Die Unterwerfung und Annexion Sachsens unter Karl dem Großen


Seminararbeit, 2001

22 Seiten, Note: 1-

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.) Einleitung

2.) Die Quellenlage

3.) Herkunft und Ansässigkeit der Sachsen

4.) Die Standesorganisation der Sachsen

5.) Die Anfangsphase der Auseinandersetzungen

6.) Die Hochphase der Auseinandersetzungen
6.1) Verschärfung des Kampfes unter Widukind

7.) Abschwächung in der Intensität der Auseinandersetzung

8.) Gründe für den massiven Widerstand der Sachsen

9. ) Literaturverzeichnis

10.) Anlage

1. Einleitung

Die Niederringung der Sachsen, der größten noch außerhalb des fränkischen Reiches ansässigen germanischen Völkerschaft Mitteleuropas, bereitete Karl dem Großen (742-814) die wohl größten und langwierigsten Schwierigkeiten seiner Amtszeit[1] (768-814). Die Sachsenpolitik Karls war nicht ein von gerader Linie bestimmter vorgeplanter Ereigniszusammenhang - vielmehr ist sie oft durch spontane Reaktion auf bestimmte Ereignisse in wechselnden Phasen mit verschiedener Intensität und mit Unterbrechungen geprägt gewesen.

Der Krieg gegen die Sachsen war, wie es Einhard, der Hofbiograph Karls des Großen feststellte, „der langwierigste, grausamste und für das Frankenvolk anstrengendste Krieg, den es je geführt hat“[2]. Vieles spricht dafür, daß sich Karl anfangs nicht bewußt war, auf was er sich eingelassen hatte und dass er die Widerstandsfähigkeit seiner Gegner unterschätzte. Dieses Land jenseits von Rhein und Limes war, außerhalb des römischen Imperiums liegend, nie im Blickpunkt der damaligen Fernhandelsinteressen, so daß eine Kaufmannschicht fehlte, der sich nähere Infomationen hätten entlocken lassen[3]. Es hat nicht an Situationen gefehlt, bei denen Karl sich seines Erfolges nicht mehr sicher sein konnte und der Ausgang wahrlich auf des „Messers Schneide stand“. Dieser Umstand kann auch eine Erklärung für die Härte Karls sein, die unter den gegebenen Umständen als Panikreaktion verstanden werden kann. Mit eiserner Zunge predigend[4], hat er mit Energie und Zielstrebigkeit, zäh und teilweise stark unterjochend, sein Ziel verwirklicht. Die Sachsenkriege sind das einzige Ereignis unter der Herrschaft Karls, von dem wir hören, daß es als Motiv für einen Bildschmuck an repräsentativer Stelle gedient hat, nämlich in der wichtigen karolingischen Winterpfalz zu Ingelheim[5]. Das Christentum in unserem Lande geht im wesentlichen auf Karls Initiativen und deren Auswirkungen zurück, sein Wirken beeinflußte auch Jahrhunderte nach seinem Tod noch immer die Gesellschaft.

Historisch bemerkenswert ist sicherlich die Tatsache, dass die Sachsen bereits ein Jahrhundert nach der Unterwerfung und der letztendlich gewaltsamen Eingliederung in das Frankenreich mit der Dynastie der Ottonen die deutschen Könige und Kaiser stellten.

2. Die Quellenlage

Anhand der „Annales regni Francorum“, den offiziellen fränkischen Reichs-annalen, können wir die Ereignisse von 741 bis 829 nachvollziehen. Die Annalen stehen in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Geschehnissen der Sachsenkriege, die Ereignisse werden in kurzer Form jährlicher Aufzeichnungen zusammengefaßt. Aufgrund der Nüchternheit und Sachlichkeit der Quellen fehlen Hinweise über Motive, Pläne und Denkweisen der handelnden Personen. Hierüber könnte z.B. die „Vita Karoli“ des Augenzeugen Einhard Aufschluß geben. Dabei muß allerdings beachtet werden, daß hier nicht neutrale Berichterstattung, sondern eine oft einseitige, Karl verherrlichende Darstellung abgeliefert wurde. Die große Schwierigkeit, die Sachsenkriege objektiv zu bewerten, besteht vor allem darin, daß sächsische Schriftzeugnisse für diese Zeit nicht existieren. Dadurch, daß die sächsische Gesellschaft unter Karl dem Großen eine schriftlose war, können wir nur die Hilfswissenschaft der Historiker - die Archäologie - zu Rate ziehen. Diese kann anhand von Sachzeugnissen aus Gräbern oder Siedlungen wertvolle Hinweise über religiöse Denkweisen oder Stammesordnungen geben. Die ersten schriftlichen sächsischen Quellen stammen aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, wie z.B. die Vita des angelsächsischen Missionars Lebuin oder die aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts entstandene Sachsengeschichte des Widukind von Corvey. Sächsische Chronisten betonen besonders die Missionierung bzw. Christianisierung der Sachsen als Kriegsmotiv Karls, andere wie z.B. Einhard nennen militärische und strafende Annexion gegen die „untreuen“, „perfiden“ Sachsen als Motivation.

3. Herkunft und Ansässigkeit der Sachsen

Die Sachsen mit ihren großen Untergruppen, den Engern, Westfalen, Ost-falen und Nordalbingiern, siedelten zur Zeit Karls des Großen in einem Ge-biet, das sich vom Rhein bis zur Elbe, von der Eider bis zur Unstrut und zu den Mittelgebirgen, also über die gesamte Nordwestdeutsche Tiefebene erstreckte[6].

Erstmals erwähnt wurden die Sachsen in der Geschichte des alexandrinischen Geographen Ptolemaeus (also um die Mitte des 2.Jhd.) als im heutigen Holstein an der unteren Elbe gebietsansässig[7].

Im fünften und sechsten Jahrhundert hat dieser Stamm im Bunde mit den Angeln England erobert und schon vorher Teile der nordfranzösischen Küsten besetzt. Aber auch gegen Thüringer (zusammen mit den Merowingern 531) oder gegen die Boruktuarier wurde gekämpft. So dehnten sie sich immer weiter nach Süden hin aus, bis sie um das Jahr 700 die Lippe überschritten hatten. Daraufhin wurden sie direkte Nachbarn der Franken in einem strategisch nicht unwichtigem Gebiet, so dass sich die Konflikte mehrten (u.a. hatte schon Karls Vater Pippin einige sächsische Gaue durch Grenzkonflikte eingenommen).

Der sächsische Selbstbehauptungswille reagierte nach den sich steigernden Konfrontationen mit den Franken aggressiv auf alles Christliche. So wurden z.B. die beiden Ewalde, zwei Missionare aus dem Umkreis Willibrords, nach ihrer Identifizierung als Christenpriester vor dem Jahr 700 erschlagen. Suidberth, der ebenfalls vor den Sachsen im Jahre 693 fliehen mußte, gab der Rheininsel Suidbertswerth (Kaiserswerth) seinen Namen, indem er dort ein Kloster gründete. Die Missionierung nach angelsächsischem Vorbild scheiterte für diese Region völlig.

4. Standesorganisation der Sachsen

Bereits vor dem Einsetzen der fränkischen Eroberungszüge lassen sich bei den Sachsen Ansätze einer sozialen Differenzierung in der Gesellschaft erkennen. Abgesandte aus den in Gaue untergliederten Heerschaften (West-, Ostfalen, Engern und Nordleuten) stellten Vertreter der Freien (Frilinge), der Hörigen (Lazzen) und des Adels (Edelinge) ab, die sich jährlich einmal in Marklo an der Weser (wohl südlich der Porta Westfalica) versammelten, um über alle wichtigen politischen Fragen zu beraten. Dort wurden auch rechtliche Angelegenheiten und Gesetze erörtert. Diese Art Volksversammlung fasste auch Beschlüsse über mögliche Heereszüge. Im Falle eines Krieges wurde für dessen Dauer einer der Satrapen (Vorsteher eines Aufgebotsbezirkes) zum Anführer bestimmt. Der englische Benediktiner Beda bemerkte in seiner Kirchengeschichte im ersten Drittel des 8. Jahrhunderts: „Diese Altsachsen haben nämlich keinen König, sondern viele Satrapen, die an der Spitze ihres Stammes stehen und im wichtigen Augenblick eines Kriegsausbruches untereinander das Los werfen [...]; wenn aber der Krieg vorbei ist, werden alle wieder Satrapen mit gleicher Macht.“[8] Umfangreicher Grundbesitz verlieh dem Adel gegenüber den zahlenmäßig weit überlegenen Freien und Hörigen in Marklo jedoch größere politische Macht.

Das Fehlen einer mächtigen sächsischen Zentralgewalt mit monarchischer Regierungsbefugnis und womöglich zentralem Verwaltungssitz zeigt den sächsischen Stammesverband gewissermaßen als segmentäre Gesellschaft.[9]

5. Die Anfangsphase

So hatten sich die Verhältnisse im sächsischen Raum bis zu dem Zeitpunkt entwickelt, als Karl sich schließlich 770 entschloß, einen kleineren Grenzkrieg gegen die Sachsen zu führen, um den Nordosten seines Reiches gegen Übergriffe der immer wieder einfallenden Sachsen zu schützen.

In den mehr als 30 Jahre dauernden Sachsenkrieg wechselten sich Phasen intensiver Kriegshandlungen mit Phasen relativer Ruhe ab. Allgemein wird die Zeit zwischen 772 und 804 als Dauer der Auseinandersetzung angesehen. Hierbei läßt sich erkennen, dass sich in den ersten Jahren (bis zu den ersten Massentaufen, also ca.777) der Kampf allmählich verschärfte; so spricht der Historiker Hans-Dietrich Kahl von verschiedenen Eskalationsstufen. Diese Theorie werde ich berücksichtigen, da sie eine logische Strukturierung gewährleistet, wobei die Gefahr einer modellhaften Schematisierung nicht außer Acht gelassen wird.

Von weit höherer Dimension als die kleineren „Scharmützel“ des Jahres 770 war Karls gewaltsames Einrücken von Süden nach Norden (vermutlich von Worms aus) mit einem starken Heer, begleitet von vielen Geistlichen in das Gebiet der Sachsen im Sommer des Jahres 772. An der Eresburg südlich von Paderborn (heutiges Obermarsberg an der Diemel) kam es zuerst zum Kampf, der mit der Eroberung der strategisch wichtigen Eresburg (die auf einem Bergsporn und verkehrstechnisch günstig lag) durch die Franken endete. Von dort aus ging der Heeresmarsch nach Norden, wo (nach Aussage der fränkischen Reichsannalen) an nicht bekannter Stelle das bedeutende Zentralheiligtum der Engern, die sagenumwobene Irminsäule (Irminsul) zerstört wurde[10]. Die Irminsul war wohl ein mächtiger Baumstamm, der die Weltsäule darstellte, die den Himmel stützte[11]. Karl war also bestrebt, den heidnischen Glauben mit dieser symbolischen Geste auszumerzen, um auf diese Weise die sächsische Widerstandskraft zu brechen und die moralische Überlegenheit des Christengottes und die Ohnmacht der germanischen Götter aufzuzeigen (in Tradition des angelsächsischen Missionars Bonifatius, der in Geismar/Hessen die Donareiche im Jahr 723 fällte). Ein Kriegsziel (nicht das Hauptziel, aber ein gewünschter positiver Nebeneffekt) war es wohl auch schon zu dieser Zeit, die Ausrottung unchristlichen „Irrglaubens“ zu forcieren - alle heidnischen Gottheiten waren höllische widergöttliche Mächte, aus deren Knechtschaft und Verstrickung es die Götzendiener [Sachsen] zu befreien galt[12]. Gewalt war unter dem Motto „der Zweck heiligt die Mittel“ ein erlaubtes Durchsetzungsverfahren. Karl der Große konnte seine Aktivitäten auch dadurch nach dem augistinischen Prinzip als „bellum iustum“ deklarieren und in gewisser Weise als heiligen, gerechten Krieg (jedoch längst nicht mit dem Begriff des „heiligen Krieges“ während der Kreuzzüge zu vergleichen) rechtfertigen. Es handelte sich bei den Sachsen nach Ansicht der Franken nicht einfach um Kriegsgegner, sondern um Teufelsdiener, deren Werk Gott ein Greuel war. Nebenbei bemerkt erschien Karl der Weg zur Zerstörung der Irminsul wohl auch deswegen nützlich, weil es an solch heiligen Stätten vermutlich auch enorme Mengen an reicher Beute gab, die aus kostbaren Göttergaben bestand[13]. Dieser Feldzug sollte vor allem eine Demonstration fränkischer Stärke sein, um im permanenten Grenzkrieg dauerhaft Ruhe zu schaffen. Weltliche Motive spielen also am Anfang der Sachsenkriege die entscheidendere Rolle - dies zeigt auch die Tatsache, daß in den Quellen über diese Anfangszeit Heidentaufen o.ä. an keiner Stelle erwähnt werden.

[...]


[1] Hilsch, Peter: Mittelalter. Grundkurs Geschichte II, hrsg. von Pedro Barceló. 2. überarb. Aufl. Frankfurt am Main 1989, S. 55.

[2] Einhardi Vita Karoli Magni, hrsg. v. Oswald Holder-Egger, in: MGH SS rer. Germ.25, Hannover/Leipzig 1911 (ND 1940,1947), c.7: Quo nullum neque prolixius neque atrocius Francorumque populo laboriosius susceptum est.

[3] Kahl, Hans-Dietrich: Karl der Große und die Sachsen. Stufen und Motive einer historischen „Eskalation“, in: Politik, Gesellschaft, Geschichtsschreibung. Gießener Festgabe für Frantisek Graus, hrsg. von H. Ludat und R. Chr. Schwinges, Köln - Wien 1982, S. 49-130, S. 61.

[4] Erconrads Translatio s. Liborii, hrsg. von Alfred Cohausz (Studien und Quellen zur westfälischen Geschichte 6), Paderborn 1966, c.5: ferrea lingua.

[5] Kahl: Karl der Große und die Sachsen, S. 52.

[6] Angenendt, Arnold: Das Frühmittelalter: die abendländische Christenheit von 400-900. Stuttgart-Berlin-Köln 1990, S. 51.

[7] Lintzel, Martin: Der sächsische Stammesstaat und seine Eroberung durch die Franken. Historische Studien Heft 227. Berlin 1933, S. 5.

[8] Becher, Matthias: Die Sachsen im 7. und 8. Jahrhundert. Verfassung und Ethnogenese, in: 799 - Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Karl der Große und Papst Leo III. in Paderborn, hrsg. von Chr. Stiegemann und M. Wermhoff, Mainz 1999, S. 189.

[9] Vgl. Kirchengeschichte Bedas 731; in der zweiten Hälfte des 9.Jhd. überlieferte der angelsächsische Missionar Lebuin diesen Hinweis.

[10] Lampen, Angelika: Sachsenkriege, sächsischer Widerstand und Kooperation, in: 799 - Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Karl der Große und Papst Leo III. in Paderborn, hrsg. von Chr. Stiegemann und M. Wermhoff, Mainz 1999, S. 267.

[11] Epperlein, Siegried: Karl der Große. Eine Biographie. 4. Aufl. Berlin 1974, S.34.

[12] Kahl: Karl der Große und die Sachsen, S. 56.

[13] Epperlein: Karl der Große, S. 34.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Unterwerfung und Annexion Sachsens unter Karl dem Großen
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Fakultät Geschichte)
Veranstaltung
Proseminar: Das Frankenreich unter Karl dem Großen
Note
1-
Jahr
2001
Seiten
22
Katalognummer
V787
ISBN (eBook)
9783638105088
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Unterwerfung, Annexion, Sachsens, Karl, Großen, Proseminar, Frankenreich, Karl, Großen
Arbeit zitieren
Anonym, 2001, Die Unterwerfung und Annexion Sachsens unter Karl dem Großen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/787

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