichnet durch die Verbindung der verschiedenen Künste, sowie durch die Entwicklung eines neuen Geschichtsbewusstseins. So hatte auch der Frühromantiker Novalis eine ganz eigene poetische Geschichts- und Staatsauffassung entwickelt. Dies wird besonders deutlich an seiner Rezeption des Mittelalters.

Das Geschichtsbild Novalis` hält einer fachhistorischen Untersuchung nach heutigen Maßstäben mit Sicherheit nicht stand. In dieser Arbeit soll es jedoch nicht darum gehen, ob das Mittelalterbild des Novalis historisch korrekte Tatsachen vermittelt. Es soll vielmehr der Frage nachgegangen werden, welchen Standpunkt der Romantiker gegenüber der Geschichte in seiner Welt und Zeit einnimmt.

Viele Romantiker beschäftigten sich mit dem Mittelalter, welches im ausgehenden 18. Jahrhundert im Zuge der Aufklärung einen besonders schlechten Ruf genoss. Die Romantik jedoch entwickelte ein völlig neues Bild dieser Epoche.

Welche Motivation hatte Novalis sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen? Dazu wird zunächst zu klären sein, welches Konzept er überhaupt von geschichtlichen Entwicklungen hatte. Diese Geschichtsauffassung soll anhand seines Aufsatzes „Ueber die Ordalien oder Gottesurtheile“ deutlich gemacht werden.

Das Mittelalterbild, welches Novalis in der Rede „Die Christenheit oder Europa“ entwickelt, entsprach weder der aufklärerischen Auffassung des Mittelalters, noch fand es Zustimmung im Romantikerkreis rund um die Gebrüder Schlegel, Tieck und Goethe. Ist die Kritik, Novalis habe das Mittelalter und den Katholizismus idealisiert und verheerlicht, gerechtfertigt? Um diese Frage zu beantworten, muss neben seiner Geschichtsauffassung auch die Absicht seiner Rede genauer betrachtet werden, ansonsten ist das Mittelalterbild Novalis` nicht in seiner wahren Intention zu verstehen.

1. Der Romantiker Novalis alias Friedrich von Hardenberg

Georg Phillip Friedrich von Hardenberg, der sich später Novalis nannte, wurde am 2. Mai 1772 in Schloss Oberwiederstedt im damaligen Kursachsen geboren. Er stammte aus einem alten niederdeutschen Adelsgeschlecht.

Auf Schloss Oberwiederstedt verbrachte Novalis seine Kindheit und Jugend.

Es war jedoch keine glückliche Kindheit, denn der Vater, Ulrich Erasmus von Hardenberg, war ein strenger und harter Mann, der die Kinderlosigkeit seiner ersten Ehe und den Tod seiner Frau als Strafe Gottes für einen sündigen Lebenswandel ansah.[1] Daher war die Atmosphäre in der Familie geprägt von der harten Bekämpfung der Sündhaftigkeit durch den Vater.[2]

Novalis Mutter war Bernhardine Auguste von Bölzig, eine arme Verwandte. Sie gebar innerhalb von 25 Jahren 11 Kinder, von denen nur eines die Mutter überlebte.

Nach einer schweren Ruhrerkrankung schritt Novalis` geistige und körperliche Entwicklung rasch voran. 1784 wurde der Vater zum Direktor der kursächsischen Salinen ernannt und die Familie siedelte ein Jahr später nach Weißenfels über. Novalis besuchte die Lateinschule und 1790 das Gymnasium in Eisleben. Schon in dieser Zeit verfasste er eine große Anzahl von Gedichten und schrieb wohl auch den Aufsatz „Ueber die Ordalien oder Gottesurtheile“.

Ab Oktober 1790 studierte er in Jena Jura, dort hatte er auch Vorlesungen bei Schiller. 1791 wechselte er nach Leipzig. Er schloss Freundschaft mit seinem Kommilitonen Friedrich Schlegel (1772-1829). In einem Brief an seinen Bruder August Wilhelm, berichtet Friedrich Schlegel von Novalis` Ansicht: „[...] – es sey gar nichts böses in der Welt – und alles nahe sich wieder dem goldenen Zeitalter.“[3]. Hier lässt sich ein erster Verweis auf Hardenbergs Geschichtsauffassung finden.[4]

Zwei Jahre später, 1793, ging er zum weiteren Studium nach Wittenberg und im Jahr darauf bestand er das juristische Staatsexamen. 1794 begann Novalis eine Ausbildung zum Verwaltungsfachmann in Bad Tennstedt.

Auf einer Dienstreise lernte Novalis 1794 die zwölfjährige Sophie von Kühn kennen, vier Monate später verlobten sich die beiden. Um mit Sophie zusammenleben zu können, arbeitete er schließlich in der Salinendirektion des Vaters.

Sophie erkrankte 1795 an einer schweren Leberentzündung. Nach einer vorübergehenden Besserung, erlitt sie 1796 einen Rückfall. Ein Jahr später, mit 15 Jahren, starb sie. Dies war für Novalis eine Katastrophe, die ihn nachhaltig prägte und ihn zu einem noch intensiveren Studium der Philosophie anspornte[5].

Ende 1797 ging Novalis nach Freiberg, nahe Dresden, um sich dort in naturwissenschaftlichen Fächern weiterbilden zu lassen. Hier entstanden auch die ersten frühromantischen Werke.

1798 besuchte Novalis zusammen mit Friedrich, August Wilhelm und Caroline Schlegel die Antikensammlung und die Gemäldegalerie in Dresden. Raffaels „Sixtinische Madonna“ beeindruckte Novalis stark und

„[...] diese Bedeutung des Madonnen-Bildnisses ist für die Orientierung der Romantiker an Mittelalter und christlicher Symbolwelt im Gegensatz zur Rückwendung der Weimarer Klassiker auf die Antike bezeichnend.[6]

Zu Ostern erscheinen die „Blüthenstaub“- Fragmente im ersten Heft des „Athenaeum“ unter dem Pseudonym „Novalis“. „Blumen“ und „Glaube und Liebe“ werden in den „Jahrbüchern der Preußischen Monarchie“ gedruckt.

In Freiberg lernte Novalis Julie Charpentier kennen. Sie verloben sich 1798.

Nach Abschluss des Studiums in Freiberg, nahm Novalis seine Arbeit in den Salinen wieder auf. 1799 wird er dort zum Assessor ernannt, doch sein Gehalt reichte noch nicht für eine Eheschließung.

Im selben Jahr lernte er Ludwig Tieck in Jena kennen. Es entstehen die ersten „Geistlichen Lieder“ und er schreibt „Die Christenheit oder Europa“. Im November 1799 gab es ein berühmt gewordenes Romantikertreffen, an dem Novalis, die Schlegelbrüder und ihre Frauen, Schelling, Tieck und dessen Frau, sowie der Physiker Johann Wilhelm Ritter teilnahmen. In diesem Kreise ging es vor allem um Religion und Poesie. Novalis las erstmals seine „Europa“ - Rede vor, die kontrovers diskutiert wurde.

Um 1800 schrieb er die „Hymnen an die Nacht“ und er begann die Arbeit am „Heinrich von Ofterdingen“.

Ende des Jahres 1800 nahm er eine zweite Stelle als Amtshauptmann an, welche endlich die finanziellen Voraussetzungen für die Heirat schaffen sollte. Doch im selben Jahr erkrankte er an einer Art Lungenschwindsucht. Er starb am 25. März 1801 in Weißenfels.[7]

2. Die Geschichtsauffassung Novalis`

2.1. Die gesellschaftlich – politische Krise um 1800

Politisch gesehen ist die Zeit der Romantik geprägt von den Nachwirkungen der Französischen Revolution und der Expansion Frankreichs unter Napoleon. Novalis und seine Generationsgenossen hatten das Ancien régime schon nicht mehr als stabile Ordnung kennen gelernt, sondern als ein in der Krise befindliches politisches und gesellschaftliches System. Diese Krise wurde von den Romantikern als eine Übergangszeit empfunden, welche sie zu einer umfassenden kulturpolitischen Neuorientierung aufrief. Dies sollte durch eine „[...] ‚romantische’ Erneuerung der Literatur, der Künste und der Wissenschaften, die auf alle Bereiche der Gesellschaft wirken sollte [...]“[8] geschehen. Daher haben Novalis` Texte zwar eine utopische Struktur, jedoch gibt es keinen ausgemalten Zielzustand mehr, sondern die Betonung der „Unabschließbarkeit der Überbietung jeder einmal erreichten Ordnung.“[9]. Dies ist die Grundthese von Novalis` Geschichtsphilosophie.

Die Romantik reagierte also auf die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche ihrer Zeit. Jedoch reichte es den Romantikern nicht, nur auf die bestehenden Probleme aufmerksam zu machen, wie es die Aufklärung ihrer Meinung nach tat. Das Rationalitätsprimat bot keine Lösungen für die Überwindung der herrschenden Widersprüche an. Dies könne nur durch eine Synthese der Gegensätze geschehen.[10] Dazu soll die ganze Welt in einem neuen Licht gezeigt werden, sie muss ‚romantisiert’ werden. Laut Novalis, muss der romantische Dichter „[...] alles darstellen können und wollen, nicht nur die das Ich betreffenden Ausschnitte der Wirklichkeit.“[11]. Das Romantisieren schließt also nicht nur die Darstellung der Wirklichkeit ein, sondern es findet auch eine qualitative Steigerung statt, welche die Sichtweise verändert und neue Erfahrungsmöglichkeiten eröffnet.

[...]


[1] Vgl.: Marianne Beese. 2000, S. 9 f.

[2] Die besondere Betonung der Absolution aller Sünden durch die mittelalterliche Geistlichkeit mag hier ihre biografische Wurzel haben (vgl. Kapitel 3.1.)

[3] Friedrich Schlegel, zitiert nach: Herbert Uerlings. 1998, S. 22.

[4] Vgl.: Berbeli Wanning. 1996, S. 46.

[5] An Friedrich Schlegel schreibt er 1796: „Mein Lieblingsstudium heißt im Grunde, wie meine Braut. Sofie heißt sie – Filosofie ist die Seele meines Lebens und der Schlüssel zu meinem eigensten Selbst.“ Zitiert nach: Herbert Uerlings. 1998, S. 38.

[6] Herbert Uerlings. 1998, S. 45.

[7] Vgl.: Herbert Uerlings. 1998, S. 51 ff.

[8] Ebd., S. 27.

[9] Ebd., S. 27.

[10] Vgl.: Berbeli Wanning. 1996, S. 75.

[11] Barbeli Wanning. 1996, S. 49.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Mittelalterrezeption bei Novalis - Die Geschichtsauffassung Novalis` in "Ueber die Ordalien oder Gottesurtheile" und in "Die Christenheit oder Europa"
Hochschule
Universität Osnabrück
Veranstaltung
Romantik
Note
2,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V79077
ISBN (eBook)
9783638852869
ISBN (Buch)
9783638854160
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mittelalterrezeption, Novalis, Geschichtsauffassung, Novalis`, Ueber, Ordalien, Gottesurtheile, Christenheit, Europa, Romantik
Arbeit zitieren
Daniela Sechtig (Autor:in), 2006, Die Mittelalterrezeption bei Novalis - Die Geschichtsauffassung Novalis` in "Ueber die Ordalien oder Gottesurtheile" und in "Die Christenheit oder Europa", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79077

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