Die deutsche Landerziehungsheimbewegung


Hausarbeit, 2003

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kritik und Forderungen der Reformpädagogen
2.1. Kritik der Reformpädagogen
2.2. Grundlegende Gedanken und Konzepte/ Forderungen

3. Reformpädagogen
3.1. Hermann Lietz
3.2. Gustav Wyneken
3.3. Paul Geheeb

4. Die ländliche Umgebung

5. Der Familiencharakter der Heime

6. Die erzieherische Aufgabe
6.1. Naturgemäße Erziehung der Jugend
6.2. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis
6.3. Der Gemeinschaftsgedanke: Schulgemeinde und Schülermitwirkung

7. Besondere erzieherische Elemente
7.1. Die Koedukation
7.2. Die körperliche Arbeit
7.3. Die künstlerische Erziehung
7.4. Die religiös-sittliche Arbeit

8. Abschließende Zusammenfassung

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die deutsche Landerziehungsheimbewegung ist, neben der Jugend-, Kunsterziehungs- und Arbeitsschulbewegung, ein Bestandteil der reformpädagogischen Bewegung. Diese setzte um die Jahrhundertwende ein und dauerte in Deutschland bis etwa zur Zeit des Nationalsozialismus an. Mit der Bezeichnung Reformpädagogik wird umfassend eine pädagogische Erneuerungsbewegung charakterisiert. Das Kind wird nicht mehr als kleiner Erwachsener betrachtet, sondern als „kleine ganzheitliche gegliederte Persönlichkeit“ (vgl. Röhrs 1998, S.6) Die kindliche Entwicklung wurde nun nicht mehr als stufenförmig angenommen, sondern als „offener (...), dynamischer (...) Prozess (Winkel 1993, S.12.). Es entstand ein neues Verständnis von Kindheit. Während die einen dabei mehr der Entfaltung der Individualität dienen wollten, stellten andere ihren Erziehungsversuchen, vor allem Gemeinschaftserziehungselemente in den Vordergrund.

In dieser Arbeit sollen die fundamentalen Erziehungsgrundsätze der deutschen Landerziehungsheime dargestellt werden. Dabei werden auch unterschiedliche Positionen innerhalb der Bewegung Berücksichtigungen finden.

Diese fand zur Wende des 20. Jahrhunderts statt, beginnend mit Cecil Reddies. Dieser gründete 1889 in England das Heim Abbotsholme. Auf dieser Grundlage basierend entstand im Jahre 1898 das erste deutsche Landerziehungsheim bei Ilsenburg im Harz durch Hermann Lietz. Es kam in der darauf folgenden Zeit zu weiteren Gründungen, einerseits durch Lietz, später durch Gustav Wyneken (Freie Schulgemeinde Wickersdorf) und Paul Geheeb (Odenwaldschule).

Bei genauerer Betrachtung des Grundgedankens der Landerziehungsheime, darf man die Unterschiede der Heime in pädagogischen Fragen nicht außer Betracht lassen. Daran ist zu erkennen, dass obwohl in einigen Bereichen verschiedene pädagogische Akzente gesetzt wurden sind, alle Heimgründungen in ihren wesentlichen Erziehungsgrundsätzen von gleicher Gestalt waren. Aufgrund der einheitlichen Absichten, kann man dies als "Landerziehungsheimbewegung" zusammenfassen. Sie lassen sich generell als jene Heime bezeichnen, die die drei fundamentalen pädagogischen Leitgedanken tragen, wobei diese bereits in dem Wort enthalten sind: Ländliche Umwelt, Familiencharakter und Vorrangstellung des Erzieherischen. (vgl. von den Driesch 1961, S.296f.)

Grundlegend gilt für alle Heimtypen, dass sie einen aktiven, schöpferischen, gemeinschafts­verbundenen und selbstverantwortlichen Menschen erziehen wollten. (vgl. Dietrich 1967, S.168) Bei dieser Forderung stimmen die Landerziehungsheime mit anderen Reformbestrebungen überein. Mit dieser Arbeit soll versucht werden, die wichtigsten Erziehungsgrundsätze darzustellen, welche die Landerziehungsheime prägten.

Dies erfolgt auf der Grundlage der drei maßgeblichen Gründer der deutschen Landerziehungsheim­bewegung. Diese sind Hermann Lietz, Gustav Wyneken und Paul Geheeb. Die Heimgründungen sind sehr stark durch deren unterschiedliche Wesenszüge geprägt. Hierzu darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass es sich dabei um drei ausgewählte Hauptvertreter der Landerziehungsheim­idee handelt. Neben Ihnen gab es noch weitere durchaus bedeutsame Vertreter, welche ebenfalls erwähnenswerte Heimgründungen durchführten, wie beispielsweise Kurt Hahn und die "Kurzschulen" (hier vor allem „Salem“). In den pädagogischen Auffassungen gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede (z.B. beim Elitegedanken oder der Gemeinschaftsideologie), die immer wieder zu Spaltungen und Neugründungen führten. Die Reformer wehrten sich gegen die krankmachenden Bedingungen der modernen Großstadtzivilisation. Schwerpunkte setzten sie auf die Einheit von Schule und Heim, auf Handarbeit, Werkstätten, Koedukation und das Familienprinzip im Zusammenleben.

Für eine Darstellung der fundamentalen Erziehungsgrundsätze möchte ich mich jedoch in dieser Arbeit auf die drei oben genannten Reformpädagogen beschränken

2. Kritik und Forderungen der Reformpädagogen

2.1. Kritik der Reformpädagogen

Die reformpädagogische Bewegung war in ihrer Gesamtheit der Ausdruck einer Kritik am Erziehungs­stil des 20. Jahrhunderts, am Rationalismus, am Intellektualismus und an der Verwissenschaftlichung von Bildung. (vgl. Scheibe 1984, S.5f). Es findet nur eine einseitige Förderung des Intellektes statt und dadurch kommt es zu einer substantiellen Kritik am formalen Prüfungswesen, sowohl für Schüler als auch für Lehrer.

Zudem findet eine Nichtbeachtung der sozialen und emotionalen Aspekte des Kindes statt.

Ein weiterer Kritikpunkt war die Erkenntnis, dass sich die Gesellschaft durch Technisierung und Vermassung in einer tiefen Krise befand. Die Veränderung der Gesellschaft wurde als negativ empfunden. Man sprach von einer krankmachenden Großstadtzivilisation. In allen Bewegungen war dieser Punkt, trotz der Verschiedenheit ihrer Lösungsansätze, inhärent und gewissermaßen deren gemeinsame Wurzel.

Diese Kritikpunkte standen somit in Opposition zu den bestehenden Institutionen und strebten nach neuen freien Schulformen und Erziehungsanstalten. Erste Landerziehungsheime entstanden, welche in ihrem pädagogischen Konzepten zu den bedeutenden wegweisenden Schöpfungen der pädagogischen Reformbewegung gehörten.

2.2. Grundlegende Gedanken und Konzepte/ Forderungen

Die neuen Schulen sollten sich von den traditionellen öffentlichen Schulen und dem altem System im Ganzen abwenden.

Ein wesentliches Ziel war die Herausbildung eines neuen Erziehungsstils, der die Kindes- und Jugendphasen im Lebenslauf des Menschen positiver bewertete. (vgl. Flitner 1984, S.9) Dies war auch ein ganz entscheidender Grundsatz für die Landerziehungsheime. Die Erziehung sollte Vorrang vor dem schulischen Unterricht haben. Das Heim sollte eine "Lebensstätte der Jugend" sein, mit einer Lebensform, die ihr entspricht und in der sie das ihr gemäße Leben führen kann. Die Landerziehungs­heime sollten nicht nur eine Lehrinstitution, sondern als eine lebendige Gemeinschaft und als Modell für eine ideale Lebensform konzipiert sein.

Die Kinder und Jugendlichen sollten zu selbständigen, gesunden, körperlichen, praktischen, wissenschaftlichen und künstlerisch tüchtigen Menschen erzogen werden. Wobei nicht mehr nur von der Einseitigkeit der Erziehung vom Lehrer auf Zögling ausgegangen wird, sondern von der Gemeinschaft der Jugend, die sich selbst erzieht. Unter anderem war auch das Herstellen eines menschlichen Kontaktes zwischen der erziehenden Generation und der Jugend ein Hauptmotiv der reformpädagogischen Gesamtbewegung. (vgl. ebd., S.16)

Die Jugend sollte in den Landerziehungsheimen eine echte Lebensgemeinschaft vorfinden und ihre individuelle Entfaltung sollte gewährleistet werden. Die eigene Verantwortung steht hierbei im Vordergrund. Daraus folgten Formen der Schülerselbst- bzw. Schülermitverwaltung. Das Erleben der Gemeinschaft, das im Mittelpunkt der Jugendbewegung stand, war auch für die Landerziehungsheim­bewegung von bestimmter Bedeutung, ebenso die Formen der Kulturkritik.

Die neuen Schulen sollten auf Grund der Forderungen alle Sinne ansprechen.

Auch die umfassende Naturverbundenheit ist ein wichtiges Thema in der Reformpädagogik.

Die Schüler sollen anhand eigener Erfahrungen lernen und selbstaktiv ihre Umwelt gestalten. In dieser geforderten neuen Einrichtung sollten Fragen des wirklichen Lebens im Unterricht aufgegriffen werden.

Das Lernen sollte auf Freiwilligkeit und Selbständigkeit basieren, denn nur so würde sich das Kind gesund entwickeln und lernen.

3. Bedeutende Reformpädagogen und ihre Biographien

3.1. Hermann Lietz

Hermann Lietz, am 28.04.1868 in Dumgenewitz auf der Insel Rügen geboren, war der Begründer der deutschen Landerziehungsheime. Als Zweitjüngster von neun Kindern verbrachte er bis zum Jahre 1878 seine Kindheit in Dumgenewitz. Er beschreibt diese, in der Abgeschiedenheit und Einsamkeit, in der er auf der Insel Rügen leben durfte, als einzigartig. Die Naturverbundenheit, Ruhe, Zeit und die Entbehrung jeder Ablenkung durch moderne Zivilisation lassen ihn den Wert des wahren Lebens erkennen und schätzen. Seine Gymnasialzeit in Greifswald und Stralsund war von 1878 bis 1888. In dieser Zeit verlor Lietz jegliches Interesse an der Schule. Er sah seine Schulzeit auf dem Gymnasium als „Drillzeit“ an, wo der Bezug zum wahren Leben fehlte. Nach dieser für ihn innerlich belastenden Schulzeit, welche er insbesondere in seinem Aufsatz "Auf deutschen Schulen" zum Ausdruck brachte - er beendete ihn mit den Worten "Ruhet in Frieden" (vgl. Dietrich 1967, S.7-14) - immatrikulierte er als Student der Theologie in Halle. Dort erfährt Hermann Lietz, dass Lernen sich gänzlich anders gestalten kann. In seinem Studium der Theologie besteht kein Zwang, kein Drill, keine Pedanterie und keine Qual der Paukerei. Sein Studium schloss er bereits im dritten Jahr, also 1890, ab.

Von 1890 bis 1892 war er Student in Jena der Philosophie.

Im Jahre 1891 legte Lietz seine Doktorprüfung ab. Er promovierte mit der Arbeit über Auguste Comte, dem Begründer des Positivismus.

Seine erste theologische Prüfung und Staatsprüfung für das höhere Lehramt war im Jahre 1892. Ein Jahr nach dem Doktorandenexamen und sechs Monate nach der theologischen Prüfung, legte er als drittes das Oberlehrerexamen ab. Er erhielt eine Lehrbefähigung als Gymnasiallehrer für Deutsch, Religion, Philosophie und Hebräisch. Bevor er 1893 nach Jena zurückkehrte, unterrichtet er in Putbus in der Nähe von seinem Heimatort Dumgenewitz. Nebenbei besuchte er die von Herbartianer Professor Wilhelm Rein geleitete Universitätsübungsschule. Dort eignete Lietz sich die didaktischen und methodischen Grundkenntnisse zur Realisierung eines erziehenden Unterrichts an.

In Jena erhielt er 1894 eine Stelle als Oberlehrer an der Reinschen Universitätsübungsschule. Nebenbei entdeckte Lietz seine Liebe zu dem Volksschullehrerberuf. Dieser verlangte praktisches Handwerk und die Ganzheitlichkeit des Unterrichts wurde gefragt. Dennoch findet er Zeit an Reins „Enzyklopädie der Pädagogik“ mitzuarbeiten und weitere Schriften zu veröffentlichen.

Auf Empfehlung von Rein übernimmt Lietz 1895 kommissarisch die Leitung einer Privatschule mit angehängtem Internat im sächsischen Kötzschenbroda.

Durch Vermittlung von Professor Rein bekam Lietz im Sommer 1896 eine Einladung nach England an die "New School Abbotsholme" des Engländers Cecil Reddie (1858-1932).

Dieser war in Jena ein ehemaliger Gaststudent. Er gründete in Abbotsholme in der Grafschaft Derby 1889 die Internatschule. Diese Schule wurde für Lietz zu einem Vorbild seiner eigenen Schulkonzeption. Abbotsholme war geprägt von der traditionellen englischen Gentlemanerziehung, An die Stelle viktorianischer Züge traten hier naturgemäße Lebensweise, moderne Hygiene und eine soziale Gesinnung. (vgl. Flitner 1984, S. 24)

In seinem 1897 erschienenen Werk "Emlohstobba" (Abbotsholme rückwärts gelesen) entwickelt Lietz seine Vorstellungen einer eigenen Schulkonzeption.

Im Jahre 1898 kam es dann zur Gründung des ersten deutschen Landerziehungsheimes in Ilsenburg im Harz, mit der Orientierung an dem englischen Internatswesen. Er wendet sich gegen die Staatsschule, gegen den rein wissenschaftlichen Unterricht und gegen das verflachende Genussleben der Großstadt. Es fand eine radikale Abkehr von der Lern- und Drillschule, die sich nur auf die Vermittlung von Kenntnissen beschränkt, statt. Lietz Zielsetzungen waren von nationaler, sozialer und sittlich-religiöser Ansicht. Offensichtlich fand dieses Konzept großen Anklang, denn die Schülerzahl wuchs rapid. Daraufhin musste sich Lietz bereits im Jahr 1900 nach einem weiteren Standort auf die Suche machen. Dieser fand sich im Thüringer Wald im sogenannten Henneberger Land. Hier in Haubinda entstand nun 1901, auf einem zum Verkauf stehenden Rittergut, sein 2. Landerziehungs­heim. Das 3. Landerziehungsheim entstand auf dem Schloss Bieberstein, einer barocken Sommerresidenz der Fuldaer Äbte. Es fand eine Dreiteilung der Schulen statt. Ilsenburg war ein Heim für die Unterstufe, Haubinda beherbergte die Mittelstufe und Bieberstein die Oberstute. In diesen drei Landerziehungsheimen hatte Lietz viele seiner Ziele erreicht. Sein soziales Bewusstsein jedoch war durch die Situation, hier Heime für die Reichen geschaffen zu haben, nicht befriedigt. Deshalb gründete er 1914 das Landwaisenheim Veckenstedt.

Trotz zahlreicher Abspaltungen aufgrund unterschiedlicher pädagogischer Auffassungen blieb, die von Lietz geprägte Form des Landerziehungsheims überall unverkennbar.

Er nahm sogar als Kriegsfreiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. Im Jahre 1917 befällt ihn eine schwere Krankheit, der er 1919 in Haubinda erliegt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die deutsche Landerziehungsheimbewegung
Hochschule
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V78986
ISBN (eBook)
9783638897778
ISBN (Buch)
9783638903226
Dateigröße
459 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Landerziehungsheimbewegung
Arbeit zitieren
Sandra Pauliks (Autor:in), 2003, Die deutsche Landerziehungsheimbewegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78986

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