Die politische Führung der CSU durch Edmund Stoiber


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

32 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist politische Führung?

3. Politische Führung der CSU: Machtzentren und Führungsstruktur
3.1. Parteivorsitzender und Landesleitung
3.2. CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag
3.3. Ministerpräsident und Staatsregierung
3.4. CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag

4. Die politische Führung der CSU durch Edmund Stoiber
4.1. Führung in der Doppelspitze
4.2. Führung als Parteivorsitzender

5. Voraussetzungen politischer Führung durch Stoiber
5.1. Persönlichkeitsmerkmale
5.2. Strukturelle Konstellation
5.2.1. Erste Phase: Doppelspitze Waigel - Stoiber
5.2.2. Zweite Phase: Stoiber als CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident
5.2.3. Dritte Phase: Stoibers innerparteilicher Machtverlust
5.3. Gesellschaftlicher Kontext und Machtmittel

6. Fazit: Wandel der Machtzentren und Führungsstruktur unter Edmund Stoiber

1. Einleitung

Als Edmund Stoiber am 18. Januar 2007 im Franz-Josef-Strauß-Haus vor die erst kurz zuvor einberufene Presse tritt, teilt er den Journalisten in einer knappen Erklärung mit, dass er zum 30. September von seinen Ämtern als Bayerischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender zurücktreten werde. Das Ende einer Ära ist beschlossene Sache. In gut 14 Jahren als Regierungs- und über 8 Jahren als Parteichef hatte Stoiber die CSU geführt. Gleich hinter dem CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß wird Stoiber als die große Führungspersönlichkeit in die Geschichte der Christlich Sozialen Union eingehen.

In dieser Arbeit soll untersucht und dargestellt werden, wie es dem politischen Späteinsteiger und Strauß-Zögling gelingen konnte, zum mächtigsten Mann innerhalb der einzigen "Staatspartei" zu werden, die das deutsche Parteiensystem noch zu bieten hat. Um die politische Führung der CSU durch Edmund Stoiber erklären zu können, wird es darauf ankommen die spezifischen bayerischen Voraussetzungen und Anforderungen an die Regierungspartei und ihre Führung ausfindig zu machen.

Zu Beginn (Kapitel 2) soll jedoch erst einmal der theoretische Rahmen abgesteckt werden, innerhalb dessen sich die Analysen und Darstellungen dieser Arbeit bewegen. Im Allgemeinen soll politische Führung als Begriff der Politikwissenschaft näher charakterisiert werden. Was also ist politische Führung überhaupt? Und welche Voraussetzungen bzw. Restriktionen sind für politische Führung vorstellbar, vor allem bezogen auf die politische Führung von Parteien? Parteien stellen schließlich einen speziellen Raum für Führung dar. Das gilt im konkreten Fall insbesondere für die CSU, wo die Machtzentren, aus denen heraus die Partei geführt wird, eindeutig verteilt sind. Der Einfluss der Machtzentren, politische Führung in der CSU zu ermöglichen bzw. zu verhindern, wird in Kapitel 3 dargestellt. Daran anschließend (Kapitel 4) schildere ich die Karriere Edmund Stoibers als Führungsfigur der CSU, wobei ich mich auf seine Ämter als Bayerischer Ministerpräsident und Parteivorsitzender konzentrieren werde. Der eigentliche analytische Teil der Arbeit folgt in Kapitel 5, in dem die Voraussetzungen, Anforderungen und Restriktionen für die politische Führung der CSU durch Stoiber aufgezeigt und in ihrer Qualität bewertet werden. Dieser Abschnitt wird wieder einen Bogen zu Kapitel 2 schlagen und die theoretischen Überlegungen zu politischer Führung auf das Thema meiner Arbeit beziehen: die politische Führung der CSU durch Edmund Stoiber.

2. Was ist politische Führung?

Obwohl häufig verwendet, gibt es keine eindeutige, präzise Beschreibung für den Begriff der politischen Führung. Politikwissenschaftler assoziieren mit dem Bereich der politischen Führung wahlweise ein „zwiespältiges und ambivalentes Feld“[1], ein „schillerndes Kuriosum“[2] oder gar ein „semantisches Chamäleon“[3]. Das mag einerseits darin begründet liegen, dass das Phänomen der politischen Führung nicht nur von der Politikwissenschaft selbst, sondern auch von Zweigen der Philosophie, Psychologie, Geschichte und Soziologie analysiert und bewertet wird. Sie ist daher ein interdisziplinärer Forschungsgegenstand. Andererseits wird der Begriff der politischen Führung deswegen so unscharf benutzt, weil ihn die Wissenschaften wegen seiner historischen Belastung durch das Dritte Reich lange Zeit beharrlich ignorierten, während in medialen und privaten Diskussionen Führung inflationär verwendet und gedeutet wurde. Die Medien vereinfachen hierbei oftmals die Begrifflichkeit der politischen Führung und neigen dazu sie monokausal an einzelnen Personen festzumachen.

Möchte man politische Führung jedoch wirklich ausreichend determinieren, so sind erst einmal Notwendigkeiten, Herausforderungen und Voraussetzungen von Führung zu untersuchen. Immerhin gibt es keine Führung ohne einen Führungsanspruch, also „einen Willen der sich entweder darauf erstreckt, dass Themen beförderlich behandelt werden oder Widerstand gegen bestimmte Trends mobilisiert wird“[4]. Um einen so gearteten Führungsanspruch durchsetzen zu können, muss es politische Probleme geben, die vom potenziellen Führer erkannt werden und für die er Problemlösungsideen besitzt. Dabei sollte die Lösung des Problems das gesellschaftliche Zusammenleben fördern. Zur Problemlösung braucht der Führer zudem bestimmte Ressourcen, Ideen allein reichen nicht aus. Eine Grundvoraussetzung für Führung ist neben dem Führungsanspruch der Bedarf des „geführt werden“ bzw. die Existenz einer Gefolgschaft. Wer führen will, braucht schließlich welche, die geführt werden wollen. In einem demokratischen System baut Führung auf eine bestimmte Legitimation durch die Gefolgschaft. „Gute Führungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie die eigene Gefolgschaft richtig einzuschätzen verstehen. Dabei handelt es sich nicht einfach um Demoskopie. Es braucht auch die eigene Überzeugungskraft. Die Führung kann auch ihre eigene Position einbringen und in der Auseinandersetzung sogar aufs Spiel setzen.“[5] Politische Führung bedarf also einer Zustimmung durch die Gefolgschaft. Damit ist die von der Führung abgeleitete Machtausübung nicht auf Dauer sicher. Das schafft Abhängigkeiten und führt zu der Frage wie mächtig der politische Führer überhaupt sein kann.

Der Institutionalismus-These zufolge ist der Einfluss des Führers auf seine politische Führung zu vernachlässigen. Führung ist maßgeblich durch die Strukturen und Institutionen bestimmt, d.h. die politische Führungspersönlichkeit allein kann nichts gestalten ohne den Kräftefeldern der Institutionen zu folgen, in denen sie wirkt. „Von politisch handelnden Individuen wird angenommen, dass sie - besonders in demokratischen politischen Systemen - lediglich in ‘Rollen’ agieren, dass individuelle Persönlichkeitscharakteristiken in diesen Rollen diffundieren und folglich ‘Persönlichkeit’ als eigenes interagierendes Konzept aus dem Referenzrahmen politikwissenschaftlicher Ansätze heraus fällt.“[6] Für die Institutionalisten ist folglich jedes Individuum in politischer Führungsposition austauschbar. Gegen diese Extremposition wendet sich Helms: „Die Wirkung von Institutionen ist primär eine restringierende oder ermöglichende, d.h. institutionelle Arrangements können helfen zu erklären, warum sich einige der politischen Zielvorstellungen der Exekutivelite in einem bestimmten System nicht in politische Entscheidungen umsetzen lassen. Selbst erzeugen können Institutionenarrangements politische Führung freilich nicht.“[7] Vielmehr ist von einem Wechselspiel auszugehen, in dem persönliche Freiheiten auf strukturelle Gegebenheiten ebenso wirken wie institutionelle Beschränkungen auf den spezifischen Charakter des politischen Führers.[8] Erweitert werden sollte dieses Netzwerk der Abhängigkeiten durch die zusätzliche Variable Umwelt, welche sich aus der Beschaffenheit der gesellschaftlichen Strukturen, den Zeitumständen und historischen Ereignissen zusammensetzt. Persönlichkeitsfaktoren wie Charisma, die Fähigkeit zur Delegation, Moderation und Integration können politische Führung ebenso beeinflussen wie die Strukturen und Institutionen des Systems und die zuletzt genannten Umweltfaktoren. Von einer vereinfachten Darstellung mit der Tendenz zur reinen Personalisierung ist das, was politische Führung beschreibt, also weit entfernt.

Führung in politischen Parteien folgt dem oben beschriebenen Muster von Interdependenzen in ganz ähnlicher Weise. Auch hier ist Führung eingebettet in ein sozio-kulturelles Umfeld, das im konkreten Fall einer politischen Partei jedoch ein gewisses Maß an Homogenität aufweist. Schließlich haben sich Mitglieder einer Partei aufgrund bestimmter Grundpositionen, Werte und Überzeugungen zusammengeschlossen. Ein Parteiführer sollte diesen Kanon an Einstellungen überzeugend repräsentieren, er muss zudem argumentieren und integrieren können. Die Fähigkeit zur Kommunikation ist eine Grundanforderung für Führung. Ebenso ist es wichtig, dass Führung in Parteien politisch gestaltet und entscheidet, wofür die Existenz von Entscheidungsspielräumen natürlich vorausgesetzt werden sollte. Alles in allem braucht Führung Machtressourcen und Machtmittel um ihre Position zu sichern und gegen andere durchzusetzen.

Politische Führung in Parteien wird Lösche zufolge durch vier Variablen charakterisiert.[9] Die erste Variable betrifft die Persönlichkeit des Führers. Hierunter zählen Charaktereigenschaften wie Ehrgeiz, Selbstvertrauen, Integrität oder politische Erfahrungen. Je nach Beschaffenheit befördern oder behindern sie die Stärke eines Parteivorsitzenden. Die zweite Variable beschreibt die strukturellen Konstellationen, in denen ein Vorsitzender agiert. Demnach ist Führung beschränkt aber auch erst ermöglicht durch Wähler, Hausmacht, Büroausstattung und Finanzen. Die Parteiführungsstrukturen sind auch abhängig von der Entstehungsgeschichte der Partei, deren Entwicklungspfade und Mitgliederkonstellationen. Regierungsparteien haben zum Beispiel oft einen anderen Führungsstil als Oppositionsparteien und nicht immer ist das Amt des Parteivorsitzenden das wirklich Führende und Mächtige. Lösches dritte Variable bezieht den historisch-gesellschaftlichen Kontext ein. So kann gesellschaftlicher Wandel ebenso Einfluss auf politische Führung haben wie damit im Zusammenhang stehende Gelegenheitsstrukturen, die bestimmten Persönlichkeiten nur aufgrund eines besonderen Umstands Zugang zu politischer Führung ermöglichen. Zuletzt haben Medien, die Organisationskompetenz, Patronagepolitik oder inhaltliche Kompetenz des Parteivorsitzenden Einfluss auf politische Führung. Diese Machtmittel sind die vierte Variable, die es zu untersuchen gilt.

Bei der Analyse der politischen Führung der CSU durch Edmund Stoiber werde ich die von Lösche verwendeten Variablen zur Charakterisierung von Führung anwenden. Bevor ich sie im konkreten Fall auf Edmund Stoiber beziehe, möchte ich jedoch zuerst die Partei in ihrer inneren Struktur untersuchen. Über Jahrzehnte hat sich im Fall der CSU nämlich eine Konstellation von Machtzentren herausgebildet, deren Kräfteverhältnis untereinander immer einen entscheidenden Einfluss auf die Stärke der politischen Führung hat.

3. Politische Führung der CSU: Machtzentren und Führungsstruktur

Die Christlich Soziale Union nimmt im deutschen Parteiensystem in vielerlei Hinsicht eine Ausnahmestellung ein. Obwohl sie bei Wahlen nur in Bayern antritt, ist sie auch auf Bundesebene vertreten und war dort aufgrund ihrer herausragenden Stellung im Freistaat lange Zeit sogar drittstärkste Kraft. Die CSU ist in der Bundeshauptstadt in einer Fraktion mit ihrer Schwesterpartei CDU eingebunden, die in Bayern nicht zu Wahlen antritt. Diese Konstellation und die spezifische Struktur der bayerischen Wählerschaft und Geschichte haben dazu geführt, dass die CSU als Staats- bzw. Kartellpartei seit über 50 Jahren die Regierung in Bayern stellt. Den hier beschriebenen Besonderheiten ist es geschuldet, dass die eigentliche Regionalpartei CSU ungewöhnlich viele Machtzentren hat. Neben einer Landtagsfraktion und dem Parteivorsitzenden spielen im Kräftefeld der Partei die Landesgruppe als Vertretung der bundespolitischen Interessen in der Bundeshauptstadt sowie der Bayerische Ministerpräsident und seine Staatsregierung eine wichtige Rolle. Wie stark die Zentren in diesem Machtviereck sind bzw. sein können und wie groß ihr Einfluss auf die politische Führung der CSU ist, möchte ich nun darstellen.

3.1. Parteivorsitzender und Landesleitung

Einschließlich Edmund Stoiber hatte die CSU nur sechs Vorsitzende seit ihrer Gründung im Jahr 1945. Allein Franz Josef Strauß führte die CSU 27 Jahre lang an. Daraus lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass die CSU relativ leicht zu führen ist und den Vorsitzenden eine nahezu unangreifbare Machtposition zufällt. Und tatsächlich sind die Mitglieder der Parteiführung in der Regel sehr folgsam, sie erwarten sogar einen gewissen autoritären Führungsstil.[10] Anders als zu erwarten wäre, erwächst der Landesleitung bzw. Parteizentrale durch die starke Stellung des Parteivorsitzenden jedoch keine ebenso starke Position als Machtzentrale innerhalb der Christlich Sozialen Union. Das liegt vor allem daran, dass die Parteivorsitzenden die CSU nicht aus der Parteizentrale führen, sondern auf andere Ressourcen vertrauen, die ihnen durch zusätzliche Ämter zur Verfügung stehen. So führte Franz Josef Strauß die CSU erst aus Bonn in seinen unterschiedlichen Ministerämtern in der Bundesregierung und später als Ministerpräsident Bayerns aus der Staatskanzlei in München. Sein Nachfolger Theo Waigel führte die Christ-Sozialen dann wieder aus der Bundeshauptstadt. Als Bundesfinanzminister nutzte er die Ressourcen seines Ministeriums in Bonn. Müller beschreibt dieses Phänomen als „Führung ohne Präsenz“[11], was insbesondere auf Parteivorsitzende zutrifft, die als Bundesminister weit entfernt von Bayern sind.

Auch deswegen ist die Rolle des Generalsekretärs ganz wichtig. Er gilt als zweiter Kopf der Landesleitung und vertritt die CSU nach Außen. Obwohl vom Parteivorsitzenden bestimmt und mit seinem politischen Schicksal eng verknüpft, kann er zu einer starken Persönlichkeit aufsteigen. Das Amt des Generalsekretärs ist immerhin eine parteipolitische Spitzenposition, die einen großen Einfluss auf das Erscheinungsbild der CSU nehmen kann und vor allem auf Bundesebene wahrgenommen wird.

[...]


[1] Fagagnini, Hans Peter, Was soll denn politische Führung?, in: ZfP (3/2000), S.274

[2] Forkmann, Daniela/ Schlieben, Michael, "Politische Führung" und Parteivorsitzende. Eine Einleitung, in: Forkmann, Daniela/ Schlieben, Michael (Hrsg.), Die Parteivorsitzenden in der Bundesrepublik Deutschland 1949-2005, Wiesbaden 2005, S.11

[3] Ebd.

[4] Fagagnini, S.277

[5] Ebd.

[6] Etzersdorfer, Irene, "Persönlichkeit" und "Politik": Zur Interaktion politischer und seelischer Faktoren in der interdisziplinären "Political Leadership"-Forschung, in: ÖZP (4/1997), S.382

[7] Helms, Ludger, Politische Führung als politikwissenschaftliches Problem, in: PVS 41 (2000), S.428

[8] Vgl. Forkmann, S.15

[9] Vgl. Lösche, Peter, "Politische Führung" und Parteivorsitzende. Einige systematische Überlegungen, in: Forkmann, Daniela/ Schlieben, Michael (Hrsg.), Die Parteivorsitzenden in der Bundesrepublik Deutschland 1949-2005, Wiesbaden 2005, S.351ff.

[10] Vgl. Mintzel, Alf, Die CSU. Anatomie einer konservativen Partei 1945-1972, Opladen 1975, S.508.

[11] Müller, 2005, S.217.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Die politische Führung der CSU durch Edmund Stoiber
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Politische Führung von Parteien
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
32
Katalognummer
V78753
ISBN (eBook)
9783638851220
ISBN (Buch)
9783640334872
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Führung, Edmund, Stoiber, Politische, Führung, Parteien
Arbeit zitieren
Bastian Fermer (Autor:in), 2007, Die politische Führung der CSU durch Edmund Stoiber, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78753

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