Die Europäisierung der inneren Sicherheit in der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit


Hausarbeit, 2007

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Innere Sicherheit als Kernbestandteil nationaler Souveränität
1.1 Entwicklung der europäischen Justiz- und Innenpolitik
1.2 Einfluss von Internationalisierungsentwicklungen auf die Innere Sicherheit

2. Erklärungsansätze für die Europäisierung der Inneren Sicherheit
2.1 Autonomiegewinne durch Europäisierung (Wagner)
2.1.1 Die neue Staatsräson
2.1.2 Prinzip der gegenseitigen Anerkennung
2.2 Mythos von der Kontrolle der Migration (Bigo)

3. Der Vertrag von Prüm als Beispiel intergouvernementaler Zusammenarbeit

4. Fazit

5. Literatur

1. Innere Sicherheit als Kernbestandteil nationaler Souveränität

Die Innere Sicherheit aus Sicht des Bundesinnenministeriums umfasst ein breites Themenspektrum: Sie reicht von der „Kriminalitäts-, Terrorismus- und Extremismusbekämpfung über Verfassungsschutz, Geheim- und Sabotageschutz sowie Bevölkerungsschutz im Krisenfall bis zu Bundespolizei, Waffenrecht oder Sicherheit in der Informationstechnik.“[1]

Aus der wissenschaftlichen Sichtweise definiert sich Innere Sicherheit als

„[...]ein System von staatlichen Institutionen und Einrichtungen, die durch Verfassung und Organe der demokratischen Willensbildung legitimiert sind, das öffentliche Gewaltmonopol im Rahmen rechtlich festgelegter Regeln exekutiv unter Anwendung auch von Zwangsmitteln auszuüben.“[2]

Stellt man diese Definition in Verbindung zu Jellineks Drei–Elemente–Lehre, so wird deutlich, dass sie sehr stark durch die Charakteristika staatlicher Souveränität: Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt geprägt ist.[3] Auch Kostakopoulou weist darauf hin, dass die Innere Sicherheit zur ‚high politics’ gehört und Kernbestandteil nationaler Souveränität ist.[4] Vor diesem Hintergrund erscheint es auf den ersten Blick umso erstaunlicher, dass dieses Politikfeld[5] sich zu einem der „dynamischsten der europäischen Integration entwickelt hat“[6]. Dies lässt sich durch die Rechtsakte und Ratssitzungen in diesem Gebiet belegen, wie sie Monar für die Zeit zwischen dem 31.05 und 01.12.2003 ausgewertet hat.[7] Zudem zeugen von dieser dynamischen Entwicklung die durch den Vertrag von Amsterdam und mit dem Verfassungsvertrag sich vollendende Entkopplung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vom Binnenmarktkonzept, wodurch dieses eine neue Stufe europäischer Integration charakterisiert.[8] Wagner führt hierzu weiter das Programm von Tampere und sein Nachfolger das Haager Programm an, die u.a. den Weg für die weiteren Bemühungen zur Einrichtung einer gemeinsamen europäischen Asyl- und Einwanderungspolitik ebneten.[9]

Nun ist die Europäisierung der Inneren Sicherheit kein Ergebnis eines stringenten und geplanten Prozesses, sondern hat sich eher durch eine stufenweise Anpassung an grenzüberschreitende Herausforderungen und durch ad hoc Kompromisse entwickelt.[10] Um Erklärungsansätze für die Europäisierung der Inneren Sicherheit darlegen zu können, bedarf es zunächst einer Einordnung in den Bereich der europäischen Justiz- und Innenpolitik sowie eines kurzen Abrisses der Entwicklung dieses Politikfeldes auf europäischer Ebene.

1.1 Entwicklung der europäischen Justiz- und Innenpolitik

Als „late comer“[11] derjenigen Politikbereiche, die in den Fokus der europäischen Zusammenarbeit rücken, lässt sich der Beginn der Kooperation auf die 60er Jahre zurückführen, wobei erst mit der Einrichtung der TREVI-Gruppe[12] 1975 aufgrund der Terrorismuswelle von einer Institutionalisierung gesprochen werden kann. Bis 1985 lässt sich die Justiz- und Innenpolitik mit Kostakopoulou als „ad hoc intergovernmental cooperation“[13] beschreiben. Das Schengener Abkommen von 1985 schaffte zur Vervollständigung der Personenfreizügigkeit schrittweise die Grenzkontrollen an den Binnengrenzen ab. Erst die unerwartete Wiedervereinigung Deutschlands mit befürchteten Masseneinwanderungen aus Osteuropa führte jedoch zum Inkrafttreten des Schengener Durchführungsabkommen 1995. Die Schaffung des Schengen-Raumes begründete Herausforderungen bezüglich des nun nicht mehr unter der vollen Kontrolle der Mitgliedsstaaten stehenden freien Personenverkehrs, was zunächst zu einer intergouvernementalen Kooperation über das gemeinsame Management der EU-Außengrenze, der Visa- , Asyl- und Migrationspolitik führte. Durch die Einführung der sogenannten dritten Säule mit dem Vertrag von Maastricht wurde die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (ZBJI) erstmals in das Vertragswerk integriert, obgleich sie intergouvernemental blieb. Die Passarelle-Klausel im Maastrichter Vertrag, die die Möglichkeit eröffnete, nach einstimmigen Ratsbeschluss alle Bereiche der ZBJI außer Zoll, Polizei und der strafjustiziellen Zusammenarbeit von der dritten in die erste Säule zu überführen, ebnete den Weg für die Vergemeinschaftung der Visa, Asyl und Migrationspolitik durch den Amsterdamer Vertrag. Die dritte Säule umfasst weiterhin die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit.[14]

Als ein beide Säulen übergreifendes Politikkonzept wurde der „Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts“ eingeführt, welches Kainer als einen von der Union perspektivisch gewährleisteten, allgemeinen Binnenraum beschreibt, „in dem nationale Rechtsunterschiede im Kernbereich der Staatlichkeit eine immer geringere Rolle spielen und die Verantwortlichkeit der Union korrespondierend wichtiger wird.“[15] Aufgrund der sachgegenständlich recht unterschiedlichen Politikbereiche, die unter ihrem Dach zusammengefasst sind, lasse sich ein gemeinsames Politikkonzept allerdings nur schwer erkennen.

Die Innere Sicherheit auf europäischer Ebene ist zum eine durch eine Dominanz intergouvernementaler, legislativer Tätigkeit, zum anderen durch eine operative Dimension in Form von spezialisierten Agenturen geprägt, von denen Europol (Europäisches Polizeiamt) und Eurojust (Koordinationsgremium der Staatsanwaltschaften) die bekanntesten sind.[16] Einer der wichtigsten Gründe für die vorherrschende intergouvernementale, „souveränitätsschonende“ Zusammenarbeit liegt in der besonderen Bedeutung, die Polizei und Staatlichkeit für die staatliche Souveränität haben.[17]

In dieser Arbeit werde ich mich nur auf die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in der dritten Säule konzentrieren. Ich erachte dieses Politikfeld für ein besonders flexibles, da es zwar in Kooperation mit dem Gemeinschafsrecht agiert, aber doch außerhalb seines Rechtsrahmens, wodurch auf externe Ereignisse oft flexibler reagiert werden kann als innerhalb des EG-Rechts.[18] Zudem erlaubt der Rechtsrahmen der dritten Säule ein Einbringen nationalstaatlicher Interessen ohne Berücksichtigung von Kontrollinstanzen, was z.T. zu stark sicherheitsfokussierten Institutionen wie Europol oder Eurojust führte. Meiner Ansicht nach bietet die Struktur der dritten Säule besondere Erklärungen zur Europäisierung der inneren Sicherheit.

[...]


[1] Bundesministerium des Innern auf seine Homepage. Abrufbar unter http://www.bmi.bund.de/

[2] Lange, Hans-Jürgen (1999): Innere Sicherheit im Politischen System der Bundesrepublik Deutschland, S. 16.

[3] Nach Georg Jellineks Allgemeiner Staatslehre zeichnet sich ein Staat durch ein Staatsgebiet, ein Staatsvolk und durch Staatsgewalt aus.

[4] Vgl. Kostakapoulou, Theodora (2006): Security Interests. Police and Judical Cooperation, S. 232.

[5] Die Definition der Inneren Sicherheit als ein Politikfeld weist nach Lange darauf hin, dass an der zu Grunde liegenden Sicherheitsproduktion neben den exekutiven Institutionen und Einrichtungen auch weitere Akteure wie Innenministerien, parlamentarische Institutionen, Verbände u.ä. beteiligt sind. Vgl. Lange 1999, S. 16ff

[6] Wagner, Wolfgang (2006): Europäisches Regieren im Politikfeld Innere Sicherheit, S. 2.

[7] Vgl. Monar, Jürgen (2004): Justice and Home Affairs, S. 128.

[8] Vgl. Kainer, Friedemann (2005): Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nach dem Verfassungsvertrag.

[9] Wagner, Wolfgang (2003): Analysing the European Politics of Internal Security, S. 1034.

[10] Vgl. Kostakopoulou 2006, S. 231.

[11] Wagner 2003, S. 1033.

[12] Es ist umstritten, wo dieser Name herkommt. Die einen behaupten, TREVI beziehe sich auf terrorisme, radicalisme, extrémisme et violence internationale“, die andere hingegen, er nehme Bezug auf die Fontana di Trevi in Rom, wo das Treffen abgehalten wurde. Vgl. Maurer/TuRNbull/Bigo (2001): Justice and Home Affairs and Democracy in the EU, S. 319, Fußnote 5.

[13] Kostakopoulou, S. 232.

[14] Vgl. Knelangen, Wilhelm: (2001): Das Politikfeld Innere Sicherheit im Integrationsprozess.

[15] Kainer 2005, S. 287f.

[16] Vgl. Monar 2004, S. 126f.

[17] Vgl. Wagner 2003, S. 5f.

[18] Vgl. Occhipinti, John (2003): The Politicy of EU Police Co-operation. Toward European FBI? London. Vgl. hierzu insbesondere den Vertrag von Prüm.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Europäisierung der inneren Sicherheit in der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Postgraduierten-Studiengang Europawissenschaften)
Veranstaltung
Die EU als politische Gemeinschaft
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V78601
ISBN (eBook)
9783638838375
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Europäisierung, Sicherheit, Zusammenarbeit, Gemeinschaft
Arbeit zitieren
Katrin Jullien (Autor:in), 2007, Die Europäisierung der inneren Sicherheit in der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78601

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