Islamisches Recht - Rechspluralismus in Afghanistan


Hausarbeit, 2003

17 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Das islamische Recht
2.1. Einleitung
2.2. Quellen des islamischen Rechts
2.2.1. Der Koran
2.2.2. Die sunna
2.2.3. Der iğmā
2.2.4. Der qiyās
2.2.5. Zusätzliche Quellen
2.3. Die Rechtsschulen
2.3.1. Die Hanafiten
2.3.2. Die Malikiten
2.3.3. Die Schafiiten
2.3.4. Die Hanbaliten
2.3.5. Schlussbemerkung
2.4. Die Verbreitung des Islam

3. Das islamisches Recht in Afghanistan
3.1. Die Islamisierung Afghanistans
3.2. Das Bild des Islam in Afghanistan
3.3. Die Scharia im Rechtssystem Afghanistans
3.4. Schlussbemerkung

4. Zitierte Literatur

1. Einleitung

Die politischen Ereignisse der letzen Jahre rücken die Welt des Islam wieder stark in unser Blickfeld. Afghanistan ist in dieser Hinsicht ein Schlagwort. In diesem Land, in dem mehr als 99 Prozent der Bevölkerung dem Islam angehören hat das Recht der Scharia einen hohen Stellenwert.
Im folgenden werde ich zuerst einen allgemeinen Überblick über das göttliche Recht der Muslime geben. Das Verständnis der Quellenlehre sowie die Kenntnis der wichtigsten Rechtsschulen sind unentbehrlich für eine Einführung in das islamische Recht. Bei der kursiv gedruckten Fachsprache habe ich mich vor allem an die Schreibweise von Dilger und Salem gehalten. Die Ausdrücke bei Ohlig und Pauli unterscheiden sich geringfügig von den hier verwendeten.
Darauf aufbauend gehe ich auf die Auslegung der Scharia in Afghanistan ein. Leider war die Menge an brauchbaren Quellen hier sehr begrenzt. Hilfreich hierbei waren vor allem Burgei und Ghaussy. Meine Informationen in diesem Abschnitt beziehen sich auf die Zeit vor dem Krieg. Aktuell konnte ich über das Internet in Erfahrung bringen, dass das islamische Recht anscheinend nach dem Krieg teilweise außer Kraft gesetzt wurde. In der Provinz Aceh wurde die Scharia aber zu Beginn des Jahres 2002 wieder eingesetzt. Im Moment ist noch unklar wie die praktische Umsetzung aussehen wird.

2. Das islamische Recht

2.1. Einleitung

Der Ausdruck Islam bedeutet wörtlich übersetzt „Unterwerfung“, das heißt Unterwerfung unter den Willen Gottes. Schon hier wird deutlich, dass der Islam nicht nur eine religiöse Sittenlehre darstellt, sondern ein allumfassendes Lebensmuster vorgibt welches in seiner Bedeutungsvielfalt das religiöse, kulturelle und politische Leben aller Gläubigen umfasst (Salem 1984: 21).

So ist auch das islamische Recht (Scharia, wörtlich „Der zu befolgende gerade Weg“) ein System von Regeln absoluter und ewiger Gültigkeit, da Gott allein einziger Gesetzgeber ist. Der Wille Gottes ist der Geltungsanspruch und die Legitimation der Scharia als vollkommenes, ewiges und universelles Recht (Dilger 1990: 61). Das vollkommene Leben für einen Muslim ist also ein Leben in völliger Übereinstimmung mit dem Recht der Scharia (Salem 1984: 26).

Hier zeigt sich der grundlegende Unterschied zu der westlichen Auffassung in der das Recht Lösungswege für soziale Probleme bietet. Das Recht wird als Produkt des Verstandes gesehen, das sich immer wieder neu an die sozialen Erfordernisse und Entwicklungen der Gesellschaft anpasst (ebd.). Das islamische Recht ist als ius divinum (göttliches Recht) unveränderbar und auch von staatlichen Gesetzgebern unantastbar.

Das Verständnis der Scharia wird als Kern des islamischen Denkens gesehen. Es nimmt einen dominierenden Platz ein und „gilt als der Inbegriff des islamischen Geistes, die entscheidenste Ausprägung islamischen Denkens, als der Wesenskern des Islam überhaupt.“(Dilger 1990: 60). Sie regelt nicht nur das gesellschaftliche und öffentliche Recht, sondern auch die Pflichten des einzelnen und der Gemeinschaft, das dogmatische Glaubensrecht, die liturgische Praxis und die Pflichtenlehre (Ohlig 2000: 259). Um den Anforderungen seines Glaubens gerecht zu werden muß ein gläubiger Muslim dieser Gesamtheit von Regeln Folge leisten.

Die Wissenschaft vom islamisches Recht wird mit dem Ausdruck fiqh bezeichnet, was mit „Wissen“, „Verständnis“ oder „Verstand“ übersetzt wird. Eine Linie die die beiden Begriffe Scharia und fiqh voneinander trennt kann nicht klar gezogen werden. Festzuhalten ist aber, dass fiqh eher die Wissenschaft von der Pflichtenlehre und die Scharia die praktische Anwendung darstellt (Salem 1984: 26).

Den Rechtsgelehrten (faqīh, Plur. fuqahā) kommt in allen islamischen Ländern eine große Bedeutung zu, vor allem wegen der starken Gewichtung des Rechts und dem Fehlen kirchlicher Organisationen. Zu den fuqahā zählen die Imame großer Moscheen, Kadis, Muftis, Lehrer theologischer Ausbildungsstätten und religiöse Würdenträger. Die eher konservative Einstellung der Rechtsgelehrten und damit verbunden ihre Kritik am politischen Geschehen verhinderte oft die Öffnung islamischer Länder zum Westen (Ohlig 2000: 260).

Auf vorislamischen Traditionen begründete Rechtssysteme wie das örtlich begrenzte Gewohnheits- oder Stammesrechtgrenzen schränken den Geltungsbereich der Scharia je nach Land und Gewichtung der Rechtssysteme ein (ebd.).

2.2. Quellen des islamischen Rechts

2.2.1. Der Koran

Der Koran ist das Wort Gottes. Nach islamischen Glauben wurde er dem Propheten Mohammed (gest. 622 n.Chr.) durch den Erzengel Gabriel offenbart. Sein göttlicher Charakter macht ihn unter allen Rechtsgelehrten und Rechtsschulen zu der wichtigsten Quelle der Rechtssprechung (Salem 1984: 32). Meinungsverschiedenheiten herrschen nur hinsichtlich der Exegese bei widersprüchlichen Koranstellen (Dilger 1990: 61).

In seiner äußeren Form besteht der Koran aus 114 Kapiteln, Suren genannt, die sich wiederum in Verse (āyāt) gliedern (Pauli 1994: 9).

Der Koran bietet kein umfassendes System von Regeln, er ist weder Gesetzeskodex noch eine juristische Abhandlung, sondern enthält nur Lösungen von Einzelfällen (Dilger 1990: 61). Die in ihm beschriebenen Urteile beziehungsweise Entscheidungen wurden damals von dem allerorts geltenden unterschiedlich praktizierten Gewohnheitsrecht beeinflusst, das somit in der Scharia eine gewisse Berücksichtigung erhielt.

Absolute Gebote und Verbote finden sich selten. Aussagen von Rechtssätzen machen gerade mal zehn Prozent des Koran aus (Pauli 1994: 9). Überwiegend enthält er moralisierende Belehrungen über das richtige Verhalten eines gläubigen Muslim. Eingeteilt wird das Verhalten in fünf Handlungskategorien. Eine Handlung kann verboten (harām) oder verwerflich (makrūh) sein. Das Gegenteil dazu wäre ein empfehlenswertes (mandūb) oder erwünschtes (mustahabb) Verhalten, welches bei Unterlassung negative Folgen mit sich bringt. Erlaubte (mubāh, ğā`iz) Handlungen ziehen weder Lohn noch Strafe nach sich (Dilger 1990: 62). In der Rechtssprechung wird also auch immer auf das religiöse Verhalten des Angeklagten wert gelegt, welches dann auch Einfluss auf das Urteil hat.

2.2.2. Die sunna

Zur Ergänzung des rechtlich lückenhaften Koran wurden die Gewohnheiten und das Verhalten des Propheten Mohammed herangezogen, welches in der sunna niedergeschrieben ist (Pauli 1994: 10). Aufgrund des Bedürfnisses nach Tradition (hadīt) wurde 200 Jahre nach dem Tod Mohammeds seine Worte und Taten in umfangreichen Sammlungen niedergeschrieben. So entwickelte sich die Wissenschaft des hadīt, in welcher die Gebräuche der Vorfahren zum Vorbild gemacht wurden (Salem 1984: 33). Um die Glaubwürdigkeit der Tradition zu wahren wurde der Text (matn) der Überlieferung durch die Kette der Berichterstatter überprüft (Dilger 1990: 62). Nach der Glaubhaftigkeit der Überlieferer wurden die hadīte in drei Grade unterteilt. Sie wurden eingestuft in zweifelsfrei (sahih), welche als verpflichtende Grundlage der Rechtsfindung gelten, gut beziehungsweise annehmbar (hasan) und schwach beziehungsweise unbedeutend(da`īf), welche nur als Plausibilitätsargumente herangezogen werden (Ohlig 2000: 265, Salem 1984: 34).

[...]

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Details

Titel
Islamisches Recht - Rechspluralismus in Afghanistan
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Insitut für Ethnologie und Afrikaistik)
Veranstaltung
Ethnographie und politische Entwicklung Afghanistans
Note
1,5
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V78913
ISBN (eBook)
9783638830966
Dateigröße
832 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Islamisches, Recht, Rechspluralismus, Afghanistan, Ethnographie, Entwicklung, Afghanistans
Arbeit zitieren
Vanessa Hochrein (Autor:in), 2003, Islamisches Recht - Rechspluralismus in Afghanistan , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78913

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