Vorschulische Bildungseinrichtungen - hilfreich, schädlich oder überflüssig?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

45 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Einflüsse von Fremdbetreuung auf die kindliche Entwicklung – Kurzdarstellung internationaler Forschungsergebnisse von Alison Clarke-Stewart (USA) und Eric Plaisance (Frankreich)

Die derzeitige Kinderbetreuungssituation in Deutschland.

Aktuelle theoretische Positionen zur Erklärung von Bildungsungleichheiten:

Primäre und sekundäre Herkunftseffekte / Rational-Choice-Theorien

Kann frühkindliche Förderung soziale Ungleichheiten beseitigen?.

Quellenverzeichnis

Anhang

Einleitung

Wenn es um Kinderbetreuung geht, steht vorwiegend die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Vordergrund. Seltener wird danach gefragt, welche unmittelbaren und langfristigen Auswirkungen Kinderbetreuung im Kleinkindalter hat. Geht es den Kindern gut dabei? Profitieren sie unter Umständen davon?

Die Diskussion um Kinderbetreuung für unter 3-jährige wurde und wird oft sehr polemisch geführt, die einen sehen den einzig wahren Aufbewahrungsort für Kinder bei der Mutter, die anderen befürworten die Krippenerziehung.

Dabei kann es nicht darum gehen, Vor- und Nachteile einer Betreuungsform gegen die andere aufzurechnen: Die Art der Betreuung muss zum Kind und dessen Familie passen. Betreuung muss qualitativ hochwertig, vielseitig und den individuellen Bedürfnissen angepasst sein. Dies bedeutet auch, dass ein Kind nicht ausschließlich von der Mutter betreut werden muss. Kinder sollten nicht nur ein Recht Pflege, sondern auch ein Recht auf Bildung vom Tag ihrer Geburt an haben.

Wie wird dieser Bildungsauftrag derzeit in Deutschland erfüllt? Kann vorschulische Bildung eine nachhaltige Wirkung auf Bildungschancen und damit auf den weiteren Lebensweg der Kinder haben?

In der vorliegenden Untersuchung soll der Frage nachgegangen werden, ob und wie vorschulische Bildungseinrichtungen soziale Ungleichheiten und ihre nachteiligen Entwicklungsfolgen für Kinder abbauen können.

Zu diesem Zweck wurden zwei Experteninterviews geführt mit Fachfrauen, um herauszufinden, welche Erfahrungen sie gemacht haben. Die erste Interviewpartnerin Frau Beate Ritter ist seit vielen Jahren bei Pro Kind e.V. in Bensheim-Auerbach, Bachgasse 39, tätig. Pro Kind e.V. ist eine Krabbelstube für 1- bis 3-jährige, die aus einer privaten Elterninitiative entstanden ist. Die Betreuungszeiten sind derzeit von 7:30 – 13:30 Uhr; Frühstück und Mittagessen wird angeboten. Frau Ritter wurde als Kind selbst in Kinderkrippe und –hort betreut, hat ihre Ausbildung zur Erzieherin in der ehemaligen DDR absolviert und war dort ebenfalls mehrere Jahre in ihrem Beruf tätig, so dass sie über Erfahrungen aus Ost- und Westdeutschland verfügt und über den Stellenwert, den Kinderbetreuung in verschiedenen Regionen Deutschlands hat. Auch aus diesem Grund wurde sie für die Untersuchung ausgewählt.

Die zweite Interviewpartnerin Frau Barbara Ottofrickenstein-Ripper ist Mutter und von Beruf Diplom-Pädagogin, ihr Sohn Julian hat vor 15 Jahren die Krabbelstube Pro Kind e.V. besucht zu einer Zeit, als es in der Region Südhessen/Bergstraße noch sehr ungewöhnlich war, ein Kind unter 3 Jahren „wegzugeben“, wie Frau Ottofrickenstein-Ripper berichtet. Mittlerweile ist Julian 16 Jahre alt und hat auch andere Betreuungseinrichtungen (Kindergarten, Kinderhort) durchlaufen. Die Mutter berichtet von positiven Erfahrungen der Kinderbetreuung.

Dieses so erworbene Meinungsbild einer Erzieherin und einer Mutter erhebt natürlich keinen Anspruch auf Generalisierbarkeit. Daher wurde Fachliteratur herangezogen, um Theorien zum Untersuchungsthema zu finden. Diese Theorien wurden mit den Aussagen der Interviewpartnerinnen verglichen und Schlussfolgerungen daraus gezogen, so dass als Ergebnis eine Antwort auf die Untersuchungsfrage gefunden werden konnte, die sich sowohl auf die Experteninterviews als auch auf breiter angelegte Untersuchungen, die eine größere Stichprobe abdecken, und Fachtheorien stützt.

Die Methode der Experteninterviews erschien deshalb als geeignet, da die Erfahrungen, die mit vorschulischen Bildungseinrichtungen gemacht wurden, und Meinungen zum Thema Kinderbetreuung von Betroffenen beleuchtet werden sollen. Es ging darum herauszufinden, was die Betroffenen wollen und wie sie es empfinden statt Untersuchungen für oder gegen Kinderbetreuung zu rezitieren. Die Autorin wollte nicht herausfinden, was Wissenschaftler oder Politiker zu diesem Thema zu sagen haben; die ehrliche Meinung von Betroffenen stand im Vordergrund.

Fall-basierte Erklärungsstrategie

Nicht alle Fragen konnten in der Untersuchung thematisiert werden, z.B. wurde darauf verzichtet, eine Mutter zu interviewen, die nicht zufrieden mit der vorschulischen Kinderbetreuung war. Die Gründe, warum Kinder nicht in eine Krabbelstube oder einen Kindergarten gegeben werden, sind vielfältig und müssten in einer eigenen Forschungsarbeit untersucht werden. Hier ging es allerdings allein um die mögliche Wirkung vorschulischer Betreuungseinrichtung; Gründe für oder gegen den Besuch werden genannt, aber nicht in aller Einzelheit besprochen.

Die kindliche Entwicklung im Spannungsfeld von Elternhaus und Fremdbetreuung

Bei der Frage, ob vorschulische Betreuungseinrichtungen eher hilfreich oder schädlich oder gar überflüssig ist, hat die Autorin nach empirischen Untersuchungsergebnissen geforscht. Fthenakis und Textor haben in ihrem Sammelband „Qualität von Kinderbetreuung – Konzepte, Forschungsergebnisse, internationaler Vergleich“ verschiedene Formen außerfamilialer Erziehung dargestellt und über die Qualität dieser Einrichtungen berichtet sowie Beiträge von international tätigen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen über die Qualität der Kinderbetreuung in ihren Heimatländern mit aufgenommen.

Besonders interessant erschienen mir die Ergebnisse der amerikanischen Wissenschaftlerin Alison Clarke-Stewart, Prof. Dr. , University of California, Irvine, die bereits seit den 70er Jahren Studien zur Kinderbetreuung durchgeführt hat und die ich im folgenden kurz skizzieren will: Clarke-Stewart berichtet von Fremdbetreuung in den USA, die trotz hoher Verbreitung und zunehmender Nachfrage widersprüchlich und desorganisiert sei, von hoher Qualität bis sehr schlechter Qualität variieren die Angebote: „Es zeigt sich, dass die Qualität der Fremdbetreuung nur so gut ist, wie es das Gesetz verlangt; wenn eine hohe Qualität nicht vorgesehen ist, stellt sie sich nicht ein.“ (aus: Qualität von Kinderbetreuung, S. 148-149).

Nachdem in den 60er Jahre Kinderbetreuung staatlich gefördert wurde, sind die staatlichen Leistungen seitdem in diesem Bereich kontinuierlich zurückgegangen, die Bezahlung der Erzieher ist oft sehr schlecht. Nicht nur Eltern, sondern auch Wissenschaftler interessieren sich daher, welche Auswirkungen Fremdbetreuung auf Kinder hat (aus: Qualität von Kinderbetreuung, S. 148-149).

Clarke-Stewart konnte in ihren Untersuchungen und im Vergleich weiterer Untersuchungen feststellen, dass Kinder, die fremdbetreut werden, oftmals ein hohes Maß an motorischen, kognitiven und sozialen Kompetenzen besitzen. In mehreren Untersuchungen erzielten sie bessere Ergebnisse in Intelligenztests, verfügten über eine bessere Auge-Hand-Koordination und mehr arithmetische Fertigkeiten (Zählen, Messen usw.), waren kreativer im Umgang mit Materialien, konnten Informationen besser behalten und akkurater wiedergeben und verwendeten einen komplexeren Sprachstil (aus: Qualität von Kinderbetreuung, S. 150). So konnte in einer amerikanischen Untersuchung der Altersgruppe von zwei- bis vierjährigen Kinder bei den fremdbetreuten Kindern festgestellt werden, dass diese in ihrer Entwicklung im Durchschnitt um sechs bis neun Monate weiter waren als Kinder, die zu Hause betreut wurden (Clarke-Stewart 1984, 1987 aus: Qualität von Kinderbetreuung, S. 150).

Dieser Entwicklungsvorsprung bleibt jedoch nur so lange bestehen, wie die Kinder die Tageseinrichtung besuchen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die erste Schulklasse beenden, werden sie in der Regel von den Kindern eingeholt, die nicht fremdbetreut wurden. Sie zeigen sich nach ca. 1 Jahr in der Fremdbetreuung und nehmen dann nicht weiter zu (aus: Qualität von Kinderbetreuung, S. 151).

Nach denselben Untersuchungen sind diese Kinder aber auch unhöflicher, weniger verträglich, ungehorsamer, ungestümer, gereizter und aggressiver. Wenn fremdbetreute Kinder sozial kompetenter seien, wie ist dann ein solches Verhalten zu erklären? Nach Clarke-Stewart sind fremdbetreute Kinder sehr früh schon sehr selbständig und fest entschlossen, ihren eigenen Weg zu gehen - ohne jedoch schon über die sozialen Fertigkeiten zu verfügen, mit denen sie dies problemlos erreichen könnten. Ihre Eltern und Erziehern gegenüber verweigern sie daher den Gehorsam (aus: Qualität von Kinderbetreuung, S. 151).

In den Untersuchungen wird deutlich, dass die Qualität von Kinderbetreuung besonders durch die nachfolgenden Faktoren bestimmt wird, die in einem eindeutigen Bezug zur positiven Entwicklung der Kinder stehen:

- die Räumlichkeiten der Einrichtung
- das Verhalten der Betreuer/innen
- das Curriculum / Strukturierung des Tagesablaufs
- die Anzahl der Kinder (aus: Qualität von Kinderbetreuung, S. 152 – 157)

Wissenswert wäre nun, ob die frühe Förderung der fremdbetreuten Kinder sich im späteren Lebensalter niederschlägt, etwa beim Übergang in eine weiterführende Schule bzw. ob gerade Kinder aus sog. sozial benachteiligten Familien an diesen Förderangeboten teilhaben sollten.

Eric Plaisance, Prof. Dr., Universität René Descartes, Paris, weist in seinem Beitrag darauf hin, dass die Kinder, die die in Frankreich übliche école maternelle (ab dem 2. Lebensjahr) besucht hatten, weniger häufig sitzen blieben und in Tests bessere kognitive Ergebnisse erzielten (aus: Qualität von Kinderbetreuung, S. 176 u. S. 177). Es konnte sogar festgestellt werden, dass es einen Einfluss hat, ob die Kinder ab dem 2. oder erst ab dem 3. Lebensjahr die école maternelle besuchten (aus: Qualität von Kinderbetreuung, S. 177 u. S. 178).

Die Besonderheit der Kinderbetreuung in Frankreich liegt zum einen in der langen Tradition, die die außerfamiliale Kinderbetreuung in diesem Land hat, zum anderen in den hohen Besuchsquoten der école maternelle (aus: Qualität von Kinderbetreuung, S. 170). Die überwiegende Mehrheit der Familien nutzt diese Möglichkeit freiwillig und unabhängig von einer Erwerbstätigkeit der Mutter, lediglich im Arbeitermilieu konnte eine Tendenz festgestellt werden, die Kinder eher durch Verwandte beaufsichtigen zu lassen (aus: Qualität von Kinderbetreuung, S. 173).

Dabei kann durch Vorschulerziehung soziale Ungleichheit oder soziale Probleme in den Familien nicht beseitigt werden, aber die Kinder, die eine Frühförderung erhalten hatten, profitierten davon und zwar unabhängig von ihrer sozialen Herkunft (aus: Qualität von Kinderbetreuung, S. 179). Nach Ansicht der Autorin werden durch solche Angebote gerade die Kinder aus sozial schwachen und deprivierten Milieus gefördert, die ansonsten keinerlei Unterstützung erfahren würden, den übrigen Kindern, die aus Familien mit größeren Ressourcen verfügen, tut eine solche Förderung ebenfalls gut. Es spricht also aus wissenschaftlicher Sicht nichts gegen eine Frühförderung.

Mit Frühförderung ist – so Plaisance – nicht frühzeitiges Lesen oder Leseanbahnung gemeint, sondern die Möglichkeit Lernerfahrungen in Beziehung zu anderen machen zu können (aus: Qualität von Kinderbetreuung, S. 180). Plaisance merkt jedoch auch an, dass neben der Debatte über Qualität auch die „Frage nach der Beziehung zwischen Bildungseinrichtungen und den sie nutzenden Familien“ gestellt werden muss.

Die derzeitige Kinderbetreuungssituation in Deutschland

Michaela Kreyenfeld untersucht in ihrem Beitrag „Soziale Ungleichheit und Kinderbetreuung. Eine Analyse der sozialen und ökonomischen Determinanten der Nutzung von Kindertageseinrichtungen“, der aus dem Sammelband „Bildung als Privileg“ von Becker und Lauterbach (siehe nähere Information unter XXX) entnommen ist, von wem Kinderbetreuungseinrichtungen genutzt werden.

Kinderbetreuung – so weiß Kreyenfeld - erfolgt in Deutschland in erster Linie über öffentliche Institutionen und Einrichtungen freier Träger; private Anbieter sind eine Ausnahmeerscheinung (aus: Bildung als Privileg, S. 99). Den Kommunen obliegt die Ausgestaltung der Kinderbetreuungs-Infrastruktur im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten, sofern es keine Vorgaben von Bund oder Ländern gibt (aus: Bildung als Privileg, S. 105).

Kreyenfeld weist darauf hin, dass es in Deutschland zusätzlich eine Rolle spielt, ob die Eltern einen Betreuungsplatz in Anspruch nehmen wollen. Besonders in den alten Bundesländern herrschen weiterhin traditionelle Vorstellungen zur Müttererwerbstätigkeit und zur institutionellen Betreuung von Kindern vor, die ebenfalls die geringe Nachfrage nach externen Betreuungsleistungen erklären mögen (aus: Bildung als Privileg, S. 100). Seit 1996 gibt es ein Recht auf einen Halbtags-Kindergartenbetreuungsplatz. Dieses ist aber oft nicht flexibel genug, um eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Der Kindergarten wird eher als ergänzendes Betreuungsangebot zu der familialen Erziehung gesehen, weniger als Instrument, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können (aus: Bildung als Privileg, S. 101).

Die wenigen Plätze, die es im Krippen- und Hortbereich gibt, werden über Wartelisten nach sozialen Dringlichkeitskriterien vergeben. Kreyenfeld folgert daraus, dass für das Krippen – und Hortwesen eine sozial differenzierte Nutzung von Kindertageseinrichtungen vermutet werden kann (aus: Bildung als Privileg, S. 100).

Da es sich bei den Kinderbetreuungseinrichtungen in der Mehrzahl um öffentlich geförderte Angebote handelt, stellt Kreyenfeld die Frage, welche Bevölkerungsgruppen diese Angebote auch tatsächlich nutzen, „welche sozialen Gruppen bevorzugten Zugang zu diesen hoch subventionierten Leistungen erhalten“ (aus: Bildung als Privileg, S. 103).

Während in Westdeutschland die Versorgungsquote im Krippen- und Hortbereich seit den 70er Jahren stagniert – lediglich im Kindergartenbereich gibt es mehr Plätze – besteht in Ostdeutschland immer noch ein höherer Versorgungsgrad (aus: Bildung als Privileg, S. 106-107).

Im folgenden möchte ich die weiteren Ergebnisse Kreyenfelds zusammenfassen:

„In Westdeutschland zeigt sich im Kindergartenbereich ein eindeutig positiver Zusammenhang zwischen Besuch der Tageseinrichtung und dem Bildungsstatus der Mutter. In Ostdeutschland gilt dieser Zusammenhang ebenfalls für den Hort- und den Krippenbereich.“ (aus: Bildung als Privileg, S. 111. Kreyenfeld folgert daraus, dass Frauen mit Hochschulabschluss eher eine Tagesbetreuung benötigen, da sie mit größerer Wahrscheinlichkeit erwerbstätig als Frauen mit niedrigerer Qualifikation.

Dass Eltern, die erwerbstätig sind, eher einer Kinderbetreuung bedürfen als andere, ist klar. Zudem dürfte es für diese Eltern auch einfacher sein, die Kosten für die Kinderbetreuung aufzubringen. Außerdem gibt es insgesamt nur sehr wenige Betreuungsplätze, so dass diese zunächst an erwerbstätige Eltern vergeben werden müssen – inwieweit die bevorzugte Vergabe von Plätzen an Erwerbstätige für arbeitslose Eltern die Arbeitssuche beeinflusst, ist eine interessante Fragestellung (aus: Bildung als Privileg, S. 114).

Die Wahrscheinlichkeit, in ländlichen Regionen eine Krippe oder einen Hort zu nutzen, ist geringer als in städtischen Gebieten. Auch zwischen Familienstand und der Nutzung von Betreuungseinrichtungen gibt es einen Zusammenhang: Unverheiratete Eltern nutzen diese Angebote häufiger als Verheiratete – in Ostdeutschland besteht dieser Zusammenhang nicht, hier nutzen verheiratete Frauen gleichermaßen Betreuungseinrichtungen wie z.B. Alleinerziehende (aus: Bildung als Privileg, S. 114).

Ausländische Kinder besuchen seltener den Kindergarten als deutsche Kinder. Kinder von Eltern mit Hochschulabschluss besuchen häufiger den Kindergarten als andere Kinder (aus: Bildung als Privileg, S. 116).

Kinder mit einem Geschwisterteil besuchen häufiger die Krippe; je mehr Geschwister das Kind hat, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es Einrichtungen wie Krippe, Kindergarten oder Hort besucht (aus: Bildung als Privileg, S. 115 Tabellenübersicht).

Die Wahrscheinlichkeit, einen Betreuungsplatz zu nutzen, ist demnach abhängig von der Nationalität des Kindes, der Gemeindegröße, der Anzahl der Geschwister, dem Familienstand der Bezugspersonen, dem Bildungs- und Erwerbsstatus der Mutter (und wohl auch dem des Vaters) sowie dem verfügbaren Nettoeinkommen. Je größer ein Haushalt ist, um so eher sind Alternativen für eine Betreuung jüngerer Kinder innerhalb des Haushaltes vorhanden oder desto größer sind auch bei einer höheren Kinderzahl die anfallenden Kosten für eine außerhäusliche Kinderbetreuung.

So gibt es zahlreiche Variablen, die Einfluss ausüben, ob das Kind die Möglichkeit erhält, eine Einrichtung für Kinder zu besuchen. Eine soziale Selektion bei der Nutzung vorschulischer Kinderbetreuung wird sichtbar: Kinder, die diese Möglichkeit nicht haben, können in ihrer Entwicklung benachteiligt werden. Soziale Ungleichheiten können somit bereits im Vorschulalter reproduziert werden.

Aktuelle theoretische Positionen zur Erklärung von Bildungsungleichheiten: Primäre und sekundäre Herkunftseffekte

Becker und Lauterbach erörtern in ihrem Sammelband „Bildung als Privileg? – Erklärungen und Befunde zu den Ursachen der Bildungsungleichheit“ die Frage, warum es trotz vieler Anstrengungen im Bildungsbereich immer noch so ist, dass höhere Sozialschichten auch höhrere Chancen haben, höhere Bildung zu erlangen: „Trotz Bildungsexpansion und gestiegener Bildungsbeteiligung in allen Sozialschichten sind ungleiche Bildungschancen nach sozialer Herkunft, der ethnischen Zugehörigkeit eingeschlossen, in allen Bereichen des deutschen Bildungssystems immer noch ein Faktum.“ (aus: Bildung als Privileg, Vorwort, 1. und 2. Abs.) In den einzelnen Beiträgen, die die Autoren zusammengestellt haben, geht es neben der Ursachenforschung vor allem um die sozialen Mechanismen, die für die Bildungsungleichheit verantwortlich sind.

Bildung bedeutet nach Becker und Lauterbach „nicht nur eine formale, auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Ressource im Sinne des Humankapitals, sondern eine entscheidende Voraussetzung für viele unterschiedliche Lebenschancen“ (aus: Bildung als Privileg, S. 10, 2. Abs.) Damit eröffnet Bildung nicht nur Zugang zu den höheren Positionen auf dem Arbeitsmarkt und damit i.d.R. zu einem messbar höheren Einkommen und materiellen Wohlstand, sondern hat auch Einfluss auf die Partnerwahl, die Art und Weise der Lebensführung hat oder wie die Person am kulturellen oder politischen Leben partizipiert.

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Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Vorschulische Bildungseinrichtungen - hilfreich, schädlich oder überflüssig?
Hochschule
FernUniversität Hagen
Veranstaltung
Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse
Autor
Jahr
2006
Seiten
45
Katalognummer
V78515
ISBN (eBook)
9783638840675
ISBN (Buch)
9783638840682
Dateigröße
592 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vorschulische, Bildungseinrichtungen, Experteninterviews, Inhaltsanalyse
Arbeit zitieren
Tanja Schmidt (Autor:in), 2006, Vorschulische Bildungseinrichtungen - hilfreich, schädlich oder überflüssig?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78515

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