Die Rolle der Frankfurter Zeitung im Dritten Reich


Seminararbeit, 2005

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die nationalsozialistische Presselenkung
2.1 Die Gleichschaltung der Presse
2.2 Die Pressekonferenz der Reichsregierung
2.3 Das Schriftleitergesetz

3. Die Frankfurter Zeitung
3.1 Die Tradition der FZ vor und nach 1933
3.2 Die Redaktion

4. Opposition der Frankfurter Zeitung
4.1 Schreiben zwischen den Zeilen
4.2 Die Leser
4.3 Die Wirkung im Ausland

5. Widerstand oder Korruption?

6. Die Frankfurter Zeitung aus nationalsozialistischer Sicht
6.1 Hitlers und Goebbels Einstellung zur Presse
6.2 Das endgültige Verbot

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Die totale Diktatur mordet das Wort. Und weil es längere Zeit braucht, bis mit dem letzten freien Wort auch der letzte Rest an eigenen Gedanken und Empfindungen der Mitteilung beraubt ist, [...], versuchte sie schrittweise und auf kaltem Wege, es zu verderben.“[1] Die Frankfurter Zeitung (FZ) versuchte während der nationalsozialistischen Diktatur sprachlich sauber zu bleiben und so der schrittweisen „Ermordung des Wortes“ entgegenzuwirken. In einer Zeit der totalitären Presselenkung, der Vor- und Nachzensur, war offenes Schreiben gegen das Regime unmöglich. Wo Kritik geäußert wurde, geschah es zwischen den Zeilen. Neben dieser Sprache der Tarnung waren zahlreiche Kompromisse und Zugeständisse an die Nationalsozialisten nötig, um die Existenz der Zeitung nicht zu gefährden.[2] Diese Zugeständnisse werten einige Wissenschaftler als Korruption und führen an, die FZ habe trotz der Camouflage dem Regime eher genützt als geschadet. Auch wird oft in Zweifel gezogen, dass die Taten der FZ überhaupt als Widerstand bezeichnet werden können. Andere argumentieren, die Konsequenz, statt Kompromisse einzugehen, das Blatt zu schließen, sei absurd. In einer Diktatur gelte jegliches nicht erwünschtes Verhalten als Widerstand.[3]

Diese Kontroverse soll im Rahmen der vorliegenden Hausarbeit näher beleuchtet werden. Zentral ist dabei die Untersuchung der These, die Arbeit der FZ-Redakteure könne als Widerstand bezeichnet werden. Um die Rolle der Frankfurter Zeitung im Dritten Reich einordnen zu können, wird zunächst auf die äußeren Bedingungen unter dem Hitler-Regime eingegangen. Die nationalsozialistische Presselenkung wird an Hand der Pressekonferenz der Reichsregierung und dem Schriftleitergesetz verdeutlicht. Ein eigener Abschnitt widmet sich der Frankfurter Zeitung, ihrer Tradition vor und nach 1933 und der Redaktion. Es wird zudem eingegangen auf Methoden des Schreibens zwischen den Zeilen, um die Opposition des Blattes aufzuzeigen. Ferner werden die Wirkung der Zeitung auf ihre Leser und die Reaktionen im Ausland betrachtet. Die unterschiedlichen Meinungen zum Wirken der FZ werden untersucht. Zuletzt wird darauf eingegangen, wie die Nationalsozialisten die Presse und die Frankfurter Zeitung sahen und wie es zum endgültigen Verbot des Blattes 1943 kam.

2. Die nationalsozialistische Presselenkung

2.1 Die Gleichschaltung der Presse

Neben allen anderen Gebieten des öffentlichen Lebens sollte unter den Nationalsozialisten auch die Presse gleichgeschaltet werden. Das wichtigste Kontrollorgan war hierbei das Propagandaministerium, dessen Leiter Joseph Goebbels unter anderem Rundfunk und Presse unterstanden. Außer Goebbels waren Max Amann, Präsident der Reichspressekammer, und Reichspressechef Otto Dietrich maßgeblich an der Presselenkung beteiligt.[4] Durch diese bewusste Dreiteilung und die sich daraus ergebenden Rivalitäten und ständigen Kompetenzüberschreitungen zwischen den drei Bereichen stellte Hitler sicher, dass er auch auf dem Pressesektor die letzte Entscheidungsinstanz blieb.[5]

Es bestand kein Zweifel daran, was die Nationalsozialisten mit der Presse vorhatten. In einer Rede im März 1933 stellt Goebbels klar: „Die Regierung wird der Presse nicht nur Informationen, sie wird ihr auch Instruktionen geben. [...] Wir haben darüber zu wachen, dass das Volk nicht verhetzt wird, und [...] über den wirklichen Stand der Dinge hinreichend informiert bleibt.“[6] Wer sich den Nationalsozialisten nicht unterordnete, konnte von der Berufsliste der Journalisten gestrichen werden. Nicht immer blieb es jedoch bei der Entlassung einzelner Redakteure. Oft wurden ganze Zeitungen verboten, die meist unter nationalsozialistischer Obhut wiedererschienen. Bis 1935 mussten 43% der bei Hitlers Machtantritt bestehenden Presseprodukte schließen. Die Zahl der Zeitungen sank zwischen 1932 und 1937 von etwa 4700 auf rund 2500.[7] Für die Monopolisierung der Propaganda war das Nachrichtenmonopol die wichtigste Voraussetzung.[8] Letztlich druckten die Nationalsozialisten 82,5 Prozent der Gesamtauflage.[9]

Die Verordnung „Zum Schutze von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 setzte die Pressefreiheit offiziell außer Kraft. Kommunistische und sozialdemokratische Zeitungen wurden nun pauschal verboten. Durch die Selbstanpassung der Journalisten und den Ausbau des nationalsozialistischen Lenkungssystems erübrigten sich Presseverbote jedoch immer mehr. Die Lenkung beruhte auf dem Prinzip der indirekten Vor- und der direkten Nachzensur, die auf Grund der Überwachung durch das Propagandaministerium und die weiter unten erläuterten täglich verlesenen Weisungen gesichert waren.[10]

2.2 Die Pressekonferenz der Reichsregierung

Seit Juli 1933 fand täglich die Pressekonferenz der Reichsregierung statt, auf der das Propagandaministerium Anordnungen ausgab. Es wurde bestimmt, welche Meldungen erscheinen mussten und welche nicht, welche wie zu kommentieren waren und wie man sie zu platzieren hatte. Die Aufgabe der etwa 150 anwesenden Redakteure beschränkte sich aufs Mitschreiben und auf gelegentliche Rückfragen.[11] Die für die Presse zuständige Abteilung IV des Propagandaministeriums war per Fernschreiber mit ihren 45 Außenstellen verbunden. Diese gaben die Instruktionen des Ministeriums an die Zeitungen ihres Bereichs weiter, damit eine einheitliche Ausrichtung aller Blätter sichergestellt war. Zudem kontrollierten die Außenstellen jeden Artikel daraufhin, ob sein Inhalt mit den vorgegebenen Richtlinien übereinstimmte. Das Sammeln der Nachrichten, die grobe Auswahl und erste Fassung war Aufgabe des Deutschen Nachrichtenbüros.[12]

Seit November 1940 wurden täglich verbindliche Tagesparolen verlesen, die detailliert regelten, wie mit bestimmten Fragen in der Presse umzugehen war.[13] In regelmäßigen Abständen mussten die Tagesparolen unter Zeugen vernichtet werden. Fritz Sänger, der als Vertreter der FZ auf den Pressekonferenzen der Reichsregierung anwesend war, widersetzte sich diesem Befehl. Dank ihm besteht heute eine umfangreiche Sammlung von Presseanweisungen im Bundesarchiv in Koblenz.[14]

2.3 Das Schriftleitergesetz

Am 4. Oktober 1933 erfolgte eine weitere Reglementierung des Journalistenberufs, das Schriftleitergesetz. Mit ihm wurde jeder Redakteur in bedingungslose Pflicht gegenüber dem Staat genommen.[15] Schriftleiter durfte sich nur nennen, wer deutsch, arischer Abstammung, nicht jüdisch verheiratet und fachlich ausgebildet war. Mitgliedschaft im Reichsverband der deutschen Presse wurde obligatorisch.[16] Ein Schriftleiter sollte sich nicht nur als Organ seiner Zeitung fühlen, sondern als Beauftragter des Regimes, der das Volk zu den gewünschten Zielen der Partei hinführte.[17]

Die Konsequenz der NS-Pressepolitik bedeutete eine schrittweise „Entjudung“ der aus etwa 80 Schriftleitern bestehenden FZ-Redaktion. Bis Kriegsbeginn wurden 27 jüdische Redakteure ersetzt.[18] Benno Reifenberg betont in diesem Zusammenhang, dass es zu keinem Zeitpunkt gelang, „der Redaktion von außen einen Nationalsozialisten aufzuzwingen“[19]. Die „Halbjuden“ Reifenberg und Lasswitz sowie die mit jüdischen Frauen verheirateten Journalisten konnten bis zum Frühjahr 1943 bei der FZ bleiben.[20]

Im Zuge des Schriftleitergesetzes musste die Zeitung einen Hauptschriftleiter ernennen, was im Widerspruch zur kollegialen Tradition des Blattes stand. Die Wahl fiel auf Rudolf Kircher, der jedoch von seiner Weisungsbefugnis keinen Gebrauch machte.[21]

3. Die Frankfurter Zeitung

3.1 Die Tradition der FZ vor und nach 1933

Die FZ, 1856 von Leopold Sonnemann als Handels- und Börsenblatt gegründet, entwickelte sich schnell zu einer der führenden Zeitungen Deutschlands. Auch außerhalb der Grenzen genoss sie einen exzellenten Ruf und war vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten das im Ausland am häufigsten zitierte deutsche Blatt.[22] Seit jeher liberal und geistig unabhängig, gehörte die FZ vor 1933 zu den stärksten Gegenkräften Hitlers. Daraus machte sie keinen Hehl, wie ein Artikel von 1931 verdeutlicht: „[...] Der Nationalsozialismus ist der Ausdruck einer Verzweiflungsstimmung. Er ist eine Krankheit.“[23] Vor der Septemberwahl 1930 konstatiert die FZ: „Hitler bedeutet Krieg.“[24]
Den Machtantritt der Nationalsozialisten zu verhindern, war bis zum Ende der Weimarer Republik das maßgebliche Anliegen des Blattes.[25] Unter Hitler hoffte die Redaktion zunächst, „es müsse jede Tyrannis im Lauf der Zeit aus Selbsterhaltungsgründen sich in einen Rechtsstaat verwandeln“[26]. Am 31. Januar 1933 erschien der damals sehr bekannt gewordene Leitartikel „Der Zweifel“. Darin wurde festgestellt, Hitler sei „bisher der Nation den Beweis seiner menschlichen Qualitäten schuldig geblieben“[27].

In der Redaktion wurde anfangs viel über Emigration in die Schweiz gesprochen. Den Redakteuren der FZ war jedoch klar, dass die Sprache der Emigration eine taube Sprache ist und sich das deutsche Geschehen, wenn überhaupt, nur im Land selbst begreifen ließ.[28] Obwohl unter ständiger Beobachtung der Nationalsozialisten, wollten die Redakteure der FZ sich die Freiheit der sachlichen Kritik an dem neuen Regime vorbehalten. Mit einer zumindest teilweisen Unabhängigkeit versuchten sie, ihre politischen Grundüberzeugungen darzulegen und möglichst viele unzensierte Informationen weiterzugeben.[29] Unter dem Kredo „Gehe nicht zu deinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst“, wollte man sich den letzten Rest der Eigenständigkeit bewahren.[30]

[...]


[1] Brück, Max von (1956): Die Bastion der Sprache. In: Sonderheft der Gegenwart: Ein Jahrhundert
Frankfurter Zeitung, S. 27-29.

[2] Vgl. Gillessen, Günther (1986): Auf verlorenem Posten. Die Frankfurter Zeitung im Dritten Reich.
Berlin: Siedler.

[3] Vgl. Diel, Helmut (1960): Grenzen der Presselenkung und Pressefreiheit im Dritten Reich untersucht
am Beispiel der ‚Frankfurter Zeitung‘. Freiburg: Univ., Diss.

[4] Vgl. Sänger, Fritz (1975): Politik der Täuschungen. Mißbrauch der Presse im Dritten Reich. Wei-
sungen, Informationen, Notizen. 1933-1939. Wien: Europa.

[5] Vgl. Abel, Karl-Dietrich (1968): Die Presselenkung im NS-Staat. Eine Studie zur Geschichte der
Publizistik in der nationalsozialistischen Zeit. Mit einem Vorwort von Hans Herzfeld. Berlin: Col-
loquium.

[6] o.V. (1947): Presse in Fesseln. Eine Schilderung des NS-Pressetrusts. Gemeinschaftsarbeit des
Verlages auf Grund authentischen Materials. Berlin: Archiv und Kartei.

[7] Vgl. Abel, Karl-Dietrich, a.a.O., 1968, S. 62.

[8] Vgl. Diel, Helmut, a.a.O., 1960, S. 35.

[9] Vgl. Abel, Karl-Dietrich, a.a.O., 1968, S.62.

[10] Vgl. Frei, Norbert/ Schmitz, Johannes (1989): Journalismus im Dritten Reich. München: C.H. Beck.

[11] Vgl. Hagemann, Walter (1948): Publizistik im Dritten Reich. Ein Beitrag zur Methodik der Massen-
führung. Hamburg: Hansischer Gildenverlag.

[12] Vgl. o.V., a.a.O., 1947, S. 224 ff.

[13] Vgl. Sänger, Fritz (1978): Verborgene Fäden. Erinnerungen und Bemerkungen eines Journalisten.

Bonn: Neue Gesellschaft.

[14] Vgl. Frei, Norbert (1990): Stellungnahme zu Fritz Sängers Tätigkeit als Berliner Korrespondent des

„Neuen Wiener Tagblatts“ 1943-1945. In: Hesslein, Bernd C. (Hrsg.): Fritz Sänger. Ein Mutiger - kein Held. Darstellung einer Kontroverse. o. O.: SPD-Parteivorstand, S. 18-32.

[15] Vgl. Hagemann, Walter, a.a.O., 1948, S. 37.

[16] Vgl. Gillessen, Günther, a.a.O., 1986, S. 166.

[17] Vgl. Zentner, Kurt (o.J.): Illustrierte Geschichte des Dritten Reiches. Band I. Köln: Lingen.

[18] Vgl. Frei, Norbert, Johannes Schmitz, a.a.O., 1989, S. 51.

[19] Reifenberg, Benno (1956): Die zehn Jahre/ 1933-1943. In: Sonderheft der Gegenwart: Ein Jahr-
hundert Frankfurter Zeitung, S. 40-54.

[20] Vgl. Frei, Norbert, Johannes Schmitz, a.a.O., 1989, S. 52.

[21] Vgl. Diel, Helmut, a.a.O., 1960, S. 67.

[22] Vgl. Hale, Oron J. (1965): Presse in der Zwangsjacke. 1933-1945. Düsseldorf: Droste.

[23] Gilessen, Günther, a.a.O., 1986, S. 76.

[24] Ebd., S. 77.

[25] Vgl. ebd., S. 78.

[26] Reifenberg, Benno, a.a.O., 1956, S. 45.

[27] Sänger, Fritz, a.a.O., 1975, S. 12.

[28] Vgl. Reifenberg, Benno, a.a.O., 1956, S. 41.

[29] Vgl. Sänger, Fritz, a.a.O., 1978, S. 48.

[30] Vgl. Sänger, Fritz, a.a.O., 1975, S. 13.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Frankfurter Zeitung im Dritten Reich
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Publizistik)
Veranstaltung
Einführung in die Publizistikwissenschaft
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V78645
ISBN (eBook)
9783638850001
ISBN (Buch)
9783638849326
Dateigröße
439 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Frankfurter, Zeitung, Dritten, Reich, Einführung, Publizistikwissenschaft
Arbeit zitieren
Christine Cornelius (Autor:in), 2005, Die Rolle der Frankfurter Zeitung im Dritten Reich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78645

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