Anomaler Monismus als Lösung für das Leib-Seele-Problem?


Hausarbeit, 2007

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das Leib-Seele-Problem
2.1 Das Bieri-Trilemma
2.2 Epiphänomenalismus
2.3 Typenidentitätstheorie

3 Anomaler Monismus
3.1 Die drei Prinzipien
3.1.1 Das Prinzip der kausalen Interaktion
3.1.2 Das Prinzip des nomologischen Charakters der Kausalität
3.1.3 Das Prinzip der Anomalie des Mentalen

4 Kritik
4.1 Vereinbarkeit der drei Prinzipien
4.2 Beziehung zwischen Mentalem und Physischem - Supervenienz
4.3 Epiphänomenalismus
4.4 Strenge Gesetze

5 Fazit

1 Einleitung

If the moon, in the act of completing its eternal path round the earth, were gifted with self-consciousness, it would feel thoroughly convinced that it would travel its path on its own, in accordance with a resolution taken once and for all.

So would a Being, endowed with higher insight and more perfect intelligence, watching man and his doings, smile about this illusion of his that he was acting according to his own free will.

(Albert Einstein an Rabindranath Tagore)

Ob der freie Wille des Menschen in unserem physikalischen Weltbild noch Platz hat, ist eine vieldiskutierte Frage. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Donald David- sons Anomalem Monismus, welcher diese Frage in einem gewissen Sinne transzen- diert: Solange man geistige Vorgänge den Gesetzen der Physik unterwerfen will, mag jede Forderung nach mentaler Autonomie und freiem Willen aussichtslos erscheinen. Daher geht Davidson davon aus, dass es für mentale Ereignisse keine „strengen“ Gesetze geben kann. Um aber dennoch zu garantieren, dass das Mentale auf die physikalische Welt Einfluss haben oder von dieser beeinflusst werden kann, sind für Davidson mentale Ereignisse identisch mit physikalischen Ereignissen.

Dies macht den Anomalen Monismus zu einem möglichen Lösungsansatz für das Leib-Seele-Problem der Philosophie des Geistes, welches als erstes kurz vorgestellt werden soll. In der anschließenden Beschäftigung mit dem Anomalen Monismus werde ich versuchen, einige Schwächen in Davidsons Annahmen aufzuzeigen, um im Anschluss daran näher auf die Kritik, vor allem von Jaegwon Kim, einzugehen. Die Titelfrage wird sich im Rahmen dieser Arbeit sicher nicht abschließend zu beant- worten lassen, aber es wird sich zeigen, dass der Anomale Monismus in sich stimmig und mit dem aktuellen Stand der empirischen Forschung verträglich ist.

2 Das Leib-Seele-Problem

Unsere alltäglichen Erfahrungen erlauben es uns, intuitiv und ohne weitere Schwie- rigkeiten zu unterscheiden zwischen körperlichen, den „Leib“ betreffenden, und geis- tigen, die „Seele“ betreffenden Phänomenen: Wenn wir uns in den Finger schneiden und dabei Blut fließt, bezeichnen wir dies als ein körperliches oder physisches Ereig- nis, während wir die darauf folgende Schmerzerfahrung vom sie auslösenden physi- schen Ereignis unterscheiden und als ein geistiges oder mentales Ereignis wahrneh- men. Diese Unterscheidung von physischen und mentalen Phänomenen teilt unsere Erfahrungswelt in zwei disjunkte Bereiche, den Bereich des Mentalen einerseits und den Bereich des Physischen, der neben unseren körperlichen Phänomenen auch alle physikalischen Phänomene der uns umgebenden Welt beinhaltet. Zum philosophischen Leib-Seele-Problem wird dieser „intuitive Dualismus“ u.a. durch die Frage nach der Beziehung zwischen dem Physischen und dem Mentalen bzw. durch die Frage, ob dieser intuitive Dualismus wirklich ontologisch ist.

2.1 Das Bieri-Trilemma

Eine Möglichkeit letzterer Frage die Form eines Problems zu geben, ist das sogenannte Bieri-Trilemma (Bieri, 1993, S.5):

(B1) Mentale Phänomene sind nicht-physische Pänomene.
(B2) Mentale Phänomene sind im Bereich physischer Phänomene kausal wirksam.
(B3) Der Bereich physischer Phänomene ist kausal geschlossen.

Wie man leicht erkennen kann, sind diese drei Sätze nicht mit einander in Einklang zu bringen. „Zwei von ihnen implizieren jeweils die Falschheit des dritten“ (Bieri, 1993, S.6). Die einzige Möglichkeit dieses Trilemma zu „lösen“ besteht darin es aufzulösen, d.h. einen der drei Sätze aufzugeben.

Beginnen wir mit dem letzten: Wenn man die Annahme über die kausale Geschlos- senheit des Bereichs physischer Phänomene aufgibt, stellt man hiermit das bisher äußerst erfolgreiche Prinzip der Naturwissenschaften in Frage, zur Erklärung von physischen Phänomenen nur physische Ursachen zu betrachten, und dies kann man sicher nicht so leichtfertig tun. Aber selbst wenn man nicht soweit gehen will, dieses Prinzip generell in Frage zu stellen, sondern es z.B. nur für die dem Mentalen nahe- stehenden physischen Prozesse im Gehirn außer Kraft setzt, lässt sich hierfür keine stichhaltige Begründung finden, da auch diese Prozesse Teil der Natur sind.

Also bleiben nur die beiden ersten Sätze. Wenn man auf den zweiten Satz, d.h. auf die Annahme mentaler Verursachung verzichtet, ergeben sich hieraus zwei klassische Theorien der Philosophie des Geistes: der psychophysische Parallelismus und der Epiphänomenalismus, wobei letzterer im folgenden kurz betrachtet werden soll.

2.2 Epiphänomenalismus

Für einen Epiphänomenalisten besteht ein ontologischer Unterschied zwischen men- talen und physischen Ereignissen und er erkennt an, dass es kausale Beziehungen zwischen dem Physischen und dem Mentalen gibt, aber nur in eben dieser Rich- tung. Der Epiphänomenalismus verneint neben kausalen Beziehungen zwischen zwei mentalen Ereignissen also auch die uns eigentlich naheliegende Möglichkeit, dass das Mentale auf das Physische kausal wirksam ist und dass unser Verhalten durch unsere mentalen Zustände verursacht wird. Stattdessen werden unsere mentalen Zustände nur als Epiphänomene physischer Ursachen betrachtet und sind somit für unser „Ver- halten kausal genauso irrelevant wie der Rauch aus dem Schornstein einer Fabrik für das Geschehen in der Fabrik“ (Bieri, 1993, S.7). Die kausal relevanten Ursachen für unser Verhalten sind statt dessen physischer Natur, auch wenn wir diese u.U. noch nicht gefunden haben.

Als letzte Möglichkeit, das Bieri-Trilemma aufzulösen, bleibt schließlich noch die Aufgabe des ersten Satzes, d.h. die Annahme, dass es sich bei dem intuitiv wahrge- nommenen Dualismus des Physischen und Mentalen nicht um einen ontologischen, sondern um einen Schein-Dualismus handelt. Diese als Monismus bezeichnete Po- sition wird von allen Vertretern des Materialismus eingenommen, die annehmen, dass mentale Phänomene irgendwie physische Phänomene sind und mentale Verur- sachung somit einen Spezialfall von physischer Verursachung darstellt.

Nach dem Scheitern des Behaviorismus war die Typenidentitätstheorie, die von J. Smart, U. Place und H. Feigl Ende der fünfziger Jahre entwickelt wurde, der erste Versuch, mentale Phänomene mit physischen zu identifizieren.

2.3 Typenidentitätstheorie

Unter Typenidentität versteht man „eine empirisch feststellbare Beziehung zwischen zwei Typen von Entitäten“ (Pauen, 2001, S.114) wie sie z.B. im Fall von H 2 O und Wasser vorliegt: Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Wasser nichts anderes ist als eine Ansammlung von H 2 O -Molekülen, d.h. dass alle Entitäten vom Typ „Wasser“ auch Entitäten vom Typ „ H 2 O “ sind. Auf das Leib-Seele-Problem angewandt besagt die Typenidentitätstheorie, dass eine ebensolche Identität besteht zwischen mentalen und neuronalen Ereignissen, bzw. zwischen Typen von mentalen und neuronalen Ereignissen. Wenn sich also ein Typ S von neuronaler Aktivität fin- den ließe, der immer dann und nur dann auftritt, wenn der mentale Zustand Schmerz vorliegt, so wären mentale Ereignisse des Typs Schmerz und neuronale Ereignisse des Typs S äquivalent. Die Schmerzerfahrung einerseits und die neuronale Aktivität vom Typ S andererseits stellten also lediglich zwei verschiedene Zugänge zu einem einzigen Prozess dar. Auf diese Weise ließen sich mentale Ereignisse auf äquivalen- te bzw. typenidentische physische Ereignisse reduzieren und wären auf Grund ihrer Identität mit physischen Ereignissen in der physischen Welt auch kausal wirksam. Jedoch kann die Typenidentität nicht erklären, was passiert, wenn das Gehirnareal, in dem die neuronalen Aktivitäten vom Typ S auftreten, beschädigt ist und dennoch Schmerz wahrgenommen wird.

Diese starre Zuordnung von Typen mentaler und physischer Ereignisse und die sich daraus ergebende Unmöglichkeit der multiplen Realisierbarkeit ist eine der großen Schwächen der Typenidentitätstheorie und einer der Gründe, die Donald Davidson dazu bewogen haben, eine eigene Variante des Materialismus zu entwickeln, den Anomalen Monismus, welchen er erstmals 1970 in seinem Aufsatz Mental Events (Davidson, 1970b)1 dargestellt hat.

3 Anomaler Monismus

Ausgangspunkt all seiner Überlegungen ist für Davidson die Beobachtung, dass men- tale Ereignisse identisch sind mit physikalischen (Monismus), sich aber dem „nomo- logischen Netz physikalischer Erklärung“ entziehen (Davidson, 1970a, S.73). Mentale Phänomene sind also anomal, sie lassen sich nicht durch physikalische Gesetze er- klären oder vorhersagen. Trotzdem sind sie im Bereich der physischen Phänomene kausal wirksam. Zu zeigen, dass diese beiden Beobachtungen, die Davidson für „ein unbestreitbares Faktum“ (Davidson, 1970a, S.73) hält, trotz ihrer scheinbaren inne- ren Widersprüche, mit einander vereinbar sind, ist das Ziel des Anomalen Monismus.

3.1 Die drei Prinzipien

Hierzu postuliert Davidson folgende drei Prinzipien:

(D1) Prinzip der kausalen Interaktion: Wenigstens einige mentale Ereignisse inter- agieren kausal mit physikalischen Ereignissen.
(D2) Prinzip des nomologischen Charakters der Kausalität: Wann immer es Kausa- lität gibt, muss es ein strenges2 (deterministisches) Gesetz geben.
(D3) Prinzip der Anomalie des Mentalen: Es gibt keine strengen Gesetze, mit wel- chen mentale Ereignisse vorausgesagt oder erklärt werden können.

Auch wenn in (Davidson, 1970b) nur das dritte Prinzip näher erläutert und begründet wird, möchte ich hier auf alle drei eingehen und mit dem ersten beginnen.

[...]


1 Alle folgenden Zitate hierzu stammen aus (Davidson, 1970c) oder aus der deutschen Übersetzung in (Bieri, 1993), zitiert als (Davidson, 1970a).

2 engl. strict law. Ich halte mich an die Übersetzung in (Davidson, 1970a), andere Autoren (z.B. (Pauen, 2001)) bevorzugen die Übersetzung „striktes Gesetz“.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Anomaler Monismus als Lösung für das Leib-Seele-Problem?
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V78654
ISBN (eBook)
9783638741798
Dateigröße
454 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anomaler, Monismus, Lösung, Leib-Seele-Problem
Arbeit zitieren
Peter Baumann (Autor:in), 2007, Anomaler Monismus als Lösung für das Leib-Seele-Problem?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78654

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