Soziale Basis und Strategie der NPD in Ostdeutschland


Magisterarbeit, 2007

194 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung
1.1 Vorgehensweise
1.2 Forschungsstand und Quellenlage

2 Rechtsextremismus - ein Begriff für alle Fälle?

3 Theoretische Vorüberlegungen zu Entstehung und gesellschaftlichen Ursachen des Rechtsextremismus
3.1 Ulrich Becks Individualisierungsthese als Ausgangsbasis für die Erklärung rechter Orientierungen
3.2 Rechtsextreme Einstellungen als Resultat von Dominanzkultur oder Desintegration? Ein Vergleich beider Theorien
3.2.1 Zentrale Aspekte beider Ansätze
3.2.2 Unterschiedliche Ebenen zur Erklärung von Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit
3.2.3 Dominanzkultur und Desintegration. Definitionen
3.2.4 Wohlstandschauvinismus? Die Entstehung menschenfeindlicher Orientierungen
3.2.5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Ansätze
3.3 Resümee und zu untersuchende Hypothesen

4 Die Verbreitung rechter Einstellungen in Ostdeutschland. Ansätze, Ursachen, Ergebnisse
4.1 Rechtsextremismus als Folge des DDR-Autoritarismus’? Ein Streitfall
4.2 Die Spezifik des Rechtsextremismus in Ostdeutschland
4.2.1 Nachholende Marginalisierung. Das Überforderungsargument
4.2.2 „...nicht haltbares Kausalmodell“. Der Einfluss der Region
4.2.3 Bewertung des politischen Systems, Selbstverortung und nostalgischer Rückblick
4.2.4 Roter Osten? Institutionenvertrauen und Wahlverhalten
4.2.5 Zusammenfassung zur Spezifik des Rechtsextremismus

5 Die soziale Basis der NPD in Ostdeutschland
5.1 „Heilloser Männerüberschuss“. Soziostrukturelle Merkmale und Intentionen der NPD-Wähler
5.2 Stereotype. Die NPD-Basis im Wandel
5.2.1 Mitgliederstrukturen
5.2.2 Braune Importe. Innerparteiliches Konfliktpotential
5.2.3 Enger Gürtel. Finanzielle Aspekte der NPD-Struktur
5.3 Protest und Gesinnung. Zusammenfassung

6 Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands. Geschichte und Programmatik
6.1 Grundriss der NPD-Geschichte
6.2 Neues und Altes unter Voigt. Programmatik und Ideologie

7 Sozialismus, Bildung, Kampf. Die Strategie der NPD in Ostdeutschland
7.1 Das Drei-Säulen-Konzept. Gängige Praxis schwarz auf weiß
7.2 Dünne Personaldecke. Intellektualisierungsbemühungen
7.3 Leute von rechts. Der Antikapitalismus der NPD
7.3.1 Exkurs. Die Neue Rechte als Vorreiterin der derzeitigen NPD-Strategie
7.3.2 Die Übernahme neurechter Konzepte durch die NPD
7.3.2.1 Visionärer Stillstand und Initialzündungen Ende der sechziger Jahre
7.3.2.2 Ideologiekern der heutigen NPD. Biologismus, Ethnopluralismus und Sozialismus
7.3.2.3 Die JN als Vorreiterin der strategischen Umorientierung
7.4 „Nationaler Sozialismus“ oder die Quadratur des Kreises
7.4.1 Solidarprinzip, Volkssozialismus, Volkswirtschaft. Doppeldeutige Begrifflichkeiten
7.4.2 Die rechte Konjunktur eines erzlinken Themas

8 Basisarbeit und Bürgernähe. Die gesellschaftliche Verankerung der NPD in der Provinz
8.1 Die Kommunalpolitische Vereinigung der NPD
8.2 Die Bedeutung weicher Bürgeranliegen
8.3 Der Mythos Uwe Leichsenring. Die Personifizierung der NPD in der Sächsischen Schweiz
8.3.1 „Ordnung, Disziplin und Sauberkeit“. Gesellschaftliche Verankerung und allgemeine Anerkennung
8.3.2 Partys im Frontgebiet. Erfolgreiche Jugendarbeit der NPD in der Provinz
8.3.3 Zwischen Labske Skaly und Langburkersdorf. Die Verteidigung provinzieller Interessen
8.3.4 Klartext. Direkter Wählerkontakt durch regelmäßige Veröffentlichungen
8.3.5 Eine Zäsur für die Partei. Uwe Leichsenrings Tod
8.3.6 Schlussfolgerungen über die Strategie der NPD anhand des Fallbeispiels
8.3.6.1 Die NPD als regional relevante gesellschaftliche Kraft
8.3.6.2 Eine Partei für die ostdeutsche Volksseele. Wohlstandschauvinismus und Kampf gegen Ausgrenzung als Elemente der NPD-Strategie
8.4 Infiltration oder Verteidigung angestammter Reviere?
8.4.1 Unterwanderung von Parteien
8.4.2 „Wir sind junge Deutsche...“. Fallbeispiel WSG Zella-Mehlis
8.4.3 Faschisierung. Wenn Rechtsextreme in der Mehrheit sind

9 Die Speerspitze der Volksfront. Die NPD als Sammelbecken von Rechtsextremen
9.1 Der „Deutschlandpakt“. Starres Bündnis unter veränderten Bedingungen
9.2 „Es wäre auch ohne sie gegangen“. Das ambivalente Verhältnis zu den „freien Kräften“
9.2.1 Organisation ohne Organisation. Das Konzept militanter Kameradschaften
9.2.2 „Hier marschiert der nationale Widerstand!“. Das Zweckbündnis
9.2.3 Schöner Wohnen ohne 385 Togolesen. Wachsender Einfluss des revolutionären Flügels

10 Musik und Mode als „Link zur Jugend“
10.1 NPD goes Pop. Die sanfte Arisierung der Subkulturen
10.2 „Terroristen mit E-Gitarre“. Rechtsrock
10.2.1 Entstehung und Strukturen
10.2.2 „...ausgesprochen kreativ“. Die strategische Bedeutung des Rechtsrock
10.2.3 Ohrwurmcharakter. Die Allianz NPD-Landser
10.2.4 Rechtsrock-Konzerte als Teil von Parteiveranstaltungen
10.2.5 Anpassung ist Feigheit. Die Schulhof-Cds
10.3 Die Reise zum Berge Mitternacht. Mode als Teil des rechten Lifestyles

11 Fazit

12 Abkürzungsverzeichnis

13 Abbildungsverzeichnis

14 Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Der Einzug rechtsextremer Parteien in verschiedene Landesparlamente löste in der Bundesrepublik stets lebhafte Diskussionen in Medien und Gesellschaft aus. Nachdem die NPD Ende der sechziger Jahre eine kurze Blütephase erlebte, verschwand sie beinahe dreißig Jahre von der öffentlichen Bühne. Unter ihrem gegenwärtigen Vorsitzenden Udo Voigt gelang ihr in den letzten zehn Jahren der Aufstieg zur derzeit erfolgreichsten rechtsextremen Partei der Bundesrepublik. In der medialen Berichterstattung ist die Phrase, die NPD sei in der „Mitte der Gesellschaft“ angekommen, mittlerweile zum Allgemeinplatz geworden. Im Gegensatz dazu wird jedoch in regelmäßigen Abständen über rechtsextreme Gewaltexzesse berichtet und durch eine eindeutige Bildersprache suggeriert, bei den NPD-Anhängern handle es sich um brutale, Bomberjacke tragende Skinheads. Dieser Widerspruch aus vermeintlicher Seriosität, angestrebter gesellschaftlicher Verankerung und medialer Wahrnehmung ist charakteristisch für den aktuellen Zustand der Partei.

Der NPD scheinen zur Zeit fast alle Mittel und Bündnisse recht zu sein, solange sie diese für weitere Wahlerfolge instrumentalisieren kann. Es ist allerdings fraglich, ob der Partei dieses ungehemmte Mobilisieren, Absorbieren und Integrieren ausschließlich Vorteile verschafft oder ob die mit diesem Vorgehen einhergehende soziale und ideologische Heterogenisierung mittelfristig ein erhebliches innerparteiliches Konfliktpotential birgt. In der vorliegenden Arbeit sollen Strategie und Struktur der sozialen Basis der Partei in Ostdeutschland beleuchtet werden. Dort befinden sich mit Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und, mit Einschränkungen, Thüringen die wichtigsten Hochburgen der NPD in der Bundesrepublik. Angesichts des NPD- Bundestagswahlergebnisses 2005 von 1,6 Prozent, dass in genannten Bundesländern weit übertroffen werden konnte und eine Vervierfachung gegenüber dem Ergebnis von 2002 darstellte, erhielt das Thema NPD neue Brisanz.

Zudem ist die Partei fast permanent medial präsent - sei es durch Finanzskandale, Verbindungen zum militanten Neonazispektrum oder öffentlicher Zurschaustellung der von ihr vertretenen menschenverachtenden Ideologie. Der „Schatten Hitlers“1, das aus der deutschen Geschichte resultierende politische Stigma rechtsextremer Parteien, verblasst derweil. Zwar wird von offizieller Seite unablässig die Weltoffenheit der Bundesrepublik betont; die Stimmung unter der Bevölkerung, gewalttätige Übergriffe und politisch fragwürdige Entscheidungen wie die

Einführung von Einbürgerungstests, die Verschärfung des Asylgesetzes oder Kürzungen bei der Finanzierung von Programmen gegen Rechtsextremismus lassen dennoch Zweifel an den ehrbaren Worten der Sonntagsredner aufkommen. Das Problem Rechtsextremismus ist trotz gegenteiliger Verlautbarung gesellschaftlich und politisch äußerst relevant. In welcher Form, soll in dieser Arbeit dargelegt werden.

1.1 Vorgehensweise

Die vorliegende Arbeit unterscheidet sich von anderen wissenschaftlichen Untersuchungen durch die Analyse der NPD unter Einbeziehung mikrosoziologischer und gesellschaftstheoretischer Ansätze. Während Wilhelm Heitmeyer die Auslöser „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ in verschiedenen Formen von Ausgrenzung verortet, schreibt Birgit Rommelspacher gesellschaftlichen Machtstrukturen, utilitaristischen Denkmustern und der Angst vor Statusverlusten in den mittleren und höheren sozialen Schichten die Hauptursachen rechtsextremer Einstellungen zu. Im ersten Teil der Arbeit werden beide Theorien vorgestellt. Daran anschließend werden ihre zentralen Ansätze, Begrifflichkeiten, Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Kontexte dargelegt, um daraus Hypothesen für die Untersuchung der Strategie und sozialen Basis NPD herauszuarbeiten. Nach einem Überblick über Theorien und empirische Ergebnisse zum Phänomen Rechtsextremismus in Ostdeutschland sollen regionenspezifische Faktoren analysiert werden, die eine Expansion der NPD begünstigen könnten.

Im darauffolgenden Kapitel werden empirische Ergebnisse zur sozialen Basis der Partei ausgewertet und eingeordnet. Daran schließt der „praktische“ Teil der Arbeit an, in dem die derzeitige Strategie der NPD in Ostdeutschland unter Beachtung vorangegangener Ergebnisse untersucht wird. Nach einem Überblick über Ideologie, Geschichte und Programmatik folgt eine ausführliche Analyse der gegenwärtigen Bündnispolitik, der Intellektualisierungsbemühungen und insbesondere der neuerdings antikapitalistisch-revolutionären Ausrichtung der Partei. Über das Aufzeigen der historischen Tradition des Konzeptes „Nationaler Sozialismus“ und die Darstellung des Prozesses der anfangs zögerlichen Übernahme durch die NPD-Führung in den siebziger Jahren soll letztendlich der Stellenwert des Antikapitalismus bzw. -imperialismus für die Partei untersucht werden. Im darauffolgenden Abschnitt wird der ebenso bedeutende Strategiebestandteil „Basisarbeit und Bürgernähe“ untersucht. Von Toralf Stauds These der „Faschisierung der Provinz“2 inspiriert, wird u.a. anhand von Fallbeispielen analysiert, ob und wie es die NPD schafft, sich in verschiedenen Regionen Ostdeutschlands gesellschaftlich zu verankern. In diesem Zusammenhang wird zu fragen sein, inwieweit diese Strategie bundesweit anwendbar und von welchen regionalen Faktoren ihr Erfolg abhängig ist. Anschließend wird die Bedeutung der Volksfront-Strategie für die Partei ausführlich dargelegt. Neben diesem Aspekt wird zu untersuchen sein, wie die potentiellen Bündnispartner aus dem Spektrum der sogenannten „freie Kräfte“ politisch und organisatorisch einzuordnen sind und welchen Einfluss sie in der NPD ausüben.

Zudem wird das ambivalente Verhältnis der NPD zur DVU beleuchtet und der zwischen beiden Akteuren geschlossene „Deutschlandpakt“ auf seine politischen Folgen hin überprüft. Im letzten Teil der Arbeit soll auf den besonderen Stellenwert der Bereiche Musik und Mode für die hohe Akzeptanz der NPD unter Jugendlichen eingegangen werden. Die Konjunktur des Rechtsrock, die Beförderung der Subkulturalisierung und die Akzeptanz verschiedenster Bekleidungs- und Lebensstile durch die Partei trugen in den letzten Jahren höchstwahrscheinlich einen beträchtlichen Teil zur Verjüngung der NPD bei.

1.2 Forschungsstand und Quellenlage

Zu den Themen NPD und Rechtsextremismus existiert eine unüberschaubare Fülle an wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Die Rechtsextremismusforschung hatte ihren Ausgangspunkt in den Untersuchungen Erich Fromms3, Hannah Arendts4 und Theodor W. Adornos5. Adorno als Vertreter der Frankfurter Schule untersuchte in seiner Studie „The Authoritarian Personality” angesichts der im Dritten Reich unter stillschweigender Zustimmung bzw. Duldung der Bevölkerung verübten Verbrechen vorrangig den Zusammenhang zwischen der (psychologischen) Verfassung einer Gesellschaft und der Entstehung des nationalsozialistischen Regimes. Hannah Arendt etablierte mit ihrem Werk „The Origins of Totalitarianism“ den umstrittenen Begriff Totalitarismus6 in der Wissenschaft, der sowohl zur Kennzeichnung des Dritten Reiches als auch stalinistischer Systeme dienen sollte. In der Bundesrepublik hatte das Thema Rechtsextremismus erstmals im Jahr 1952 mit dem Verbot der Sozialistischen Reichspartei (SRP) durch das Bundesverfassungsgericht Konjunktur. Allerdings kam es in Westdeutschland und somit auch von wissenschaftlicher und publizistischer Seite erst Mitte/Ende der sechziger Jahre zu einer ernsthaften Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus. In diese Phase internationaler7 Studentenproteste fiel zugleich der erste Aufschwung der NPD, der durch hohe Wahlergebnisse und Mitgliederzahlen und die Erringung zahlreicher Landtagsmandate gekennzeichnet war. Lutz Niethammer beschrieb damals als einer der ersten die politische Praxis der rechtsextremen Partei.8 Nachdem das Thema Rechtsextremismus aufgrund des Niedergangs der NPD und mangels relevanter Akteure bis Ende der achtziger Jahre erneut ein wissenschaftliches Schattendasein fristete, entstanden zu dieser Zeit einerseits psychologische Untersuchungen zu rechtsextremen Orientierungen unter Jugendlichen bzw. Modernisierungsverlierern.9 Andererseits war die Wissenschaft durch partielle Wahlerfolge der rechtspopulistischen „Republikaner“ (REP) und das verstärkte Auftreten neonazistischer Gruppierungen wie der FAP zu Analysen dieser Phänomene angehalten.10

Im Zuge der politischen Wende in der DDR 1989/90 kam es zu einem massiven Aufschwung des Rechtsextremismus in Gestalt gewalttätiger fremdenfeindlicher Übergriffe bzw. Pogrome und eines starken Anwachsens des unorganisierten bzw. subkulturell geprägten Neonazismus.11 Im In- und Ausland wuchs zudem die Angst vor einem wiedererwachten Nationalismus unter den Deutschen. Von diesem Zeitpunkt an kam es bis in die Gegenwart zu einer regelrechten Flut von wissenschaftlichen Publikationen zu psychologischen, politischen, soziologischen und ideengeschichtlichen Dimensionen des Rechtsextremismus. Daraus resultieren zahlreiche heterogene Ansätze, Begrifflichkeiten und empirische Ergebnisse. Aus dieser Phase stammt Birgit Rommelspachers Buch „Dominanzkultur. Texte zu Fremdheit und Macht“12, welches neben dem von Wilhelm Heitmeyer herausgegeben Sammelband „Deutsche Zustände“13 die theoretische Grundlage der vorliegenden Arbeit bildet.

Durch die Renaissance der NPD unter Udo Voigt Ende der neunziger Jahre und das Verbotsverfahren gegen die Partei in den Jahren 2001-2003 wurde dieser Trend durch zusätzliche Veröffentlichungen von wissenschaftlicher, medialer und publizistischer Seite nochmals verstärkt, obgleich die Quantität nicht zwangsläufig mit Qualität einherging. Oftmals sind, wie bereits angedeutet wurde, vor allem in Mediendarstellungen Widersprüchlichkeit und Polemik im Umgang mit der NPD zu beobachten. Nichtsdestotrotz stellten lokale und überregionale Medienberichterstattung, Zeitungs- bzw. Zeitschriftenartikel sowie Informationen aus dem „neuen“ Medium Internet wichtige Recherchequellen dar. Dessen ungeachtet kam der Auswertung von Fachliteratur traditionell die größte Bedeutung für die Erstellung der Arbeit zu. Hervorzuheben sind an dieser Stelle die beiden Autoren Toralf Staud und Henrik Steglich. Bei Stauds „Moderne Nazis“14 handelt es sich um ein gut recherchiertes und reflektiertes Buch, dass zudem leserfreundlich strukturiert und verständlich geschrieben ist. Der Autor schlägt dabei einen Bogen von der Geschichte der NPD, über deren Modernisierung unter Voigt bis zu ihrer gegenwärtigen Gestalt und Strategie.

Zudem wurden aus dem Buch zentrale Termini wie „Graswurzelrevolution“ oder „Faschisierung“ für die vorliegende Arbeit übernommen. Henrik Steglichs Studie „Die NPD in Sachsen“15 ist wissenschaftlich fundiert, gut strukturiert und von äußerst großer Bandbreite. Steglich kann in seiner Studie zudem mit zahlreichen nützlichen Literaturangaben und Daten bezüglich des Untersuchungsgegenstandes aufwarten. Die Affinität des Autors zum Extremismus- bzw. Totalitarismusansatz16 können mit Einschränkungen damit erklärt werden, dass er dem wissenschaftlichen Umfeld Eckhard Jesses17 bzw. des Dresdner Hannah-Arendt-Institutes für Totalitarismusforschung entstammt. Neben den genannten Monographien stellen insbesondere die im Literaturverzeichnis aufgeführten Werke von Uwe Hoffmann, Jürgen W. Falter, Richard Stöss, Wolfgang Gessenharter, Christoph Butterwegge, Andreas Speit, Christian Dornbusch und Andrea Röpke anspruchsvolle, anregende wissenschaftliche Quellen dar, die sich mit jeweils unterschiedlichen Aspekten der NPD, wie Organisationsform, Ideologie, Geschichte, Wählerstruktur etc., beschäftigen.

Bezüglich der Verwendung und Erlangung empirischer Daten zu rechtsextremen Einstellungen unter Ostdeutschen seien die Studien „Vom Rand zur Mitte“18, herausgegeben von der Friedrich- Ebert-Stiftung (FES), und der von Jenaer Wissenschaftlern ausgearbeitete und jährlich erscheinende „Thüringen-Monitor“19 hervorgehoben. Während erstgenannte mit 5.000 in Face-to- face Interviews zu rechtsextremen Orientierungen Befragten aufwarten können, besteht der Wert des Thüringen-Monitors vor allem in der langjährigen Erfahrung seiner Verfasser in Bezug auf die Themen „Demokratieverständnis“ und „Politische Kultur in Ostdeutschland“. Wahlergebnisse und damit zusammenhängende Strukturdaten wurden ausschließlich den Angaben der Statistischen Landes- bzw. Bundesämter oder anerkannter Wahlforschungsinstitute wie Infratestdimap oder der Forschungsgruppe Wahlen entnommen. Durch den Besuch des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums Berlin e.V. (APABIZ) konnten zahlreiche, sonst unter Umständen nicht verfügbare NPD-Originaldokumente wie verschiedene Anträge oder die Parteizeitung „Deutsche Stimme“ eingesehen werden. Zudem waren die Hinweise der Mitarbeiter eine große Hilfe bei der Erstellung der Arbeit.

Berichte und Dossiers des Bundesamtes und der Landesämter für Verfassungsschutz erwiesen sich in manchen Abschnitten als nicht umgehbare Informationsquellen. Durch die direkte Verquickung der Ämter mit den Geschicken der NPD mussten diese Berichte mit besonderer Sorgfalt und dem nötigen Abstand behandelt werden. Die Unterwanderung der NPD-Spitze durch V-Leute des Verfassungsschutzes hatte im Jahr 2003 das Verbot der Partei durch das Bundesverfassungsgericht verhindert. Die Verantwortlichen weigerten sich damals, alle Informanten aus der Partei abzuziehen. Des weiteren muss davon ausgegangen werden, dass der Verfassungsschutz Erkenntnisse über gewisse Straf- bzw. Gewalttaten nicht oder nur verfälscht öffentlich macht, um eigene Quellen zu schützen. Hinzu kommen kleinere und größere Skandale der letzten Jahre, die das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Verfassungsschutzberichte zusätzlich mindern. So wurden beispielsweise Erkenntnisse über das Abschiedskonzert des Landser-Sängers Michael „Lunikoff“ Regener vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz nicht rechtzeitig an die zuständigen Polizeidienststellen weitergeleitet, woraufhin dem bekennenden Neonazi und Kopf der kriminellen Vereinigung Landser ca. eintausend Rechtsrockfans unbehelligt zuhören konnten.20

Anhand der Verfassungsschutzberichte wird deutlich, dass Objektivität und Wissenschaftlichkeit in einer Arbeit zum Thema „NPD“ erheblich vom verwendeten Datenmaterial und der benutzen Literatur abhängen. In diesem Zusammenhang ist auf die verwendeten NPD-Quellen zu verweisen. Diese Informationen aus erster Hand waren für die Untersuchung unabdingbar. So dienten das Parteiorgan „Deutsche Stimme“, Flugblätter, Programme, (Wahlkampf-) Zeitungen („Sachsen-Stimme“, „Klartext“ etc.) und einige weitere Publikationen der NPD und ihr nahe- bzw. kritisch gegenüberstehender Organisationen als Recherchefundus. Nicht wenige Parteiveröffentlichungen und zahlreiche Artikel, Mitteilungen und Äußerungen anderer rechtsextremer Gruppierungen werden ausschließlich auf Websites publiziert. Eine Nutzung dieses Materials erwies sich daher trotz der Skepsis von Teilen der Wissenschaft gegenüber der Zuverlässigkeit „neuer“ Medien als unumgänglich. Dabei wurden Inhalte, Zahlen und Verlautbarungen weitestgehend mit seriösen Veröffentlichungen abgeglichen. Im folgenden Kapitel soll auf die in der Arbeit verwendeten zentralen Begrifflichkeiten eingegangen werden.

2 Rechtsextremismus - ein Begriff für alle Fälle?

Das Fehlen eines gemeinsamen Konzepts, willkürliche Begriffswahl und unterschiedliche Herangehensweisen sind für die aktuelle Rechtsextremismusforschung kennzeichnend.21 Nebeneinander oder synonym werden die Begriffe „Rechtsextremismus“, „Neonazismus“, „Rechtsradikalismus“, „Faschismus“, „Menschenfeindlichkeit“ und „Fremdenfeindlichkeit“ gebraucht, wobei keine Umschreibung den Kern des Phänomens in seiner gesamten Bedeutung fassen kann. Insgesamt ist in der Forschung, aber auch in den Medien und der Politik eine Tendenz zur Verwendung des Begriffs „Rechtsextremismus“ zu erkennen, der seit 1974 in den Verfassungsschutzberichten als Ersatz für „Rechtsradikalismus“ verwendet wird.22 Die Ausgangsbasis für diesen Begriffswandel ist der Extremismusansatz, nach dem die freiheitlich- demokratische Grundordnung durch linke und rechte Extremisten bedroht werde. Dagegen gelte es unter der Doktrin einer wehrhaften Demokratie mit dem gesamten staatlichen Repressionsarsenal vorzugehen.23

Gegen diese Praxis regt sich jedoch ebenso demokratisch intendierte Kritik, hier vom Kasseler Juristen Horst Meier: „Die Doktrin der auf Prävention fixierten ‚streitbaren’ Demokratie würgt jeden Streit ab, erstickt jede Kampfesfreude.“24 Gerade im Zusammenhang mit einem neuerlichen Anlauf zu einem NPD-Verbot stehen die Instrumente der „streitbaren Demokratie“ - gemeint sind die Vertrauensleute (V-Leute) des Verfassungsschutzes - ironischerweise dem Verbot im Wege und zwingen so die Demokraten zu einer argumentativen Auseinandersetzung mit dem Gegner.25 In der amerikanischen Soziologie wurde der Begriff „politischer Extremismus“ in den fünfziger und sechziger Jahren durch Seymour M. Lipset aufgegriffen und fortentwickelt. Lipset ging von einem gewissen extremistischen Potential in der gesellschaftlichen Mitte aus.26 In der Bundesrepublik wurde der Extremismus-Ansatz vor allem durch die umstrittenen Politikwissenschaftler Uwe Backes und Eckhard Jesse27 in die Sozialforschung getragen.28 In die Kritik geriet der Extremismus-Ansatz wegen seiner Undifferenziertheit. Unter den Begriff „Extremismus“ können alle möglichen als antidemokratisch wahrgenommenen Strömungen unabhängig von ihren Intentionen und Erscheinungsformen gezählt werden. „Extremismus“ impliziert, entgegen Lipsets Annahmen, eine demokratische Mitte und deren äußere Feinde. Diese Keule können Anhänger des Konzepts „wehrhafte Demokratie“ dann beinahe beliebig umher schwingen. Sie trifft sowohl „echte“ Verfassungsfeinde wie die NPD als auch sich im Rahmen des Grundgesetzes bewegende, gemäßigte Akteure mit lediglich von der etablierten Politik der beiden großen Volksparteien abweichenden Vorstellungen. So ist beispielsweise die Beobachtung von Teilen bzw. einzelnen Mitgliedern der Linkspartei durch das Bundesamt und verschiedene Landesämter für Verfassungsschutz29 umstritten.30

Hans-Gerd Jaschke verweist auf den geringen wissenschaftlichen Gehalt der Unterscheidung zwischen Extremismus und Demokratie. Diese sei zwar „demokratie- und verfassungstheoretisch möglich [...], praktisch jedoch durch zahlreiche Schnittmengen in ideologischer, personeller und politischer Hinsicht hinfällig.“31 Problematisch erweist sich zudem die mit der Aneignung des Begriffs „Rechtsextremismus“ verbundene Antizipierung der „rechts“ und „links“ gleichsetzenden Totalitarismustheorie. Aufgrund mangelnder Alternativen und der Macht des häufig verwendeten Wortes soll in der Arbeit daher zwar von „Rechtsextremismus“ gesprochen werden, das dazugehörige Adjektiv „rechtsextremistisch“ wird aber durch „rechtsextrem“ bzw. „extrem rechts“ ersetzt. Ebenso werden die einschlägigen Protagonisten als „Rechtsextreme“ und nicht als „Rechtsextremisten“ bezeichnet, für die politische Strömung wird „extreme Rechte“ verwendet. Wie gezeigt wurde, sind zentrale Begrifflichkeiten des Untersuchungsgegenstands in der Forschung nicht geklärt. Hinzu kommen verschiedene wissenschaftliche Ansätze, für die Rechtsextremismus einerseits unter bestimmten politikwissenschaftlichen (Wahlverhalten, Ideengeschichte, Parteienlandschaft etc.), andererseits unter soziologischen (Anhängerschaft, gesellschaftliche Voraussetzungen, Desintegration etc.) oder psychologischen Aspekten (Sozialisation, Autoritarismus etc.) von Bedeutung ist. Der Inhalt des Begriffs hängt somit immer vom jeweiligen Ansatz ab. Er kann das Verhalten organisierter Rechtsextremer ebenso einschließen (Verfassungsschutzberichte, Untersuchungen zu NPD und Kameradschaften) wie die Rolle der Ideologie bei der Lösung jugendspezifischer Konfliktlagen (Heitmeyer).

3 Theoretische Vorüberlegungen zu Entstehung und gesellschaftlichen Ursachen des Rechtsextremismus

Seit sieben Jahrzehnten ist die Rechtsextremismusforschung ein prosperierender Zweig der Sozialwissenschaften. Durch die Studien zum Autoritarismus des Frankfurter Instituts für Sozialforschung32 wurde die Grundlage für einen beständigen Forscherstreit über die Ursachen rechtsextremer Einstellungen geschaffen. Neben der Politikwissenschaft ist Rechtsextremismus in den wissenschaftlichen Disziplinen Pädagogik, Soziologie, Psychologie und Philosophie Untersuchungsgegenstand. Daraus, aber auch aus gegenseitiger Ignoranz „fachfremder“ Ergebnisse resultiert eine große Heterogenität der Ansätze.33 Nach einer kurzen Einführung in die Thematik sollen die Theorien Wilhelm Heitmeyers und Birgit Rommelspachers exemplarisch für die Vielzahl von sozialwissenschaftlichen Zugängen dargestellt und deren unterschiedliche Ansätze zur Erklärung rechter Orientierungen herausgearbeitet werden. Auf dieser Grundlage werden im Anschluss daran Hypothesen zur Bewertung von Strategie und sozialer Basis der NPD erarbeitet. Diese sollen dann im Verlauf der Arbeit auf ihren Gehalt geprüft und am Ende ausgewertet werden.

3.1 Ulrich Becks Individualisierungsthese als Ausgangsbasis für die Erklärung rechter Orientierungen

Nach der politischen Wende in der DDR im Jahr 1989 und der darauf folgenden Vereinigung mit der Bundesrepublik stieg die Zahl rechtsextrem motivierter Gewalttaten explosionsartig an.34 Für die Sozialforschung galt es, Hintergründe und Ursachen dieses Phänomens zu analysieren. Dabei stand unter anderem eine Frage zur Disposition: handelt es sich bei verstärkten rechten Übergriffen um eine temporäre Krisenerscheinung, die den gesellschaftlichen Umbrüchen jener Jahre geschuldet war, oder ist rechte Gewalt das Resultat allgemeiner gesellschaftlicher Zustände und ihre Ausübung mit einer gewissen „Normalität“ verbunden?35

Ulrich Becks These von der „Risikogesellschaft“36 prägte zu dieser Zeit den soziologischen Diskurs. Nach Beck geht die gesellschaftliche Produktion von Reichtum in der fortgeschrittenen Moderne systematisch mit der gesellschaftlichen Produktion von Risiken einher.37 Unter „Risiken“ subsumiert Beck u.a. „soziale Gefährdungslagen“38 wie z.B. Arbeitslosigkeit, die im Gegensatz zum Fordismus klassenunabhängig seien und auch die gesellschaftliche Mitte betreffen könnten. Beck konstatiert des weiteren eine durch ökonomische Rationalisierungsprozesse verursachte Tendenz zur „Individualisierung“ und, damit einhergehend, den Zerfall traditioneller Lebensformen und Werte sowie das Ende von sozialen Klassen und Ideologien.39 „Individualisierung“ definiert Beck vor allem als Chance auf ein selbstbestimmtes Leben („Ich bin ich“)40, welches von ideologischen, religiösen und milieuspezifischen Zwängen befreit ist. Unter diesen Voraussetzungen sei das Individuum selbst für sein Glück verantwortlich, könne flexibel, mobil und seinen innersten Bedürfnissen entsprechend agieren. Beck beschreibt dies als fortwährenden Prozess der „Herauslösung“ aus vorgegebenen Sozialformen, darauf folgend „Stabilitätsverlust“ und letzten Endes „Reintegration“ in neue soziale Gefüge.41 Becks Sichtweise auf die Folgen dieses Prozesses ist dabei eine überwiegend optimistische, wenngleich er auf die Risiken von Pluralisierung bei gleichzeitiger Standardisierung von Lebensläufen aufmerksam macht. Durch die Reflexivität der postfordistischen Moderne seien kaum verbindliche normative Fixpunkte vorhanden. Daher und aus Gründen gewöhnlicher Lebensrisiken könne Individualisierung auch zu gesteigerter Verunsicherung und negativen Erfolgsbilanzen führen.

An diesem Punkt setzen verschiedene Theorien zur Erklärung rechtsextremer Einstellungen an. Diese schreiben dem Phänomen Desintegration, welches in direktem Zusammenhang mit Individualisierung steht, eine wichtige Rolle zur Erklärung rechter Orientierungen zu. An dieser Stelle wäre beispielsweise die Desintegrationstheorie Wilhelm Heitmeyers als herausragend zu bezeichnen. Als Gegenentwurf zu den von Teilen der Wissenschaft als unzureichend wahrgenommenen Desintegrationsansätzen entstanden verschiedene sozialwissenschaftliche Konzepte, die gesellschaftlichen Macht- und Konkurrenzverhältnissen einen bedeutenden Einfluss auf die Entstehung von Rechtsextremismus und rechtsextremen Einstellungen beimaßen. Jedoch ist es nicht angebracht, diese als konterkarierende Entwürfe zu den beschriebenen Ausgrenzungstheorien zu verstehen. Vielmehr handelt es sich bei diesen Macht- und Konkurrenzansätzen um Ergänzungen und notwendige Erweiterungen bei der Analyse des Phänomens Herausbildung von Rechtsextremismus. Diesbezüglich kann die Dominanzkultur- These Birgit Rommelspachers als exemplarisch gelten.

3.2 Rechtsextreme Einstellungen als Resultat von Dominanzkultur oder Desintegration? Ein Vergleich beider Theorien

Bevor auf das eigentliche Thema der vorliegenden Arbeit eingegangen werden kann, soll in den folgenden Abschnitten ein systematischer Vergleich des Desintegrations- und Dominanzkultur- Ansatzes vollzogen werden. Beide Ansätze unterscheiden sich bei der Erklärung der Entstehung rechter Orientierungen in zentralen Aspekten und erweisen sich als äußerst komplex. Seit geraumer Zeit nähern sich die Sichtweisen beider Strömungen jedoch einander an. Mit den zentralen Aspekten der Theorien beginnend, soll daran anschließend die abweichende Verwendung der Begriffe Rechtsextremismus, Menschenfeindlichkeit, Dominanzkultur und Desintegration durch Rommelspacher und Heitmeyer dargelegt werden, um dem die Beschreibung der Entstehung rechter Orientierungen durch beide Autoren hinzuzufügen. Am Ende des dritten Kapitels soll schließlich eine Hypothese aufgestellt und anhand dieser beleuchtet werden, wie die Strategie und soziale Basis der NPD in Ostdeutschland gegenwärtig zu bewerten sind.

3.2.1 Zentrale Aspekte beider Ansätze

Der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer macht mit der Modernisierung einhergehende Individualisierungsschübe für soziale, berufliche, gesellschaftliche und politische Desintegrationsprozesse verantwortlich. Diese würden in weiten Teilen der Gesellschaft Vereinzelungserfahrungen, Ohnmachtsgefühle und Handlungsunsicherheiten hervorrufen. Da sich soziokulturelle Milieus wie das konfessionelle oder das proletarische aufgelöst hätten, traditionelle Bindungen, familiäre und Nachbarschaftsbeziehungen zerfielen, fehle den Betroffenen ein fester Halt. Handlungsunsicherheit führe zu Gewissheitssuche, an die rechtsextreme Konzepte mit Vorurteilen und Stabilitätsversprechen anknüpften.42 Ohnmachtsgefühle äußerten sich zum Teil in Gewaltakzeptanz, die von solchen Konzepten im Nachhinein über sozialdarwinistische Aussagen legitimiert würden. Schließlich ergehe sich ein Teil der Desintegrierten in der Suche nach leistungsunabhängigen Zugehörigkeitskriterien, die ihnen rechtsextreme Konzepte vornehmlich durch Betonung der Ethnizität und nationalen Überlegenheitsdünkel böten.

Heitmeyer verortet die Ursachen menschenfeindlichen Denkens somit in Ausgrenzungsprozessen, die von befürchteten oder erfahrenen Verlusten bestimmter sozialer, ökonomischer, politischer oder gesellschaftlicher Ressourcen, vor allem Erwerbsarbeit, ausgelöst würden.43 Birgit Rommelspacher kam bei der Theoriebildung, die sich von individueller Deprivation (Benachteiligung) als bedeutendster Ursache rechtsextremer Einstellungen loslöst, eine Vorreiterrolle zu. Ihr Dominanzkulturansatz verortet die Ursachen für die Entstehung rechter Einstellungen nicht allein in individuellen Lebensumständen, sondern sieht in den bestehenden gesellschaftlichen Machtverhältnissen bereits die Grundlage für dominantes Denken verankert. In ihrem 1995 erschienen Buch „Dominanzkultur“ spricht Rommelspacher daher im Gegensatz zur Desintegrationsthese von Rassismus und Rechtsextremismus als „keinem vorrangigen oder gar ausschließlichen Problem der Zu-kurz-Gekommenen, sondern in seiner systematischen Erscheinungsform vor allem einem Problem der Etablierten bzw. jener, von denen erwartet wird und die von sich selbst erwarten, dass sie einmal ‚dazugehören’ werden.“44 Trotz der Verschiebung des Klassen- und Schichtengefüges und höherer Einkommen in den westlichen Industrienationen des ausgehenden 20. Jahrhunderts blieben sozioökonomische Hierarchien bestehen.

Nach Rommelspacher sei die Fremdenfeindlichkeit unter den „Erfolgreichen“ bzw. „Etablierten“ im Gegensatz zur existenziellen Angst vor dem Verlust lebensnotwendiger Güter oder sozialem Abstieg eine Abwehrreaktion gegen „befürchtete Machtverluste“ und „Infragestellung der [eigenen] Dominanz“. Die Forschung deute diese „ängstliche Besitzstandswahrung“ in einen „Kampf ums Überleben“45 um und verhindere somit tragfähige Strategien zur Lösung des Problems Fremdenfeindlichkeit. Rommelspacher eröffnet mit diesem Dominanzkulturtheorem die Möglichkeit, rechtsextreme Denkmuster als festen Bestandteil der mentalen Verfassung der bürgerlichen Mitte zu begreifen. Die durch Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt in Konkurrenz gebrachten Individuen reagieren demnach vor allem aggressiv und menschenfeindlich auf potentielle Konkurrenten, wenn Macht- oder Besitzstandsverluste drohen.

Der These Heitmeyers und anderer Sozialwissenschaftler, wonach soziale Bindungen mit zunehmender funktionaler Differenzierung an Bedeutung verlören und dieser Vorgang Orientierungslosigkeit produziere, fügt Rommelspacher die Ansicht hinzu, dass diese Differenzierung bzw. Modernisierung auch die vertikale Ebene einer Gesellschaft beeinflusse.46 Sie schreibt der Veränderung bzw. Reproduktion von Hierarchien und Macht ebensolche Anomie auslösende Folgen für eine Gesellschaft zu. Anomie verursache wiederum Ausgrenzungsprozesse und rechtsextremes Denken. Vereinfacht ausgedrückt, sei Orientierungslosigkeit nicht nur ein Resultat fortschreitender Individualisierung, sondern werde auch durch Verschiebungen im gesellschaftlichen Herrschafts- und Wertesystem verursacht. Dabei sei vor allem der dominante bzw. privilegierte Teil einer Gesellschaft von Orientierungslosigkeit und Störung der Stabilität der sozialen Bindungen betroffen, da er versuche, an überkommenen Besitzständen festzuhalten. Unterzieht man die zentralen Thesen Heitmeyers und Rommelspachers einer strukturellen Analyse, wird deutlich, dass jeweils unterschiedliche Ebenen zur Erklärung rechter Orientierungen herangezogen wurden. Während Heitmeyer im Sinne eines mikrosoziologischen Ansatzes nach individuellen Anerkennungsbilanzen und deren Folgen fragt, schreibt Rommelspacher kulturell und gesellschaftlich verankerten Zuständen eine große Bedeutung für individuelle Einstellungen zu und betrachtet somit vorrangig die makrosoziologische Ebene. Dabei werden jedoch von diesen Ebenen abweichende Deutungsmuster (z.B. individuelle psychologische Aspekte bei Rommelspacher) in bestimmten Zusammenhängen ebenso in die Betrachtung einbezogen.

3.2.2 Unterschiedliche Ebenen zur Erklärung von Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit

Wenn nach den Ursachen rechtsextremer Einstellungen gefragt werden soll, muss zunächst geklärt werden, wie in den vorliegenden Theorien „rechtsextrem“ definiert wird. In seiner 1987 veröffentlichten Studie zu „rechtsextremistischen Orientierungen bei Jugendlichen“47 beschreibt Heitmeyer Rechtsextremismus als vor allem jugendliches Protestsyndrom, welches durch eine „Ideologie der Ungleichheit“ und Gewaltakzeptanz charakterisiert sei.48 In einer späteren Untersuchung aus dem Jahr 1992 spricht Heitmeyer von einem „soziologischen Rechtsextremismus“49 in Abgrenzung zum politisch-ideologischen Verständnis des Begriffs. Dabei seien für ihn vor allem die ökonomischen und sozialen Entstehungsmomente für rechtsextreme Denkmuster von besonderem Interesse. In der seit 2002 regelmäßig erscheinenden und von Heitmeyer herausgegebenen Studie „Deutsche Zustände“ wird die sogenannte „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (GMF) innerhalb der bundesdeutschen Gesellschaft untersucht.

Der Begriff „rechtsextrem“ wird dabei nur noch am Rande gebraucht. „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, die „in Prozessen der Betonung von Ungleichwertigkeit und der Verletzung von Integrität“50 erkennbar werde, ist bei Heitmeyer nun ein für das Alltagsbewusstsein von Gruppen verwendeter Begriff. Darin finden sieben, auch dem Rechtsextremismus zuordenbare Elemente Eingang in das Konzept: Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Heterophobie (Ablehnung ethnischer und sozialer Heterogenität), Islamophobie, Beharren auf Etabliertenvorrechten und Sexismus. Diese Elemente seien in verschiedenem Maße abhängig voneinander, so beispielsweise die Befürwortung von Etabliertenvorrechten und Fremdenfeindlichkeit.51 Neu an den „Deutschen Zuständen“ ist Heitmeyers Hypothese, dass nunmehr breite Gesellschaftsschichten in den Strudel aus wirtschaftlicher Liberalisierung, Deprivation, sozialer Isolation, Arbeitslosigkeit und Abstiegsängsten - sprich Prekarität - geraten seien. „Prekäre Normalität wird für zahlreiche Menschen zum Normalfall - als Erfahrung oder Befürchtung.“52 Nach der Theorie zur sozialen Identität von Henry Taifel und John Turner wird in Zeiten um sich greifender Verunsicherung durch Aufwertung der eigenen Gruppe („Ingroup“) und Abwertung von Fremdgruppen („Outgroups“) versucht, neue Sicherheiten und Handlungsfixpunkte zu schaffen.53 Heitmeyer bezeichnet dieses Denken als „Ideologie der Ungleichheit“, mit der eigene Überlegenheit durch Hierarchisierung und Abwertung erzeugt bzw. erhalten werden solle.

Der Bielefelder Sozialforscher liegt mit der Aneignung dieser Sichtweise nah an Birgit Rommelspachers Beschreibung rechter Einstellungen als Abwehrreaktionen etablierter Schichten gegen drohende Machtverluste. Die zweite Dimension, welche zur ansteigenden gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit beitrage, sei die Verabsolutierung „utilitaristischer Kalküle“ - also eine dehumanisierende Bewertung bestimmter Gruppen nach ihrer scheinbaren „Nützlichkeit“ durch gesellschaftlich Integrierte. Josef Held et al. beschreiben dieses Phänomen als „Wohlstandschauvinismus“54, bei dem ökonomische Überlegenheit mit politischen, sozialen und kulturellen Hegemonieansprüchen verbunden würde.

Der von den Eltern übernommene, selbst auferlegte Leistungsdruck gesellschaftlich integrierter Jugendlicher stimme oftmals nicht mit der erlebten Realität und Misserfolgen im Alltag überein. Dies führe zu einer Projektion von Versagensängsten auf andere soziale Gruppen, beispielsweise auf Lehrer, potentielle Konkurrenten und Ausländer. Diese würden dann zum Zwecke der Selbsterhöhung abgewertet. Die Diskrepanz aus tatsächlichen Gegebenheiten und Eliteanspruch führe ebenso zu diffusen Bedrohungsgefühlen und letzten Endes zur Befürwortung einer sozialdarwinistisch organisierten Gesellschaft.55 Dementsprechend stellt Karl Heinz Roth fest: „Sozialer Ausgleich heißt für sie [Integrierte mit rechter Orientierung] individuelle Selbstverantwortung durch Maximalleistung und sozialen Aufstieg, heißt Ausgrenzung aller, die dieser Selbstidentifikation nicht gewachsen oder würdig erscheinen: Alte, Behinderte und vor allem Fremde.“56 Die Bedrohung bzw. Gewaltanwendung gegen Mitglieder stigmatisierter Gruppen nennt Heitmeyer „Aufkündigung der Angstfreiheit“ bzw. „angsterzeugende Machtdemonstration gegen Unterlegene und Abgewertete“.57 Alle genannten Phänomene - „Ideologie der Ungleichheit“, „utilitaristische Kalküle“ und „Aufkündigung der Angstfreiheit“ - sind somit Ausdruck eines, dem Geist des Grundgesetzes entgegenlaufenden, verdeckten oder offenen Abwertens bestimmter „markierter sozialer Gruppen“.58

Für Birgit Rommelspacher stehen bezüglich Rechtsextremismus vorrangig strukturell- gesellschaftliche Aspekte im Vordergrund. Die Dialektik zwischen universalistischen, demokratischen Konzepten einerseits und Dominanzansprüchen in Folge ethnischer oder sozialer Herkunft, Geschlecht, Leistungsfähigkeit oder sexueller Orientierung andererseits sei demnach der grundlegende, die Dynamik moderner Gesellschaften bestimmende Widerspruch. Dabei wird, wie bei Heitmeyer auch, die politikwissenschaftlich relevante Frage nach Verfassungsnorm (Universalismus) und -wirklichkeit (Ungleichheit) berührt. Rechtsextremismus gehört nach Rommelspachers Auffassung zu den radikalisierten und politisierten Formen, besagten Widerspruch einseitig zugunsten einer gesellschaftlichen Hierarchisierung aufzulösen. „Der Rechtsextremismus ist insofern Teil der Gesellschaft, als er an allgemeinen gesellschaftlichen Konfliktdynamiken ansetzt. Er vertritt dabei eine Extremposition in der Auseinandersetzung zwischen Dominanzideologien und Egalitätskonzepten.“59

Unter den Voraussetzungen für Rechtsextremismus subsumiert Rommelspacher vor allem etablierte gesellschaftliche Herrschaftsstrukturen und Machtverhältnisse und eben nicht allein individuelle Konfliktlagen, die aus sozioökonomischer Desintegration resultieren. Folgt man dieser Argumentation, weisen Dominanzkulturen demnach auch in wirtschaftlichen Entspannungs- bzw. Wachstumsphasen einen beträchtlichen Teil rechtsextrem Eingestellter auf. Rechtsextremismus ist hier also eine den westlichen Gesellschaften inhärente, omnipräsente, radikalisierte politische Erscheinung, während Heitmeyer das Phänomen durch die Ursachenverlagerung auf individuelle Deprivation und Desintegration indirekt in eine temporäre gesellschaftliche Krisenerscheinung der Ränder umdeutet. Gemeinsam ist Rommelspacher und Heitmeyer jedoch der Verweis auf die Zugehörigkeit rechter Orientierungen zum Alltagsbewusstsein bestimmter Gruppen.

3.2.3 Dominanzkultur und Desintegration. Definitionen

Nachdem dies für „Rechtsextremismus“ geschehen ist, muss an dieser Stelle geklärt werden, was unter „Desintegration“ und „Dominanzkultur“ von den jeweiligen Autoren verstanden wird. „Soziale Desintegration“ ist nach Heitmeyer die „Prekarität des Zugangs zu gesellschaftlichen Teilsystemen, der Partizipation an öffentlichen Einrichtungen und der Sicherung gemeinschaftlicher Einbindung.“60 Das hier zugrunde gelegte Integrationskonzept basiert auf drei Dimensionen:

- Teilhabe an materiellen und kulturellen Gütern einer Gesellschaft (individuell-funktionale Systemintegration),
- Teilnahme am angst- und gewaltfreien Ausgleich widerstreitender Interessen (kommunikativ-interaktive Sozialintegration) und
- Position im gemeinschaftlichen Lebensbereich sowie Erfahrungen im Rahmen der privaten Lebensführung (kulturell-expressive Sozialintegration).61

Nach Heitmeyer definiert das Zusammenwirken aller drei Teilbereiche das individuelle Desintegrationsempfinden. Demnach könne die Deprivation in einem Teilbereich bereits zu Desintegrationsgefühlen führen. Desintegration in einem Teilbereich bedingt mit hoher Wahrscheinlichkeit Desintegration in anderen Dimensionen, wie beispielsweise in der politischen Unterrepräsentiertheit von Arbeitslosen erkennbar ist. Heitmeyer spricht von „Anerkennungssicherung“ und „Anerkennungsbedrohung“ als zentralen Elementen, die für die Herausbildung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit von großer Bedeutung seien. Demnach könne befürchtete oder erlebte „Anerkennungsbedrohung“ dazu führen, dass die Akzeptanz von Gleichwertigkeit gegen Mitglieder stigmatisierter „sozial markierter Gruppen“62 verweigert werde. Heitmeyer stellt eine einfache Rechnung auf, indem er annimmt, dass die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit umso höher ist, je größer die Desintegrationsbelastungen in den Teildimensionen mit der Folge negativer Anerkennungsbilanzen sind.63 Hinzu kämen individuelle (Konfliktfähigkeit) und politische Faktoren (Rechtspopulismus bzw. Stigmatisierung von Minderheiten), welche die Desintegration und die damit einhergehende gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit unter Umständen noch verschärfen könnten.

Rommelspacher definiert demgegenüber „Dominanzkultur“ als „Ensemble gesellschaftlicher Praxen und gemeinsam geteilter Bedeutungen“64, in denen die aktuelle Verfasstheit einer Gesellschaft, insbesondere ökonomische und politische Strukturen, und deren Geschichte zum Ausdruck kämen. In Dominanzkulturen seien Erfahrungen von Herrschaft und Unterwerfung aus früheren historischen Abschnitten über ein „kollektives Gedächtnis“65 gespeichert. Diese Erfahrungen durchdrängen selbst aktuelle Diskurse und Lebensweisen. Besonders deutlich werde dies an dem am Leistungsprinzip ausgerichteten kapitalistischen Wirtschaftssystem, das die Beziehungen der Menschen zueinander ebenso bestimme und Individuen bewerte wie das weltweite ökonomische Nord-Süd-Gefälle in der Tradition der Kolonialisierung das Bewusstsein der hier lebenden Menschen beeinflusse. Individuelle Selbstwahrnehmung und Identität sind demnach bereits auf Dominanzstrukturen aufgebaut, benötigen diese also, um einen angemessenen Platz in der Gesellschaft zu finden bzw. einzunehmen.

In oben genanntem Beispiel trägt das dem Kapitalismus inhärente Leistungsdenken dazu bei, sich individuell zum Zwecke eigener Dominanzansprüche über materielle Werte und Leistung innergesellschaftlich voneinander zu unterscheiden. Gleichzeitig kann eine (nationale) Gruppenidentität etabliert werden, die sich von den Bewohnern armer Länder abgrenzt. An diesem Beispiel wird deutlich, wie sich gesellschaftlich verankerte Machtasymmetrien immer neu entwickeln können. Ausgeblendet bleibe dabei, dass es sich bei der „Wirklichkeit“ der gesellschaftlichen Ordnung, der Machtverhältnisse und -strukturen um ein soziales Konstrukt handle, das hinterfragt und verändert werden könne. Darauf aufbauend vertritt Rommelspacher die Hypothese, „dass unsere ganze Lebensweise, unsere Selbstinterpretationen sowie die Bilder, die wir vom anderen entwerfen, in Kategorien der Über- und Unterordnung gefasst sind. Eben das ist mit dem Begriff der Dominanzkultur gemeint.“66 Jene Dominanzkultur habe sich in einem fortwährenden Prozess in den westlichen Gesellschaften entwickelt. Kolonialisierung und die

„Erfahrung von Herrschaft und Unterdrückung“, aber auch der Universalismus seien dafür prägend gewesen.67 Die Angst vor dem „Fremden“ sei in erster Linie die Angst vor der Infragestellung der hier herrschenden Normen und Lebensgewohnheiten, in denen sich zugleich die politische und ökonomische Hegemonie der westlichen Welt manifestiere.68 Im Gegensatz zu traditionellen Gesellschaftsmodellen, in denen eine relativ klare Unterscheidung zwischen Herrschenden und Unterdrückten möglich gewesen sei, habe sich die Macht in der Postmoderne verstärkt in gesellschaftliche Instanzen und normative Orientierungen der Individuen verlagert. Macht sei somit weniger klar auszumachen, Machtverhältnisse wirkten unberechenbarer und vieldimensionaler. Diese Omnipräsenz und Unsichtbarkeit von Macht ist nach Rommelspacher ein entscheidendes Merkmal einer Dominanzkultur.69 Diese Hypothese setzt einen Kontrapunkt zu Heitmeyers Desintegrationstheorem, weil sich dieser eines weniger komplexen Repressionsmodells bedient. Darin steht vor allem die Unterscheidung nach Gewinnern und Verlierern des Modernisierungsprozesses im Vordergrund.

3.2.4 Wohlstandschauvinismus? Die Entstehung menschenfeindlicher Orientierungen

Menschenfeindlich bzw. rechtsextrem Eingestellte sind Heitmeyer zufolge vor allem „Opfer“ wirtschaftlicher Rationalisierung, gesellschaftlicher Individualisierung und politischer Deprivation. Sie haben keine gesellschaftsrelevante Macht - sie sind im gesamtgesellschaftlichen, politischen und sozialen Sinne sogar die Machtlosesten und kompensieren ihren Minderwertigkeitskomplex z.T. mit menschenfeindlichen Handlungen (körperliche Macht) und Einstellungen (Konstruktion von Macht) gegenüber „sozial markierten Gruppen“. Desintegrierte seien nicht nur machtlos, so der Autor. Sie würden zusätzlich zum Spielball mächtiger Interessen, die in seinem Konzept klassisch von „oben“ nach „unten“ wirken: „Unsicherheit und Angst ‚unten’ werden als unausweichlicher Systemzwang dargestellt. Eine losgelöste Moral bei den Eliten ‚oben’ dient so dazu, die Bevölkerung einzuschüchtern. Konkurrenz wird als Naturgesetz plakatiert, Effizienz wird auch als Mechanismus der sozialen Desintegration einkalkuliert. Hat das sozial zerstörerische Auswirkungen? Ja, es sieht so aus.“70 In diesem Punkt nähern sich Rommelspachers Kritik an der dominanzkulturellen Normalitätskonstruktion (siehe unten) und Heitmeyers Machtanalyse einander an, wenn auch der Vermittlungsprozess von Dominanz bzw. Herrschaft auf unterschiedliche Art beschrieben wird. Menschenfeindliches Denken und Handeln sei, so Heitmeyer weiter, erst die Konsequenz fehlender individueller Ressourcen und Konfliktbewältigungsstrategien, woran die gesellschaftlichen Umstände einen beträchtlichen Anteil hätten. Rommelspacher schreibt allen an einer Gesellschaft Teilhabenden eine gewisse Macht zu. Rechtsextreme Denkmuster und Handlungen sind Rommelspacher zufolge aber nicht vorrangig Reaktionen von sozial Schwachen oder „Instabilen“ gegen noch Schwächere, sondern ebenso bewusster oder unbewusster Macht- und Privilegieneinsatz der durchschnittlich und überdurchschnittlich Mächtigen zum Zwecke des eigenen Macht-, Hierarchie- und Privilegienerhalts. „Die Teilhabe an Macht bedeutet nicht einfach nur Privilegierung, sondern auch Kampf um den Erhalt der Privilegien.“71 Dabei stehen den ohnehin Mächtigen und Etablierten die geeignetsten Machtressourcen zur Verfügung, um den eigenen Status zu stabilisieren und gesellschaftlich zu legitimieren. Die davon Betroffenen akzeptierten diese Prozesse der Machtausübung weitgehend, denn diese würden als gesellschaftliche „Normalität“ empfunden.

Trotz dieser Verallgemeinerung und Omnipräsenz von Macht verteile sich diese nicht zufällig. Durch die Vernetzung verschiedener Machtquellen würde aus Macht Dominanz. Mithilfe dieser Dominanz ließen sich soziale Unterscheidung und Hierarchien durchsetzen. Festzuhalten ist dabei das „Unterbewusste“ dieses Vorgangs. Hier agieren weder „Bonzen“ noch Zirkel reicher Unternehmer im Verborgenen, um die eigene Macht zu sichern und planmäßig große Bevölkerungsgruppen zu unterdrücken. Die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen, vom Bildungswesen über den Wohnungsmarkt bis hin zu sozialen Beziehungen, sorgen in sich schon für den Ausschluss bestimmter Gruppen und vice versa für die Privilegierung der Etablierten. Interessant erscheint Rommelspachers Unterscheidung von Herrschaft und Dominanz.

Während Herrschaft auf Repression und Verboten basiere, stütze sich Dominanz auf weitgehende gesellschaftliche Zustimmung und vermittle sich über soziale Strukturen und internalisierte Normen. Hierarchien würden so unauffälliger reproduziert.72 Nach Rommelspacher können in der postmodernen Gesellschaft die sozialen Kosten des Fortschritts seinen (materiellen) Gewinn für das Subjekt relativieren. „Je mehr sich das Subjekt auf sich selbst bezieht und dabei sein Umfeld entwertet, desto mehr wachsen Sinnlosigkeit und Perspektivlosigkeit.“73 Ökonomische Absicherung und Freiheit verhießen demnach kein uneingeschränktes Glück, da aus ihnen wiederum neue Risiken, Einsamkeit und Anomie resultieren können. Jeder Schritt in die wirtschaftliche Unabhängigkeit oder die Selbstverwirklichung führt zwangsläufig zu einer Selbstzentrierung und entfernt die Betroffenen von ihrem sozialen Umfeld. Die psychologische Komponente gesellschaftlicher Anomie nennt Rommelspacher „Paradox der Herrschaft“. Demnach ist die Autonomie der Mächtigen nicht Ausdruck der Freiheit von Anderen, sondern der Freiheit durch die Unterwerfung der Anderen. Paradox ist dieses Phänomen wegen der Labilität des Selbstwertes, der auf Hierarchien beruht. Selbstwert impliziert immer auch den Wert des Anderen. Wird dieser abgewertet, kommt es bei den Inhabern von Macht zu Anomiegefühlen. Da Macht vor sich selbst legitimiert werden müsse, sei Entwertung von Anderen bei gleichzeitigem Angewiesensein auf deren Anerkennung vor allem ein Problem der Privilegierten.

Daher müssten sich vor allem „Mächtige“, „Privilegierte“ und „Gesättigte“74 vermehrt um eine Verbesserung ihrer sozialen Beziehungen konzentrieren, um dieser Entfremdung ihrer selbst und von traditionellen Bindungen entgegenzuwirken. Dies bedeute jedoch eine kritische Selbstreflexion und Auseinandersetzung mit der eigenen Dominanz, daraus resultierender Ungleichheit und Privilegien. Stattdessen würden Fremdgruppen aus Gründen der Selbstprofilierung entwertet, was aber ebenso zu Ansehensverlusten des Entwertenden führe. Dieser Umstand kulminiere letztendlich in einer Art „pain and power“-Effekt.75 Jener schränke die Verhaltensoptionen der Privilegierten stark ein, da ihr Verhalten dem der Machtlosen nicht ähneln dürfe, weil sonst vor allem durch die Eigengruppe erneuter Anerkennungsverlust drohe. Folglich könne es zu einer Entfremdung der Mächtigen von sich selbst und zu einer Relativierung des Sinns und Wertes der eigenen Macht kommen. Ohnehin bestehe durch die erwähnte Dialektik zwischen Universalismus und Ungleichheit ein moralisches Legitimationsdefizit für Macht. Diese Widersprüchlichkeit aus Selbstentwertung bei einem Übermaß an Macht führe bei den Betroffenen unter Umständen Vereinzelungsgefühlen, sozialen Vermeidungsstrategien und Angstempfindungen.

„Macht macht einsam“ ist eine volkstümliche Redewendung. Anhand der Dominanzkulturtheorie Rommelspachers werden sowohl mögliche negative persönliche Folgen von Macht und Herrschaft für die Dominanten selbst deutlich als auch die potentiellen gesellschaftlichen und sozialen Auswirkungen von Gleichheitsunterschieden und Leistungsorientierung. Durch die gesellschaftlich und politisch erwünschte Fixiertheit auf materiellen Wohlstand und Machterhalt entstünden gesellschaftliche Konfliktpotentiale und Ausgrenzungsprozesse. Ein grundlegendes Gesellschaftsproblem liege in der Abwertung und Stigmatisierung bestimmter Gruppen sowohl durch gesellschaftliche Strukturasymmetrien als auch durch die Rechtfertigung dieser institutionalisierten Machtunterschiede durch einen großen Teil der privilegierten Schichten begründet. An dieser Stelle finden sich Anknüpfungspunkte für einen „Wohlstandschauvinismus“, der Leistung, Erwerbsarbeit und sozialen Status zu den alleinig relevanten Definitionsmerkmalen für den „Wert“ von Menschen erhebt.

Dieser „Wohlstandschauvinismus“ betreffe neben Etablierten und Mächtigen vor allem diejenigen, die diesen Status erst erlangen wollen oder nach eigener Auffassung erreichen müssen. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit führe zu diffusen Bedrohungsgefühlen und einer Sichtweise des Lebens als leviathanischem Kampf aller gegen alle unter dem Primat des Utilitarismus. Rommelspacher unterscheidet diesbezüglich zwischen „Instabilen“ und „Stabilen“. Letztgenannte wiesen festgefügte Feindbilder gegenüber potentiellen Konkurrenten im Sinne einer „Kriegermentalität“76 auf, während „Instabile“ stark situationsbedingt zwischen widersprüchlichen Einschätzungen ihrer Lage schwankten. „Stabile“ seien demnach voraussichtlich kaum real von „Fremden“ bedroht, sondern viel eher vom eigenen Versagen. „Je größer also die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, je stärker die Realität in Idealisierung gepresst wird, desto größer ist der Projektionsbedarf, um sich selbst aufzuwerten und zu stabilisieren.“77

Wie gezeigt wurde, deklariert Rommelspacher rechte Orientierungen nicht als Resultat gesellschaftlicher Desintegration und damit als vorrangiges Problem von sozial Schwachen. Verantwortlich für fremdenfeindliche, rassistische, ausgrenzende und autoritäre Weltbilder sei demnach die „forcierte Identifikation“ großer Teile der Gesellschaft mit den Werten Leistung, Geld und Wohlstand. Daraus ergebe sich eine Abwehrreaktion in Form konkreter Handlungen (Gewalt) und manifesten Einstellungen gegen alle der mangelnden Leistungsbereitschaft, der Infragestellung herrschender Normen und Pfründe oder der staatlichen karitativen Überversorgung Verdächtigten. Als Indiz dafür führt Rommelspacher rechtsextrem motivierte Übergriffe an, die sich nicht nur gegen „Andersfarbige“ gerichtet hätten, sondern ebenso gegen als normabweichend empfundene Menschen weißer Hautfarbe (Obdachlose, Homosexuelle, Frauen, Punks etc.).

3.2.5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Ansätze

Wie gezeigt wurde, stehen für die Erklärung der Entstehung und Wirkung rechter Orientierungen verschiedene Theorien zur Verfügung. Diese untersuchen die genannten Phänomene auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen und unter voneinander abweichenden Schwerpunktsetzungen. Jedoch finden sich auch einige Gemeinsamkeiten. Wenn Heitmeyer von „utilitaristischen Kalkülen“ spricht, welche die Menschenfeindlichkeit in der gesellschaftlichen Mitte negativ beeinflussen würden, ist ein Zusammenhang zu Rommelspachers Sichtweise, Ausgrenzung als Resultat von Abwehrprozessen und „instrumentellem Nutzendenken“78 von Privilegierten und Mächtigen zu beschreiben, erkennbar. Des weiteren ist durch die Aufnahme der Kategorie „Befürwortung von Etabliertenvorrechten“ in das Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit eine Annäherung Heitmeyers an den Dominanzkulturansatz zu beobachten.

Wer Etabliertenvorrechte befürwortet, gehört in der Regel selbst zur Gruppe der Etablierten und damit zur integrierten gesellschaftlichen „Mitte“. Rommelspachers These, dass Vorurteile und Ausgrenzung vor allem unter den Privilegierten reproduziert würden, schenkt neuerdings auch Wilhelm Heitmeyer Zustimmung, wenn er davon spricht, dass die „Mitte“ „normal feindselig“79 geworden sei. Nach einem jahrelangen erbitterten Streit zwischen den jeweiligen Befürwortern und Gegnern der beiden Ansätze, der in Rommelspachers Vorwurf der „Täterentlastung in den Sozialwissenschaften“80 gegen Heitmeyer gipfelte, scheint sich gegenwärtig ein Trend zur Annäherung der Positionen abzuzeichnen.

Die Unterschiede beider Theorien bezüglich ihrer Schlussfolgerungen bleiben jedoch zum Teil eklatant. Dabei ist vor allem die indirekte Stilisierung von rechtsextrem eingestellten, gewaltbereiten Desintegrierten zu „Opfern“ des „Systems“ bzw. der „Eliten“ wissenschaftlich umstritten.81 Dies trifft ebenso für Heitmeyers monokausale Sichtweise bezüglich politisch motivierter Gewalt zu.82 Heitmeyer erkennt beispielsweise in der durch Desintegrationsprozesse hervorgerufenen Gewaltakzeptanz die Ursache und nicht die Folge von rechtsextremen Einstellungen. „Der Weg von Jugendlichen in das fremdenfeindliche oder rechtsextremistische Terrain verläuft [...] nicht in erster Linie über die Attraktivität von Parolen, die eine Ideologie der Ungleichheit und Ungleichwertigkeit betonen, um diese mit Gewalt durchzusetzen, sondern über Gewaltakzeptanz, die im Alltag entsteht und dann politisch legitimiert wird.“83 Hier wird eine Kausalkette in folgender Reihenfolge entworfen: Desintegrationserfahrung bzw. -angst, Gewaltakzeptanz, Gewaltausübung, Rechtfertigung dieser Gewalt durch Ideologie und letzten Endes, unter Umständen, soziale Reintegration in rechtsextreme Bezüge.

Wie bereits angedeutet, verweist Rommelspacher davon abweichend auf die Vielfältigkeit der Opfergruppen rechter Gewalt. Die Beantwortung der eingangs gestellten Frage, ob Rechtsextremismus bzw. rechtsextreme Orientierungen der allgemeinen gesellschaftlichen Verfasstheit oder einer temporären Krise geschuldet seien, macht die Differenz zentraler Ansätze beider Theorien nochmals deutlich. Folgt man der Argumentation des Desintegrationsansatzes, nimmt die Menschenfeindlichkeit in Zeiten gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Krisen zu, da gleichzeitig die Zahl der Desintegrierten ansteigt. Dem Dominanzkulturansatz folgend existiert in westlichen Gesellschaften ein rechtsextremes Grundpotential, welches seine Gewissheiten vor allem auf Leistungsorientierung und Privilegienerhalt stützt. Dieses reproduziere sich, begünstigt durch gesellschaftlich akzeptierte Machtasymmetrien, die Unhinterfragtheit von „Normalität“ und „unsichtbare“ Segregationsprozesse, beständig neu.

3.3 Resümee und zu untersuchende Hypothesen

Nachdem Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Dominanzkultur- und des Desintegrationsansatzes zur Erklärung rechter Einstellungen dargestellt und eingeordnet wurden, stellt sich nun die Frage nach den Konsequenzen beider Theorien für die Betrachtung der Strategie und sozialen Basis der NPD in Ostdeutschland. Folgte man dem Dominanzkulturansatz, müsste sich die NPD verstärkt um Wähler, Sympathisanten und Mitglieder aus dem aufstiegsorientierten Milieu84 bzw. aus der gesellschaftlichen „Mitte“ bemühen, da diese Träger und Multiplikatoren rechtsextremer Orientierungen darstellten. Des weiteren könnte hier eine Klientel angesprochen werden, die überdurchschnittlich oft in gesellschaftlich, ökonomisch, kulturell und politisch einflussreichen Positionen anzutreffen ist. Der finanzielle, strategische und politische Nutzen solcher Mitglieder bzw. Sympathisanten wäre für die Partei mit hoher Wahrscheinlichkeit immens.

Entgegen den Schlussfolgerungen des Rommelspachers soll in der vorliegenden Arbeit eine Hypothese im Sinne des Desintegrationstheorems geprüft werden. Demnach spräche die NPD im Sinne einer „Kleine-Leute-Partei“ in Ostdeutschland vor allem Desintegrierte wie sozial Schwache, gesellschaftlich und politisch Unterrepräsentierte, „Modernisierungsverlierer“ und Marginalisierte an. Sie könnte dabei auf die vermutet hohen Zustimmungswerten der Ostdeutschen, speziell der o.g. Schichten, zur Idee des Sozialismus aufbauen. Zudem kann die NPD eventuell aus Besonderheiten in der politischen Kultur und den sozioökonomischen Gegebenheiten in weiten Teilen Ostdeutschlands politisches Kapital schlagen. „Privilegierte“ werden von der Partei mit hoher Wahrscheinlichkeit schwerlich erreicht, da der politische Kurs und das öffentliche Erscheinungsbild der NPD für mittlere und gehobene Schichten im Regelfall unattraktiv wirken. Zudem sind Identifikation und Sympathie mit rechtsextremen Orientierungen in gebildeten, einkommensstarken Schichten weitgehend stigmatisiert.85 Für diese Klientel stellt eine potentielle Mitgliedschaft in oder ein Engagement für die chronisch klamme Partei, die bisher kaum gutdotierte Posten zu vergeben hat, nicht zuletzt ein Karrierehindernis dar. Anschließend soll die These geprüft werden, wonach keine einheitliche Linie der NPD bezüglich einer Strategie für Ostdeutschland erkennbar ist und die Partei entgegen der öffentlichen Meinung ein heterogenes Gebilde mit hoher Abhängigkeit von regionalen Aktivisten und kooperationsbereiten Rechtsextremen aus anderen Organisationen bzw. organisationsartigen Zusammenschlüssen (z.B. Kameradschaften) darstellt. Dies würde zugleich eine geringe Weisungsmacht der Bundespartei und einen niedrigen Stellenwert des Parteiprogramms implizieren.

4 Die Verbreitung rechter Einstellungen in Ostdeutschland. Ansätze, Ursachen, Ergebnisse

In der wissenschaftlichen Literatur zu rechtsextremen Einstellungen in der Bundesrepublik ist eine Differenzierung der Ursachenbeschreibungen für Ost- und Westdeutschland zu beobachten. Zum einen wichen die Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in den beiden Landesteilen voneinander ab, was u.a. an der vom Anteil an der Gesamtbevölkerung abweichenden Zahl der Gewaltdelikte mit rechtsextremen Hintergrund erkennbar sei. Vier ostdeutsche Bundesländer führen kontinuierlich die Statistik zu rechtsextremen Übergriffen und Straftaten an.86 Zudem sind fast 40 Prozent der NPD-Mitglieder in Ostdeutschland zuhause, während dort nur etwa 17 Prozent der bundesdeutschen Gesamtbevölkerung leben. Auch bei Neonazis und rechtsextremen Skinheads ergibt sich ein ähnliches Bild.

Die Hälfte der Neonazis und mehr als 40 Prozent der rechtsextremen Skinheads wohnen in den neuen Bundesländern und Berlin.87 Zum anderen, so ein bedeutender Teil der Autoren, hätten die unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnisse vor der deutschen Vereinigung 1990 die Bewohner von DDR und Bundesrepublik dermaßen geprägt, dass sich Ausmaß und Ursachen des Rechtsextremismus „naturgemäß“ unterscheiden müssten. Zur Prüfung der anfangs aufgestellten These, nach der die NPD in Ostdeutschland günstige Voraussetzungen für ihre Politik vorfindet, ist es notwendig, ebenjene Besonderheiten des ostdeutschen Rechtsextremismus’ zu analysieren.

In den folgenden Abschnitten soll zudem untersucht werden, welche sozialen Gruppen die Basis der NPD in Ostdeutschland bilden.

4.1 Rechtsextremismus als Folge des DDR-Autoritarismus’? Ein Streitfall

Dem Ansatz folgend, dass die gesellschaftlichen Voraussetzungen vor 1990 in beiden Landesteilen äußerst unterschiedlich waren, beschreibt Wilhelm Heitmeyer voneinander abweichende Ursachen rechtsextremer Einstellungen bei Ost- und Westdeutschen. In beiden Gebieten sei Desintegration von verschiedener Qualität zu beobachten, zudem hätten Ost- und Westdeutsche unterschiedliche Sozialisationshintergründe. Die DDR sei eine „autoritär- repressive, auf Formierung ausgelegte Gesellschaft“88 gewesen, während sich die Bundesrepublik an Selbstverantwortung und Individualismus als gesellschaftlichen Leitbildern orientiert hätte.89 Hieran wird Heitmeyers Affinität zum Sozialisationsansatz deutlich, nach dem bestimmte frühkindliche Erfahrungen und autoritäre Erziehungsmethoden zu einer höheren Wahrscheinlichkeit späterer rechtsextremer Einstellungen beitrügen.

Nichtsdestotrotz ist festzuhalten, dass Heitmeyer die Ursachen rechtsextremer Orientierungen hauptsächlich in Desintegrationsprozessen verortet und anhand der abweichenden Sozialisation in beiden Landesteilen lediglich den graduellen Unterschied dieser Einstellungen zu erklären versucht. Michael Edinger et al. gehen in ihrer Studie „Thüringen-Monitor“90 ebenfalls von einem engen Zusammenhang zwischen in der DDR befördertem Autoritarismus und rechtsextremen Einstellungen aus.91 Die Erfassung des Autoritarismus’ im Rahmen des „Thüringen-Monitors“ basiert auf zwei Aussagen: der Forderung nach einer starken Hand und nach Gehorsam und Disziplin als obersten Zielen der Kindererziehung. Der Anteil der autoritär Eingestellten liegt demnach bei 58 Prozent, der der Nicht-Autoritären bei 15 Prozent.92 Autoritarismus sei, berücksichtige man sämtliche Wechselwirkungen zwischen den erklärenden Variablen, die Größe, die am stärksten mit rechtsextremen Einstellungen korreliere. Unter den als „autoritär“ Kategorisierten fanden sich 36 Prozent rechtsextrem Eingestellte, hingegen bei den „NichtAutoritären“ keiner und in der Mittelgruppe 8 Prozent - bei einem Anteil rechtsextrem Eingestellter an der Gesamtbevölkerung von 22 Prozent.93

Harry Waibel spricht in seiner Studie „Rechtsextremismus in der DDR bis 1989“ von Bürokratismus und Zentralismus als idealen Nährboden für undemokratische, potenziell rechtsextreme Einstellungsmuster. „Die autoritäre Struktur der DDR [...] war nachgerade eine ihrer spezifischen Voraussetzungen, damit Jugendliche fremdenfeindliche bzw. postfaschistische Einstellungen übernehmen konnten.“94 Waibel eröffnet somit neben dem Ansatz „autoritäre DDR-Sozialisation“ die Dimension „institutioneller DDR-Autoritarismus“, nach der u.a. das spezifische DDR-Staatsgefüge bzw. ein „verordneter Antifaschismus“95 (Ralph Giordano) rechtsextreme Einstellungen begünstigt hätten. Des weiteren sei es in der DDR, im Gegensatz zur Bundesrepublik, nie zu einer grundlegenden Demokratisierung bzw. Entstalinisierung gekommen. Dagegen hätte die DDR-Führung einen Obrigkeitsstaat geschaffen, der mit preußischen Tugenden (Gehorsam, Pflichtbewusstsein, Ordnung) durchsetzt gewesen und durch Militarismus, Nationalismus und Autoritarismus bzw. die Repressalien des MfS gestützt worden sei. Für Rechtsextreme sei es daher ein Leichtes gewesen, gesellschaftliche Anknüpfungspunkte zu finden.96

Thomas Rausch behauptet, viele ehemalige DDR-Bürger bevorzugten, resultierend aus ihren Erfahrungen vor 1990, ein staatliches Vorsorgemodell, welches soziale Sicherheit über bürgerliche Freiheit stelle. An diese autoritäre Denkweise hätten rechtsextreme Organisationen nach 1989 anknüpfen können.97 Hans-Joachim Maaz, Chefpsychologe einer Klinik in Halle, erkennt in den Nachwendepogromen und permanenten rechtsextremen Übergriffen in Ostdeutschland die Folge eines „Gefühlsstaus“, resultierend aus fehlender Geschichtsaufarbeitung durch die DDR-Führung und einer vom DDR-Erziehungswesen „rücksichtslos auf allen Stufen durchgesetzten“ Blockierung von Individualität.98 Weitere sozialisationstheoretische Überlegungen gehen u.a. von einer Begünstigung rechter Einstellungen durch eine verfrühte Trennung der Kinder von den Eltern durch Säuglingskrippen bzw. Kindergärten in der DDR (Christian Pfeiffer) aus.99

Allein aus den verwendeten Begrifflichkeiten erschließt sich zum Teil die wissenschaftliche Fragwürdigkeit genannter Ansätze. Die Kausalmodelle sind einfach gehalten. Individuen wird die Fähigkeit eigenständigen Denkens und Handelns weitestgehend abgesprochen. Zudem werden die Ursachen rechtsextremer Einstellungen in den Lebensabschnitt „Kindheit“ transferiert. Die Betroffenen könnten sich demnach kaum gegen einmal erlernte autoritäre Einstellungsmuster wehren und erliegen später unter Umständen „automatisch“ rechtsextremen Handlungszwängen. Mit dieser Erklärung werden sowohl persönliche als auch gesellschaftliche Verantwortung für das Phänomen Rechtsextremismus zu wenig gewürdigt.

Walter Friedrich widerspricht der Einschätzung, dass rechtsextreme Einstellungen in Ostdeutschland auf Autoritarismus bei der Kindererziehung bzw. institutionellen Autoritarismus in der DDR zurückzuführen seien. „Die Prüfung [dieser] Hypothese erbrachte keine Ergebnisse, die diesen Schluss zulassen.“100 Ähnlich urteile die überwiegende Zahl der in den neunziger Jahren durchgeführten Studien.101 Jene Ansätze, so Birgit Rommelspacher, gingen von einer „fest gefügten psychischen Ausstattung des Menschen, wie sie früher mit den Begriffen Persönlichkeit oder Charakter beschrieben wurde“ aus. Diese psychologische Sichtweise besitze aber „wenig Erklärungswert“.102 Vielmehr seien bei rechtsextremen Einstellungen und Handlungen Wechselwirkungen mit dem sozialen Umfeld und gesellschaftliche bzw. individuelle Einflüsse von großer Bedeutung. Daher könnten nur multifaktorielle Analysen dem Problem gerecht werden. Beispielhaft dafür sind die Nachfolgeuntersuchungen zu Theodor W. Adornos 1950 erschienener Studie „The Authoritarian Personality“.103 Darin wurde deutlich, dass von einer komplexen „autoritären Persönlichkeit“, wie von Adorno et al. angenommen und mit der „F-

Skala“ gemessen, nach eingängigen Untersuchungen nicht gesprochen werden kann.104 Hingegen konnten autoritäre Reaktionen von Menschen in spezifischen Kontexten beobachtet werden, was darauf hindeutet, dass jener Wechselwirkung mit verschiedenen Umweltfaktoren eine entscheidende Bedeutung für die Erklärung rechtsextremer Einstellungen zukommt. Aggressives, unterwürfiges, konformes, rigides und vorurteilsvolles Verhalten könne, so Detlef Oesterreich, im Gegensatz zum Autoritarismuskonzept Adornos, „jedes für sich genommen auch andere Gründe haben, sie müssen nicht auf autoritäre Persönlichkeitsmerkmale zurückgeführt werden.“105

Peter Förster et al. halten der These von deformierten Charakteren durch den autoritären DDR- Staat eigene empirische Ergebnisse entgegen, die Hinweise auf eine große Bedeutung der aktuellen Lebensumstände auf die Herausbildung rechter Einstellungsmuster liefern; außerdem sei kein Zusammenhang zwischen den Lebensjahren in der DDR und rechten Orientierungen auszumachen.106 Sowohl die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) mit 5000 in Face-to-face-Interviews Befragten „Vom Rand zur Mitte“ als auch der „Thüringen- Monitor“ kommen hingegen zu der ebenso empirisch fundierten Erkenntnis, dass rechtsextreme Einstellungen in der Gruppe der Ostdeutschen über sechzig Jahre am ausgeprägtesten seien.107 Dies wäre ein Indiz für den Zusammenhang zwischen der Zahl der Lebensjahre in der DDR und rechtsextremen Einstellungen. Betrachtet man jedoch die Vergleichswerte für Westdeutschland, stellen auch dort die Alten die größte Kohorte mit rechtsextremen Sichtweisen dar.

Für die gesamte Bundesrepublik liegt der Anteil der Rentner und Vorruheständler an den rechtsextrem Eingestellten bei 41,8 Prozent108 (Anteil an der Gesamtbevölkerung: 30,7 Prozent).109 Die Frage nach einem relevanten Zusammenhang zwischen in der DDR erworbenem Autoritarismus und rechtsextremen Denkmustern kann somit nicht schlüssig beantwortet werden und bedürfte komplexer empirischer Untersuchungen verschiedener nach Ost- und Westdeutschland unterteilter Altersgruppen über retrospektive DDR-Verklärung, Akzeptanz des gegenwärtigen politischen Systems etc. Vor allem aber müssten die als „rechtsextrem“ klassifizierten älteren Jahrgänge der Ostdeutschen speziell zu ihrem DDR-Bild und Erfahrungen mit dem sozialistischen Regime befragt werden. Alles übrige bliebe reine Spekulation.

[...]


1 Leggewie, Claus, Die Zwerge am rechten Rand. Zu den Chancen kleiner neuer Rechtsparteien in der Bundesrepublik Deutschland, in: Politische Vierteljahresschrift (PVS) 4/1987, S. 364-383, hier S. 364.

2 Staud, Toralf, Moderne Nazis. Die neuen Rechten und der Aufstieg der NPD, Köln 2005, S. 10.

3 Fromm, Erich, Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches, Frankfurt/M. 1930.

4 Arendt, Hannah, The Origins of Totalitarianism, New York 1951.

5 Adorno, Theodor W., Frenkel-Brunswik, Else et al., The Authoritarian Personality, New York 1950.

6 Vgl. Kapitel 2.

7 Angesichts des Ost-West-Konfliktes in dieser Zeit bedeutet „international“ hier: in der westlichen Hemisphäre.

8 Niethammer, Lutz, Angepasster Faschismus. Politische Praxis der NPD, Frankfurt/M. 1969.

9 Heitmeyer, Wilhelm, Rechtsextremistische Orientierungen bei Jugendlichen. Empirische Ergebnisse und Erklärungsmuster einer Untersuchung zur politischen Sozialisation, Weinheim/München 1987.

10 Stöss, Richard, Die „Republikaner“. Woher sie kommen, was sie wollen, wer sie wählt, was zu tun ist, Köln 1990. und Paul, Gerhard, Hitlers Schatten verblasst. Die Normalisierung des Rechtsextremismus, Bonn 1989.

11 Vgl. Kapitel 4.

12 Rommelspacher, Birgit, Dominanzkultur. Texte zu Fremdheit und Macht, Berlin 1995.

13 Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.), Deutsche Zustände. Folgen 1-3, Frankfurt/M. 2002-2005.

14 Vgl. Staud, 2005.

15 Steglich, Henrik, Die NPD in Sachsen. Organisatorische Voraussetzungen ihres Wahlerfolgs 2004, Göttingen 2005.

16 Vgl. Kapitel 2.

17 Vgl. Fußnote 27.

18 Brähler, Elmar, Decker, Oliver, Vom Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellung und ihre Einflussfaktoren in Deutschland, Berlin 2006.

19 Edinger, Michael, Hallermann, Andreas, Schmitt, Karl, Ergebnisse des Thüringen-Monitors 1999-2006, Jena 1999-2006.

20 Vgl. Kapitel 9.

21 Vgl. Steglich, 2005, S. 11.

22 Vgl. Jaschke, Hans-Gerd, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Begriffe, Positionen, Praxisfelder, Wiesbaden 2001, S. 24.

23 Vgl. ebd., S. 24f. Dazu zählen u.a. Parteienverbote nach Art. 21 GG, Auflösung von Vereinigungen nach Art.

9 GG, Verwirkung von Grundrechten nach Art. 18 GG, Anwendung des politischen Strafrechts, polizeiliche und sonstige exekutive Maßnahmen.

24 Meier, Horst, Die NPD ist nicht so gefährlich, wie alle glauben, in: Die Welt online

<http://www.welt.de/data/2006/11/16/1111849.html> vom 16.11.2006 (Zugriff am 17.12.2006).

25 Vgl. ebd.

26 Vgl. Lipset, Seymour M., Der „Faschismus“, die Linke, die Rechte und die Mitte, in: Kölner Zeitschrift für Psychologie und Sozialpsychologie 1959, S. 401-444, hier S. 401.

27 Zahlreiche Kritiker werfen Backes und Jesse Geschichtsrevisionismus und eine gefährliche Nähe zur Neuen Rechten vor. Anlass dafür bot u.a. die Herausgabe des Sammelbandes „Die Schatten der Vergangenheit. Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus“ zusammen mit dem neurechten Vordenker Rainer Zitelmann im Ullstein-Verlag 1990, in dem dezidiert das Ende der Aufarbeitung des Nationalsozialismus gefordert wurde. Des weiteren tat sich insbesondere Jesse durch antisemitische Ausfälle und seine Gegnerschaft zum geplanten NPD- Verbot hervor, welches den „Popanz eines gefährlichen Rechtsextremismus“ aufbaue. Nichtsdestotrotz fungieren beide als „Extremismusexperten“ für die Bundeszentrale für politische Bildung und gelten breiten gesellschaftlichen und politischen Kreisen als seriöse Wissenschaftler. Vgl. Wiegel, Gerd, Politik mit der Vergangenheit. Entsorgung der Geschichte als Beitrag zur Hegemoniefähigkeit, in: Klotz, Johannes, Schneider, Ulrich, Die selbstbewusste Nation und ihr Geschichtsbild. Geschichtslegenden der Neuen Rechten, Köln 1997,

S. 65-78, hier S. 68.

28 Backes, Professor an der TU Dresden, und Jesse, Professor an der TU Chemnitz, sind u.a. Herausgeber des seit 1990 erscheinenden „Jahrbuchs Extremismus und Demokratie“. Vgl. Backes, Uwe, Jesse, Eckhard (Hrsg.), Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1989.

29 Vgl. BfV, Verfassungsschutzbericht 2005, Berlin 2006, S. 155 ff.

30 Vgl. Meisner, Matthias, Nah dran. Der Abgeordnete Ramelow im Visier des Verfassungsschutzes - darf das sein?, in: Der Tagesspiegel vom 06.08.2006, S. 4.

31 Jaschke, 2001, S. 28.

32 Vgl. Fromm, Erich, Studie über Autorität und Familie. Sozialpsychologischer Teil, in: ders., Gesamtausgabe Bd. 1, Stuttgart 1980 [Original 1936], S. 139-187. Als grundlegendstes Werk der Nachkriegszeit und Maßstab heutiger Studien gilt: Adorno et al., 1950.

33 Vgl. Kleinert, Corinna, Rijke, Johann de, Rechtsextreme Orientierungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, in: Schubarth, Wilfried, Stöss, Richard (Hrsg.), Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz, Opladen 2001, S. 167-198, hier S. 170.

34 Die Zahl der vom Verfassungsschutz registrierten rechtsextremen Gewalttaten lag im Jahr 1990 bei 200. 1991 waren es bereits 800, 1992 wurde ein bisher einmaliger Höhepunkt mit über 1400 rechtsextremen Gewalttaten erreicht. Danach sank die Zahl wieder ab und bewegte sich seitdem zwischen 600 bis 800 Gewalttaten jährlich (Ausnahme 2000: 1000 Gewalttaten). Im Jahr 2001 wurde ein neues Zählsystem eingeführt. Dabei ist zu beachten, dass die reale Zahl rechtsextremer Übergriffe real wesentlich höher liegen dürfte, jedoch z.T. auf Grund vorgeblich oder tatsächlich unklarer Motive nicht in die Statistik des VS einfließt bzw. aus Angst vor erneuten Übergriffen von den Opfern nicht angezeigt wird. Mit vorläufig 657 durch die Polizei registrierten rechtsextremen Gewalttaten und 11.252 „rechtsextremistisch motivierten“ Straftaten wird für das Jahr 2006 ein neuer Höchststand seit 2001 erwartet. Die endgültigen Zahlen erscheinen erst im Mai 2007 und werden üblicherweise stark nach oben korrigiert.

Vgl. Bühler, Siegfried, Schoen, Harald, Feinde im Inneren. Politischer Extremismus im vereinigten Deutschland, in: Falter, Jürgen W. et al. (Hrsg.), Sind wir ein Volk? Ost- und Westdeutschland im Vergleich, München 2006,

S. 188-212, hier S. 191 ff. und Vgl. Ganter, Stephan, Esser, Hartmut, Ursachen und Formen der

Fremdenfeindlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1999, S. 40. und Vgl. Wittrock, Phillip, Traurige Statistik. Rechtsextreme Straftaten auf Höchststand, in: Spiegel online

<http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,457997,00.html> vom 05.01.2007 (Zugriff am 12.01.2007).

35 Vgl. Rommelspacher, 1995, S. 80.

36 Beck, Ulrich, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt/M. 1986.

37 Vgl. ebd., S.25.

38 Ebd., S. 31.

39 Vgl. ebd., S. 121 ff.

40 Ebd., S. 161.

41 Vgl. ebd., S. 206.

42 Vgl. Heitmeyer, Wilhelm et al. (Hrsg.), Die Bielefelder Rechtsextremismus-Studie. Erste Langzeituntersuchung zur politischen Sozialisation männlicher Jugendlicher, Weinheim/München 1992, S. 9.

43 Vgl. ebd.

44 Rommelspacher, 1995, S. 86.

45 Ebd.

46 Vgl. ebd., S. 14.

47 Vgl. Heitmeyer, 1987.

48 Vgl. ebd., S. 16.

49 Heitmeyer, 1992, S. 13.

50 Vgl. Heitmeyer, Wilhelm, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Die theoretische Konzeption und erste empirische Ergebnisse, in: ders. (Hrsg.), Deutsche Zustände. Folge 1, Frankfurt/M. 2002b, S. 15-36, hier S. 17.

51 Ebd.

52 Ebd. S. 37.

53 Vgl. Tajfel, Henry, Turner, John, An integrative theory of intergroup conflict, in: Austin, William G., Worchel, Stephen (Hrsg.), The social psychology of intergroup relations, Monterey 1986, S. 7-24, hier S. 24.

54 Held, Josef, Horn, Hans-Werner et al., „Du mußt so handeln, daß du Gewinn machst...“. Empirische

Untersuchungen und theoretische Überlegungen zu politisch rechten Orientierungen jugendlicher Arbeitnehmer, Duisburg 1991, S. 23.

55 Vgl. ebd., S. 158 ff.

56 Roth, Karl-Heinz, Europa der „Völker“? Sozialstruktur und Perspektiven der neuen Rechten in Westeuropa, in: Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 4/1992, S. 7-10, hier S. 7.

57 Heitmeyer, 2002b, S. 17.

58 Ebd., S. 19.

59 Vgl. Rommelspacher, 2006, S. 146.

60 Vgl. Heitmeyer et al., 2002c, S 38f.

61 Ebd., S. 27f.

62 Heitmeyer, Wilhelm, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Die theoretische Konzeption und erste empirische Ergebnisse, in: ders. (Hrsg.), Deutsche Zustände. Folge 1, Frankfurt/M. 2002b, S. 15-36, hier S. 19.

63 Vgl. ebd., S. 54.

64 Rommelspacher, 1995, S. 22.

65 Ebd. „Kollektives Gedächtnis“ wird an dieser Stelle im Sinne von Norbert Elias „soziologischer Vererbung“ gebraucht. Damit ist die Weitergabe von Vorurteilen, Diskriminierungs- und Hierarchiemustern und deren Vertiefung von Generation zu Generation gemeint. Elias, Norbert, Scotson, John L., Etablierte und Außenseiter, in: Blomert, Reinhard, Hammer, Heike et al. (Hrsg.), Norbert Elias. Gesammelte Schriften, Bd. 4, Frankfurt/M. 2002, S. 270.

66 Hervorhebung im Original. Ebd., S. 22.

67 Vgl. ebd., S. 15 ff.

68 Ebd., S. 23.

69 Vgl. ebd.

70 Ebd.

71 Ebd., S. 33.

72 Vgl. ebd., S. 26.

73 Rommelspacher, 1995, S. 13.

74 Ebd.

75 Ebd.

76 Ebd., S. 83.

77 Ebd., S. 83f.

78 Rommelspacher 1995, S. 82.

79 „Die Mitte wird ‚normal feindselig’. Der eigenen Verstörung kann man so eine Normalität von Hierarchien, Zugehörigkeit und Normdurchsetzung entgegenstellen, die wiederum zur eigenen Stabilität beiträgt. So erhält man eine Art von Kontrollbewusstsein zurück.“ Heitmeyer, Wilhelm, Küpper, Beate, Feindselige Frauen. Zwischen Angst, Zugehörigkeit und Durchsetzungsideologie, in: Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.), Deutsche Zustände. Folge 3, Frankfurt/M. 2005e, S. 108-128, hier S. 110.

80 Rommelspacher, Birgit, Rechtsextremismus und Dominanzkultur, in: Adreas Foitzik et al. (Hrsg.), „Ein Herrenvolk von Untertanen“. Rassismus - Nationalismus - Sexismus, Duisburg 1992, S. 85.

81 Christoph Butterwegge bemängelt beispielsweise, dass Rechtsextremismus oftmals als ein „Randphänomen“ umgedeutet werde. Zum einen werde er dadurch zu einem Problem marginalisierter Gruppen und gleichzeitig zu einer politischen Marginalie gemacht. Damit entlaste sich die „Mitte“ selbst, indem sie die Verantwortung für „extremistische“ Auswüchse an jugendliche Problemgruppen, z.B. Skinheads, abgebe und aus den Übergriffen verständliche Reaktionen sozial Benachteiligter mache. Wenn Heitmeyer feststelle, so die Soziologin Irmgard Pinn, dass „zwei Drittel der Jugendlichen mit positivem Selbstkonzept und Zügen der Selbstüberschätzung - also sicher keine ,ängstlichen’ Typen - Tendenzen zu autoritär-nationalisierenden Sichtweisen“ aufwiesen und „im Gegensatz dazu [...] fast 60 Prozent der Jugendlichen mit negativem Selbstkonzept und Minderwertigkeitsgefühlen die für solche Einstellungen typischen Aussagen ab[-lehnten]“, dann ließe sich die Desintegrationsthese „nicht belegen“. Vgl. Butterwegge, Christoph, Häusler, Alexander, Rechtsextremismus, Rassismus und Nationalsozialismus: Randprobleme oder Phänomene der Mitte?, in: Butterwegge, Christoph, Cremer, Janine et al. (Hrsg.), Themen der Rechten - Themen der Mitte. Zuwanderung, demografischer Wandel und Nationalbewusstsein, Opladen 2002a, hier S. 228. und Pinn, Irmgard, Kritische Anmerkungen zur Einschätzung rechtsextremistischer Orientierungen und Verhaltensweisen bei Jugendlichen, in: Arbeitskreis Jugendarbeit und Rechtsextremismus Aachen (Hrsg.), Jugendliche auf dem Weg nach rechtsaußen?, Duisburg 1990, S. 40-72, hier S. 49.

82 Zu Heitmeyers Theorie über die Entstehung rechter Gewalt meint Birgit Rommelspacher: „Wenn also etwa Heitmeyer [...] in Bezug auf rechte Gewalt apodiktisch behauptet, dass zuerst die Gewalt komme und dann die Ideologie, dann wird hier die Bedeutung der Ideologie unterschätzt.“ Rechtsextremismus lasse sich nicht auf seine gewalttätigen Formen reduzieren; außerdem sei eine nachträgliche politische Begründung für Übergriffe durch jugendliche Gewalttäter zwar in manchen Fällen nicht von der Hand zu weisen, jedoch sei sie ebenso wenig die Regel. Rommelspacher, Birgit, „Der Hass hat uns geeint“. Junge Rechtsextreme und ihr Ausstieg aus der Szene, Frankfurt/M. 2006, S. 117.

83 Heitmeyer, Wilhelm, Das Desintegrations-Theorem. Ein Erklärungsansatz zu fremdenfeindlich motivierter, rechtsextremistischer Gewalt und zur Lähmung gesellschaftlicher Institutionen, in: ders. (Hrsg.), Das GewaltDilemma. Gesellschaftliche Reaktionen auf fremdenfeindliche Gewalt und Rechtsextremismus, Frankfurt/M. 1994a, S. 29-72, hier S. 46.

84 Heitmeyer verwendet diese Kategorisierung u.a. in oben genannter Studie von 1994. Jenes Milieu wird durch eine Fixierung auf Leistung, Macht und Besitz, aber vor allem durch überdurchschnittliches Selbstbewusstsein, hohen Bildungsgrad, gute finanzielle Ausstattung und geringe Anomie-Empfindungen charakterisiert. Es bildet mit 50 Prozent bei einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von nur 36 Prozent die größte als „rechtsextrem“ kategorisierte Gruppe. Verortet Heitmeyer die Ursachen im „traditionslosen Arbeitermilieu“ noch in „Desintegrationsprozessen in Form von Ausgrenzungserfahrungen“, zeichneten sich im „aufstiegsorientierten Milieu“ „relative Desintegrationsängste bezüglich Statuslabilisierungen“ für rechte Einstellungen verantwortlich. Vgl. ebd., S. 36.

85 Vgl. Steglich, Henrik, Die NPD in Sachsen. Organisatorische Voraussetzungen ihres Wahlerfolgs 2004, Göttingen 2005, S. 133.

86 Diese Bundesländer sind vom ersten Platz an abwärts: Sachsen-Anhalt (Januar-Oktober 2006: 92

Gewalttaten/1001 Straftaten), Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Endgültige Zahlen für 2006 werden vom BMI im Mai 2007 veröffentlicht. Vgl. Wittrock, 2007.

87 NPD wächst, DVU und Reps schrumpfen, in: Spiegel online <http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,459021,00.html> vom 11.01.2007 (Zugriff am 14.01.2007).

88 Heitmeyer, 1994a, S. 46.

89 Vgl. ebd., S. 46f.

90 Der „Thüringen-Monitor“ ist eine von der Thüringer Staatskanzlei in Auftrag gegebene Studie, anhand derer Einstellungen der Thüringer Bevölkerung zur Politik allgemein sowie zu einem jährlich wechselnden, ausgewählten Schwerpunktthema untersucht werden. Sie wird alljährlich im Thüringer Landtag vorgestellt. Daraufhin kommt es stets zu heftigen Debatten zwischen Regierung und Opposition über die politischen Konsequenzen der vorgestellten Studie. Nachzulesen sind die unterschiedlichen Schlussfolgerungen der Landtagsabgeordneten zum Teil auf deren Websites bzw. in Positionspapieren der jeweiligen Parteien. Des weiteren beziehen Verbände vom DGB bis zum Landesjugendring, Kirchen, Medien von „OTZ“ bis „Jungle World“, Initiativen und Privatpersonen Stellung und initiieren eine Diskussion über Ursachen und Folgen von Politikverdrossenheit, Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Xenophobie in Thüringen/ Ostdeutschland/Deutschland. Beispiele hierfür sind u.a.:

Fischer, Jörg, Thüringen-Monitor 2005: Kein Grund zur Entwarnung. Auf der Website des jüdisch-deutschen Vereins „Hagalil e.V.“ <http://www.hagalil.com/archiv/2005/12/monitor.htm> am 05.01.2006. Billerbeck, Liane von, Feine Risse im Fundament. In Thüringen wächst die Demokratie-Verdrossenheit. Jeder Fünfte hätte nichts gegen eine Diktatur, in: Die Zeit vom 27.11.2003, S. 7.

Thüringen-Monitor 2005: Edinger, Michael, Hallermann, Andreas, Schmitt, Karl, Politische Kultur im Freistaat Thüringen. 1990-2005: Das vereinigte Deutschland im Urteil der Thüringer. Ergebnisse des Thüringen-Monitors 2005, Jena 2005.

91 Vgl. Edinger et al., 2005, S. 71f.

92 „Wer den beiden Aussagen ‚In diesen Zeiten brauchen wir unbedingt eine starke Hand.’ und ‚Wer seine Kinder zu anständigen Bürgern erziehen will, muss von ihnen vor allem Gehorsam und Disziplin verlangen.’ zustimmt, wird demnach als autoritär, wer beide ablehnt als nicht-autoritär eingestuft. Die Mittelgruppe setzt sich aus den Befragten zusammen, die einer Aussage zustimmen und die andere ablehnen.“ Ebd., S. 48.

93 Vgl. ebd., S. 72.

94 Waibel, Harry, Rechtsextremismus in der DDR bis 1989, Köln 1996, S. 196.

95 Giordano, Ralph, Die zweite Schuld oder von der Last Deutscher zu sein, Hamburg 1991, S. 215.

96 Vgl. Waibel, 1996, S. 196 ff.

97 Vgl. Rausch, Thomas, Zwischen Selbstverwirklichungsstreben und Rassismus. Soziale Deutungsmuster ostdeutscher Jugendlicher, Opladen 1999, S. 249.

98 Vgl. Maaz, Hans-Joachim, Der Gefühlsstau. Ein Psychogramm der DDR, Berlin 1990, S. 25.

99 Christian Pfeiffer (SPD) war von 2000 bis 2003 Justizminister in Niedersachsen. Vgl. Pfeiffer, Christian, Anleitung zum Hass, in: Der Spiegel vom 22.03.1999, S. 60 ff.

100 Friedrich, Walter, Ist der Rechtsextremismus im Osten ein Produkt der autoritären DDR?, in: APuZ B46/2001, S. 16-23, hier S. 23.

101 Vgl. ebd.

102 Rommelspacher, 2006, S. 116.

103 Vgl. Adorno et al., 1950.

104 Vgl. Oesterreich, Detlef, Flucht in die Sicherheit. Zur Theorie des Autoritarismus und der autoritären Reaktion, Opladen 1996.

105 Oesterreich, 1996, S. 94.

106 Vgl. Förster, Peter et al., Jugend Ost. Zwischen Hoffnung und Gewalt, Opladen 1993, S. 28f.

107 Vgl. Brähler et al., 2006, S. 49. und Vgl. Edinger et al., 2005, S. 70.

108 Vgl. ebd., S. 113.

109 Vgl. ebd., S. 87.

Ende der Leseprobe aus 194 Seiten

Details

Titel
Soziale Basis und Strategie der NPD in Ostdeutschland
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Politikwissenschaft/Soziologie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
194
Katalognummer
V78579
ISBN (eBook)
9783638800136
Dateigröße
1771 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kritik der Gutachter: "Am Schluss fehlt ein systematischer Bezug auf die eingangs diskutierten Theoreme.", "Die Argumentation [...] ist nicht immer kohärent." wohlwollende Kritik der Gutachter: "außerordentlich material- und kenntnisreich", "Der Autor arbeitet sehr aufschlussreich einen Widerspruch der NPD-Strategie heraus", "enzyklopädisches Wissen", "Leidenschaft bei wissenschaftlich gebotener Distanz - beides ist für Magisterarbeiten eher ungewöhnlich und gehört gefördert." "gelungene, eigenständige Forschungsleistung, die in dieser Qualität für eine Magisterarbeit ungewöhnlich ist"
Schlagworte
Soziale, Basis, Strategie, Ostdeutschland
Arbeit zitieren
Alexander Lorenz (Autor:in), 2007, Soziale Basis und Strategie der NPD in Ostdeutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78579

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